Lernlabor mit vielen Denkanstößen
Fulda war Mitte September Treffpunkt der grabenlosen Kanalsanierung. Rund 400 Vertreterinnen und Vertreter aus Kommunen, Ingenieurbüros, Bauunternehmen und Industrie diskutierten beim 23. Deutschen Schlauchlinertag und 14. Deutschen Reparaturtag zwei Tage lang über aktuelle Entwicklungen und Erfahrungen und tauschten sich über notwendige Weichenstellungen der Branche aus.

Mit einem fachlichen Überblick eröffneten Dr.-Ing. Igor Borovsky, Vorsitzender der Technischen Akademie Hannover (TAH) und Geschäftsführer des Verbandes zertifizierter Sanierungs-Berater für Entwässerungssysteme (VSB), und der Moderator Alexander Jung, ISAS GmbH, am 16. September den 23. Deutschen Schlauchlinertag. „Die beiden Fachtage sind nicht nur ein Forum für Technik und Verfahren, sondern vor allem auch ein Ort des Austauschs über eine gemeinsame Verantwortung für die Zukunft unserer Branche“, so ihr programmatischer Ausblick auf ein spannendes Veranstaltungsgeschehen.
Praxis Schlauchlining
Mit Fulda haben die Organisatoren nicht nur einen guten Tagungsort gewählt, sondern zugleich eine Kommune mit Vorbildcharakter. Denn am fast 700 Kilometer langen Kanalnetz Fuldas lässt sich beispielhaft zeigen, wie Schlauchliner- und Reparaturverfahren dazu beitragen, Netze nachhaltig und zugleich wirtschaftlich instand zu halten. In seinem Grußwort berichtete Jürgen Fehl, Geschäftsführer des Abwasserverbands Fulda, von der Strategie seines Verbands, den Substanzwert des Netzes langfristig zu sichern und zu verbessern. „Dieses Ziel haben wir erreicht. Bei einer Neuberechnung im Jahr 2024 befanden sich 78 Prozent unseres Netzes in einer hohen Substanzwertklasse. 2014 lagen wir noch bei 68 Prozent. Und das, obwohl wir weniger Mittel als ursprünglich geplant eingesetzt haben“, so Fehl. Einen entscheidenden Anteil daran hätten die Schlauchliner- und Reparaturverfahren, die sich als wirtschaftlich und effizient erwiesen haben. „Wir haben mit diesen Maßnahmen mit weniger investivem Engagement mehr erreicht.“
Qualität entsteht durch vorausschauende Planung

„Schlauchlining verfügt als Verfahren über eine hohe Vielfalt“, unterstrich Dr.-Ing. Susanne Leddig-Bahls, IQS Engineering, in ihrem Vortrag „Verfahrensauswahl bei schwierigen Randbedingungen“. Dies sei Vorteil und Anspruch zugleich und erfordere besonderes Know-how. Die besondere Herausforderung bestünde darin, mit Blick auf viele individuelle Rahmenbedingungen wie Bögen, Nennweitenänderungen oder Grundwassereintritt stets die beste Lösung zu finden. Leddig-Bahls betonte, dass nur durch sorgfältige Planung und die richtige Kombination der Verfahren Dichtheit und eine langfristige Funktionalität gewährleistet werden könnten. „Aber unsere Branche wird immer besser. Jede neue Herausforderung bringt neue Erkenntnisse. Und auch KI wird Ingenieuren dabei helfen, gute Entscheidungen zu treffen.“

Voneinander lernen
Wie wertvoll konkrete Praxisberichte für die Fachwelt sind, hat sich im Rahmen des 23. Deutschen Schlauchlinertages einmal mehr gezeigt. Markus Dohmann, Große Kreisstadt Backnang, wies auf die Bedeutung einer genau abgestimmten Verkehrsführung und Abflusslenkung als integraler Bestandteile jeder Sanierungsplanung hin.
Dass konsequente Qualitätssicherung einen Unterschied macht, belegte Christoph Bäßler, Stadt Ettlingen. Nach massiven Schadensfällen mit über 90 undichten Stellen habe man die Abläufe in der baden-württembergischen Kommune grundlegend verändert. „Eine klimatisierte Lagerung der Liner, gezielte Einweisungen der Einbautrupps und sorgfältige Probenahmen sowie eine tägliche digitale Auswertung aller Einbauprotokolle gehören inzwischen zum Standard“, erläuterte Bäßler. „Wir wollen nicht erst nach Jahren wissen, ob etwas schiefgelaufen ist, sondern sofort gegensteuern können“, betonte er. Sein Fazit und seine Empfehlung an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer lautete: „Qualität ist kein Zufall, sondern das Ergebnis einer sorgfältigen Planung, hochwertiger Technik und genauer Dokumentation und Überwachung aller Abläufe.“

In weiteren Vorträgen des Schlauchlinertages ging es um juristische Aspekte zu Qualitätskriterien in Ausschreibungen, die Festlegung und Beurteilung von Reststyrol-Grenzwerten und neue Aspekte zum Thema Schachtliner. Darüber hinaus wurde über praktische Erfahrungen bei Dükersanierungen und die besonderen Herausforderungen in Werksnetzen diskutiert. „Standardlösungen gibt es hier nicht. Oft haben wir es auf Werksgelängen mit fehlenden Schächten, engen Zeitfenstern und strengen Sicherheitsauflagen zu tun. Deshalb verlangt jedes Projekt eine individuelle Planung“, so das Fazit von David Heck, ISAS GmbH.

