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Droht Hessen der Entsorgungsnotstand?

Mit 231 Millionen Tonnen bilden Bau- und Abbruchabfälle rund 55 Prozent des inländischen Gesamtabfallaufkommens. Tendenz steigend. Die Anzahl der Deponien in der Bundesrepublik Deutschland nimmt jedoch kontinuierlich ab. Dem Bundesland Hessen kommt dabei eine absolute Sonderstellung zu. Gemessen anhand der Wirtschaftsleistung als auch der Landesfläche ist im Bundesländervergleich ein enormer Mangel zu verzeichnen.

Bauschutt und Erdaushub: Droht Hessen der Entsorgungsnotstand?
Das Bauwesen gehört zu den ressourcenintensivsten Wirtschaftszweigen. Bau- und Abbruchabfälle erzeugen den größten Abfallstrom in Deutschland. [1], [2] | Foto: Gebr. Kemmler GmbH & Co. KG

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Sanierungs-, Neubau-, Rekonstruktions- oder Abbruchmaßnahmen von Straßen, Gleisen, Wohn- oder Gewerbegebieten sorgen seit mehreren Jahren für einen konstanten Anstieg der Bauabfälle. Der Zuwachs von 2014 bis 2019 liegt in der Bundesrepublik Deutschland bei 21,21 Millionen Tonnen. Die Auswertung verschiedener Statistiken zeigt außerdem, dass die Entledigung der Abfälle auf Deponien oftmals einer Verwertung vorgezogen wird. Folglich wird wichtiger Deponieraum mit ungefährlichen Bau- und Abbruchabfällen wie Böden, Steinen oder Bauschutt befüllt und steht nicht mehr für gefährliche Abfälle zur Verfügung.

Analog zur Statistik auf Bundesebene, verzeichnet auch das Bundesland Hessen einen konstanten Anstieg der Bau- und Abbruchabfälle. Über die vergangenen 15 bis 20 Jahre bilden diese mit durchschnittlich 13 Millionen Tonnen pro Jahr den größten Abfallstrom (55 % des Gesamtabfallaufkommens). Zum Vergleich: Die durchschnittliche Menge an Siedlungsabfällen (Hausmüll, Sperrmüll, Gartenabfälle etc.) liegt bei nur etwa 2,9 Millionen Tonnen pro Jahr.

Abfallaufkommen in 2019 nach Abfallströmen (in %). Bei einem Abfallaufkommen von rund 417 Millionen Tonnen bilden Bau- und Abbruchabfälle mit 230,9 Millionen Tonnen gut 55 % der Gesamtmenge. [2] | Foto: Gebr. Kemmler GmbH & Co. KG
Abfallaufkommen in 2019 nach Abfallströmen (in %). Bei einem Abfallaufkommen von rund 417 Millionen Tonnen bilden Bau- und Abbruchabfälle mit 230,9 Millionen Tonnen gut 55 % der Gesamtmenge. [2] | Foto: Gebr. Kemmler GmbH & Co. KG

Der Entsorgungsweg der Bau- und Abbruchabfälle in Hessen verläuft zu ca. 60 % in der Entledigung der Materialien auf einer Deponie oder Verfüllungsstätte. Hierbei betrug die deponierte Menge im Jahr 2018 rund 505.183 Tonnen. Laut Statistik sind gut 90 % dieser Abfälle der Abfallgruppe „Boden und Steine“ sowie „Bauschutt“ zuzuordnen. Die Entsorgung geschah somit auf Deponien der Klasse DK 0 und DK 1.

Entsorgungskapazitäten regional und überregional

Mit dem Beginn der 70er Jahre wurden in Deutschland mehr als 65.000 unkontrollierte Ablagerungsstätten erfasst [3]. Zeitgleich dazu entwickelte sich in den 70er, 80er und 90er Jahren ein umfangreiches Abfallrecht, welches strenge Anforderungen an die Deponierung von Abfällen stellt.

