Grabenlose Bauverfahren für die unterirdische Infrastruktur
Ob Sanierung eines beschädigten Altrohrs oder Neuverlegung im Kanal- und Leitungsbau: Vieles in der unterirdischen Infrastruktur lässt sich heutzutage grabenlos lösen. Das hat oft Vorteile, denn Verkehr und Natur bleiben so von Bau- und Sanierungsmaßnahmen größtenteils ungestört. Dazu sind die grabenlosen Verfahren in vielen Fällen kostengünstiger als die offene Bauweise. Welches Verfahren am besten geeignet ist, unterscheidet sich dabei von Baustelle zu Baustelle.
Wenn durch Baustellen Staus entstehen, sorgt dies nicht nur für Unmut bei Autofahrern. Oft zieht Verkehrschaos auch einen wirtschaftlichen Rattenschwanz nach sich: Geschäfte sind für Kunden unerreichbar, Mitarbeiter bleiben im Verkehr stecken.
Während in der Stadt Kanal- und Leitungsbauarbeiten in offener Bauweise trotzdem eine mögliche Vorgehensweise darstellen, sind sie an anderer Stelle ausgeschlossen, wie u.a. in Naturschutzgebieten. Grabenlose Verfahren schaffen dort umweltschonend Abhilfe.
Nicht zuletzt wird auch auf der Baustelle selbst Zeit, Geld und selbstverständlich Platz gespart – z.B. für den Abtransport oder die Lagerung des Bodenaushubs. Dies gilt für die Neuverlegung von Kanal- und Leitungsrohren ebenso wie für die Sanierung beschädigter Altrohre.
Dies ist eine Übersicht gängiger grabenloser Bau- und Sanierungsverfahren ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Neubau von Kanälen und Leitungen: Grabenlose Verfahren
Horizontalspülbohrverfahren
Dieses Verfahren ist im Rohr- und Kabeltiefbau vielseitig einsetzbar und eignet sich gut zum Unterqueren von Hindernissen. Das Horizontalspülbohrverfahren besteht aus drei Verfahrensschritten: Einer gesteuerten Pilotbohrung, der Aufweitung und schließlich dem Einzug. Zu beachten ist hier die Beschaffenheit des Baugrunds, an der sich die Auswahl von Maschinen- und Bohrtechnik sowie die Rezeptur der Bohrspülung orientieren muss.
Microtunneling
Microtunneling zeichnet sich insbesondere durch seine hohe Verlegegenauigkeit aus. Zwischen einem Start- und einem Zielschacht bewegt sich dabei eine ferngesteuerte Vortriebsmaschine durch die Erde. Der Bohrkopf wird auf die jeweiligen geologischen Begebenheiten angepasst. Vortriebsrohre werden nach und nach in die Startbaugrube hinabgelassen und vor der Presseinrichtung installiert. Der länger werdende Rohrstrang dient als Kraftübertragung zur Vortriebsmaschine. Das Verfahren ermöglicht Kurvenfahrten und kann mir Rohren aus Beton, Polymerbeton, Steinzeug und GFK durchgeführt werden.
Direct Pipe-Verfahren
Das einstufige Bauverfahren Direct Pipe wurde von der Firma Herrenknecht entwickelt. Es eignet sich für die grabenlose Verlegung von Stahlrohren im Pipelinebau. Der Rohrstrang aus Stahlrohren wird hierfür vorgeschweißt und an seiner Spitze wird eine Microtunneling-Maschine installiert. Als Vorschubeinheit fungiert der an der Startgrube aufgestellte Pipe Thruster, der das Stahlrohr von außen umfasst und schubweise den Rohrstrand in den Boden vorpresst.
E-Power Pipe
E-Power Pipe ist ein Verfahren speziell für die grabenlose Verlegung von Erdkabeln in geringer Tiefenlage von 1,5 bis 4 Metern über große Haltungslängen. Es wurde ebenso wie Direct Pipe von Herrenknecht entwickelt und zeichnet sich durch hohe Geschwindigkeit und Zielgenauigkeit aus. In den Vortriebsrohren aus Stahl sind die Ver- und Entsorgungsleitungen für die Maschine installiert. Nach dem Bergen der Vortriebsmaschine in der Zielgrube und dem Drehen der Vortriebsmaschine in der Startgrube um 180 Grad wird das Kabelschutzrohr aus HDPE an das Vortriebsrohr angebracht und eingezogen.
Pipe Express
Pipe Express ist ein halboffenes Vortriebsverfahren, das von der Firma Herrenknecht entwickelt wurde. Es ähnelt dem Microtunneling, mit dem Unterschied, dass hier eine Tunnelbohrmaschine an der Spitze des zu verlegenden Rohrstrangs montiert wird, aus der von der Fräseinheit durch einen Schlitz im Erdreich der gelöste Boden gefördert wird. Das Verfahren eignet sich für die Verlegung von Stahlrohren mit Überdeckungen zwischen 0,50 und 2,50 Meter.
