Komplexsanierung unter Bahngleisen
Die Sanierung eines strategisch wichtigen, jedoch maroden Großprofilkanals unter einer Hauptbahnstrecke in Bruchsal stellte alle Beteiligten vor enorme Herausforderungen.

Enge Platzverhältnisse, eine Vielzahl kreuzender und paralleler Versorgungsleitungen im Kanal, schwierige Zuständigkeiten und der Betrieb unter rollendem Rad erforderten eine präzise Planung und Koordination. Die Sanierungstechnik Dommel GmbH meisterte diese anspruchsvolle Aufgabe im Auftrag eines Konsortiums aus Abwasserbetrieb Bruchsal (AWB), Stadtwerken Bruchsal (SWB), Energie- und Wasserversorgung Bruchsal (ewb) sowie in enger Abstimmung mit der DB Infra Go AG.

Maroder Kanal als Nadelöhr mit Geschichte
Der Mischwasserkanal in der Werner-von-Siemens-Straße in Bruchsal fungiert als eine der Hauptentwässerungsadern der Stadt. Seine Ursprünge reichen bis ins Jahr 1896 zurück. Bereits in den Jahren 2010 und 2012 durchgeführte Inspektionen hatten erhebliche Schäden an dem teilweise gemauerten, teils betonierten Rechteckprofil mit Gewölbedecke und Trockenwetterrinne offenbart. Dokumentiert wurden Risse, Ausbrüche und fortschreitende Materialermüdung, die an einigen Stellen sogar die Standsicherheit des Bauwerks in Frage stellten.
Schon in der Vergangenheit waren Abschnitte dieses wichtigen Sammlers Gegenstand umfangreicher Sanierungsmaßnahmen. So berichtete die B_I umweltbau bereits in ihrer Ausgabe vom 19. Dezember 2014 über die Erneuerung eines Teilstücks durch die Firma Michel Bau. Damals erfolgte die Sanierung in offener Bauweise mittels GFK-Profilen unter extrem geringer Überdeckung von teilweise nur 35-45 cm. Eine Besonderheit, die bereits dieser frühere Artikel hervorhob und die auch den aktuellen Sanierungsabschnitt prägte, war die Unterbringung diverser Versorgungsleitungen (Trinkwasser, Strom, Telekom) direkt im alten Kanalprofil.
Nun stand der kritischste Teilabschnitt zur Sanierung an: die rund 80 Meter lange Querung unter der stark frequentierten Bahnstrecke Heidelberg-Karlsruhe, präzise lokalisiert zwischen der Siemens-Unterführung und dem Hauptbahnhof Bruchsal. Eine Sanierung war unumgänglich geworden. Die Dringlichkeit solcher Maßnahmen wurde durch jüngste Ereignisse, wie die massive Überflutung der direkt angrenzenden Siemens-Unterführung im August 2024, erneut drastisch unterstrichen. Dieser Vorfall verdeutlichte einmal mehr die immense Bedeutung funktionierender Entwässerungssysteme für die Resilienz urbaner Räume.

