Kunststoffrohr-Recycling – Status quo und Zukunftsbetrachtung

Wie ist der Status quo bei der stofflichen Wiederverwertung von Kunststoffrohrsystemen in Deutschland und welche Entwicklungen sind in näherer Zukunft zu erwarten?

Kunststoffrohr-Recycling – Status quo und Zukunftsbetrachtung
Bild 1: Gitterbox für gesammeltes Baustellen-Altmaterial Kunststoffrohrsysteme und Kunststoffschächte | Foto: Lesch Consult

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Nachhaltigkeit ist derzeit in aller Munde. Die Kunststoffindustrie wird heute von einem Teil der Gesellschaft pauschal an den Pranger gestellt, da „Plastik“ die Weltmeere verschmutzt. Hier tut objektive Aufklärung not, erst recht wenn alles über einen Kamm geschert wird.

Eine Differenzierung zwischen Verpackungsindustrie und Investitionsgüterindustrie, insbesondere Kunststoffrohrsysteme, ist dringend erforderlich. Denn bei Kunststoffrohrsystemen für die Abwasserentsorgung existiert heute sowie in der Zukunft eine sehr umweltfreundliche und ressourcenschonende Gesamtsituation.

Das Kunststoffrecycling sowie die ressourcenschonende Herstellung werden von der Kunststoffindustrie bereits seit vielen Jahren aus ökologischen und ökonomischen Gründen erfolgreich praktiziert. Auf Basis jahrelanger Praxiserfahrung sowie nun geänderten normativen Regelungen wurden die wesentlichen Voraussetzungen und diversen Möglichkeiten für eine noch höhere Recycylingquote von Kunststoffrohren und Kunststoffschächten auf Hersteller- und Anwenderseite geschaffen. Daraus ergeben sich neue Marktpotenziale für nachhaltige Kunststoff-Recyclingprodukte, die in diesem Fachbericht aufgezeigt werden. Darüber hinaus schaffen wir Transparenz beim aktuellen Begriffswirrwarr im Kunststoffrecycling.

Marktsituation

In der erdverlegten, drucklosen Abwasserentsorgung werden seit vielen Jahrzehnten Produkte und Systeme überwiegend aus thermoplastischen Kunststoffen erfolgreich eingesetzt. Die bisherigen Kunststoffrohrsysteme wurden nahezu vollständig aus Neumaterial hergestellt. Die Gründe hierfür sind sehr unterschiedlich:

  • bis dato kaum politischer und gesellschaftlicher Druck zum Einsatz von Rezyklat (gesetzliche Vorschriften)
  • fehlende normative Grundlagen
  • unzureichende Erkenntnisse zu Eigenschaften und Langzeitverhalten von Recyclingmaterial
  • Engpass an definierten und spezifischen Recyclingmaterialqualitäten
  • geringe Marktnachfrage nach Kunststoffrohren und -schächten aus Rezyklat bzw. mit Rezyklat-Anteilen
  • fehlendes Recyclingmaterial in ausreichender Qualität und Quantität
  • großer, kostenintensiver Aufwand zur Aufbereitung von Rücklauf- und Recyclingmaterial
  • zusätzlicher Aufwand und Kosten durch notwendige Produktionsprozessumstellungen beim Hersteller
  • allgemeine Kunden-Erwartungshaltung, dass Kunststoffrohrsysteme mit anteiligem Recyclingmaterial günstiger sein müssen
  • noch nicht vorhandene Märkte mit Marktpotenzial, fehlende Ausschreibungen für Abwasserrohre und -schächte aus Recyclingmaterial

Die Liste mit Argumenten, die gegen den Einsatz von Rezyklat sowie gegen die Verwendung sprechen, ließe sich sicher beliebig weiterführen. Jedoch haben sich mittlerweile viele Hinderungsgründe, die bisher noch gegen einen Rezyklateinsatz gesprochen haben, im Laufe der letzten Jahre maßgeblich geändert bzw. gänzlich umgedreht.

