Prozesslawine wegen unsachgemäß eingesetzter Giftköder?
Im Rahmen einer Studie hat die Bundesanstalt für Gewässerkunde Rattengiftrückstände in Fischlebern nachgewiesen. Als Ursache haben die Forscher unsachgemäß eingesetzte Rattenköder ausgemacht. Für die Verantwortlichen in den Städten, Kommunen und Betrieben bedeutet dies, dass sie ab sofort mit rechtlichen Konsequenzen fürchten müssen.
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Gefährliche Rattenköder benötigen Zulassung
Aus diesen Gründen ist der Einsatz der gefährlichen Rodentizide nur mit einer amtlichen Zulassung gestattet. Die Grundsätze der Zulassung sind in der EU-Biozid-Verordnung 528/2012 geregelt und werden in Deutschland durch die nach dem Chemikaliengesetz zuständigen Behörden nur unter Vorgabe strenger Anwendungsbestimmungen zugelassen. Für den Einsatz von Rodentiziden in der Kanalisation zur Schädlingsbekämpfung ist in den Anwendungsbestimmungen als anwendungsspezifische Anweisung klar festgelegt: „Die Köder müssen so angewendet werden, dass sie nicht mit Wasser in Kontakt kommen und nicht weggespült werden.“
Folglich muss jede Kommune und jeder Abwasserbetrieb spätestens seit 2018 (Veröffentlichung der „guten fachlichen Anwendung von Nagetierbekämpfungsmitteln“ durch das Umweltbundesamt) wissen, dass die bisher von ihr angewandte Methode des einfachen Einhängens der Giftköder am Draht im Kanalschacht unzulässig ist. Denn im Kanalschacht kann es jederzeit durch unterschiedliche physikalische Ereignisse dazu kommen, dass der ungeschützte Köder mit Wasser in Kontakt kommen und weggespült werden kann – z.B. durch Starkregen oder Rückstauereignisse.
Verantwortliche für Rattenbekämpfung machen sich persönlich strafbar
Spätestens seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1992 (Az. 2 StR 86/92) muss jedem Bürgermeister klar sein, dass er sich für Fehler bei der Abwasserbeseitigung persönlich strafbar machen kann. Gleiches gilt für die Leiter und Mitarbeiter von Abwasserbetrieben oder Zweckverbänden. [Hinweis: Bürgermeister wie Geschäftsführer können als verantwortliche Organe (gem. § 14 StGB) als Täter, Mitarbeiter je nach Tatbeitrag als Mittäter oder wegen Beihilfe bestraft werden (denn die Handhabung der Gifte ist nur als sachkundig zugelassenen Personen gestattet.]
Man sollte die Vorschrift des § 324 Strafgesetzbuch (StGB) beachten, wonach sich strafbar macht, wer ein Gewässer verunreinigt. Der Verstoß gegen die vorgeschriebenen Anwendungsbestimmungen für Rodentizide und die Grundsätze der guten fachlichen Anwendung können im Ergebnis den Verstößen von Landwirten gegen die gute fachliche Praxis (DüngeV, PflSchG) gleichgesetzt werden.
Auch § 326 StGB wird einschlägig sein. Hiernach wird bestraft, wer unbefugt Abfälle ablagert bzw. beseitigt, die nachhaltig ein Gewässer verunreinigen oder den Bestand von Tieren und Pflanzen gefährdet. Ein Köder, der vom Draht in das Abwasser abfällt, wird im Sinne des Strafrechts als Abfall eingestuft werden. Denn er kann seine Funktion als Schädlingsbekämpfungsmittel nicht mehr erfüllen, wenn er sich im Abwasser befindet. Nachdem es bei § 326 StGB nicht auf den Eintritt eines Schadens ankommt, sondern allein ob eine Gefährdung von Gewässer, Tiere usw. eingetreten ist (ähnlich einer Straßenverkehrsgefährdung durch bloße Trunkenheit am Steuer gemäß § 316 StGB, die bestraft wird, ohne dass eine Person oder Sache tatsächlich zu Schaden gekommen sein muss), ist eine Strafbarkeit mit dem Nachweis der Gifte durch die Studie der Bundesanstalt für Gewässerkunde gegeben. Aufgrund der Unkontrollierbarkeit des Giftes nach Kontakt mit Wasser wird zudem der Tatbestand des § 330 a StGB (Schwere Gefährdung durch Freisetzung von Giften) erfüllt sein. Der Einsatz von Rattengift beschäftigte in diesem Zusammenhang schon früh den Gesetzgeber.
