Nachhaltig mit Mensch und Material
Nachhaltigkeit umfasst ökologische, soziale und wirtschaftliche Aspekte. Dieses Drei-Säulen-Modell ist in der DNA von Saertex multiCom verankert. Wie das aussieht und mit welchen verschiedenen Maßnahmen der Schlauchlinerhersteller das Modell mit Leben füllt, darüber sprachen wir am Rande des Saerbecker Rohrleitungssymposiums mit Nachhaltigkeitsmanager Michael Clostermann und mit Christian Scholz, Leiter multiCampus.
B_I umweltbau: Nachhaltigkeit ist strategisch gesehen eines Ihrer wichtigsten Themen im Unternehmen. Wie manifestiert sich das im Hinblick auf den Umweltschutz bei Ihnen?
Michael Clostermann: Nachhaltigkeit ist Teil unseres Geschäftsmodells. Das Thema Umweltschutz haben wir in unserer Nachhaltigkeitsstrategie verankert, das heißt wir wollen ökologisch verantwortungsvoll handeln. Das tun wir ja einerseits schon, indem wir grabenlose Technologien anbieten mit all ihren Vorteilen für die Umwelt. Andererseits betrifft das interne Prozesse, um die Ressourcen zu schonen – zum Beispiel das Einsparen von Materialien bei uns oder ggf. auch bei Lieferanten.
Wir haben uns kürzlich nach der internationalen Umweltmanagement-Norm ISO14001 zertifizieren lassen. Dazu bedarf es eines Managementsystems, bei dem – kurz gesagt – Unternehmensprozesse angepasst und optimiert werden. Zudem haben wir noch einen Product Carbon Footprint-Rechner, ein Tool, mit dem der CO2-Fußabdruck von unseren Linern nach dem Cradle-to-Gate-Prinzip berechnet werden kann, also vom Rohstoffproduzenten über die Produktionsprozesse bis zur Auslieferung. Das ist auch projektspezifisch mit konkreten Angaben zur Dimension, Länge, Wanddicke etc. möglich.
B_I umweltbau: Mit der Einführung der UPgreen-Technologie Ende 2020 konnten laut eigener Aussage viele Kilogramm CO2 eingespart werden. Was steckt dahinter?
Michael Clostermann: Diese CO2-Einsparungen wurden möglich, da der Herstellungsprozess des Harzes entsprechend umgestellt werden konnte. Aktuell sind mehr als 90 Prozent unseres CO2-Fußabdrucks auf die Rohstoffe zurückzuführen; Transport und Liner-Produktion spielen dagegen eine untergeordnete Rolle. Die Glasherstellung und die Harzerstellung sind die Treiber der CO2-Emissionen, darin steckt ein riesiges Einsparungspotenzial. Nichtsdestotrotz wollen wir natürlich auch noch unsere eigene Produktion CO2-neutral gestalten, auch wenn der Anteil sehr klein ist.
B_I umweltbau: Weg von der Petrochemie hin zu biobasierten Trägermaterialien – wäre das ein Schritt in die richtige Richtung?
Michael Clostermann: Das muss man immer über den gesamten Produktzyklus sehen. Wenn ich auf nachwachsende Rohstoffe zugreife, muss ich mir auch angucken, wo diese herkommen und wie sie hergestellt werden. Nehmen wir mal eine Biogasanlage als typisches Beispiel: Natürlich tragen diese Anlagen zur Energiewende bei, allerdings benötige ich auch hier derzeit noch Diesel für die landwirtschaftlichen Fahrzeuge, die z.B. auf dem Feld fahren und dort z.B. Dünge- oder Pflanzenschutzmittel ausbringen. Neben all den positiven Beiträgen darf ich auch die negativen Auswirkungen nicht außer Acht lassen. Man braucht auch Diesel, damit der Trecker über das Feld fährt und Pflanzen anbaut. Wir haben in dem Fall mit Pflanzenschutz zu tun und auch mit Düngung. Nochmal: Man muss immer das gesamte Bild sehen. Schließlich soll ja auch die Lebensdauer des einzubauenden Produkts nicht geringer werden, sonst hat man am Ende nichts gewonnen. Ich bin der Meinung, dass biobasierte Trägermaterialien in (ferner) Zukunft schon eine wichtige Rolle spielen könnten, insgesamt sind bei diesem Thema allerdings noch viele Fragen offen.
B_I umweltbau: Sie erwähnten eben, dass Saertex eine CO2-neutrale Produktion anstrebt. Welche konkreten Schritte haben Sie dazu für die nächsten Jahre im Blick?