Es gibt mittlerweile sehr fundierte Erkenntnisse und Praxiserfahrungen zum Einsatz von Rezyklaten in Kunststoffrohren und Schächten. Entscheidungsrelevante normative Grundlagen liegen heute vor und auch die Qualität und Sortenreinheit von Recyclingmaterial wurde deutlich verbessert. Es gibt bereits Kunststoffrohre und Schachtbauteile aus Rezyklat, die seit vielen Jahren erfolgreich im Einsatz sind und alle technischen Anforderungen erfüllen. Gerade für die Abwasserentsorgung lassen sich heute qualitativ hochwertige und langlebige Systeme aus Rezyklat ressourcenschonend herstellen und somit der Einsatz von Neumaterial deutlich reduzieren. Mangels ungenauer Altmaterial-Mengenerfassung und Marktanalysen von Kunststoff-Recyclingprodukten ist es derzeit sehr schwierig, genaue Mengendaten zum Einsatz von Rezyklaten in der Abwasserentsorgung zu benennen. Der Marktanteil von Rezyklat-Produkten in der Abwasserentsorgung dürfte sich jedoch nach unserer Einschätzung noch auf einem sehr niedrigen Niveau bewegen.

Nur durch eine deutliche Steigerung der Marktnachfrage nach Recyclingprodukten (z.B. durch zunehmende kommunale Ausschreibungen) auf Basis gültiger Normen kann der Anteil einer stofflichen Wiederverwertung von Kunststoffrohrsystemen maßgeblich weiter erhöht werden. Auf diesem Weg kann der Nachhaltigkeitsbeitrag der Kunststoffrohrindustrie – insbesondere in der Abwasserentsorgung – zukünftig weiter gesteigert werden.

Nachhaltigkeit

Die gesellschaftliche Bedeutung der Nachhaltigkeit und damit das zwingend notwendige Handeln aller Beteiligten wie Hersteller, Ausführende und Planer, Gesetzgeber und Verbraucher bzw. Investoren nimmt immer mehr zu. Nachhaltigkeit ist ein Handlungsprinzip zur Ressourcenschonung und -nutzung, bei dem eine dauerhafte Bedürfnisbefriedigung durch die Bewahrung der natürlichen Regenerationsfähigkeit aller beteiligten Systeme sicher gewährleistet werden soll.

Bei den deutschen Kunststoffrohr- und Schachtherstellern steht die Kreislaufwirtschaft bzw. ein umweltgerechtes Abfallmanagement durch stoffliches Recycling von Kunststoffrohrsystemen durch Post-Industrial-Recycling und Post-Consumer-Recycling schon seit vielen Jahren im besonderen Fokus. Hierbei ist die Kunststoffrohrbranche im Vergleich zu vielen anderen Branchen vorbildlich aufgestellt. Der größte Engpass sind derzeit noch die normativ zugelassenen und anteilmäßigen Rezyklat-Beimischungen bei neuen Kunststoffrohren und Schächten. Derzeit werden allerdings die einzelnen Normen im Abwasserbereich diesbezüglich angepasst, was wir bei den normativen Vorgaben im Fachbericht noch konkret erläutern werden. Weitere realisierte Nachhaltigkeitsmaßnahmen sind bei vielen Kunststoffrohrherstellern z.B. die Umsetzung eines nachhaltigen Umweltmanagements nach DIN EN ISO 14001 sowie ein effizientes Energiemanagementsystem nach DIN EN ISO 5001 in ihren Unternehmen. Die thermoplastischen Kunststoffe, wie Polyethylen (PE), Polypropylen (PP) oder Polyvinylchlorid (PVC-U), die heute überwiegend in der Abwasserentsorgung eingesetzt werden, sind aufgrund ihrer bereits vorhandenen Werkstoffeigenschaften nachhaltig, weil zu 100% recyclingfähig. Thermoplaste können jederzeit mit geringem Energieaufwand wieder leicht aufgeschmolzen und zu neuen Produkten verarbeitet werden. Darüber hinaus haben erdverlegte Kunststoffrohre und Kunststoffschächte im Abwasserbereich wie z.B. Kunststoffrohre aus PE oder PP eine prognostizierte Lebensdauer nach Zeitstandfestigkeit DIN EN ISO 9080 von über 100 Jahren.