Seit Datenerfassung ist die Anzahl der in Deutschland betriebenen Endlagerstätten stetig zurückgegangen. Im Jahr 2014 erfasste das Statistische Bundesamt Deutschland 1.131 Deponien mit einem gesamten Restvolumen von 506,28 Millionen m3. Im Jahr 2018 ist die Gesamtzahl der Deponien nochmals auf 1.082 gesunken. Dies entspricht einer prozentualen Abnahme von 4,34 %. Kritisch ist dabei jedoch festzustellen, dass sich das Restvolumen der Deponien um 9,37 % vermindert hat. Der Verbrauch liegt somit bei 47,43 Millionen m3 Deponievolumen innerhalb von vier Jahren. [3]

Sondersituation in Hessen

Im Vergleich zu anderen Bundesländern Deutschlands platziert sich Hessen an unterster Stelle. Gemessen anhand der in Hessen erbrachten Wirtschaftsleistung in Form des Bruttoinlandproduktes ist ein Mangel an Deponien zu verzeichnen. Orientiert man sich an den wirtschaftlich stärksten Nachbarbundesländern, müssten zusätzlich 118 Deponien neu geschaffen werden. Die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Bayern oder auch Baden-Württemberg halten bereits bei 2.000 bis 6.000 Millionen Euro Bruttoinlandsprodukt eine Deponie vor. Bezogen auf die Landesfläche platziert sich das Bundesland auf dem vorvorletzten Platz. Im Durchschnitt befindet sich auf 1.111 m2 Landesfläche lediglich eine Deponie. Unsere Nachbarn aus Baden-Württemberg halten bereits auf 115 m2 eine Deponie vor. Würden wir die bereits genannten 118 neuen Deponien schaffen, entspräche auch das hessische Deponienetz mit 154 m2 pro Deponie den Mittelwerten des Vergleiches (vgl. [5] S. 50).

Das Bundesland Hessen verfügte im Jahr 2020 über 21 kommunale und betriebseigene Deponien der Deponieklasse DK 0, DK I und DK II. Ein sehr starker Rückgang ist in den vergangenen Jahren bei Deponien der Klasse DK 0 zu verzeichnen. Das gesamte Restvolumen dieser Deponierungsklasse liegt bei etwa 315.000 m3. Neben der Abnahme der Deponieklasse DK 0 hat auch die Anzahl der Deponien DK I abgenommen. Das Restvolumen der bestehenden drei Standorte beläuft sich auf 2,25 Millionen m3. [6]

Die größte Anzahl an Deponierungsstätten listet die Deponieklasse DK II. Die 13 Standorte verfügen über ein Restvolumen von 5,13 Millionen m3. Da das Deponierungsvolumen der Klasse DK II normalerweise für belastete Abfälle wie Hausmüll oder vergleichbare mineralische Gewerbeabfälle vorzuhalten ist, sollte dieses Restvolumen auf keinen Fall mit in die Bewertung der Entsorgungssicherheit von unbelastetem Erdaushub oder Bauschutt hinzugezählt werden.

Kreislaufwirtschaft mit Boden- und Erdaushub

Die Gesetzgebung fordert einen kreislaufgerechten Umgang mit mineralischen Baustoffen oder Erdaushub nach der Abfallhierarchie des Kreislaufwirtschaftsgesetzes. Da Rohstoffe jedoch gegenwärtig eher in einer Art Einbahnstraßensystem geführt werden, kommt es zu wachsenden Transportentfernungen, zu steigenden Kosten, einer erhöhten Umweltbelastung sowie verstärktem Verwaltungs- und Koordinationsaufwand. | Foto: Gebr. Kemmler GmbH & Co. KG
Die Gesetzgebung fordert einen kreislaufgerechten Umgang mit mineralischen Baustoffen oder Erdaushub nach der Abfallhierarchie des Kreislaufwirtschaftsgesetzes. Da Rohstoffe jedoch gegenwärtig eher in einer Art Einbahnstraßensystem geführt werden, kommt es zu wachsenden Transportentfernungen, zu steigenden Kosten, einer erhöhten Umweltbelastung sowie verstärktem Verwaltungs- und Koordinationsaufwand. | Foto: Gebr. Kemmler GmbH & Co. KG