Erdraketen
Die Erdraketen oder auch Bodenverdrängungshämmer (daher auch: Bodenverdrängungsverfahren) gelten als einfaches und günstiges Instrument zur Verlegung von Rohren und Kabeln. Im Vergleich mit dem Horizontalspülbohrverfahren ist der Vortrieb mit Erdraketen nicht steuerbar. Daher wird die Maschine in der Startbaugrube genau aufs Ziel ausgerichtet. Die Erdrakete bewegt sich mit schlagender Energie vorwärts und verdrängt die Erde. Dieses Verfahren eignet sich für die Verlegung von Rohren bis DN 200.
Rammverfahren
Dieses Verfahren ist für die Unterquerung von z.B. Straßen, Bahngleisen oder Flussläufen geeignet und funktioniert ungesteuert. Ein mit einem Schneidschuh versehenes Stahlrohr wird in der Zielbaugrube genau auf die Startbaugrube ausgerichtet und kraftschlüssig mit einer Rohrramme verbunden. Die Rohrramme wird mit Druckluft angetrieben. Während des Rammens bleibt im inneren des Rohrs ein Erdkern, der im Anschluss entweder mit Wasserdruck und Luftdruck oder nur mit Wasserdruck entfernt wird.
Pflugverfahren
Mit dem Pflugverfahren können Kabel- und Rohrleitungen über lange Strecken verlegt werden. Es eignet sich für geringe Verlegetiefen und kommt meist im ländlichen Bereich zum Einsatz. Die Verlegeeinheit besteht aus einem Verlegepflug und einer Seilwinde, die auf einem LKW oder Raupenfahrzeug installiert ist. Dieses Zugfahrzeug ist mit einem Stützschild ausgestattet, das als Widerlager verwendet wird. Der Pflug wird mit der Seilwinde über die Trasse gezogen.
Grabenlose Kanalsanierungs-Verfahren
Schlauchlining
Beim Schlauchlining wird ein Gewebeschlauch genau auf den Durchmesser und die Länge des zu sanierenden Rohrbereichs zugeschnitten und mit einem Harz getränkt. Auf der Baustelle wird dieser Schlauch dann so ins Rohr eingeführt, dass er formschlüssig und faltenfrei an der Rohrwandung anliegt. Anschließend wird das Harz ausgehärtet – hier unterscheidet man zwischen der Warmhärtung (mit Wasser oder Dampf) und der Lichthärtung.
Wickelrohrverfahren
Beim Wickelrohrverfahren wird über vorhandene Schachtöffnungen ein Kunststoff-Profilstreifen ins Rohr eingeführt, aus dem dann mit einer Wickelmaschine innerhalb des zu sanierenden Rohrs oder im Schacht ein Liner-Rohr entsteht. Das Verfahren eignet sich für die Sanierung von Kreis- und Sonderprofilen aller Art sowie für Nennweiten bis zu einem Durchmesser von 5.500 mm. Das Verfahren zeichnet sich durch seine Flexibilität und den geringen Platzbedarf für die Baustelle aus.
Close-Fit-Verfahren
Dieses grabenlose Rohrsanierungsverfahren eignet sich insbesondere für Druck- und Freispiegelleitungen mit einem Rohrdurchmesser von DN 100 bis DN 500. Ein Rohr aus PE-HD oder einem modifizierten PVC-U-Material wird C-förmig gefaltet, aufgerollt und zur Baustelle geliefert. In gefaltetem Zustand kann das Rohr dort in das zu sanierende Altrohr eingezogen werden. Anschließend wird das neue Rohr mit heißem Dampf unter Druck gesetzt, sodass es in seine ursprüngliche Form zurückspringt. Das Ergebnis ist ein statisch eigenständiges und drucktragendes neues Rohr mit der Qualität und Lebensdauer einer Neuverlegung.
Berstverfahren
Mit dem Berstverfahren können Rohrleitungen in Wasser-, Abwasser- oder Gasnetzen erneuert werden. Mithilfe eines konisch geformten Berstkörpers wird das Altrohr zerstört. Der Querschnitt der alten Leitung kann dabei erhalten oder auch vergrößert werden. In den aufgeweiteten Querschnitt wird im gleichen Arbeitsgang ein neuer Rohrstrang eingezogen.
Flutungsverfahren
Die Flutungsverfahren werden eingesetzt zur Abdichtung ganzer Haltungen oder Netzabschnitte und eignen sich besonders zur Sanierung von verzweigten Leitungssystemen, die für andere Sanierungsverfahren schwer oder gar nicht zugänglich sind. Bei dem Verfahren werden zwei flüssige Komponenten verwendet, die durch die Undichtigkeiten austreten und sich außerhalb des Kanals verbinden und verfestigen.
Sprühschleuderverfahren
Das Sprühschleuderverfahren eignet sich für die Sanierung innerhäuslicher Abwasserleitungen. Mittels Sprüh-, Schleuder- oder Bürstentechnik wird ein Reaktionsharz auf die Rohrinnenwand aufgetragen. Dieses härtet zu einer abdichtenden, korrosionsbeständigen Schicht aus. Für dieses Verfahren werden bereits vorhandene Öffnungen im Abwassersystem genutzt, z.B. Sanitäranbindungen wie Dusche, Spüle oder WC.