Energiewende eröffnet Flüssigboden neue Perspektiven
Am Rande einer Veranstaltungspremiere zum Thema Flüssigboden in Hamburg hatten wir Gelegenheit zu einem Gespräch mit Vertretern der RAL Gütegemeinschaft Flüssigboden.

Mit diesem Konzept richtete sich die Veranstaltung an die Auftraggeberseite, an ausschreibende Stellen, an Planer, an Bodenlabore sowie an Auftragnehmer und Hersteller. Als Anwendungsfelder wurden neben dem klassischen Rohrleitungsbau die Verlegung von Fernwärmeleitungen und erdverlegten Starkstromkabeln vorgestellt sowie Aspekte der bestehenden Regelwerke und der Qualitätssicherung diskutiert. So sollten im Rahmen dieses Erfahrungsaustausches auf der Basis von fundierten Fachinformationen Vorbehalte und Verunsicherung gegenüber dem Einsatz von Flüssigboden abgebaut und Vertrauen in diese Verfahrenstechnik mit ihren Vorteilen und Einsatzmöglichkeiten gestärkt werden.
Nach dem erfolgreichen Auftakt soll diese Veranstaltung zukünftig alle zwei Jahre in Hamburg stattfinden und sich mit der ähnlich gestalteten DACH-Tagung zum Thema Flüssigboden in Dresden für Interessierte im Süden Deutschlands abwechseln.

Gütesicherung: Das Ergebnis zählt
Am Rande der Veranstaltung hatten wir Gelegenheit, mit dem Geschäftsführer der Gütegemeinschaft Flüssigboden, Axel Lobenstein, dem Obmann des Güteausschusses, Prof. Dr. Bernd Märtner, und Prof. Dr.-Ing. Markus Weber von derHochschule für angewandte Wissenschaft Coburg über aktuelle Themen und Entwicklungen im Bereich der Flüssigbodentechnologie zu sprechen.
B_I umweltbau: Vor zwei Jahren wurden die neuen Regelungen der Ersatzbaustoffverordnung in die Güte- und Prüfbestimmungen der RAL Gütegemeinschaft Flüssigboden aufgenommen. Wie entwickelt sich vor diesem Hintergrund der Markt für den Einsatz von Flüssigboden, auch mit Blick auf die großen anstehenden Infrastrukturprojekte?
Prof. Bernd Märtner: Wir befinden uns ja gerade hier in Norddeutschland, wo jetzt die großen Projekte der Erdkabelverlegung auf den Starkstromtrassen losgehen. Zum zweiten müssen im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung viel mehr Wärmenetze in den Städten verlegt werden. In beiden Bereichen sehen wir sehr gute Perspektiven für den Einsatz von Flüssigboden.
B_I umweltbau: Wie kann in diesen beiden Aufgabenfeldern die Flüssigbodentechnologie ihre besonderen Stärken einbringen?
Märtner: Der Flüssigboden ist zum einen ein volumenstabiles Bettungsmaterial; es kommt also nicht zu einer Ringspaltbildung. Und Flüssigboden lässt sich ganz gezielt mit einer hohen Wärmeleitfähigkeit herstellen, eine Eigenschaft, die bei der Verlegung der Erdkabel besonders wichtig ist. In der Verlegung von Starkstromkabeln und von Wärmenetzen sehen wir deshalb nicht nur für die Anbieter von Flüssigboden ein interessantes Umfeld. Diese Großprojekte werden darüber hinaus der Flüssigbodentechnologie einen Entwicklungsschub geben.

