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Nach über 100 Jahren noch gut in Schuss

Bei der Konzeption des Abwassernetzes waren die Planer in Augsburg damals weitsichtig, wie sich jetzt bei der Sanierung eines 600 m langen Abschnitts des über 100 Jahre alten Hauptsammlers zeigt. Die Substanz ist noch so gut erhalten, dass der Abwasserkanal unter einer Hauptverkehrsstraße der Stadt mit einer Beton-Sanierung wieder instandgesetzt werden kann. Beauftragt wurde damit die Firma HS Kanalsanierung aus Heimbuchenthal, die sich auf manuelle Sanierungen von begehbaren Kanälen und Schächten spezialisiert hat.

Über 100 Jahre alter Abwasserkanal in Augsburg manuell saniert
Der Arbeitsplatz der Beton-Sanierer im Kanal | Foto: Adreas Mauritz, Jockgrim

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Wasser spielt in der Geschichte der Stadt Augsburg schon immer eine zentrale Rolle. Bereits vor 800 Jahren sorgten dort Ingenieure und Gelehrte dafür, das Wasser der drei Flüsse Lech, Wertach und Singold so zu stauen und umzuleiten, dass die ganze Stadt damit versorgt wurde. Im Mittelalter trieben Wasserräder Mühlen, Hammer- und Pumpwerke an und sorgten so für Wohlstand. Im 19. Jahrhundert wurde Augsburg dank der mit Wasserkraft gewonnenen Energie zu einem Zentrum von Textil- und Papierindustrie sowie des Maschinen- und Turbinenbaus. Die Unesco würdigte das Augsburger Wassermanagement-System 2019 als Weltkulturerbe.

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Anfang des 20. Jahrhunderts hat die Stadt Augsburg damit begonnen, eine Schwemmwasser-Kanalisation zu planen und zu bauen. Als Geburtsstunde der modernen Stadtentwässerung gilt dort der 9. April 1910. An diesem Tag hat der Magistrat den ersten Generalentwässerungsplan genehmigt. Im ehemaligen wassergefüllten Stadtgraben wurde dazu ein Ringkanal im Maulprofil mit einer Höhe von 1,80 m und einer Breite bis zu einem Meter gebaut, erzählt Karin Fluhr, die bei der Stadtentwässerung Augsburg gemeinsam mit ihrem Kollegen Mario Remo Veronese für den Unterhalt der Kanäle größer 1,20 m zuständig ist. Insgesamt ist das Kanalnetz der Stadt 640 km lang, 120 km davon sind Großkanäle.

Zum Teil tritt das Wasser hier fingerdick aus der Wand. | Foto: Andreas Mauritz, Jockgrim
Zum Teil tritt das Wasser hier fingerdick aus der Wand. | Foto: Andreas Mauritz, Jockgrim
Diese ersten Hauptsammler wurden damals aus Beton ohne Bewehrung „mehr oder weniger als Tunnel gebaut“, so die Diplom-Ingenieurin. In der Sohle, etwas tiefer gelegen als der ehemalige Stadtgraben, hat man zunächst den Kanal errichtet und dann auf das heutige Straßenniveau aufgefüllt. Die Höhe von 1,80 m brauchte man damals nicht wegen der Abwassermenge, sondern um beim Bau den Abraum herauszutragen. Für das Abwasser hatten die Planer der Kanalisation damals nur das Gerinne aus Klinker vorgesehen. Heute ist man in Augsburg froh um das große Volumen des Hauptsammlers, denn „bei starkem Regen sind die Kanäle randvoll“, so Fluhr. „Das Geniale ist, dass unser Kanalnetz seit über 100 Jahren funktioniert, das Geschiebe rauscht darüber, der Klinker schaut einfach klasse aus und ist unverwüstlich.“