Diskussionswürdig: Automatisierung und Fachkräfte
Die Podiumsdiskussion des Deutschen Schlauchlinertages machte deutlich, dass die Herausforderungen der Branche weit über technische Fragen hinausgehen. Während der Sanierungsbedarf stetig wächst, verschärft der Fachkräftemangel die Situation spürbar. Als Lösungswege wurden Automatisierung, digitale Prozesse und der Einsatz von künstlicher Intelligenz diskutiert. Erste Erfahrungen zeigen, dass KI bei der Auswertung von Inspektionsdaten bereits heute spürbare Entlastung schafft. Dadurch können Ingenieure ihre Kapazitäten stärker auf komplexe Aufgaben konzentrieren.
Gleichzeitig wurde klar, dass moderne Technik allein nicht ausreicht. Entscheidend sind gut ausgebildete Menschen, die diese Systeme bedienen, interpretieren und weiterentwickeln. Viele Sanierungsteams bestehen aus Quereinsteigern – hier gilt es, durch gezielte Qualifizierung, Onboarding und Assistenzsysteme Sicherheit und Qualität zu gewährleisten. Auch die Rolle der Auftraggeber stand im Fokus. Flexiblere Vertragsmodelle und klarere Vergabestrukturen könnten helfen, Prozesse zu verschlanken und Ressourcen effizienter einzusetzen.

Reparatur als Managementaufgabe
Gezielte Planung und Budgetierung
Thomas Wedmann, Fischer Teamplan, stellte ein automatisiertes Konzept vor, das auf der Basis von Substanzklassen und schadensbasierten Regelverfahren fundierte Sanierungsstrategien ermöglicht. Statt wie bislang häufig üblich allein auf Schadensbilder oder Kostenschätzungen zu setzen, zeigte das vorgestellte Verfahren, wie sich der Abnutzungsvorrat eines Kanalnetzes und der daraus resultierende Sanierungsbedarf systematisch ermitteln lässt. Auf dieser Grundlage können Kommunen die Grenze zwischen Reparatur- und langfristigen Investitionsmaßnahmen klarer ziehen sowie Budgets fundierter ermitteln und zielgerichteter einsetzen.

Der Blick von Ines Hamjediers, Prüfingenieurin bei der Gütegemeinschaft Güteschutz Kanalbau, richtete sich auf die Ausschreibungen – und damit auf den Punkt, an dem Qualität beginnen muss. Deutlich wurde, dass nicht die Länge der Texte entscheidend ist, sondern ihre Klarheit, Struktur, Transparenz und Verständlichkeit.
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Schächte, Laminate, Abdeckungen
Darüber hinaus bildete das Thema „Schachtreparatur“ einen besonderen Schwerpunkt des diesjährigen Reparaturtages. Hier gab es praxisnahen Einblicke in Handlaminate, Abdichtungsverfahren und Schachtabdeckungen. Hannes Goldenstein vom Prüflabor Siebert + Knipschild formulierte drei goldene Regeln für Handlaminate: „Achten Sie auf saubere Untergründe, trockene Bedingungen und geschulte Fachkräfte“, so seine Empfehlung. Markus Gillar, Institut für Unterirdische Infrastruktur (IKT), präsentierte Ergebnisse von Großversuchen an Abwasserschächten. Hierbei zeigte es sich, dass viele Materialien kurzfristig abdichten, ein nachhaltiges Ergebnis jedoch sowohl von den eingesetzten Materialien als auch von einer sehr sorgfältigen Vorbereitung abhängt. Markus Dohmann, Große Kreisstadt Backnang zeigte, wie seine Stadt seit 2007 eine konsequent qualitätsgesicherte Schachtsanierungsstrategie verfolgt – mit klaren Erfolgen für eine nachhaltige Haltbarkeit und Kostenkontrolle.

Zwei Tage – ein Ziel
Das Branchendoppel hat verdeutlicht, dass Qualität nicht nur auf der Baustelle entsteht, sondern über die gesamte Prozesskette – von Planung und Ausschreibung über Einbau und Überwachung bis hin zur Dokumentation. Das Programm überzeugte durch eine gelungene Mischung aus Fachvorträgen, praxisnahen Erfahrungsberichten, Vorführungen im Außenbereich und einer begleitenden Fachausstellung. Damit war das Veranstaltungsduo wieder ein praxisnahes Lernlabor und eine Plattform für den gemeinsamen Blick nach vorn. „Ich habe wieder viel mitgenommen von diesen beiden Tagen – nicht nur technische Impulse, sondern auch Denkanstöße für Organisation und Zusammenarbeit. Der Schlauchliner- und Reparaturtag leben davon, dass wir Wissen teilen, kritisch hinterfragen und gemeinsam besser werden“, so Hippe zum Abschluss.
Quelle: TAH
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