Bild 2: Hierarchie zur nachhaltigen Ressourcennutzung von Kunststoffen in der Abwasserentsorgung | Foto: Lesch Consult
Bild 2: Hierarchie zur nachhaltigen Ressourcennutzung von Kunststoffen in der Abwasserentsorgung | Foto: Lesch Consult
Sogar bei einer ganzheitlichen Nachhaltigkeitsbetrachtung durch eine Lebenszyklusanalyse LCA (Life Cycle Assessment), auch bekannt als Umweltbilanz oder Ökobilanz, zeichnen sich die thermoplastischen Kunststoffe durch geringe Energiemengenverbräuche (umgerechnet in Kilogramm CO2-Äquivalent) von der Produktion der Rohstoffe, Rohrproduktion, Transport bis zur Entsorgung aus. Aussagefähige, detaillierte Umwelt-Produktdeklarationen bzw. Environmental Product Declarations (EPD) nach DIN EN ISO 14025 bestätigen dies. Sie können bei TEPPFA (European Plastic Pipe and Fittings Association)für die häufigsten Kunststoffe auf der Internetseite eingesehen werden.

Nach der neuen geplanten EU-Gebäuderichtlinie soll nicht nur der Energieverbrauch und die Sparsamkeit bewertet werden, sondern auch die Nachhaltigkeit der verwendeten Baumaterialien sowie der angewendeten Verfahren – und das über den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie hinweg. Dieses Nachhaltigkeitszertifikat dürfte die Bauwirtschaft dazu nun mehr bewegen, mehr Altmaterial bzw. Abwasserrohre mit hohem Rezyklatanteil einzusetzen. Somit wird die stoffliche Wiederverwertung bei Kunststoffrohren auch deshalb mehr in den Fokus rücken.

Der Kunststoffrecyclingprozess

Die Möglichkeit einer stofflichen Wiederverwertung von Altmaterial bzw. recyclingfähigen Wertstoffen zur nachhaltigen Ressourcenschonung wurde von Kunststoffrohr-Herstellern frühzeitig erkannt. Deshalb wurde ein modernes und nachhaltiges Kunststoffrohr-Recycling bereits seit vielen Jahren in der Baubranche freiwillig durch die Rohr- und Schachthersteller gemeinsam mit ihren Partnern der Entsorgungs-/Recyclingbranche in der Praxis erfolgreich umgesetzt. In den bestehenden Produktionsprozessen der Kunststoffrohrindustrie wird bereits seit vielen Jahren das anfallende Umlaufmaterial,aus ungebrauchten oder verbrauchten Kunststoffbauteilen, als Rezyklat aufbereitet. Des Weiteren wird geeignetes Rücklaufmaterial, das nicht vom selben Hersteller stammt, ebenfalls als Rezyklat aufbereitet und neuen Produkten anteilig beigemischt. Somit ist eine stoffliche Wiederverwertung bei neuen Produkten gewährleistet.

Kunststoffrohrsysteme und -schächte, die nach ihrer Nutzungsdauer rückgebaut bzw. ausgebaut werden, sowie anfallende Baustellenabfälle (Verschnitte, Reste, defekte Kunststoffbauteile) werden heute in Gitterboxen (siehe Bild 1) oder größeren Gleitabrollcontainern gesammelt, nach Kunststofftypen sortiert, gereinigt und zu Mahlgut gemahlen (siehe werkstofflicher Recyclingprozess in Bild 3).