Auch sonst hat die Mitarbeiterin im Kanalunterhalt der Stadt mit 300.000 Einwohnern großen Respekt vor dem, was die Planer und Bauleute damals noch weitgehend ohne große Maschinen geleistet haben. An mehreren Stellen kreuzen Lech-Kanäle den Abwassersammler. Dort ist der Querschnitt auf ein Kastenprofil reduziert und Fluss- und Abwasser trennen nur eine 12 cm starke, mit Stahlträgern verstärkte Betondecke. Diese Wasserkreuzungen sind nach über 100 Jahren noch „astrein, da haben wir Glück“, freut sich Karin Fluhr. Besonders gut gefallen ihr als Ingenieurin die Schächte, die alle 30 bis 50 m angelegt wurden: „Dadurch haben wir einfach sehr viel Luft im Kanal, entsprechend gut ist der Beton noch“. Auch diese insgesamt sieben Schächte werden bei Bedarf repariert.

Hauptverkehrsstraße Großer Graben in Augsburg. Vor der Sanierung wird der Kanal mit Hochdruck durch Kanalservice Braunen gereinigt. | Foto: Andreas Mauritz, Jockgrim
Hauptverkehrsstraße Großer Graben in Augsburg. Vor der Sanierung wird der Kanal mit Hochdruck durch Kanalservice Braunen gereinigt. | Foto: Andreas Mauritz, Jockgrim

Starke Undichtigkeiten das Hauptproblem

Als Baumaterial habe man damals die anstehenden Böden genutzt und für den Beton „mehr oder weniger guten Zement“ verwendet. Ein Problem ist auch, dass die seitliche Bettung teilweise nicht mehr intakt ist, wie man mit einem Bohrprogramm ermittelt hat. Die Folge, so Karin Fluhr, sind Risse, die jetzt repariert werden. In einem weiteren Bauprojekt wird die Bettung im Sommer 2022 mit einem Spezialverfahren stabilisiert. „Das Hauptproblem im Augsburger Hauptsammler sind aber starke Undichtigkeiten“, erklärt Jan Wozniak, der von der Stadtentwässerung Augsburg beauftragte Planer vom Büro Stein Ingenieure. Wozniak vermutet, dass der Beton beim Bau möglicherweise nicht richtig verdichtet wurde oder dass Feinanteile fehlen. „Durch die fehlenden Feinanteile ist die Kanalwandung undicht und das Grundwasser kann reindrücken“, so der Planer. In jedem Fall müssen die Schäden jetzt behoben werden, denn „das Grundwasser soll nicht in den Kanal und wir wollen auch nicht, dass das Abwasser exfiltriert“. Auch wenn die Klinkersteine im Gerinne selbst noch weitgehend in Ordnung sind, wurden dort die Fugen über die Jahre zum Teil „mürbe und ausgewaschen“, wie Wozniak erklärt. Diese werden im Rahmen des Sanierungsprojekts ebenfalls punktuell saniert.

Insgesamt betrachtet sind die Schäden auf dem rund 600 m langen Teilstück des begehbaren Hauptsammlers in Augsburg im Sonderprofil 1300/1900 und 1400/1850 mit sechs Haltungen zwischen dem Schacht Leonhardsberg und dem Schacht City-Galerie und Längen von 71 bis 171 m jedoch nicht so stark, dass eine Komplettsanierung zum Beispiel mit einem Schlauchliner notwendig ist, sagt Karin Fluhr. „Wir haben denselben Kanal ein Stück weiter nördlich mit einem Nadelfilzliner saniert. In diesem Bereich, wo wir jetzt sind, wollten wir das nicht machen und haben uns deswegen für eine Beton-Sanierung entschieden, weil ich davon überzeugt bin, dass die Kanäle, so wie sie sind, auch noch mal 100 Jahre halten“, begründet sie das Vorgehen. Hinzu kommt, dass man auch im ersten Bauabschnitt einen Teil händisch mit Beton-Sanierung reparieren musste. Durch die komplizierte Spartenlage, also die vorhandenen Leitungen für Gas, Wasser, Telekom und Fernwärme, war der Aushub einer für die Inversion des Nadelfilzliners notwendigen Baugrube praktisch nicht möglich.

