Abwasserdruckleitung DN 1600 mit GFK-Liner saniert
Durchmesser 1.600 Millimeter, Wanddicke 20,5 Millimeter, ein Linergewicht von 200 Kilogramm pro Meter und Linerlängen bis zu 233 Metern: Die Sanierung einer 1.133 Meter langen Abwasserdruckleitung in bester Ortslage entlang der Elbe bedeutet für Hamburg den Vorstoß in eine neue Dimension des Schlauchlinings mit lichthärtenden GFK-Schlauchlinern.
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In den Geschichtsbüchern des Schlauchlining kommt Hamburg nicht nur die Rolle eines Pioniers zu. Die Hamburg Wasser hat immer wieder mit spektakulären Projekten, wie der Renovierung der großen Elbdüker mit warmhärtenden Synthesefaserlinern, Meilensteine in der Kanalsanierung und in der Historie des Schlauchliningverfahrens gesetzt. Jetzt ist mit dem Einbau eines lichthärtenden GFK-Schlauchliners in eine Abwasserdruckleitung (im Regelfall als Freigefälleleitung betrieben) DN 1600 ein weiterer hinzugekommen.
Im Hamburger Stadtteil St. Pauli verläuft entlang der Elbe eine Abwasserleitung DN 1600 aus Stahl. Sie beginnt am Abwasserpumpwerk Hafenstraße. Dort münden drei große Sammler, die nahezu das gesamte Mischwasser der Innenstadt und des Hamburger Westens zu diesem Sammelpunkt transportieren. Hier sind 7 große Pumpen installiert, die das Abwasser in einen 22 Meter hohen Druckausgleichsturm pumpen. Der Turm erzeugt mit seiner Wassersäule je nach Füllstand einen kontinuierlichen hydrostatischen Druck bis zu 2,2 bar und verhindert so, die für eine Druckleitung typischen Druckstöße beim Anspringen bzw. abschalten der Pumpen. Das Abwasser wird mit bis zu 7.500 Liter pro Sekunde und einer Geschwindigkeit von bis zu vier Meter pro Sekunde durch die 1.133 Meter lange Leitung zu einem Düker DN 1800 gefördert. Dieser Düker unterquert die Elbe und mündet als die Hauptzulaufleitung in das mit seinen markanten Faultürmen zum Stadtbild gehörende Klärwerk Köhlbrandhöft.
Einzige grabenlose Sanierungsvariante: GFK-Schlauchlining
Die verschweißte Stahlleitung ist etwa 65, in Teilbereichen bis zu 80 Jahre alt. Innenkorrosion und Abrieb haben die Wanddicke deutlich reduziert und an einigen Stellen war es zu Deformationen gekommen. Die Ursachen liegen mit hoher Wahrscheinlichkeit in einer statischen Überlastung, die durch die abnehmende Wanddicke bedingt ist. Zusätzlich kann auch eine Verschlechterung der Bettungssituation vermutet werden. Bedingt durch die Schäden galt die Leitung als nicht mehr standsicher gemäß einer statischen Berechnung und bruchgefährdet.
Die erste Planungsvariante von Hamburg Wasser sah vor, die komplette Leitung vom Pumpwerk bis zum Düker in offener Bauweise mit einer redundanten Leitung zu erneuern. Geschätzte Kosten: rund 21 Millionen Euro. Angesichts dieses Kostenvolumens wurde im Rahmen eines sogenannten Value Engineerings nach möglichen Alternativen gesucht. Nachdem ein Rohrlining wegen des zu großen Querschnittsverlustes ausschied, wurde Schlauchlining für dieses Projekt näher betrachtet. Der zunächst vor dem Hintergrund des großen Durchmessers und der Einbaulängen favorisierte Synthesefaserliner konnte jedoch aufgrund der statischen Anforderungen, die sich zum einen aus den Deformationen und zum anderen aus den in der Druckleitung auftretenden Längszugkräften ergaben, nicht erfüllen. „Mit den dann erforderlichen Wanddicken von 60 Millimetern wäre das Projekt nicht mehr zu realisieren gewesen“, so Stephan Bollmann, der seitens Hamburg Wasser zusammen mit seinem Kollegen Thies-Uwe Kollenkarn das Projekt als Bauleiter betreut.