Laut Sebastian Dieninghoff, Vertriebsleiter Kunststoffe von PreZero Kunststoffrecycling GmbH & Co. KG, werden die gemischten Alt-Kunststoffe im Sortier- und Recyclingwerk noch weitestgehend von Menschenhand nach Kunststofftypen wie Polyethylen, Polypropylen, Polyvinylchlorid etc. sortiert, um ein hochwertiges Qualitätsniveau durch ein nahezu sortenreines Mahlgut herzustellen, aus dem beispielsweise neue Kunststoff-Kabelschutzrohre hergestellt werden. Mittlerweile kann das Recyclingmaterial gemäß Normenänderung (siehe normative Vorgaben) auch anteilmäßig dem neuen Abwasserrohr beigemischt werden.

Die Marktnachfrage der Rohrhersteller und Kunststoffverarbeiter ist aktuell so groß, dass man die erzeugten Mahlgutmengen auch ohne jegliche Werbung problemlos an die Hersteller nach dem Windhundprinzip verteilt. Sebastian Dieninghoff bestätigt:„Wir haben beim Mahlgut aus Kunststoffrohrsystemen derzeit keine Defizite in den Anwendungsmöglichkeiten, sondern eher die Herausforderung in der Beschaffung von Alt-Rohren.“ Da der Rückbau von defekten Kunststoffrohrsystemen und Schächten, die vor 30- 40 Jahren verlegt wurden, noch überschaubar ist, finden die derzeit als Mahlgut oder Regranulat aufbereiteten „Kunststoffabfälle“ genügend Abnehmer.

Angebot und Nachfrage sind derzeit noch auf einem relativ niedrigen Niveau, deshalb ist der zukünftigen Altmaterial-Sammlung und stofflichen Wiederverwertung (politisch gewollt) absoluter Vorrang einzuräumen.

Bei der Herstellung von Kunststoffrohren beschränkt sich die werkstoffliche Verwertung bisher auf Produkte, an die keine speziellen Anforderungen gestellt werden. Im Bereich der Trinkwasser- und Gasversorgung kommt aus Gründen der Sicherheit und Gesundheit derzeit ausschließlich der Einsatz von Neuware in Betracht. Im Anwendungsbereich Abwasser können die Kunden zwischen Kunststoffrohren und -schächten aus Neuware, aus Neuware mit zulässigem Rezyklatanteil nach Norm sowie aus reinem Rezyklat gefertigten Abwasser-, Kabelschutz- und Dränrohren wählen.

Wichtige Begriffsdefinitionen beim Kunststoff-Recycling

Bei der stofflichen Wiederverwertung von Kunststoffen (Recycling) werden in der Praxis oftmals unterschiedliche Begriffe für das Gleiche verwendet, deshalb möchten wir mit der folgenden Tabelle Ordnung in das Begriffswirrwarr bringen.

Bild 3: Werkstofflicher Recyclingprozess für Kunststoffrohrsysteme und Kunststoffschächte | Foto: KRV e.V., Bonn
Bild 3: Werkstofflicher Recyclingprozess für Kunststoffrohrsysteme und Kunststoffschächte | Foto: KRV e.V., Bonn

Tabelle 1: Häufig verwendete Begriffe beim Kunststoff-Recycling bzw. bei der stofflichen Wiederverwertung von Kunststoffen

Begriff

Beschreibung

Compound

Als Compound (engl. für Verbundstoff) bezeichnet man Kunststoffe, denen zusätzliche Additive wie z.B. Füllstoffe, oder Verstärkungsstoffe beigemischt worden sind. Ziel der Compoundierung ist es, die Eigenschaften der Kunststoffe auf einen Anwendungsfall hin zu optimieren.

Mahlgut/Agglomerat

Mahlgut wird durch Mahlen von Kunststoffbauteilen gewonnen. Mahlgut hat unterschiedliche und unregelmäßige Teilchengrößen von 2 mm bis 5 mm und kann Staubanteile enthalten.