Stemmarbeiten mit Bohrhammer | Foto: Andreas Mauritz, Jockgrim
Stemmarbeiten mit Bohrhammer | Foto: Andreas Mauritz, Jockgrim
Eigentlich sollte die Sanierung des Hauptsammlers bereits im Jahr 2013 erfolgen. Da die Hauptverkehrsstraße Großer Graben durch den Umbau des Königsplatzes im Zentrum der Stadt Augsburg für die Umgehungsstrecke gebraucht wurde, durften die Kollegen aus dem Tiefbauamt erst 2019 wieder in der Straße arbeiten. Sie starteten mit der genannten Schlauchliner-Sanierung im nördlichen Abschnitt. In diesem Jahr ging es mit der Beton-Sanierung weiter. „Wir sind sehr froh, dass wir mit HS Kanalsanierung eine gute Baufirma gefunden haben, mit der wir das, denke ich, sehr gut abwickeln können“, sagt Karin Fluhr. Denn es gibt, wie sie sagt, nicht mehr viele Fachfirmen, die sich auf manuelle Sanierungsverfahren in so großem Umfang spezialisiert haben.

Für den planenden Ingenieur Jan Wozniak ist diese manuelle Beton-Sanierung sowohl durch das ungewöhnliche Kanal-Profil als auch durch die Länge des Abschnitts zumindest für das Büro Stein Ingenieure etwas Außergewöhnliches. „Eine Herausforderung ist dabei auch, dass man nie richtig weiß, was man tatsächlich an Schadensbildern vorfindet“. Denn trotz TV-Inspektion und Gutachten im Vorfeld bringt erst die gründliche Hochdruckreinigung beim Start der Sanierungsarbeiten alle Schäden ans Licht. „Eine Reinigung, wie wir sie vor der Sanierung machen, können wir nicht vor jeder Kamerabefahrung machen“, erklärt Karin Fluhr. „Weil wir da mit höherem Druck draufgehen, ist sonst irgendwann die Zementhaut kaputt“. Andererseits lassen sich erst dann tatsächlich alle Schäden erkennen. „Wir haben jetzt einen zusätzlichen Scheitelriss entdeckt, den wir definitiv – und wir waren wirklich sehr aufmerksam unterwegs – vorher nicht erkannt haben“, so die Ingenieurin.

Reparatur mit Spezial-Mörtel | Foto: Andreas Mauritz, Jockgrim
Reparatur mit Spezial-Mörtel | Foto: Andreas Mauritz, Jockgrim

Klassische Beton-Sanierung

Bauleiter der Firma HS Kanalsanierung in Augsburg ist Bernd Hubert. Diese Baustelle ist für ihn „eine klassische Beton-Sanierung“. Das bedeutet, dass er und seine Mitarbeiter alle Materialien, die sie für die Reparaturmaßnahmen brauchen, vor Ort anrühren, mit den Werkzeugen durch die engen Schächte 5 m tief in den Kanal bringen und dort einbauen. Ein Knochenjob auf engem Raum. Das Unternehmen, das zum Verbund der in der Schweiz ansässigen Kanalservice-Gruppe gehört, ist in ganz Deutschland und auch im benachbarten Ausland im Einsatz, um begehbare Abwasserkanäle ab DN 800 zu sanieren. Für die gründliche Kanalreinigung im Vorfeld und die Video-Dokumentation nach Abschluss der Arbeiten holte man sich die Spezialisten der Kanalservice Braunen GmbH aus Griesstätt (Bayern) ins Boot, die ebenfalls zur Kanalservice-Gruppe gehören. „Die Kollegen haben den Kanal sehr, sehr gut gereinigt, das sollte mal deutlich hervorgehoben werden, denn das macht nicht jeder so gut“, sagt Hubert, der inzwischen auf 18 Jahre Erfahrung in diesem Metier zurückblicken kann. Bei dem Baustellentermin Anfang April ist er noch mit vier Mitarbeitern im Einsatz. Im Augsburger Hauptsammler ist viel zu tun, deshalb hat er bei seiner Geschäftsführung bereits „mehr Hände“ angefordert. In den kommenden Wochen will er mit doppelter Mannschaftsstärke arbeiten, denn „wenn HS Kanalsanierung sagt, wir bauen diese Maßnahme in dieser Zeit, dann wird es auch erledigt“.

