Große Herausforderungen beim AKE-Projekt

Der Umbau des Emschersystems ist bereits weit vorangeschritten und es wird viel über die Emscher und das Großprojekt Abwasserkanal Emscher (AKE) berichtet. Von ebenso großer Bedeutung ist jedoch auch die Entflechtung der Nebenläufe – oft eine Aufgabe der anliegenden Kommunen.


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Im Essener Norden, an den Stadtgrenzen zu Oberhausen und Bottrop, fließen der Barchembach und der Pausmühlenbach der Emscher zu. Die Gewässer nehmen in ihren natürlichen Oberläufen sanierungsbedürftige Mischwasserentlastungen auf, die Unterläufe stellen offene Abwasserläufe dar. Beide Gewässer liegen weitestgehend in der Unterhaltungspflicht der Stadt Essen. Der Projektraum befindet sich im Übergang zwischen urbaner Nutzung und ökologischer Vielfalt: Die Rahmenbedingungen mussten entsprechend berücksichtigt werden. Zudem gibt es im Projektraum zahlreiche zu kreuzende Infrastruktureinrichtungen (Straße, Schiene, Wasserstraße) und Gewässer. Um die städtischen Gewässer nachhaltig zu entflechten, ist der Bau neuer paralleler Abwassersysteme durch die Stadtwerke Essen als Erfüllungsgehilfe der Stadt Essen erforderlich.
Abwasserfreiheit im Emschersystem: Große Herausforderungen beim AKE-Projekt
Rohrvortrieb DN 2800 im Rahmen des AKE-Projekts | Foto: Fischer Teamplan Ingenieurbüro

Herausforderung Kampfmittel

Auch im nördlichen Ruhrgebiet befinden sich seit dem 2. Weltkrieg noch große Mengen von Kampfmittelaltlasten im Untergrund. Bei Tiefbauarbeiten ist daher grundsätzlich mit entsprechender Vorsicht vorzugehen. Bei der Einbringung von Baukörpern, wie z.B. Spundwänden und Bohrpfahlwänden, sind zur Erkundung von Kampfmittelrückständen vorlaufende Sondierungen erforderlich.

Die Sondierungen führen jedoch, besonders im Bereich von urbanen Veränderungen und Aufschüttungen, nicht immer zu eindeutigen Erkenntnissen, sodass weitergehende, teilweise sehr aufwendige und großflächige Untersuchungen erforderlich werden. Obwohl der Aufwand so hoch ist und in einem ersten Schritt zum Teil keine hinreichend eindeutigen Ergebnisse erzielt werden können, überwiegt der Nutzen: Der Schutz der Mitarbeiter und Bürger.

Ortsbrust | Foto: Fischer Teamplan Ingenieurbüro
Ortsbrust | Foto: Fischer Teamplan Ingenieurbüro

Bei Rohrvortriebsarbeiten mit offenem Schild und teilflächigem Abbau war in der Vergangenheit nicht grundsätzlich eine vorlaufende Kampfmittelsondierung gefordert. Der Abbau des Aushubmaterials erfolgte an der Ortsbrust von einem mitarbeitergeführten Abbaugerät, sodass Kampfmittelrückstände – wie auch im offenen Graben – bei entsprechender Vorsicht rechtzeitig erkannt und geborgen werden konnten. Rohrvortriebe mit offenem Schild wurden gerade bei der Kreuzung bzw. Unterquerung von kritischen Infrastruktureinrichtungen oder von schützenswerten Landschaftsbestandteilen gewählt.

Seit ca. 5 Jahren wird die Gefährdungssituation entgegen früheren Beurteilungen mittlerweile anders eingeschätzt und eine Kampfmittelsondierung ist nun auch bei Rohrvortrieben mit offenem Schild grundsätzlich erforderlich.

