(Qualität)skriterien – Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen
Im öffentlichen Vergabewesen – insbesondere im Bereich der Kanalsanierung stellt die Sicherung von Qualität ein zentrales Anliegen dar. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass Qualitätskriterien in sämtlichen Verfahrensabschnitten zunehmend an Bedeutung gewinnen. Insbesondere bei komplexeren technischen Leistungen sind Qualitätsaspekte entscheidend für den Erfolg der Projekte.

Die nachfolgenden Ausführungen zeigen auf, auf welche Art und Weise die Qualität im Vergabeverfahren integriert werden kann. Hierbei wird das Hauptaugenmerk auf wichtige Verfahrensbereiche, nämlich die Eignungsprüfung, die Leistungsbeschreibung und den Wirtschaftlichkeitsvergleich gelegt.
1. Ansatzpunkte der Qualität im Vergabeverfahren
Qualität wird im Qualitätsmanagement als Grad definiert, in dem einem Objekt anheftende Merkmale bestimmte Anforderungen erfüllen. Die Qualität gibt damit an, in welchem Maße ein Objekt den bestehenden Anforderungen entspricht. Ausgehend von dieser Grunddefinition können qualitative Aspekte bei Auftragsvergaben im Bereich der Kanalsanierung in vielerlei Hinsicht in das Vergabeverfahren einbezogen werden.
1.1 Eignung
1.2 Leistungsbeschreibung und Vertragsbedingungen
Die Leistungsbeschreibung stellt das Herzstück jeder Ausschreibung dar und ist das zentrale Instrument zur Steuerung der Qualität. In der Leistungsbeschreibung und den (technischen) Vertragsbedingungen ausgewiesene Anforderungen, z.B. an Baustoffe, Fertigung und Lieferung auf die Baustelle, Härtung oder an das gehärtete Endprodukt (Schlauchliner), setzen und sichern die qualitativen Standards. Aus vergaberechtlicher Sicht bietet der Bereich der Leistungsbeschreibung allerdings ein erhebliches Fehlerpotenzial.
Der im Vergabeverfahren zu beachtende Wettbewerbsgrundsatz verbietet es grundsätzlich, den Wettbewerb durch produktbezogene Vorgaben einzuengen. Es greift das Gebot der produktneutralen Ausschreibung. Nur ausnahmsweise, dann nämlich, wenn es durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist oder wenn der Auftragsgegenstand nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden kann (dann mit dem zwingenden Zusatz „oder gleichwertig“), darf produktbezogen ausgeschrieben werden. Auch wenn der Auftraggeber demnach grundsätzlich frei ist in der Definition seines Beschaffungsbedarfs, so zieht das Gebot der Produktneutralität doch Grenzen. Bei spezielleren qualitativen Vorgaben in der Leistungsbeschreibung besteht durchaus das beachtliche Risiko, Alleinstellungsmerkmale festzulegen. Sobald der Wettbewerb auf diesem Wege (sog. verdeckte Produktbezogenheit) eingeschränkt wird, ist das Produktneutralitätsgebot auch ohne ausdrückliche Benennung eines Produkts verletzt (vgl.: VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.08.2016 - 1 VK 36/16; VK Bund, Beschluss vom 07.08.2024 - VK 2-63/24). Ausschreibenden Stellen ist insofern dringend anzuraten, bei der Festlegung von Qualitätsanforderungen in der Leistungsbeschreibung darauf zu achten, dass der Wettbewerb nicht auf nur ein bestimmtes Produkt reduziert wird.
1.3 Zuschlagskriterien
Der Zuschlag wird ausweislich § 16d Abs. 1 Nr. 4 VOB/A auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt. Grundlage dafür ist eine Bewertung des Auftraggebers, ob und inwieweit das Angebot die vorgegebenen Zuschlagskriterien erfüllt. Das Angebot mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis stellt das wirtschaftlichste dar. Der Auftraggeber bestimmt den Maßstab der Wirtschaftlichkeit somit durch die Festlegung der Zuschlagskriterien selbst. Im Rahmen dieser Festlegung können wiederum Qualitätskriterien berücksichtigt werden. Der § 16d Abs. 1 Nr. 4 VOB/A legt ausdrücklich fest, dass zur Ermittlung des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses neben dem Preis oder den Kosten auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte berücksichtigt werden können. In § 16d Abs. 1 Nr. 5 VOB/A wird zudem ein nicht abschließender Katalog von tauglichen Zuschlagskriterien ausgewiesen, wobei als erstes Katalogkriterium die Qualität benannt wird. Qualitätskriterien im Sinne von Zuschlagskriterien sind demnach unstreitig vergaberechtlich zulässig.