Neumaterial

Material (Kunststoff) als Granulat oder Pulver, welches noch nicht verwendet wurde oder noch keinem Verarbeitungsverfahren außer dem zu seiner Herstellung erforderlichen ausgesetzt war und dem kein Umlaufmaterial oder Rezyklat beigemischt ist.

Post-Consumer-Recycling/Recyclat

Post-Consumer-Recycling verarbeitet Kunststoffabfälle, die bereits genutzt wurden und anschließend über den Sammelkreislauf und Aufbereitungsprozess in den Recycling-Kreislauf gelangen.

Pre-Consumer-Recycling/ Post-Industrial-Recycling

Pre-Consumer-Recycling bzw. Post-Industrial-Recycling verwertet Kunststoffabfälle, die bei der industriellen Verarbeitung von Neumaterial anfallen. Das überschüssige, aber nach wie vor fabrikneue Kunststoffmaterial wird gesammelt, gemahlen und mit anderem Neumaterial vermengt und für den nächsten Produktionsgang genutzt.

Rezyklat

Rezyklat ist ein Überbegriff. Es handelt sich um eine Formmasse bzw. einen aufbereiteten Kunststoff mit definierten Eigenschaften. In vielen Fällen wird das Rezyklat dem Neumaterial anteilmäßig beigemischt.

Ein Rezyklat hat in seinem Werdegang i.a. bereits einen Verarbeitungsprozess hinter sich.

Rezyklat ist ein Material, das in einer der beiden Arten vorliegt:

§ Material aus gebrauchten Kunststoffrohren/-formstücken oder Kunststoffschächten, die gereinigt und zerkleinert oder zermahlen worden sind

§ Material aus anderen gebrauchten Kunststofferzeugnissen als Kunststoffrohre/-formstücke oder Kunststoffschächte, die gereinigt und zerkleinert oder zermahlen worden sind

Regenerat

Regenerat wird über einen Schmelzprozess (Compoundieren) unter Zugabe von Zusätzen (Additiven) zur Eigenschaftsverbesserung gewonnen. Regenerat hat eine gleichmäßige Korngröße und keinen Staubanteil und ggf. definierte Eigenschaftswerte.

Regranulat

Regranulat wird aus Mahlgut über einen Schmelzprozess als Granulat gewonnen. Regranulat hat gleichmäßige Korngröße und keinen Staubanteil und ist problemlos verarbeitbar.

Rücklaufmaterial

Rücklaufmaterial ist ein Material, das in zwei unterschiedlichen Arten vorliegt:

§ Material aus zurückgewiesenen ungebrauchten Kunststoffrohren, Schächten, Formstücken oder deren Verschnitt, das nicht vom selben Hersteller, bei dem es angefallen ist, wiederverarbeitet wird.

§ Material aus der Produktion von anderen ungebrauchten Erzeugnissen als Kunststoffrohre, Schächte, Formstücke, unabhängig von ihrem Herstellungsort.

Umlaufmaterial

Material (Kunststoff), das aus ungebrauchten oder verbrauchten Produkten einschließlich Verschnitt aus der Produktion vorbereitet wird und das im Herstellerwerk wiederverarbeitet wird, nachdem es vorher vom selben Herstellerwerk verarbeitet wurde. Konsequente Rezyklierung von Industrieabfällen.

Vereinbarte Spezifikation

Vereinbarte Spezifikation zwischen den Lieferanten des Kunststoffmaterials, was kein Neumaterial ist, und dem Hersteller vereinbarten Spezifikation der entsprechenden Eigenschaften des Werkstoffs.


Tabelle 2: Begriffsdefinitionen beim Recycling für die Reinheit und Verträglichkeit der Ausgangsmaterialien

Begriff

Beschreibung

Typenrein

Nur ein Kunststofftyp eines Rohstoffherstellers mit derselben Typbezeichnung wird aufgearbeitet.

Sortenrein

Kunststoffe mit gleicher Kennzeichnung nach DIN EN ISO 11469 bzw. VDA 260, ggf. verschiedener Rohstoffhersteller, werden aufbereitet.

