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Kaliberbersten – oder doch TIP-Verfahren?

Im Rahmen des Generalsanierungsplans der Stadt Traunstein wurde ein dringender Sanierungsbedarf an einem Verbindungskanal zwischen zwei Hauptkanälen festgestellt. Auf Grund des stark ausgeprägten Schadensbildes wurde eine Erneuerung erforderlich, die jedoch durch die unmittelbare Nähe zu einem denkmalgeschützten Gebäude nicht in offener Bauweise ausgeführt werden konnte. Die Entscheidung fiel nach umfangreichen Untersuchungen auf das Berstverfahren.

Kanalsanierung in Traunstein: Kaliberbersten – oder doch TIP-Verfahren?
Lager der Kurzrohre auf der Baustelle vor dem beleuchteten Arkadengang | Foto: Ing Traunreut

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Der sanierungsbedürftige Mischwasserkanal entlang eines ehemaligen Friedhofs verläuft parallel zu einem Arkadengebäude in 5 Metern Tiefe. Er besteht aus zwei Haltungen DN 400 STZ über eine Gesamtlänge von 100 Meter. Im Bestand gibt es mehrere seitliche Zuläufe, wovon ein Hausanschluss DN 150 STZ aus einem Ladengeschäft noch in Betrieb ist, die übrigen sind mittlerweile ohne Funktion.

Mit verschobenen Rohrverbindungen, Abwinklungen und Richtungswechseln von 3° bis 5°, Rohrbrüchen mit klaffenden Rissen, verschobenen und stellenweise fehlenden Segmenten, Verformungen bis zu 15 %, Wurzeleinwüchsen an Rohrverbindungen mit bis zu 50 % Querschnittsminderung sowie starken Anhaftungen und Ablagerungen zeigte sich ein breites Spektrum an groben Mängeln über die gesamte Kanallänge.

Ist das Schadensbild an sich schon eine Herausforderung, kam erschwerend noch die Lage des Kanals dazu. Dieser verläuft fast auf der gesamten Länge parallel entlang eines historischen Arkadengangs am Kriegergedächtnispark in Traunstein, welcher als Bodendenkmal eingestuft ist. Der Zugang zum Kanal erfolgt über drei Schachtbauwerke DN 1000, wovon der Startschacht und der mittlere Schacht direkt am Arkadengang liegen. Diese beiden Schächte sind nur über unbefestigte Wege zugänglich. Mittig der stark befahrenen Hauptverkehrsstraße, direkt an einem Fußgängerüberweg, befindet sich der Endschacht. Dadurch ergeben sich vor Ort sehr beengte Verhältnisse für den Technikeinsatz und die Materiallagerung und -andienung. In allen drei Schächten sind, als weitere Besonderheit, die Gerinne um ca. 10 cm außermittig angeordnet, was bei der Verfahrens- und Technikauswahl zusätzlich zu berücksichtigen war.

Zu den Herausforderungen zählten die starken Verformungen über weite Strecken der Haltungen. | Foto: Ing Traunreut
Zu den Herausforderungen zählten die starken Verformungen über weite Strecken der Haltungen. | Foto: Ing Traunreut

Kaliberbersten und TIP in der Verfahrensauswahl

In Form einer Nutzwertanalyse wurden nun die in Frage kommenden, grabenlosen Kanalsanierungsverfahren und -techniken verglichen und bewertet. In die engere Auswahl kamen das TIP-Verfahren (Tight In Pipe) und das damit sehr artverwandte Kaliberbersten. Der größte Unterschied zwischen den Verfahren besteht darin, dass sich beim TIP-Verfahren nur ein sehr kleiner Ringspalt – umlaufend nicht mehr als 5 mm bis DN 450 – ausbildet, während es beim Kaliberbersten durch die Wahl eines kleineren Neurohrdurchmessers zu einem Ringraum kommt, welcher i.d.R. verdämmt werden sollte. Die Wahl fiel abschließend auf das Berstverfahren, hier konkret auf das Kaliberbersten mit statischer Krafteinleitung in Längsrichtung. Ein Hauptgrund waren die verfahrensbedingt geringeren Einzugskräfte beim Berstverfahren. Ein „Steckenbleiben“ und die damit verbundene Aufgrabung zur Bergung der Sanierungstechnik musste unbedingt vermieden werden.