Auch bei der Festlegung von Qualitätskriterien als Zuschlagskriterien werden jedoch regelmäßig (vermeidbare) Fehler begangen. Die Qualität darf – wie alle nicht-monetären Zuschlagskriterien – z.B. nur dann für die Bewertung der Angebote herangezogen werden, wenn sich die Angebote inhaltlich überhaupt unterscheiden (können). Das muss der Auftraggeber bei seinen Leistungsvorgaben beachten. So kann das Qualitätskriterium etwa als Übererfüllung von mit der Leistungsbeschreibung – nicht selten über den Verweis auf DIN-Normen – vorgegebenen Mindeststandards zum Einsatz gebracht werden (vgl.: MüKoEuWettbR/Seebo/Lehmann, 4. Aufl. 2022, VOB/A § 16dEU Rn. 33, beck-online).
Häufig findet sich in der vergaberechtlichen Praxis auch der Fall, dass Qualitätskriterien als vermeintliche Zuschlagskriterien genutzt werden, diese sich dann aber nicht auf die Leistungserbringung, sondern auf die Eignung des Bieters beziehen. Dies ist vergaberechtlich unzulässig. Eine Vermischung der Wertungsstufen „Eignungsprüfung“ und „Wirtschaftlichkeitsvergleich“ ist nicht zulässig. Zwar ist ein Abstellen auf Gütezeichen als Nachweis der Bieterqualifikation und somit zur Absicherung qualitativer Standards bei der Eignung zulässig, als Zuschlagskriterium darf der diesbezügliche Nachweis jedoch keine Verwendung finden. Die „Qualität“ des Bieters kommt nur in einem engen Ausnahmefall als taugliches Zuschlagskriterium in Betracht. Ausweislich § 16d Abs. 1 Nr. 5 lit. b) VOB/A kann die Organisation, die Qualifikation und die Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals als Zuschlagskriterium genutzt werden, wenn die Qualität des eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann. Entscheidet sich der öffentliche Auftraggeber für dieses Zuschlagskriterium ist nach dem Erwägungsgrund 94 der RL 2014/24/EU mithilfe geeigneter vertraglicher Mittel sicherzustellen, dass die zur Auftragsausführung eingesetzten Mitarbeiter die angegebenen Qualitätsnormen effektiv erfüllen und dass diese Mitarbeiter nur mit Zustimmung des öffentlichen Auftraggebers ersetzt werden können, wenn dieser sich davon überzeugt hat, dass das Ersatzpersonal ein gleichwertiges Qualitätsniveau hat. Gerade die vertragliche Seite dieses Zuschlagskriteriums wird oftmals übersehen.
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2. Fazit
Qualität ist ein entscheidendes Anforderungs- und Gestaltungselement im Vergabeverfahren, gerade auch im Bereich der Kanalsanierung. Unzureichend vorbereitete und ausgestaltete Vergabeverfahren führen mitunter aber dazu, dass „Qualität“ nur unzureichende Beachtung erfährt. Leistungsbeschreibungen enthalten nicht die gebotene Tiefe, um qualitative Anforderungen als Beschaffenheitsvereinbarung wirksam vorzugeben und vorhandene Hilfsmittel (z.B. einschlägige Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen) werden nicht wirksam in den Vertrag miteinbezogen. Auch muss man sich nicht wundern, wenn bei einer reinen Preisausschreibung ohne Qualitätskriterien die Qualität der Leistungserbringung nicht den Vorstellungen des Auftraggebers entspricht. Das Vergaberecht eröffnet „qualitative Möglichkeiten“ ohne übermäßig viele rechtliche Stolpersteine in den Weg zu legen. Die Möglichkeiten müssen nur ergriffen werden.
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