Nach weiteren intensiven Recherchen hinsichtlich der technischen Machbarkeit und nach Diskussionen mit Herstellern und ausführenden Sanierungsunternehmen entschied sich Hamburg Wasser für einen lichthärtenden GFK-Schlauchliner – sehr wohl in dem Bewusstsein, dass es mit Blick auf Durchmesser, Linerlängen und Gewicht ein vergleichbar anspruchsvolles Schlauchlinerprojekt bisher weder im schlauchlinererfahrenen Hamburg, noch in Deutschland, noch, so die Vermutung der Beteiligten, weltweit gegeben hat.
Das Bauvorhaben wurde nach einem öffentlichen Teilnahmewettbewerb europaweit ausgeschrieben. Zwei Firmen gaben Angebote ab. Den Zuschlag mit einem Auftragsvolumen von rund 6,5 Millionen Euro erhielt das Unternehmen Rohrsanierung Jensen aus dem schleswig-holsteinischen Brügge. Beim angebotenen Schlauchliner handelte es sich um einen Alphaliner1800H von Relineeurope mit einer Wanddicke von 20,5 Millimetern und einem Linergewicht von 200 Kilogramm pro Meter.
Detaillierte Vorbereitung
Rohrsanierung Jensen, im Jahr 2009 gegründet, ist in den letzten 12 Jahren nicht nur von 9 auf 65 Beschäftigte gewachsen, das Unternehmen hat sich in dieser Zeit mit der erfolgreichen Ausführung auch von komplexen Bauvorhaben den Ruf eines zuverlässigen und leistungsfähigen, auf GFK-Schlauchlining spezialisierten Sanierungsunternehmens geschaffen. Die erforderlichen Tiefbauarbeiten erbrachte die Firma Michel Bau aus Neumünster als Arge-Partner.
Nach Auftragserteilung passte Rohrsanierung Jensen mit Blick auf die zu bewegenden Gewichte die firmeneigene Ausrüstung den Projekterfordernissen an. Dazu gehörten neue Winden, Hebegeräte und ein nach eigenen Vorgaben gebautes neues Förderband. Hier floss die Erfahrung vieler Baustellen in die Konzeption und Konstruktion mit ein.
Zu den kritischen Bereichen der Leitung gehören die Richtungswechsel mit Bögen bis zu 60 Grad. Auch diese Stellen wurden im Vorfeld auf dem Bauhof simuliert, um beispielsweise die Durchgängigkeit der Lichtquellen zu prüfen.
Ebenfalls zu den vorbereitenden Maßnahmen gehörte die Herstellung von Passrohren. Dazu wurde auf dem Betriebshof in Bordesholm ein 40 Meter langes Stück der Stahlrohrleitung nachgebaut, die als Schalung für einen oberirdisch ausgehärteten Liner der gleichen Spezifikation diente. Aus diesem so hergestellten GFK-Rohr fertigte Jensen die Passstücke, mit denen später die Lücken in den Baugruben geschlossen wurden.
Schmales Zeitfenster
Sieben Baugruben unterteilten die 1.133 Meter lange Leitung in acht Sanierungsabschnitte mit Einzellängen bis zu 230 Metern. Fünf Baugruben lagen im hochwassergefährdeten Bereich und waren so herzustellen, dass sie den Elbetiedenhub berücksichtigten mussten und bei einer drohenden Sturmflut kurzfristig innerhalb von 24 Stunden wieder zu verschließen gewesen wären.
Für ein Zeitfenster von knapp acht Wochen war die Genehmigung erteilt, das Abwasser durch Rückstau über andere Sammler zum Klärwerk Dradenau umzuleiten und so Pumpwerk und die Leitung trocken zu legen. In dieser Frist mussten die Sanierungsarbeiten abgeschlossen sein. Die Ausführung war bewusst in den Winter gelegt, weil in dieser Zeit erfahrungsgemäß mit weniger Niederschlägen zu rechnen ist, was das Risiko einer Überlastung der eingerichteten Abwasserumleitung verringerte.
