RAL Flüssigboden: Gütesicherung auf aktuellem Stand
Für Planer und Bauherren bedeutet die Schärfung der Güte- und Qualitätssicherung eine noch einmal gesteigerte Verlässlichkeit in die Qualität des Baustoffes Flüssigboden. | Foto: RAL Gütegemeinschaft Flüssigboden
Prof. Dr.-Ing. Bernd Märtner ist Obmann des Güteausschusses der RAL Gütegemeinschaft Flüssigboden und hat in dieser Funktion entscheidend an der Überarbeitung der Güte- und Prüfbestimmungen mitgewirkt. „Die bisher geltenden Güte- und Prüfbestimmungen befanden sich auf dem technischen Stand von 2015“, erläutert Prof. Märtner. In den zurückliegenden Jahren habe es eine Reihe technischer Entwicklungen und Anwendungen gegeben, die in den bisherigen Bestimmungen keinen Niederschlag gefunden hätten. Als Beispiel nennt er die Energiewende und die positiven Eigenschaften des Flüssigbodens, bei der Bettung von erdverlegten Starkstromkabeln hinsichtlich der Wärmeableitung. Die längste bis jetzt in Deutschland erdverlegte Strecke für Hochspannungskabel sind 23 Kilometer. Allein die Trasse 2 von Amprion, die jetzt in Flüssigboden gebaut werden soll, sei rund 700 Kilometer lang, beschreibt Prof. Märtner. „Das Gleiche gilt für die Themen Nahwärme- und Nahkältesysteme. Auch hier erschließt sich der Flüssigboden neue Anwendungsfelder, die bisher nicht oder nicht in den Dimensionen nachgefragt wurden und auf die wir als Gütegemeinschaft reagieren müssen.“

Anpassung an die Ersatzbaustoffverordnung

Das zweite wesentliche Argument war die zum 1. August dieses Jahres in Kraft getretene Ersatzbaustoffverordnung mit ihren veränderten Bestimmungen für die Verwertung von mineralischen Abfällen, zu denen im großen Umfang der Bodenaushub auf Tiefbaustellen und damit die Grundlage für die Herstellung von Flüssigboden gehören. „Unser Ziel bei der Überarbeitung war es, die neuen Güte- und Prüfbestimmungen konform zur der neuen Ersatzbaustoffverordnung zu gestalten.“

Inhaltlich bedeutet dies eine Schärfung der Güte- und Qualitätssicherung. Zu der bereits bestehenden Eignungsprüfung kommen mit den neuen Bestimmungen eine werkseitige Eigenüberwachung und die Fremdüberwachung hinzu. Auf der Planungsseite wurde neben dem Planer auch der Fachplaner in die Güte- und Prüfbestimmungen aufgenommen und auch die Anforderungen an die Prüfstellen wurden den veränderten Anforderungen angeglichen.

Prof. Dr.-Ing. Bernd Märtner: „Unser Ziel bei der Überarbeitung war es, die neuen Güte- und Prüfbestimmungen konform zur der neuen Ersatzbaustoffverordnung zu gestalten.“ | Foto: RAL Gütegemeinschaft Flüssigboden
Prof. Dr.-Ing. Bernd Märtner: „Unser Ziel bei der Überarbeitung war es, die neuen Güte- und Prüfbestimmungen konform zur der neuen Ersatzbaustoffverordnung zu gestalten.“ | Foto: RAL Gütegemeinschaft Flüssigboden

Gütezeicheninhaber müssen – als Konsequenz und entsprechend der Ersatzbaustoffverordnung in der Praxis – mehr Proben nehmen, mit Rückstellproben arbeiten, den Dokumentationsaufwand erhöhen. „Für Planer und Bauherren bedeutet dies auf der anderen Seite eine erhöhte Sicherheit bei der Anwendung und eine noch einmal gesteigerte Verlässlichkeit in die Qualität des Baustoffes Flüssigboden“, so Prof. Märtner.