Michael Clostermann: Wir sind derzeit dabei, den Fußabdruck für unser Unternehmen zu ermitteln, u.a. mit dem Corporate Carbon Footprint und unserem Transportationskonzept. Aus dem Energie-Audit können dann verschiedene Maßnahmen zur Energieeinsparung entstehen, zum Beispiel durch den Einsatz anderer Technologien. Wir generieren bereits PV-Strom und wollen das noch weiter ausbauen. Ein zentraler Punkt wird zukünftig darin liegen, die PV-Energie, die bereits heute auf unseren Hallendächern entsteht, möglichst effizient zu nutzen. Ferner haben wir Zertifizierungen nach ISO 50001 (Energiemanagement) und ISO 45001 (Arbeitsschutz- und Gesundheitsschutzmanagement) im Blick, wenngleich nicht ganz oben auf der Prioritätenliste.
B_I umweltbau: Zusammen mit weiteren Firmen sind Sie das Thema Härtungskontrolle in Echtzeit angegangen und haben dazu Untersuchungen durchgeführt. Wie ist hier der aktuelle Stand? (und inwieweit bedarf es hier noch weiterer Untersuchungen?)
Christian Scholz: Wir als Saertex multiCom durften diese hochinteressante Technologieentwicklung von der ersten Stunde an mitbegleiten. SensXpert hat es prinzipiell geschafft, eine bekannte Technologie aus dem Labor auf die Baustelle zu bringen. Die nächsten Meilensteine bestehen darin, das System weiter zu optimieren, auf die Technologie von unterschiedlichen Anlagenherstellern zu adaptieren und Messwerte zu generieren. Die Messwerte müssen nun für verschiedene Liner-Typen, Dimensionen, Wanddicken etc. unter realen Umgebungsbedingungen generiert werden. Diese Datensätze werden dann die Grundlage bilden, um eine Qualitätsbewertung bzw. eine Qualitätskontrolle durchführen zu können.
B_I umweltbau: Beim Schlauchliner hat die Einbauqualität großen Einfluss auf die Qualität des Endproduktes. Die Sanierungsfirmen haben aber immer größere Probleme, fachlich qualifiziertes Personal zu finden. Kann Saertex als Linerhersteller einen Beitrag dazu leisten, dieses Problem zu entschärfen?
Cristian Scholz: Die Berufswelt befindet sich nach wie vor in einem Veränderungsprozess u.a. durch Globalisierung, Digitalisierung, demografische Entwicklung und den Wertewandel in der Gesellschaft. Bedingt durch diese Veränderungen entsteht ein wachsender Bedarf an gut ausgebildeten Fachkräften. Dieser Mangel an Fachkräften sowie der allgemeine Arbeitskräftemangel gewinnen zunehmend an Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung von Unternehmen weltweit. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und qualifizierten Nachwuchs zu sichern, ist eine nachhaltige Bildungsstrategie unerlässlich. Gleichzeitig spielt die Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland und die Anstellung von Quereinsteigern eine zentrale Rolle. Genau an diesem Punkt setzt der multiCampus an, um Basis- und Fachwissen gezielt zu vermitteln.
B_I umweltbau: Ihr Schulungskonzept mit Fort- und Weiterbildungen.
Cristian Scholz: Genau. Wir bieten gezielte Schulungen zu Freispiegel- und Druckanwendungen für Anwender sowie spezialisierte Bauleiterschulungen an, die eine fachgerechte Planung und Durchführung von Baustellen sicherstellen. Darüber hinaus organisieren wir regelmäßig für Kommunen, Netzbetreiber und Ingenieure unsere Foren für den Freispiegel- und Druckleitungsbereich, um den Austausch von Fachwissen und praxisnahen Erfahrungen zu fördern. Außerdem aktualisieren wir zielgerichtet unsere Installationsanleitungen, um den Nutzer noch einfacher und verständlicher durch den Installationsprozess zu führen: Wir arbeiten zum Beispiel mit QR-Codes, über die Anwender auf Video-Tutorials rund um den Installationsprozess zugreifen können. Dadurch erhöhen wir die Benutzerfreundlichkeit, reduzieren Fehler und vermeiden ggf. Schäden.
Auch intern sind wir aktiv. Nächstes Jahr planen wir eine umfassende Schulung für das gesamte Saertex multiCom-Team in Deutschland, das fast 200 Mitarbeiter aus Produktion und Verwaltung umfasst. Ziel dieser Schulung ist es, Basiswissen zur Kanal- und Schlauchlinersanierung zu vermitteln, um auf diese Weise Arbeitsprozesse verständlicher zu machen und zu verbessern.
Nicht zuletzt engagieren wir uns auch in der Schulbildung: In Zusammenarbeit mit der Gesamtschule Saerbeck organisieren wir regelmäßig Infotage, bei denen wir u.a. Schüler der 8. Klassen einladen, um sie für eine mögliche Karriere in unserem Bereich zu begeistern. Selbst Schüler aus höheren Jahrgangsstufen haben sich gemeldet, nachdem sie von den Infotagen erfahren haben. So schaffen wir frühzeitig den Kontakt zu potenziellen Praktikanten und Auszubildenden.