Beim Kaliberbersten werden in die zu erneuernde Haltung neue Rohre unter Verwendung eines Aufweitkopfs eingebracht. Eine Aufweitung oder Verdrängung des Altrohres erfolgt nur in den Bereichen mit starken Verformungen, Rohrbrüchen oder Lageabweichungen. Verfahrenstechnisch resultieren daraus beim Einbau hohe Zug- und Reibungskräfte auf den Rohrstrang, sodass der Einsatz dieses Verfahrens sich bei kurzen Strecken, in der Regel einzelne Haltungen von Schacht zu Schacht, Baugrube zu Schacht, Schacht zu Baugrube oder Baugrube zu Baugrube, empfiehlt. Gegenüber dem TIP-Verfahren reduziert sich der Durchmesser zwar beim Kaliberbersten i.d.R. um mindestens eine Nennweite, aber dieser Nachteil konnte aufgrund der hydraulischen Reserven des bestehenden Kanals in Kauf genommen werden.

Mehrteiliger Aufweitkopf zur Rückverformung des Altrohrs mit Führungshülse zur Zentrierung des Neurohrs | Foto: Ing Traunreut
Mehrteiliger Aufweitkopf zur Rückverformung des Altrohrs mit Führungshülse zur Zentrierung des Neurohrs | Foto: Ing Traunreut

Das gewählte Verfahren wird nach DIN EN 11296-1 als Erneuerung eingeordnet, was u.a. großen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung hat. Das TIP-Verfahren gilt demgegenüber als Renovierungsverfahren.

Sorgfältige Vorbereitung garantiert Sanierungserfolg

Im Anschluss an die Ausführungsplanung wurden die erforderlichen Arbeiten im August 2022 ausgeschrieben und die Firma Riedmüller Bau GmbH aus Weinsberg erhielt den Zuschlag für die Arbeiten.

Vor der Ausführung der Sanierungsmaßnahme erfolgten umfangreiche Reinigungs- und Inspektionsarbeiten, um insbesondere Veränderungen zu den vorangegangenen Untersuchungen zu überprüfen. Der Zustand wurde als weitestgehend konsolidiert festgestellt, d.h., die Verformungen und Lageabweichungen hatten sich nicht signifikant verändert, sodass daraufhin der gewählte Sanierungstechnikeinsatz und die Neurohrabmessungen endgültig festgelegt wurden. Maßgebend hierfür war der maximal realisierbare Außenrohrdurchmesser bei möglichst geringen Einzugskräften. Die Wahl fiel auf Vortriebsrohre aus PP-HM (Polypropylen hochmodular) mit einem Außendurchmesser von 380 mm bei einer Wandstärke von 20 mm. Des Weiteren wurde ein Baugrundgutachten zur Beurteilung des Untergrundes erstellt.

Die Länge der einzelnen Rohrsegmente war auf Grund der Einbaubedingungen an den bestehenden Schächten auf 600 mm begrenzt. Als Muffenverbindung wurde die Steckmuffenverbindung mit zwei fest fixierten Dichtringen gewählt. Auf die optionale Rasterverbindung wurde verzichtet, da aufgrund der Abwinklungen im Bestand eine gewisse Flexibilität in der Muffe erforderlich war und das Risiko, die Rohrverbindungen beim Einbau bereits zu stark zu beanspruchen, vom Rohrhersteller als zu groß eingeschätzt wurde.

Die erforderliche Technik besteht aus einem Hydraulikaggregat, einer hydraulisch angetriebenen Seilberstmaschine mit Zug- und Aufweitkopf sowie Kleinteilen zum Einbau der Technik in den Schächten. Das gesamte Equipment und die Rohrmodule befinden sich auf Standardpaletten oder in Gitterboxen und können mit einem Radlader zur Einsatzstelle gebracht werden. Auf der Baustelle befanden sich zudem nur ein Lkw mit Tiefladerhänger, ein Kettenbagger 7,5 to und ein Transporter. Der Platzbedarf vor Ort ist damit äußerst gering und somit ideal für den innerstädtischen, dicht besiedelten Bereich.