Verordnung mit Schwächen

Die Frage, ob die neue Ersatzbaustoffverordnung in ihrer jetzigen Fassung den Einsatz von Flüssigboden eher behindere oder befördere, sei spannend, sagt Prof. Dr. Markus Weber. Er beschäftigt sich an der Hochschule in Coburg in seinen zentralen Forschungsschwerpunkten mit Fragen rund um die Wertstoff- und Kreislaufwirtschaft, Aufbereitungstechnik und ressourceneffizientes Planen und Bauen und ist Mitglied im Güteausschuss der RAL Gütegemeinschaft Flüssigboden. „Im Moment würde ich eher sagen, sie behindert. Wir sind aber sehr engagiert mit den zuständigen Behörden im Gespräch, um noch Ungereimtheiten zu klären“, so Prof. Weber. Letztlich sei der Einsatz von Flüssigboden in der Ersatzbaustoffverordnung nicht explizit geregelt. „Der Gesetzgeber hat diesen Einsatzbereich schlicht vergessen“. Jetzt müsse in Einzelgesprächen dargelegt werden, wie man mit dieser Thematik umgeht und was dies für den Einsatz von Flüssigboden bedeutet. „Das sehen die sechzehn Bundesländer sehr unterschiedlich. Die einen wollen eine Einzelfallzulassung, die anderen sind da eher pragmatischer unterwegs.“ Wie das Thema wo in der Praxis letztlich gehandhabt wird, werde die Erfahrung in der Zeit nach dem 1. August zeigen, prognostiziert Prof. Weber.

Zum 1.1.2024 tritt zudem eine Änderung der Deponieverordnung in Kraft. Darin heißt es, dass nichts mehr auf eine Deponie verbracht werden darf, was nicht verwertet werden kann. Dies sei eine gegenläufige Entwicklung, die einen größeren Verwertungsdruck erzeuge, der sich nach Auffassung von Prof. Märtner positiv für den Einsatz von Flüssigboden auswirken werde.

In den zurückliegenden Jahren hat es eine Reihe technischer Entwicklungen und Anwendungen gegeben, die in den überarbeiteten Güte- und Prüfbestimmungen berücksichtigt wurden. | Foto: RAL Gütegemeinschaft Flüssigboden
In den zurückliegenden Jahren hat es eine Reihe technischer Entwicklungen und Anwendungen gegeben, die in den überarbeiteten Güte- und Prüfbestimmungen berücksichtigt wurden. | Foto: RAL Gütegemeinschaft Flüssigboden

Insbesondere bei der Definition zum Ende der Abfalleigenschaften hätten sich viele noch eine Änderung des Entwurfes gewünscht. Eine Forderung sei zum Beispiel gewesen, Bodenmaterial der Klasse BM 0 nicht mehr als Abfall zu deklarieren. Dies habe sich aber leider, so Prof Weber, nicht durchgesetzt. Die Bundesregierung plane, zum Thema Ende der Abfalleigenschaft eine eigene Verordnung auf den Weg zu bringen.

„Ich halte die aktuelle rechtliche Situation für den Gedanken des Recyclings für sehr hinderlich, denn unter anderem der Flüssigboden erfüllt neben anderen aufbereiteten Baustoffen die Qualitätsanforderungen nicht nur aus umweltrechtlicher Sicht, sondern auch aus technischer Sicht.“ Deshalb spreche nichts dagegen, diese Stoffe nach der Aufbereitung und Qualitätssicherung nicht mehr als Abfall, sondern als ein Produkt zu behandeln, betont Prof. Weber.