Sortenähnlich

Die aufzubereitenden Kunststoffe stimmen zwar in ihren Grundpolymeren überein, aber in besonderen Eigenschaften, wie z.B. flammhemmende Zusätze, können sie voneinander abweichen.

Vermischt

Unterschiedliche Kunststoffe mit chemischer Verträglichkeit werden aufbereitet (wie z.B. PE und PP). Kunststoffe sind dann verträglich, wenn sie in der Schmelze miteinander homogen mischbar sind und zu einem Formstoff mit befriedigenden mechanischen Eigenschaften und akzeptierbarer Oberfläche verarbeitet werden können.

Verunreinigt

Die aufzubereitenden Kunststoffe aus dem vorausgegangenen Gebrauch enthalten noch Stoffe, die die Eigenschaften eines daraus herzustellenden Kunststoffformteils oder Kunststoffrohrs beeinträchtigen.

Allgemeine normative Vorgaben zum Einsatz von Recyclingmaterial

Für alle relevanten Kunststoffprodukte einer erdverlegten, drucklosen Abwasserentsorgung gibt es seit vielen Jahren europäische Normen, die sowohl vom DIN als auch dem DIBt anerkannt und eingeführt sind sowie in Deutschland ihre Anwendung finden. Der Einsatz von Recyclingmaterial ist mittlerweile in vielen dieser Normen aufgenommen und normativ geregelt, siehe Tabelle 3. Dadurch ist ab jetzt für viele Anwendungsbereiche und Produkte der Einsatz von Rezyklat anteilig oder gänzlich erlaubt. Leider sind die Regelungen zum Einsatz von Rezyklat in den einzelnen europäischen Normen noch nicht einheitlich und sehr unterschiedlich in der Umsetzung. Im Folgenden sind zur Verdeutlichung alle relevanten Normen für den Bereich der erdverlegten, drucklosen Systeme in der Abwasserentsorgung aufgeführt und die Regelungen zum Einsatz von Umlauf-, Rücklaufmaterial und Rezyklat erörtert.

Tabelle 3: Relevante Normen in numerischer Reihenfolge mit Kurzzusammenfassung der Aussagen zum Einsatz von Umlauf-, Rücklaufmaterial und Rezyklat

DIN-Normen

Normentitel

Einsatzmöglichkeiten von Recyclingmaterial

DIN EN 124-6

Aufsätze und Abdeckungen für Verkehrsflächen-Teil 6: Aufsätze und Abdeckungen aus Polypropylen (PP), Polyethylen (PE) oder weichmacherfreiem Polyvinylchlorid (PVC-U)

Der Einsatz aller Werkstoffe, inkl. Umlauf-, Rücklaufmaterial und Rezyklat, die einer der gültigen Rohrnormen entsprechen ist erlaubt.

DIN EN 1401

Kunststoff-Rohrleitungssysteme für erdverlegte drucklose Abwasserkanäle und -leitungen – Weichmacherfreies Polyvinylchlorid (PVC-U)

Die Norm erlaubt den Einsatz von Rücklaufmaterial und Rezyklaten von Rohren und Formteilen aus PVC-U bis zu 100%. Bei Rücklaufmaterial und Rezyklaten aus anderen PVC-U-Erzeugnissen als Rohren und Formstücken darf je nach K-Wert (Viskositätszahl) bis zu 10% zugesetzt werden.

DIN EN 1852

Kunststoff-Rohrleitungssysteme für erdverlegte drucklose Abwasserkanäle und -leitungen –Polypropylen (PP)

Seit März 2018 gibt es einen neuen Anhang A, der es erlaubt, Rücklaufmaterial und Rezyklat aus PP-Rohren/-Formteilen zu verwenden. Die Spezifikationen sind zu vereinbaren und einzuhalten. Rücklaufmaterial und Rezyklat aus anderen PP-Produkten ist nicht erlaubt. Sobald der WG 28 als verantwortliche Working Group neue Prüfmethoden vorliegen, kann diese Klausel modifiziert werden.

