Gütegesichertes „Learning by doing“
In Leipzig ist im letzten halben Jahr ein Mischwasserkanal DN 600 durch einen neuen Kanal DN 1000 ersetzt worden. Für den Auftraggeber stand fest, dass dieser neue Kanal in „Flüssigboden nach RAL-Gütezeichen 507“ gebettet und eingebaut werden soll. Dabei wird die Grabenaushub zu 100% in Form von Flüssigboden wiederverwendet – das hat nicht nur technologische Vorteile, sondern es schont auch die Umwelt und erfüllt das Kreislaufwirtschaftsgesetz zu 100%.
Flüssigboden nach RAL-GZ 507 ist ein kohäsiv, friktional rückverfestigendes, volumenstabiles Material aus der Gruppe der zeitweise fließfähigen Verfüllmaterialien. Der ressourcenschonende Natur-Baustoff ermöglicht als Grundlage die Wiederverwendung aller Bodenarten, die zeitweise in einen fließfähigen Zustand versetzt werden. Anschließend kommt es zur Rückverfestigung des Bodens mit steuerbaren Endeigenschaften und ohne externe Verdichtungsarbeit sowie ohne die Ausbildung starrer Strukturen unter Rückbildung des bodentypischen Verhaltens des Ausgangsbodens.
Die Aufbereitung des Bodenaushubes zu Flüssigboden kann dabei in zentralen Anlagen oder mit mobilen Anlagen unterschiedlicher Größe und kompletter Dokumentation des gesamten Herstellprozesses direkt auf der Baustelle erfolgen. Das Ziel ist dabei immer, dass der Flüssigboden nach seiner Rückverfestigung im Vorfeld definierte Eigenschaften erreicht. Dabei können die Eigenschaften ähnlich dem Umgebungsboden der Baustelle angepasst werden.
Doch die Baustelle „Am Sportpark“ in Leipzig hatte weitere Anforderung an die Bauausführenden. Die Maßnahme wurde der geotechnischen Kategorie 2 zugeordnet, da die Baugrube für den Kanal teilweise tiefer als 2,0 m lag und im Kämpferbereich mit Grundwasser zu rechnen war. Diese Kategorie erforderte aufgrund des mittleren Schwierigkeitsgrades eine ingenieurtechnische Bearbeitung sowie einen zahlenmäßigen Nachweis der Sicherheit, so z.B. auch den Nachweis der Auftriebssicherheit der Rohre im Betriebszustand der neuen Leitung.
Ausschreibung und Nachweis der Bietereignung
Die Ausschreibung des Tiefbauvorhabens hatte das Bauunternehmen Heinrich Lauber GmbH & Co. KG aus dem sächsischen Coswig gewonnen. Doch um den Vorgaben des Ausschreibungstextes in all seinen Facetten gerecht zu werden, war man auf fachkundige Unterstützung bei der „Einbau-Technologie“ angewiesen, da nur das Personal qualifiziert war, aber das Unternehmen selber noch nicht für die Herstellung / den Einbau zertifiziert ist bzw. RAL-Gütezeichen507-Inhaber ist.
Im Sinne der Innovation und auch weil die ausschreibende Stelle aufgrund des Diskriminierungsverbotes keinen Bieter benachteiligen darf, hat der Auftraggeber in Abstimmung mit dem Güteausschuss der RAL Gütegemeinschaft Flüssigboden den Nachweis der Gütesicherung als gleichwertig erbracht gewertet. Voraussetzung dafür war, dass der Bieter die Erfüllung der Anforderungen der Güte- und Prüfbestimmungen RAL-GZ 507 Abs. 3 und 4 für die geforderte Beurteilungsgruppe A2 (Anwender) durch einen Überwachungsvertrag / Prüfzeugnis sowie mit einem Prüfbericht der RAL Gütegemeinschaft Flüssigboden nachweisen muss.
Dieses Prüfzeugnis wird lediglich für die jeweilige Ausschreibung anerkannt. Demgegenüber ist die Nutzung des RAL-Gütezeichens 507 als Nachweis der Bietereignung aufgrund der regelmäßigen verpflichtenden Eigen- und Fremdüberwachung auf Dauer angelegt.
Zusätzlich wurde der Heinrich Lauber GmbH & Co. KG in Umsetzung der Baustelle vom Auftraggeber ein „Technologie-Trainer“ zur Seite gestellt. Dieses Coaching übernahm Frank Hauser von Hauser Service aus Engelbrand, der über vier Wochen lang das Personal der Tiefbaufirma aus Coswig bei der Umsetzung vor Ort unterstützte.