Vielfältige Herausforderungen im Untergrund
Die Rahmenbedingungen für das vom Ingenieurbüro TeamBau geplante Projekt (P1725) gestalteten sich als äußerst komplex:
- Bahnverkehr: Sämtliche Arbeiten mussten unter laufendem Bahnbetrieb auf einer Hauptverkehrsader der Bahn durchgeführt werden. Eine Vollsperrung der Strecke war zu keinem Zeitpunkt eine Option.
- Zugänglichkeit: Der Zugang zum Sanierungsbereich war erschwert und erfolgte primär über bestehende Schachtbauwerke. Für den Material- und Geräteeinbau musste zusätzlich eine temporäre Montageöffnung geschaffen werden.
- Zuständigkeiten: Eine klare Abgrenzung und Koordination der Verantwortlichkeiten zwischen dem Abwasserbetrieb Bruchsal (AWB), zuständig für Kanalwände und Sohle, und der DB Infra Go AG, verantwortlich für den Überbau bzw. die Gewölbedecke, war von essenzieller Bedeutung.
- Leitungswirrwarr im Kanal: Neben der zu sanierenden Wasserleitung DN 150 GG der Energie- und Wasserversorgung Bruchsal (ewb) verliefen Leerrohrtrassen der Telekom sowie zwei kritische Lichtwellenleiter (LWL), die unter keinen Umständen getrennt oder beschädigt werden durften.
- Asbestfund: Im Zuge der Vorarbeiten entpuppten sich alte, ungenutzte Kabelkanäle als asbesthaltig. Diese mussten unter Einhaltung strengster Sicherheitsvorkehrungen fachgerecht ausgebaut und entsorgt werden, was zu unplanmäßigen Verzögerungen im Projektablauf führte.
- Wasserhaltung: Angesichts hoher Trockenwetterabflüsse und der ständigen Gefahr von Rückstau wurde die Wasserhaltung als offene Wasserführung direkt im Kanalprofil realisiert. Eine kontinuierliche Wasserstandsüberwachung im vorgelagerten Kanalnetz sowie detailliert ausgearbeitete Notfallpläne für potenzielle Starkregenereignisse (bis zu 3000 l/s) gewährleisteten jederzeit die Sicherheit der Arbeiter und der Baumaßnahme.
- Sicherheit: Die Arbeiten im geschlossenen Kanalprofil erforderten die strikte Einhaltung aller relevanten Sicherheitsmaßnahmen gemäß DGUV Regel 103-004 („Arbeiten in umschlossenen Räumen von abwassertechnischen Anlagen“), inklusive kontinuierlicher Gaswarnmessungen, ausreichender Belüftung und eines umfassenden Rettungskonzepts.
Rohrpost abonnieren!
Wir graben für Sie nach Neuigkeiten. Die Ergebnisse gibt es bei uns im Newsletter.
Jetzt anmelden!


Planungsphase: Varianten und Entscheidungen
Die Planungsverantwortung lag beim Ingenieurbüro TeamBau (Projekt P1725). In der intensiven Planungsphase wurden zahlreiche Varianten detailliert untersucht, beleuchtet und kalkuliert, mussten jedoch aufgrund der komplexen Randbedingungen und der Vielzahl an Zwangspunkten wieder verworfen werden. Neben einer Dükerlösung wurden verschiedene Reliningmaßnahmen mit unterschiedlichen Querschnittsformen ebenso diskutiert wie Kombinationen von geschlossenen Verfahren, beispielsweise stollenbaumäßige Vortriebe.

Umsetzung: Innensanierung und Neuordnung der Versorger

Angesichts der vielschichtigen Randbedingungen und der Notwendigkeit, die vorhandenen und neuen Versorgungsleitungen sicher unterzubringen, entschied man sich letztendlich für eine manuelle Innensanierung der Kanalwände und der Sohle. Die mit den Arbeiten beauftragte Sanierungstechnik Dommel GmbH führte im Wesentlichen folgende Kernarbeiten aus:

- Vorbereitung: Zunächst erfolgte eine gründliche Reinigung des gesamten Kanalprofils von Ablagerungen und Verschmutzungen. Lose und nicht tragfähige Betonteile wurden sorgfältig entfernt und schadhafte Stellen bis auf den gesunden Betonkern abgestemmt, um eine optimale Untergrundvorbereitung für die nachfolgende Neubeschichtung zu gewährleisten.
- Reparatur & Beschichtung: Ausgebrochene und reprofilierungsbedürftige Bereiche wurden fachgerecht ausgebessert. Anschließend erfolgte eine vollflächige Beschichtung der Wände und der Sohle mit einem kunststoffmodifizierten Zementmörtel (PCC-Mörtel), um die Dichtigkeit und die statische Integrität des Bauwerks wiederherzustellen. Bestehende Anschlussleitungen wurden im Zuge dieser Arbeiten ebenfalls fachgerecht an die neue Innenoberfläche angebunden. Die Sanierung der Gewölbedecke erfolgte in separater Zuständigkeit und Ausführung durch die DB Infra Go AG.
- Versorgungsleitungen – Ausbau und Sicherung:
- Die alte Wasserleitung DN 150 aus Grauguss (GG) samt ihrer Betonauflager wurde demontiert und aus dem Kanal entfernt.
- Die asbesthaltigen Kabelkanäle wurden unter Einhaltung der TRGS 519 ausgebaut und fachgerecht entsorgt.
- Die vorhandenen Telekom-Leerrohre und die kritischen LWL-Kabel wurden gesichert und auf dem nördlichen Bankett des Kanals neu geordnet und fixiert.
- Versorgungsleitungen – Einbau neuer Leitungen:
- Wasserleitung: Es wurde eine neue Trinkwasserleitung DA 355 aus PE-RC (Resistance to Crack) mit einer Permeationssperre zum Schutz vor eindringenden Schadstoffen eingebracht.
- Fernwärmeleitungen: Zwei Fernwärmeleitungen DN 250 als Kunststoffmantelrohrsystem (KMR) wurden installiert. Diese wurden in 6-Meter-Stangen vorgefertigt, in die westliche Baugrube eingebracht, dort zu längeren Strängen verschweißt, fachgerecht gedämmt und nachumhüllt. Der Einzug in den Kanal erfolgte anschließend mittels eines Taktverfahrens über speziell konstruierte Rollenlager.
- Weitere Leerrohre: Diverse neue PE-Leerrohre (DA63, DA110, DA160) für zukünftige Bedarfe der ewb wurden ebenfalls verlegt.
- Trennung und Stabilisierung: Zur klaren Abtrennung des neu geschaffenen Versorgungsbereichs vom Abwasserkanal wurde eine Mauer aus Kanalklinkern errichtet. Der hinter dieser Mauer entstandene Hohlraum wurde abschnittsweise mit Dämmer (fließfähiger Verfüllbaustoff) verfüllt. Diese Maßnahme dient sowohl der Stabilisierung der neu verlegten Leitungen als auch der klaren Definition des verbleibenden Abwasserquerschnitts.
- Revisionsöffnungen: Sieben Revisionsöffnungen DN 500 aus Edelstahl wurden in die Trennwand integriert. Sie ermöglichen zukünftige Inspektionen und Wartungsarbeiten im Versorgungsbereich und dienen zugleich der Kontrolle des Auflagerbereichs der Gewölbedecke. Die notwendigen Rohrdurchführungen durch die bestehende Kanalwand wurden fachgerecht und dauerhaft dicht hergestellt.

Fazit: Gemeinschaftsleistung sichert kritische Infrastruktur
Die Sanierung des Hauptsammlers unter der stark frequentierten Bahnlinie in Bruchsal, gelegen zwischen der Siemens-Unterführung und dem Hauptbahnhof, war ein komplexes und anspruchsvolles Unterfangen. Es konnte nur durch die enge, vertrauensvolle und kooperative Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure – dem Abwasserbetrieb Bruchsal (AWB), den Stadtwerken Bruchsal (SWB), der Energie- und Wasserversorgung Bruchsal (ewb), der DB Infra Go AG, der Deutschen Telekom, der ausführenden Sanierungstechnik Dommel GmbH und dem planenden Ingenieurbüro TeamBau – erfolgreich umgesetzt werden.

Trotz unerwarteter Herausforderungen, wie dem Asbestfund, und der anspruchsvollen Logistik unter laufendem Bahnbetrieb, konnte dieses kritische Infrastrukturelement für die Zukunft gesichert werden. Gleichzeitig wurde durch die Neuordnung der Leitungen und die Schaffung zusätzlicher Kapazitäten wertvoller Raum für neue Versorgungsleitungen geschaffen. Das Projekt in Bruchsal unterstreicht eindrücklich die Notwendigkeit kontinuierlicher Investitionen in die unterirdische Infrastruktur. Nur so kann die Ver- und Entsorgungssicherheit urbaner Räume nachhaltig gewährleistet werden – eine Anforderung, die gerade vor dem Hintergrund zunehmender Extremwetterereignisse und steigender Anforderungen an die Versorgungssicherheit immer mehr an Bedeutung gewinnt.
Weiterlesen:
Neueste Beiträge:
Meistgelesene Artikel
Für welche Leistungsart interessieren Sie sich?


Bauleistungen


Dienstleistungen


Lieferleistungen
Verwandte Bau-Themen:
Top Bau-Themen:
Aktuelle Termine für unterirdische Infrastruktur
Jetzt zum Newsletter anmelden:
Leitungsbau, Kanalsanierung, Abwasser – erfahren Sie das wichtigste rund ums Thema unterirdische Infrastruktur.