Kampfmittelsondierungen | Foto: Fischer Teamplan Ingenieurbüro
Kampfmittelsondierungen | Foto: Fischer Teamplan Ingenieurbüro

Herausforderung Planungsprozess

Die geplanten Kanaltrassen an Barchembach und Pausmühlenbach kreuzen Infrastruktureinrichtungen (Gleis- und Straßenverkehrsanlagen) sowie geschützte Landschaftsbestandteile; sie werden zu einem großen Anteil im Rohrvortriebsverfahren umgesetzt. Die gesamten Vortriebsstrecken haben eine Länge von ca. 8 km und weisen Durchmesser von DN 1600 bis DN 2800 auf.

Aufgrund der aktuellen Einschätzung der Gefährdungssituation waren umfangreiche Kampfmittelsondierungen erforderlich. Der Trasse der Rohrvortriebsstrecke folgend waren diese Sondierungen u.a. auch im Bereich von Gleisanlagen, Straßenverbindungen, Waldgebieten und Kleingartenanlagen durchzuführen. Die Arbeiten wurden zwar so durchgeführt, dass sie Bürger und Umwelt möglichst wenig beeinträchtigten, gänzlich vermeiden lassen sich Beeinträchtigungen jedoch nicht.

Schachtausbau | Foto: Fischer Teamplan Ingenieurbüro
Schachtausbau | Foto: Fischer Teamplan Ingenieurbüro

Im Bereich der kreuzenden Infrastruktureinrichtungen war eine vorlaufende vertikale Sondierung nicht möglich, Vortriebsstrecken von ca. 300 m wurden daher über vorlaufende Horizontalbohrungen sondiert. Zum Einsatz kamen sowohl vorlaufende HDD-Bohrungen als auch das Uxoscope-Verfahren. Letzteres stellt kein geregeltes Verfahren dar, sein Einsatz wurde daher mit den Ordnungsbehörden und der Bezirksregierung für den Einzelfall intensiv abgestimmt.

Für die weiteren ca. 2,5 km Rohrvortriebsstrecken im Gefährdungsband wurden ca. 5.000 Bohrungen und ca. 37.000 Bohrmeter umgesetzt. Bei den Sondierungen wurden in Teilbereichen auch Verdachtspunkte lokalisiert, die anschließend durch Suchschachtungen verifiziert und – falls erforderlich – geräumt wurden.

Anspruchsvolle Umsetzung

Die Entflechtungen am Barchembach sind weitestgehend abgeschlossen. In einer Bauzeit von etwa 4 Jahren wurden ca. 5.000 m Rohrvortriebsstrecken (DN 1600 - DN 2400), ca. 475 m Microtunneling (DN 300 - DN 800) und ca. 2.000 m offener Kanalbau (DN 300 - DN 1.200) umgesetzt. Dabei wurden sechs Gleistrassen und vier Gewässer gekreuzt. Zudem führte die Baustelle über weite Teile durch stark urban genutzte Stadtbereiche. Die Baugruben im Bereich des Rohrvortriebs wurden vornehmlich mit überschnittenen Bohrpfahlwänden mit einer durchschnittlichen Tiefe von 10 m gesichert und anschließend zu Revisionsschächten ausgebaut.

Absenkschacht | Foto: Fischer Teamplan Ingenieurbüro
Absenkschacht | Foto: Fischer Teamplan Ingenieurbüro

Eine besondere Herausforderung stellte der Rohrvortrieb in der stark frequentierten Donnerstraße dar. Hier wird eine DB-Trasse in unmittelbarer Nähe zum Brückenwiderlager gekreuzt und eine Gleisanlage der Straßenbahn auf einer Länge von 600 m unterfahren. Die erforderlichen Schachtbauwerke wurden in unmittelbarer Nähe zu den Schienenanlagen im Absenkverfahren – zum Teil in Nachtarbeit – errichtet.

Die Anbindung der Anschlussleitungen in der Donnerstraße erfolgt (unter Grundwasser) ebenfalls im Bohrverfahren. Damit kann sowohl der ÖPNV als auch der Individualverkehr in den maßgeblichen Verkehrsachsen aufrechterhalten werden.