Kombiniertes Press-/Ziehverfahren

Schachtanschluss im Bauzustand mit aufgeschobenem Schachtfutter zur dichten Anbindung | Foto: Ing Traunreut
Schachtanschluss im Bauzustand mit aufgeschobenem Schachtfutter zur dichten Anbindung | Foto: Ing Traunreut

Die Ausführung erfolgte in zwei Einbauabschnitten. Die Kurzrohrmodule wurden mit der Berstanlage unter Rückverformung des deformierten Altrohrs STZ DN 400 eingebaut. Um den hohen Einzugskräften und Einwirkungen auf das einzuziehende Neurohr aufgrund der starken Abwinklungen und Deformationen Rechnung zu tragen, kam hier als Besonderheit ein kombiniertes Press-/Ziehverfahren zum Einsatz. Hierbei wird der Berstkopf, zusätzlich zur hydraulischen Presse am Startschacht, durch ein Zugseil einer Seilwinde am Zielschacht unterstützt, was einen stabilen Richtungsverlauf gewährleistet. Der komplette Einbau musste über den bestehenden mittleren Schacht erfolgen, da sich der Start- und Endschacht lage- und bauartbedingt für den Einbau nicht eigneten. Die Nennweite der verwendeten Kurzrohrmodule wurde nur geringfügig kleiner als der Altrohrdurchmesser gewählt, um einen möglichst kleinen Ringraum zu erhalten.

Umfangreiche Schachtsanierung

An allen drei Schächten waren umfangreiche Vor- und Nachbereitungsmaßnahmen notwendig. Die Vorarbeiten umfassten den Ausbau der Gerinne und eines innenliegenden Absturzes sowie die Demontage der Steigeisen. Für die Sanierung selbst wurden in den Schächten Widerlager zur Aufnahme der Maschinenkräfte geschaffen; dabei stellte die außermittige Lage des Gerinnes eine weitere Herausforderung dar. Die Zu- und Abläufe mussten großflächig freigestemmt werden, um den erforderlichen Freiraum für den Vortrieb der neuen Rohre zu gewährleisten. Nach Abschluss der Sanierungsmaßnahmen wurden auf die Rohrenden Schachtanschlussfutter mit Dichtungen aufgesetzt, die Schachtanschlussbereiche wiederhergestellt und die Schachtunterteile neu aufgebaut.

Der vorhandene Anschluss in der ersten Haltung wurde nach dem Einzug des Neurohres in grabenloser Bauweise mittels Robotertechnik geöffnet und wasserdicht angeschlossen.

Auf Gefahr des Steckenbleibens des Berstkopfes vorbereitet

Die Zwangslage durch das umgebende Bodendenkmal bedingte eine grabenlose Bauweise, bei der notwendige Aufgrabungsarbeiten auf ein Minimum zu begrenzen waren. Für den Fall, dass der Berstkopf steckengeblieben und eine Bergung der Geräte erforderlich geworden wäre, wurde im Leistungsverzeichnis das Abteufen eines Absenkschachtes DN 1000 mit ausgeschrieben. Bei der zuständigen Denkmalschutzbehörde wurde vorsorglich eine Anfrage für Tiefbauarbeiten gestellt und für diese eine eventuelle Kleinbaugrube genehmigt.

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Dazu ist es insbesondere wegen der sorgfältigen Datenerfassung und Planung sowie der sehr erfahrenen Baufirma Riedmüller nicht gekommen. Ende Oktober 2022 begannen die Arbeiten und wurden in einem engen Zeitfenster bis Mitte November fristgerecht durchgeführt, wobei die Berstmaßnahmen innerhalb von vier Arbeitstagen vollständig ausgeführt wurden. Der Kanal konnte zur vollen Zufriedenheit des Auftraggebers erfolgreich saniert werden.

Hauptsache rund und dicht – Kanal folgt den Bögen im Altbestand | Foto: Ing Traunreut
Hauptsache rund und dicht – Kanal folgt den Bögen im Altbestand | Foto: Ing Traunreut

Abgenommen wurde die Leistung durch eine optische Inspektion, einer Dichtheitsprüfung und einer Deformationsmessung. Lediglich die vorhandenen Abwinklungen und die damit verbundenen Richtungsänderungen in der Lage blieben aufgrund des Einzugs des Neurohrs in die Alttrasse bestehen und führten zu leichten Abwinklungen in den Steckmuffen des neuen Rohres. Dies stellt nur einen optischen Makel dar. Die Dichtheit und Standsicherheit des Systems sind dadurch nachweislich nicht beeinträchtigt.

Autor: Philipp Höbel, Fachbereichsleitung Kanalsanierung, Ing Traunreut GmbH | Foto: Ing Traunreut
Autor: Philipp Höbel, Fachbereichsleitung Kanalsanierung, Ing Traunreut GmbH | Foto: Ing Traunreut

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