Skandinavier in der Inhouse-Sanierung weit voraus
Bei der Inhouse-Sanierung steht Deutschland da, wo die Skandinavier vor etwa zehn Jahren standen. Doch wie in Skandinavien ist das Potenzial in Deutschland riesig. Um dieses in Zukunft auszuschöpfen, wird man sich hierzulande an den nordischen Nachbarn orientieren, aber einen eigenen Weg finden müssen.
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Mittelhohe Mehrfamilienhäuser aus den 70er Jahren mit alten und/oder schadhaften Leitungen gibt es in Finnland zuhauf. Viel zu tun haben daher Firmen, die sich auf die Sanierung von Fall- und Anschlussleitungen in Gebäuden ohne Aufbrucharbeiten spezialisiert haben. Denn Inhouse-Sanierung ist in Finnland wie auch in den anderen skandinavischen Ländern seit einigen Jahren weit verbreitet und in der Regel werden die Gebäudeleitungen alle 40 bis 50 Jahre erneuert bzw. saniert – sofern sie nicht schon vorher schadhaft sind.
In Skandinavien hat man bereits seit gut zehn Jahren Erfahrungen mit der grabenlosen Rohrsanierung in Gebäuden. Vorreiter waren die Schweden, dicht gefolgt von den Finnen und Norwegern. Und auch die Dänen sind seit ein paar Jahren in diesem Bereich aktiv. Noch in den Kinderschuhen steckt dagegen der deutsche Markt. „Vor zehn Jahren hatten wir in Deutschland den Markt noch gar nicht auf dem Schirm“, weiß Sebastian Beck, Key Account Manager vom Systemanbieter Brawoliner. Das Unternehmen hat sich auf kleine Rohrdurchmesser spezialisiert und arbeitet mit diversen skandinavischen Sanierungsfirmen zusammen. „Es hat sich erst etwas getan, als wir in Skandinavien die dortige Marktentwicklung gesehen haben. Erst dann wurden in Deutschland Produkte zugelassen, die speziell für den Inhouse-Markt entwickelt wurden“, so Beck. „Hier gibt es erst seit 2012 Inhouse-Produkte mit DIBt-Zulassung und nennenswerter Marktdurchdringung.“
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Erfolgreich auf Riesen-Markt
Doch es gibt noch weitere Gegebenheiten, die der Inhouse-Sanierung in Skandinavien zum Erfolg verhelfen: Anders als in Deutschland gehören in einem Wohngebäude mit mehreren Eigentümern sowohl Fall- und Grundleitungen als auch die Leitungen in den Wohnungen zum Gemeinschaftseigentum. Auf Beschluss der Eigentümergemeinschaft wird daher die Sanierung für das komplette Haus umgesetzt und jeder Eigentümer beteiligt sich an den Kosten. Des Weiteren verlaufen häufig die Wasserversorgungsleitungen in Skandinavien nicht – wie in Deutschland – unter dem Putz und in der Regel weisen die Anschlussleitungen in nach einem Standard gebauten Wohnblock weniger Bögen auf als hierzulande.
Zum Erfolg der Inhouse-Sanierung in Finnland hat auch das Kommunizieren der Vorteile und die Weitergabe von Kenntnissen beigetragen. Für Picote war etwa die Ausbildung bzw. Einweisung von Technikern, Kontrolleuren, Hausverwaltern, Hausgemeinschaften sowie Ingenieuren sehr wichtig, wie Katja Lindy-Wilkinson erklärt. „So konnte den Hauseigentümern schließlich auch der Mehrwert der Sanierung in geschlossener Bauweise vermittelt werden.“ Daneben präsentierte das Unternehmen auch auf Messen und Infoveranstaltungen die neuen Produkte und Techniken.
Lernen und eigenen Weg finden
Angesichts des großen Wissens-, Erfahrungs- und Technikvorsprungs der Skandinavier bei der Inhouse-Sanierung gilt für Deutschland: Anschluss halten! Denn das Marktpotenzial ist trotz vieler Unterschiede zu den Skandinaviern auch in Deutschland groß. „Wir haben etwa 45 Millionen Gebäude mit insgesamt über 20 Millionen Kilometern Abwasserleitungen. Im Vergleich zu Finnland mit seinen etwa 150 Millionen Euro Marktvolumen heißt das: Da die Einwohnerzahl in Deutschland fast 13 Mal höher ist, bedeutet das bei uns ein theoretisches Marktvolumen von 1,5 bis 2 Milliarden Euro“, rechnet Sebastian Beck vor.
Von Wettbewerb könne man in Deutschland indes noch nicht reden. Momentan gehe es eher darum, den deutschen Markt zu entwickeln und zu standardisieren. „Marktentwicklung heißt auch Aufklärungsarbeit leisten“, so Beck. „Wir müssen die Eigentümer, egal ob große Immobiliengesellschaften oder private Hauseigentümer, darüber informieren, dass man Rohre in kleinen Nennweiten ab DN 50 grabenlos sanieren kann. Dazu müssen wir vor allem bestehende Kontakte nutzen. Daneben sind Regelwerke und Normung auf europäischer Ebene wichtig. Dadurch werden Inhouse-Verfahren mehr Anerkennung finden.“ Das werde aber wohl noch mindestens 2-5 Jahre dauern, vermutet Beck.
Voraussichtlich wird zu den hierzulande bisher wenigen zugelassenen Produkten für die Inhouse-Sanierung noch das eine oder andere skandinavische Produkt nach Deutschland kommen. Und sicherlich werden sich die Deutschen in Zukunft an der Arbeitsweise der Skandinavier orientieren, wenngleich man in Deutschland angesichts der bereits beschriebenen Unterschiede einen eigenen „Sanierungsweg“ finden muss, der bereits bei klar formulierten Ausschreibungen anfängt. „Aber selbst wenn es den Deutschen gelänge, nur 1 % des skandinavischen Marktvolumens zu erreichen, hätten die deutschen Firmen mehr als genug zu tun“, verdeutlicht Sebastian Beck.
Zu den wenigen deutschen Firmen, die sich auf die Inhouse-Sanierung spezialisiert haben, gehört die Polyline GmbH. Geschäftsführer Mario Karge sieht die Interessenverbände und Unternehmen in der Pflicht, die die Akzeptanz für die Inhouse-Sanierung bei der Bevölkerung und den Auftraggebern noch viel mehr „erarbeiten“ müssten. „Auch die Planungsbüros müssen viel mehr angesprochen werden, damit solche Verfahren überhaupt bei der Findung von Lösungsansätzen beim Bauen im Bestand eine Berücksichtigung finden“, meint Karge.
Bleibt also abzuwarten, wie sich der deutsche Inhouse-Markt in den nächsten Jahren entwickeln wird. Mario Karge und auch andere Unternehmensleiter, die sich mit der Inhouse-Sanierung beschäftigen, sind jedenfalls davon überzeugt, dass Deutschland ein Wachstumsmarkt ist. „Wir bekommen in letzter Zeit auch vermehrt Anfragen zu innenliegenden Fallrohren, welche sehr stark korrodiert sind“, freut sich Dominik Spitzenberg, Leiter für Marketing und IT bei der tkm Service GmbH, und verspricht: „Wir werden auf jeden Fall in Zukunft näher in den Inhouse-Markt vorstoßen, da der Markt gigantisch ist.“ Andere Firmen werden ganz sicher folgen.
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