B_I umweltbau: Auch in Deutschland werden Nachhaltigkeitskriterien künftig in Ausschreibungen eine immer größere Rolle spielen. Welche Kriterien könnten/sollten das Ihrer Ansicht nach sein?
Michael Clostermann: Ökobilanzen werden sicher in Zukunft ein Ausschreibungskriterium sein. Wichtig ist – wie schon erwähnt –, dass man den gesamten Produktlebenszyklus betrachtet. Des Weiteren sollten soziale Aspekte berücksichtigt werden, wie Arbeitsbedingungen, gerechte Entlohnung o.ä. Außerdem kann eine Rolle spielen, wie das jeweilige Unternehmen aufgestellt ist, ob Normen eingehalten werden oder welche Unternehmenswerte im Vordergrund stehen. Ein weiterer Punkt kann das Thema Unternehmensführung sein: Welche Werte sind mir als Unternehmen wichtig und welchen Wert lege ich z. B. auf das Thema Compliance?
B_I umweltbau: Welche Bedeutung hat für Sie eine Environmental Product Declaration (EPD) als standardisierte Form der Ökobilanzierung, die bereits von manchen Liner-Herstellern vorgelegt wird?
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Michael Clostermann: Die EPD hat keine direkten Auswirkungen auf das Thema Umweltschutz, bietet aber dafür einen umfassenden Überblick über das Produkt. Im Unterschied zu dem Product Carbon Footprint wird der gesamte Lebenszyklus des Produkts bewertet, also etwa auch der Transport zur Baustelle und auch der Einbau. Auch wir haben uns damit beschäftigt und eine EPD erstellt. Diese wird derzeit verifiziert und, wenn das erfolgt ist, anschließend veröffentlicht.
B_I umweltbau: Wäre die bundesweite Einführung eines CO2-Schattenpreises sinnvoll?
Michael Clostermann: Natürlich kann ein Schattenpreis einen Beitrag leisten. In Baden-Württemberg gibt es schon eine entsprechende Verordnung. Allerdings ist diese meines Erachtens zu unspezifisch. Die Ermittlung der CO2-Emission erfolgt hier auf Grundlage der allgemein anerkannten Regeln der Technik. Das lässt viel Spielraum zu. Falls eine solche Regelung kommen sollte, müsste man konkrete Vorgaben machen, z.B. dass die Ermittlung nach den anerkannten Normen und Standards erfolgt.
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B_I umweltbau: Zur Nachhaltigkeit gehört bei Ihnen auch soziale Gerechtigkeit im Hinblick auf den Arbeitsplatz, die Wertschöpfungskette sowie soziale Projekte außerhalb des Unternehmens. Können Sie das konkretisieren? Gibt es in diesem Bereich Zertifizierungen?
Christian Scholz: Wir wollen zum einen ein attraktiver Arbeitgeber sein. Dazu gehören v.a. eine gute Entlohnung, etwaige Benefits sowie Maßnahmen zur Arbeitssicherheit und -gesundheit. Auch ein guter Teamgeist und Möglichkeiten zur Weiterentwicklung und Förderung der Mitarbeiter gehören dazu.
Was die Wertschöpfungskette angeht, so kommunizieren wir unsere Erwartungen und Vorstellungen klar gegenüber den Lieferanten. Das betrifft faire Arbeitsbedingungen, Schutz von Menschenrechten und der Umwelt sowie Engagement für die Gemeinschaft, was von den Lieferanten bestätigt werden muss. Auf diese Weise stellen wir sicher, dass unsere Lieferanten die gleichen Werte teilen wie wir.
Darüber hinaus haben wir immer mal wieder soziale Projekte. Eine langjährige Kooperation haben wir mit der Caritas Langenhorst und den Ledder Werkstätten in Bezug auf den Bau unserer Liner-Transportkisten.
B_I umweltbau: Wie nachhaltig seht ihr euch in zehn Jahren?
Michael Clostermann: Glücklicherweise sind wir als Unternehmen und in der Unternehmensgruppe gut aufgestellt. Wir werden sicher das Thema klimaneutrale Produktion bis dahin umsetzen und weitere soziale Projekte. Ich könnte mir auch weitere Produktentwicklungen und technische Optimierungen sowie Rohstoffeinsparungen vorstellen. Letztlich ist Nachhaltigkeit eine längerfristige Entwicklung. Heute ist CO2 das dominierende Thema, das kann sich in zehn Jahren natürlich ändern.
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B_I umweltbau: Wir werden sehen, es bleibt spannend. Meine Herren, vielen Dank für das Gespräch!
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