DIN EN13476-2

Kunststoff-Rohrleitungssysteme für erdverlegte drucklose Abwasserkanäle und -leitungen – Weichmacherfreies Polyvinylchlorid (PVC-U), Polypropylen (PP), Polyethylen (PE) – Teil 2: Anforderungen an Rohre und Formstücke mit glatter Innen- und Außenfläche und an das Rohrleitungssystem Typ A

Rezyklat aus Rohren und Formteilen aus PVC-U und PP und aus anderen Erzeugnissen, aber mit vereinbarter Spezifikation, darf eingesetzt werden. Rezyklat aus anderen PVC-U- und PP-Erzeugnissen als Rohre und Formteile ohne eine vereinbarte Spezifikation darf nicht eingesetzt werden.

PE-Rezyklat muss ausschließlich aus Rohren und Formteilen mit vereinbarter Spezifikation stammen.

DIN EN13476-3

Kunststoff-Rohrleitungssysteme für erdverlegte drucklose Abwasserkanäle und -leitungen – Weichmacherfreies Polyvinylchlorid (PVC-U), Polypropylen (PP), Polyethylen (PE) – Teil 3: Anforderungen an Rohre und Formstücke mit glatter Innen- und profilierter Außenfläche und an das Rohrleitungssystem Typ B

Rezyklat und Rücklaufmaterial darf nur von Rohren und Formteilen aus PVC-U, PP und PE eingesetzt werden.

DIN EN 13598-1/-2

Kunststoff-Rohrleitungssysteme für erdverlegte drucklose Abwasserkanäle und -leitungen – Weichmacherfreies Polyvinylchlorid (PVC-U), Polypropylen (PP), Polyethylen (PE) – Teil 1: Anforderungen an Zubehörteile und Schächte mit geringer Einbautiefe;

Teil 2: Anforderungen an Einsteigschächte und Kontrollschächte

Der Einsatz von Rezyklaten ist bis zu 100% erlaubt. Es sind für das Rezyklat die zwischen Lieferanten und Hersteller vereinbarten Eigenschaften einzuhalten und zu überprüfen. Sowohl das Material als auch das Produkt müssen die Anforderungen der Norm erfüllen.

DIN EN 14541-1 Entwurf

Kunststoffrohrleitungen und Formstücke – Verwendung von thermoplastischen Rezyklaten – Teil 1: Terminologie

Die Normenreihe soll Empfehlungen für Wertschöpfungskette von thermoplastischen Rohrleitungssystemen geben, bis hin zum Einsatz von Rezyklaten. Der Teil 1 ist derzeit in der CEN-Umfrage, Teil 2 ist in Erarbeitung und Teil 3 ist noch zu erarbeiten.

DIN EN 14758

Kunststoff-Rohrleitungssysteme für erdverlegte drucklose Abwasserkanäle und -leitungen – Polypropylen mit mineralischen Additiven (PP-MD)

Der Einsatz von Rezyklat und Rücklaufmaterial ist gemäß dieser Norm nicht erlaubt. Es dürfen nur Umlaufmaterial und Material aus der eigenen Herstellung von Rohrleitungsteilen einem Neumaterial zugesetzt werden.

Die Europäische Kommission hat festgelegt, dass die weitere Arbeit an Normen für Recyclingmaterial fortgeführt und intensiviert wird. Das CEN TC 249 als zuständiges Komitee für Kunststoff hat den Auftrag, in den kommenden Jahren die Normen für den Einsatz und das Qualitätsniveau zu verbessern sowie detaillierte Informationen zum Thema Recyclingmaterial und Rezyklat zu erstellen. Der Fokus für den Bereich drucklose Rohre soll kurzfristig auf die Werkstoffe PVC (Rohre und Formteile) und PE (Formteile) liegen. Es wird derzeit an dem Ziel gearbeitet, wie hoch der prozentuale Anteil an Rezyklat in den jeweiligen Produkten sein soll. In allen europäischen Arbeitsgruppen zur Erstellung und Überarbeitung von europäischen Normen wird das Thema „Einsatz von Rezyklat“ weiter intensiv diskutiert. Sobald neue Erkenntnisse und Erfahrungen vorliegen, sollen diese in den jeweiligen Normen aufgenommen werden.