Wie sich nach der Hochdruckspülung zeigte, war den Schäden „einzig und allein mit Harzen, mit Schaum oder sonstigen Injektionen“, wie ursprünglich geplant, nicht beizukommen, denn „der Beton und der Mörtel, der da vorhanden ist, ist so lunkerhaft, so ausgewaschen, dass er mir nicht den Packer zur Injektion trägt“, erklärt der erfahrene Bauleiter. Gleich am Anfang der Maßnahme bat die Firma HS Kanalsanierung die Auftraggeber deshalb darum, vom vereinbarten System abzuweichen und stattdessen mit speziellen Stopf-Mörteln zu arbeiten. Der Aufwand ist so höher als geplant, denn anstelle einer Bohrung und Injektion wird jetzt die vorhandene Mörtelschicht mit Bohrhämmern abgetragen und neues Material eingebaut. Dafür aber, so Hubert, kann er dann auch sagen: „Das, was wir getan haben, das hält. Und darum geht es ja.“

Vor Ort-Termin im Kanal: Jan Wozniak vom Büro Stein Ingenieure, Mario Remo Veronese und Karin Fluhr von der Stadtentwässerung Augsburg mit Bauleiter Bernd Hubert und Geschäftsführer Sebastian Gorecki von der HS Kanalsanierung GmbH. | Foto: Andreas Mauritz
Vor Ort-Termin im Kanal: Jan Wozniak vom Büro Stein Ingenieure, Mario Remo Veronese und Karin Fluhr von der Stadtentwässerung Augsburg mit Bauleiter Bernd Hubert und Geschäftsführer Sebastian Gorecki von der HS Kanalsanierung GmbH. | Foto: Andreas Mauritz

Erfahrung und Qualität als Erfolgsgaranten

Bauleiter Bernd Hubert und seine Kollegen kennen sich genau mit den unterschiedlichen, meist Kunststoff-modifizierten Spezial-Mörteln für die Betonsanierung im Abwasserkanal aus. Hubert hat unter anderem auf Baustellen in Holland („da ist das Wasser einen halben Meter aus der Sohle gespritzt“) Erfahrung mit den speziellen, unter Wasser aushärtenden Wasserstopfmörteln gesammelt, die er auch in Augsburg einsetzt, um die extremen Wassereinbrüche abzudichten. Es komme darauf an, die Konsistenz und die Erwärmung des Materials mit den Händen zu spüren, um so genau den richtigen Zeitpunkt für den Einbau zu erkennen. „Ist man so früh dran oder ist man zu spät dran, dann funktioniert es nicht“, sagt Hubert. Dieses Wissen müsse man sich durch „learning by doing“ erarbeiten. „Wenn man weiß, wie man damit umgehen muss, dann funktioniert es“.

Grundsätzlich, so Hubert, arbeite man bei HS Kanalsanierung nur mit hochwertigen Injektionsmaterialien oder Stopfmörteln, denn „nur mit diesen hochwertigen Materialien können wir auch den gewünschten Erfolg erzielen“. Die Baustelle in Augsburg verläuft nach Plan. Mit der angekündigten Verstärkung ist sich Bauleiter Hubert sicher, dass alles im Zeitplan bis Ende Mai fertig wird.

Die Sanierung wird mit Video dokumentiert. | Foto: Andreas Mauritz, Jockgrim
Die Sanierung wird mit Video dokumentiert. | Foto: Andreas Mauritz, Jockgrim

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Quelle: HS Kanalsanierung


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