Der Einsatz von Flüssigboden in Böden mit hohen Grundwasserständen ist technisch überhaupt kein Problem, sind sich Prof. Märtner und Prof. Weber einig. „Der Flüssigboden lässt sich hinsichtlich seiner Wasserdurchlässigkeit den spezifischen Baustellengegebenheiten anpassen und bietet die Möglichkeit, in entsprechenden Fällen auf eine Grundwasserabsenkung zu verzichten“, unterstreicht Prof. Märtner. „Und gerade wenn der Aushub aufbereitet und an gleicher Stelle wieder eingebaut wird, habe man mit Sicherheit keine schädliche Bodenveränderung“, bekräftigt Prof. Weber. „Ich sehe es als kritisch, dass Technologien dort nicht zugelassen werden, wo sie gerade besonders geeignet wären, und da gehört der Flüssigboden aus meiner Sicht dazu.“

Information und Aufklärung gegen Verunsicherung

Diese aktuelle rechtliche Situation verursache zusätzliche Verunsicherung bei Planern und Auftraggebern. „Jedes Bundesland kommt mit unterschiedlichen Vorgaben, die sich teilweise auch widersprechen.“ Dies trage nicht zur Sicherheit im Umgang mit vorhandenen Möglichkeiten bei, so Prof Weber. Die Ersatzbaustoffverordnung lasse so viele Spielräume, dass unterschiedliche Interpretationen je nach Blickwinkel und Priorisierung möglich seien, beschreibt Prof. Weber das Problem.

Prof. Dr. Markus Weber: „Ich halte die aktuelle rechtliche Situation für den Gedanken des Recyclings für sehr hinderlich, denn unter anderem der Flüssigboden erfüllt neben anderen aufbereiteten Baustoffen die Qualitätsanforderungen nicht nur aus umweltrechtlicher Sicht, sondern auch aus technischer Sicht.“ | Foto: RAL Gütegemeinschaft Flüssigboden
Prof. Dr. Markus Weber: „Ich halte die aktuelle rechtliche Situation für den Gedanken des Recyclings für sehr hinderlich, denn unter anderem der Flüssigboden erfüllt neben anderen aufbereiteten Baustoffen die Qualitätsanforderungen nicht nur aus umweltrechtlicher Sicht, sondern auch aus technischer Sicht.“ | Foto: RAL Gütegemeinschaft Flüssigboden
Um dieser Verunsicherung entgegenzuwirken, führt die RAL Gütegemeinschaft Flüssigboden Schulungen bei den Unternehmen durch, um sie anwendungstechnisch und juristisch zu beraten und auf diese Weise die Unsicherheit so weit wie möglich zu minimieren, so Prof. Märtner. „Wir müssen darüber hinaus breiter angelegt über die Vorteile des Flüssigboden informieren und aufklären“, so der Obmann des Güteausschusses. Das Verfahren entspreche den Zielen der Kreislaufwirtschaft, schone Ressourcen, minimiere den CO2-Ausstoß und sorge mit seinen optimalen Bettungseigenschaften für eine ausgezeichnete Bauqualität. „Es entsteht viel weniger Abfall, Grabenbreiten können reduziert, Materialtransporte minimiert werden.“

Ein weiteres Ziel sei es, in der Bildungsarbeit aktiver zu werden. „Mit den Hochschulen in Coburg und Dresden und mit der Berufsakademie in Plauen haben bereits drei Bildungseinrichtungen Flüssigboden in ihre Lehrpläne aufgenommen“, stellt Prof. Märtner fest. Flüssigboden grundsätzlich in die Bauingenieurausbildung zu integrieren, sei ein noch entferntes aber ein anzustrebendes Ziel und eine Aufgabe für die Zukunft.

Aufklärungsarbeit sei weiter ein wichtiges Thema. „Wir müssen erklären, wie Flüssigboden funktioniert, welche Eigenschaften und Vorteile er hat und welche Güte- und Qualitätssicherung dahintersteht“, betont Prof. Märtner. Ziel sei es, Vertrauen in die Verlässlichkeit von Produkt und Verfahren zu schaffen, das auf Jahrzehnte lange Erfahrung verweisen kann. Vor diesem Hintergrund plant die RAL Gütegemeinschaft Flüssigboden Tagesseminare für Behördenvertreter und Auftraggeber anzubieten. „Mit diesem Instrument wollen wir für kleines Geld und mit wenig Zeit die Behörden mit Informationen und dem nötigen Wissen zum Thema nach RAL GZ 507 Flüssigboden versorgen“, kündigt Prof. Märtner an.

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