Verlegung mit Rohrverlegehilfen und Verbauboxen
Die Aufbereitung des Bodenaushubes zu Flüssigboden nach RAL-GZ 507 wurde in unmittelbarere Nähe zur Baustelle über eine mobile Flüssigbodenanlage gütegesichert durch die FB GmbH Eilenburg getätigt, Inhaber des RAL-GZ 507 in der Beurteilungsgruppe Hersteller (H1).
Die Verlegung der neuen Kanalrohre sollte hängend unter Einsatz von Rohrverlegehilfen zur Lagefixierung und Auftriebssicherung einschließlich der Messung des Auftriebsverlaufes und der Überprüfung der für die korrekte und problemfreie Umsetzung dieser Technologie relevanten Prozessparameter erfolgen. So wurde auch der Zeitpunkt vor Ort messtechnisch bestimmt und mit den ermittelten Werten aus der Rezepturermittlung verglichen, zu dem der Verbau gezogen werden kann, ohne dass der mit Flüssigboden gefüllte Rohrgraben unter dem Einfluss des aktiven Erddruckes und der Verkehrslast statisch gefährdet ist. Die Abstände der Rohrverlegehilfen wurden durch die entsprechende Auftriebsstatik vorgegeben. Der Einbau erfolge in der getakteten Bauweise. Die Firma Heinrich Lauber arbeitete sich dabei mit fünf Verbauboxen und drei Rohrverlegehilfen geordnet Stück für Stück auf der rund 600 langen Verbaustrecke vorwärts.
Technologisch bedingt wurden für den Flüssigbodeneinbau zur Abtrennung der Verfüllabschnitte Querschotte benötigt. Das Querschott diente in den einzelnen Verfüllabschnitten zwischen den Verbauboxen als Sperre und hinderte den Flüssigboden, in den nächsten Verfüllabschnitt zu fließen. Diese Querschotte wurden aus Stahlplatten hergestellt und individuell an die jeweiligen Regelquerschnitte des Rohrgrabens angepasst.
Aufgrund der Rohrverlegung mittels Rohrverlegehilfen in Flüssigboden wird der Graben dabei nicht leer gepumpt und die Grabensohle lediglich durch den ausgehobenen Boden kurzzeitig entlastet. Ein Wasserüberdruck auf die Grabensohle trat nicht auf, da das Wasser im Graben verbleibt. Gleichfalls vermieden wurde somit das Problem der Unterspundung, da keine Fließvorgänge um den Verbaufuß herum stattfanden.
Das Grundwasser stand auf beiden Seiten des Verbaus in gleicher Höhe an. Damit entstand kein Potentialunterschied vor und hinter der Verbauwand. Wenn es keinen Potentialunterschied gibt, gibt es auch keine Strömungen, die die baugrubenseitigen Bodenteilchen anheben können. Der hydraulische Grundbruch war somit ausgeschlossen.
Die Baumaßnahme dauerte rund ein halbes Jahr und wurde turnusmäßig durch einen RAL GZ 507-bestellten Fremdüberwacher parallel überwacht. Im November 2024 konnte sie erfolgreich abgeschlossen werden.
Fazit: Gemeinsam erfolgreich für den Klimaschutz
Dieses Beispiel zeigt, wie hoch die Komplexität in der fachgerechten Umsetzung der Flüssigbodentechnologie nach RAL GZ 507 ist. Und es zeigt gleichzeitig auf, dass Bauunternehmen, die noch nicht technologieerfahren bzw. nach RAL-GZ 507 FB qualifiziert sind, mit innovativen Auftraggebern und dem Güteschutz im Rücken anspruchsvolle Flüssigbodenbaustellen meistern können – gemeinsames gütegesichertes praktisches „Learning by doing“ sozusagen.
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Die auf der Baustelle der Leipziger Wasserwerke mit dem Einsatz von Flüssigboden nach RAL GZ 507 verbundenen Energieeinsparungen waren enorm. Eingesparte Energie reduziert auch CO2 in hohem Maße. Das ist praktischer Klimaschutz. Je nach Anwendung können bei der Verwendung von Flüssigboden bis zu 80% CO2 gegenüber vergleichbaren Verfüllverfahren auf Zement- oder Betonbasis eingespart werden. Damit sind die Leipziger Wasserwerke wieder ein Stück ihrem Ziel nahegekommen, Nachhaltigkeit in all ihren Facetten und Klimaneutralität in die Tat umzusetzen. Der Einsatz von Flüssigboden nach RAL GZ 507 aus Aushubboden als Verfüllbaustoff ist somit auch ein erster Beitrag, Leipzig bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden zu lassen.
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Quelle: RAL RAL Gütegemeinschaft Flüssigboden
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