Angebot und Nachfrage nach Recycling-Abwasserrohrsystemen mit Rezyklat-Anteilen werden zunehmen

Nicht nur die Notwendigkeit und der öffentliche Druck, nachhaltig und umweltfreundlich mit Ressourcen, Materialeinsatz und Fertigung umzugehen, sind Treiber für mehr Recycling und Wiederverwertung in der Kunststoffrohrindustrie. Sondern es kann auch davon ausgegangen werden, dass insbesondere auf Druck der politisch Verantwortlichen die Erweiterung zum zunehmenden Einsatz von Recyclingmaterial und Rezyklaten einheitlich in allen europäischen Normen aufgenommen wird. Das CEN wird – soweit noch nicht umgesetzt – dieser europäischen Vorgabe folgen und somit alle relevanten Normen für drucklose, erdverlegte Abwasserkanäle und -leitungen über kurz oder lang für den Einsatz von Rezyklaten öffnen. Zukünftig werden damit Angebot und Nachfrage nach qualitativ hochwertigen und verfügbaren Recycling-Abwasserrohrsystemen mit normativ geregelten Rezyklatanteilen stark zunehmen. Darauf können sich Hersteller und Anwender schon jetzt einstellen. Hier gilt es in Zukunft den nachhaltigen Weg der stofflichen Wiederverwertung bei Kunststoffrohrsystemen auf Basis der vorliegenden Praxiserfahrungen konsequent gemeinsam weiter zu verfolgen.

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Dipl.-Kunststoffingenieur Elmar Lesch ist Inhaber der Unternehmensberatung für Marketing & Vertrieb Lesch Consult in Würzburg. Der Autor ist Fachjournalist DFJV, Vertriebstrainer und Experte für technische Kunststoffe. Als Berater, Coach und Trainer ist er seit vielen Jahren erfolgreich für marktführende Unternehmen in der Bau-/Kunststoff- und Umweltbranche tätig. | Foto: privat
Dipl.-Kunststoffingenieur Elmar Lesch ist Inhaber der Unternehmensberatung für Marketing & Vertrieb Lesch Consult in Würzburg. Der Autor ist Fachjournalist DFJV, Vertriebstrainer und Experte für technische Kunststoffe. Als Berater, Coach und Trainer ist er seit vielen Jahren erfolgreich für marktführende Unternehmen in der Bau-/Kunststoff- und Umweltbranche tätig. | Foto: privat

Günter Brümmer

Dipl.-Wirtsch.-Ing. Günter Brümmer ist Inhaber von Günter Brümmer Consult und bietet Beratung & Projektmanagement rund um die Entwässerung an. Er ist seit viele Jahren in der Industrie in dem Bereich Regenwasserbewirtschaftung und Abwasserentsorgung als Entwickler, Referent und Projektmanager tätig gewesen. Heute hält er Fachvorträge und unterstützt Firmen in Entwicklungsprojekten, arbeitet in Normungsgremien und berät in Fragen der Entwässerung. | Foto: privat
Dipl.-Wirtsch.-Ing. Günter Brümmer ist Inhaber von Günter Brümmer Consult und bietet Beratung & Projektmanagement rund um die Entwässerung an. Er ist seit viele Jahren in der Industrie in dem Bereich Regenwasserbewirtschaftung und Abwasserentsorgung als Entwickler, Referent und Projektmanager tätig gewesen. Heute hält er Fachvorträge und unterstützt Firmen in Entwicklungsprojekten, arbeitet in Normungsgremien und berät in Fragen der Entwässerung. | Foto: privat

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