Technologieoffen Qualität sichern
B_I umweltbau: Der Begriff Flüssigboden ist nicht geschützt und es werden unter dieser Bezeichnung unterschiedliche Baustoffe mit sehr unterschiedlichen Eigenschaften hinsichtlich ihrer erreichten Druckfestigkeit respektive ihrer Wiederaushubfähigkeit angeboten. Um seitens des Auftraggebers das gewünschte Ergebnis zu erhalten, müssen die Anforderungen an den eingesetzten Baustoff klar definiert und überwacht werden. Wie erreicht man da mit Blick auf Planer und Auftraggeber die notwendige Transparenz?
Märtner: Unser Ansatz ist es, mit ergebnisorientierten, allgemein verbindlichen Güte- und Qualitätssicherungsrichtlinien zu arbeiten. Nicht Hersteller, Maschinentechnik oder Zuschlagstoffe sind entscheidend, sondern dass das Material im eingebauten Zustand dauerhaft die zugesagten Eigenschaften erfüllt. Dafür liefern die Güte- und Prüfbestimmungen der Gütegemeinschaft, RAL GZ 507, das geeignete Überwachungsinstrumentarium.
Prof. Markus Weber: Das Ergebnis muss letztendlich dem entsprechen, was ich haben möchte und bestellt habe. Wie ich dieses Ziel erreiche, ist dabei zweitrangig. Am Ende müssen die Eigenschaften, die gefordert sind, erfüllt werden. Und die werden über die Güte- und Prüfbestimmungen abgeprüft.
B_I umweltbau: Was muss ich als Planer oder Auftraggeber konkret tun, um mir diese Sicherheit zu erhalten?
Märtner: Ich würde die Gütebestimmungen der RAL 507 als Grundlage nehmen und fordern, dass der Flüssigboden entsprechend der RAL 507 hergestellt, transportiert und angewendet wird. So kann der Auftraggeber sicherstellen, dass er technologieoffen ausschreibt und das gewünschte Ergebnis erhält.
B_I umweltbau: Die Argumente für die Flüssigbodentechnologie als ressourcenschonendes, nachhaltiges und umweltfreundliches Bauverfahren mit vielen technischen Vorteilen sind sehr plausibel. Ist die aktuelle Gesetzeslage für den Einsatz von Flüssigboden förderlich oder eher behindernd?

Verunsicherung abbauen
B_I umweltbau: Wo sehen Sie sonst noch Hemmnisse, die einem weiter verbreiteten Einsatz von Flüssigboden entgegenstehen?
Märtner: Die Technologie ist auf den ersten Blick noch teuer und rechnet sich erst dann, wenn man vor vornherein die eingesparten Entsorgungskosten für den Bodenaushub mit einkalkuliert. Das passiert in der Praxis leider noch zu selten. Ich bin aber auch sicher, dass im Zuge der jetzt anstehenden Großprojekte bei der Starkstromkabelverlegung und dem Ausbau der Wärmenetze die Preise für den Flüssigboden fallen werden.
Weber: Außerdem gilt es weiterhin gegen Verunsicherung zu argumentieren, beispielsweise beim Umgang mit schadstoffbelasteten Böden. Wenn ich beispielsweise eine Stromleitung über eine grüne Wiese lege, wo der Boden naturbedingt erhöhte Schwermetallwerte aufweist, dann gibt es Behörden, die fordern, den Aushub auf einer Deponie zu entsorgen, und den Wiedereinbau in Form von Flüssigboden nicht zulassen, obwohl der Boden rechts und links der Trasse die gleichen Werte aufweist. Hier müssen wir weiterhin versuchen Überzeugungsarbeit zu leisten, um zu vernünftigen Lösungen zu kommen, zumal Bundesbodenschutzverordnung und Ersatzbaustoffverordnung in der Praxis an manchen Stellen nicht optimal ineinandergreifen.

Interesse an Flüssigbodentechnologie steigt
B_I umweltbau: Vor zwei Jahren sagten Sie an dieser Stelle: „Aufklärungsarbeit, wie die Flüssigbodentechnologie funktioniert, und Vertrauen in die Verlässlichkeit über Gütesicherung und Aus- bzw. Weiterbildung der Marktteilnehmer zu schaffen, sind der Schlüssel zum Erfolg.“ Sind Sie da entscheidend weitergekommen?
Axel Lobenstein: Die Teilnehmerzahlen an unseren Aus- und Weiterbildungsveranstaltungen sind in dieser Zeit deutlich gestiegen und wir haben auch unser Veranstaltungsangebot erheblich ausgebaut. Die Hamburger Veranstaltung hier ist ein Beispiel und die steigenden Teilnehmerzahlen an der FB DACH-Tagung an der HTW Dresden mit zuletzt in 2024 128 Teilnehmenden aus fünf Nationen sind ein Zeichen dafür, dass das Interesse an der Flüssigbodentechnologie signifikant zunimmt.
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Weber: Das heißt aber für uns auch: Dran bleiben! Es gibt nach wie vor genügend Gemeinden und Städte, die von Flüssigboden noch nie etwas gehört haben oder in denen es weiterhin Vorbehalte gibt. Hier gilt es zu informieren und zu überzeugen, dass Flüssigboden eine interessante Alternative mit sowohl technischen als auch umweltrelevanten Vorteilen darstellt.
Das Interview führte Artur zu Eulenburg.
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