Gewässerverunreinigung schon als Versuch strafbar
Selbst wenn im Einzelfall der Nachweis einer konkreten Gewässerverunreinigung usw. nicht gelingen sollte, so ist damit zu rechnen, dass die bei den zitierten Strafvorschriften bestimmte Strafbarkeit eines Versuchs vorliegt. Eine Gewässerverunreinigung ist folglich als Versuch strafbar, wenn selbst durch rechtzeitiges Eingreifen der Behörden noch verhindert werden konnte, dass das Gewässer unmittelbar gefährdet wird. Der Versuch wird strafbar sein, wenn gegen die Anwendungsbestimmungen (s.o.) verstoßen wird, weil es sich bei den Rodentiziden um hochtoxische Gefahrstoffe handelt.
Zu beachten gilt zudem, dass auch die fahrlässige Begehung strafbar ist. Hierzu gehört, dass die fehlende Sorgfalt beim Umgang mit den Biozid-Giften unter Verstoß gegen die Zulassungsvorschriften strafrechtlich verfolgt werden kann. Eine weitere Strafbarkeit droht durch § 27 ChemG, die auf die Verletzung der Anwendungsvorschriften gestützt werden kann.
Wirksame und (rechts)sichere Köderschutzboxen
Da es bereits seit Jahren Köderschutzeinrichtungen wie Köderschutzboxen gibt, mit deren Hilfe sich die Anwendungsbestimmungen für Rodentizide leicht einhalten lassen, dürfte es für die Verantwortlichen in den Kommunen und Betrieben schwierig bis unmöglich werden, zu rechtfertigen, wieso sie die veraltete Drahtmethode weiterhin praktizieren bzw. bei der Vergabe von Schädlingsbekämpfungsleistungen an Dritte tolerieren. Köderschutzboxen verhindern den Kontakt zwischen Giftköder und Wasser selbst bei Starkregen oder Überflutungen (auch im oberirdischen Bereich) und sind somit ein probates und rechtssicheres Mittel zur Schädlingsbekämpfung. Je nach Ausführung lassen sich die eingesetzten Giftmengen nach Erfahrungen von rechtskonformen Anwendern unter den Kommunen um bis zu 90 Prozent reduzieren, da die Köder ausschließlich von den Ratten gefressen und nicht ins Wasser eingetragen werden können.
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Dringender Handlungsbedarf bei veralteter Schädlingsbekämpfung
Die Studie der Bundesanstalt wird Umweltschützern sowie Umweltverbänden, aber auch Betroffenen wie Fischern und Anglervereinen fundierte Unterstützung geben, gegen die veraltete Schädlingsbekämpfung im Abwasserkanal „per Draht“ vorzugehen. Es besteht also dringender Handlungsbedarf für die Verantwortlichen in Städten, Kommunen und Abwasserbetrieben, die gesetzeswidrigen Ausführungspraktiken einzustellen, um sich vor strafrechtlichen Vorwürfen als auch vor etwaigen Schadensersatzansprüchen nach dem Wasserhaushaltsgesetz, Umweltschadensgesetz und deliktischen Zivilrecht u.a.m. zu schützen. Eine Abwendung der strafrechtlichen Verfolgung durch das sog. Amtshaftungsprivileg (Art. 34 GG) ist nicht möglich; bei Schadensersatzklagen könnte dem einzelnen Verantwortlichen sogar die Rückgriffhaftung gemäß Art. 34 Satz 2 GG (persönliche Haftung bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit) drohen.
Dieser Artikel erschien ursprünglich am 8.12.2020.
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