Anschlussbohrungen | Foto: Fischer Teamplan Ingenieurbüro
Anschlussbohrungen | Foto: Fischer Teamplan Ingenieurbüro

Am Pausmühlenbach laufen die Kanalbauarbeiten seit Januar 2020. Bis Ende 2021, also in einer Bauzeit von nur 2 Jahren, sollen ca. 3.200 m Rohrvortrieb (DN 1600 - DN 2800) und ca. 1.800 m offener Kanalbau (DN 300 - DN 1000) umgesetzt werden. Die engen zeitlichen Vorgaben stehen im Zusammenhang mit der Abwasserfreiheit der Emscher und erforderten ein hohes Maß an frühzeitiger Abstimmung mit allen Projektbeteiligten. So durften trotz der hohen Bautätigkeit Rettungswege, Schulwege und mobilitätsrelevante Verkehrsachsen nicht beeinträchtigt werden. Dies führte zu zahlreichen Abhängigkeiten im Projektverlauf, die in der Planungsphase erarbeitet, in der Ausschreibungsphase beschrieben und in der Umsetzungsphase nun gesteuert und überwacht werden.

Eine besondere Herausforderung in der baulichen Umsetzung stellt der Kanalneubau DN 2800 in der Levinstraße dar. Hier wurden in der Planungsphase die Möglichkeiten der offenen und geschlossenen Bauweise intensiv untersucht. Durch den sehr hohen Grundwasserstand wäre eine offene Verlegung nur im Schutz wasserdichter Verbausysteme mit Einbindung in grundwasserdichte Schichten möglich gewesen. Dies hätte einen Spundwandverbau mit Dielenlängen von ca. 20 m und einem erheblichen Eingriff in den Kanal- und Leitungsbestand bedeutet. Zudem wäre eine Verkehrsführung nicht mehr möglich gewesen. Gewählt wurde daher die Verlegung im Rohrvortriebsverfahren. Hierbei war neben einer geringen Überdeckung der durchgehend parallel verlaufende Mischwasserkanal (DN 250 - DN 700) zu berücksichtigen. Zum Schutz des ca. 60 Jahre alten Kanals wurde dieser auf der gesamten Länge der Parallelverlegung (ca. 700 m) zuvor mit einem Liner u.a. gegen eintretende Bohrsuspension gesichert. Zudem wird mit dem Rohrvortrieb eine Transportgasleitung DN 250 im Schutzrohr DN 700 in einem Abstand von 0,7 m gekreuzt. Hier wurde in enger Abstimmung mit dem Leitungsbetreiber ein Sicherungs- und Überwachungssystem erarbeitet und begleitet.

Sicherung der kreuzenden Gasleitung | Foto: Fischer Teamplan Ingenieurbüro
Sicherung der kreuzenden Gasleitung | Foto: Fischer Teamplan Ingenieurbüro

Die Gesamtmaßnahmen zur Entflechtung von Barchembach und Pausmühlenbach geben einen guten Eindruck, welche Aufwendungen auch an den Nebenläufen und in den Anliegerkommunen mit dem „Generationenprojekt Emscherumbau“ verbunden sind. Die großen Anstrengungen auch der Stadtwerke Essen AG zeugen von dem Willen, naturnahe und erlebbare Gewässer wieder bis in die Städte hineinzubringen.

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*Autoren:
Claudia Köster
Stadtwerke Essen AG
Leitung Planung Entwässerung
Tel.: 0201/800-1740
claudia.koester@stadtwerke-essen.de
www.stadtwerke-essen.de

Ralf Ostermann
Fischer Teamplan Ingenieurbüro GmbH
Geschäftsführer
Tel.: 02235/402-115
ralf.ostermann@fischer-teamplan.de
www.fischer-teamplan.de


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