Nach dem Absperren der Leitung und dem Öffnen des Stahlrohres in den Baugruben erfolgte eine Reinigung. Die herausgeschnittenen Stahlteile wurden für den späteren Wiedereinbau vor Verziehen und Verbiegen geschützt und zwischengelagert.
Ein Hauptproblem beim Einbau eines derart schweren Liners ist das materialschonende Herausholen aus der Transportkiste und das Einführen des Schlauches in die Baugrube. „Da haben wir im Zuge dieser Baumaßnahme sehr große Entwicklungsschritte gemacht“, so Stefan Jensen, der es sich bei diesem außergewöhnlichen Projekt nicht nehmen ließ, selbst die Bauleitung zu übernehmen. Der Linereinzug habe mit dem optimierten Equipment und dank der „tollen Mannschaftsleistung auf der Baustelle“ prima geklappt, lobt Jensen. Auch die unvermeidlichen Falten in den Bögen lagen alle im Toleranzbereich.
In vier Wochen waren alle acht Liner eingebaut. Parallel dazu erfolgte in den fertig gelinerten Abschnitten der Einbau der vorbereiteten Passrohre, die mit Amex-Manschetten an die Linerenden angebunden wurden. Der letzte Schritt bestand im wieder Einsetzen und Verschweißen der zuvor aus der Stahlleitung herausgeschnittenen Halbschalen und dem Verschließen der Baugruben.
Überwachung der Aushärtung in Echtzeit
Eine besondere Herausforderung im Zuge dieser Maßnahme ist die Aushärtung des Liners mit der Wanddicke von 20,5 Millimetern. Die Entscheidung fiel zugunsten einer Kombinationshärtung. Das heißt, das gewählte Harz reagiert sowohl auf UV-Licht als auch auf die Prozesswärme, die bei der Lichthärtung freigesetzt wird. Diese Technologie schränkt zwar die Lagerfähigkeit des Liners ein, stellt aber die zuverlässige Aushärtung auch größerer Wanddicken sicher.
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Temperaturverlauf und Grad der Aushärtung wurde durch die Impendanzspektroskopie von der Firma SYSCribe mit Hilfe von Sensoren an der Außenwand der Liner in Echtzeit überwacht. „Das war eine Vorgabe des Auftraggebers und hat uns sehr geholfen“ sagt Stefan Jensen. „Durch den Einfluss des mit dem Wasserstand der Elbe korrespondierenden Grundwassers wird das Stahlrohr zum Teil erheblich gekühlt. Mit der messtechnischen Überwachung hatten wir diesen Faktor immer im Blick und konnten daran unsere Aushärtegeschwindigkeit ausrichten. Die lag zwischen 30 und 120 Zentimetern in der Minute.“ Die Überprüfung der Materialkennwerte im Zuge der Qualitätsüberwachung durch das Prüflabor Siebert und Knipschild ergab keinerlei Beanstandungen.
Neues Innenleben für das „Wasserschloss“
Die gesamte Sanierungsmaßnahme blieb exakt im Rahmen der vorgegebenen acht Wochen, obwohl es durch den Wintereinbruch im Februar noch zu einer 1 wöchigen Verzögerung kam, da dem Schwertransport mit einem Gesamtgewicht von 90 Tonnen von Rohrbach nach Hamburg wegen der Schneeglätte in den Kasseler Bergen die Transportgenehmigung nicht erteilt worden war.
„Das Gesamtprojekt vom ersten Spatenstich bis zur letzten wiederhergestellten Oberfläche war in sechs Monaten erledigt“, sagt Stephan Bollmann. „Das Zusammenspiel zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber ist auf dieser Baustelle wirklich gut gelaufen. Das liegt an der guten Vorplanung von Hamburg Wasser wie auch an der guten Vorbereitung der Firma Rohrsanierung Jensen auf diese Baustelle“, so sein zufriedenes Fazit.
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