Von gesetzlicher Seite wird die Förderung eines kreislaufgerechten Umgangs mit natürlichen Baustoffen, Bauschutt und Erdaushub nach der Abfallhierarchie des Kreislaufwirtschaftsgesetzes gefordert: Vermeidung, Wiederverwendung, Recycling, Verwertung und Beseitigung. Untersuchungen haben ergeben, dass folgende Tendenzen bei dem Umgang mit Bau- und Abbruchabfällen zu beobachten sind:

Von den verwerteten Materialien wird der Großteil zur Verfüllung in übertägigen Abbaustätten genutzt. Üblicherweise sind das aktive oder ehemalige Tagebaue, wie beispielsweise Steinbrüche, Kies- oder Sandgruben. Die Menge ist dabei seit dem Jahr 2012 deutlich gestiegen. Im Jahr 2018 betrug diese in Hessen 7.400.287 Tonnen.

Die Verwertung zum Deponiebau oder der Rekultivierung zeigt einen stark rückläufigen Trend. Diese Tatsache deutet bereits den Mangel von Deponierungsstätten an. Aus der Gesamtübersicht hat sich außerdem ergeben, dass die Verwertung respektive das Recycling zu stagnieren scheint. Über einen Betrachtungszeitraum von 6 Jahren (2012 bis 2018) ist die recycelte Menge konstant geblieben. Ebenfalls konstant über den Betrachtungszeitraum ist die deponierte Menge an ungefährlichen Bau- und Abbruchabfällen.

Gesamtübersicht Entsorgung von Bau- und Abbruchabfällen in Hessen [4], [5] | Foto: Gebr. Kemmler GmbH & Co. KG
Gesamtübersicht Entsorgung von Bau- und Abbruchabfällen in Hessen [4], [5] | Foto: Gebr. Kemmler GmbH & Co. KG

Unter wissenschaftlichen Betrachtungsweisen lassen sich die zuvor genannten Tendenzen wie folgt erklären: Für natürliche Baustoffe oder auch geringe Teile von Bauschutt kann die Anwendung der Kreislaufwirtschaft funktionieren. Eine Wiederverwendung oder ein Recycling im Sinne der Kreislaufwirtschaft mit Boden- bzw. Erdaushub ist jedoch nur bedingt möglich. An dieser Stelle zeigt sich, dass praktikable Lösungen und einfache Ansätze zur Umsetzung der Kreislaufwirtschaft fehlen. Infolgedessen sind für ungefährliche Abfälle ausreichend regionale Deponien sowie Verfüllungsstätten vorzuhalten.

Der Status quo verdeutlicht außerdem, dass die Handlungsweise der vergangenen Jahre „Wenig regionale Entsorgungsmöglichkeiten = bessere Kreislaufwirtschaft“ zu ökologischen als auch ökonomischen Konsequenzen führt.

Ökologische Auswirkungen

Die Folgen mangelnder Endlagerstätten aus ökologischer Sicht sind ein erhöhter CO2-Ausstoß durch ansteigende Transportentfernungen, die Verschwendung wichtiger Deponierungsvolumen mit ungefährlichen Bauabfällen aufgrund fehlender Alternativen, die Förderung illegaler Lagerstätten und die zusätzliche Lärmbelastung der Umwelt.

Das gängigste Transportmittel für Erdaushub oder Bauschutt ab der Baustelle sind Lastkraftwagen. Die Treibhausgasemissionen, ausgedrückt über das CO2-Äquivalent, liegen bei 113 Gramm pro Tonne und Kilometer. Bei voller Ladung eines Lastkraftwagens werden somit 4,52 Kilogramm pro Kilometer emittiert. In einer nicht repräsentativen Mitgliederumfrage des Verbandes baugewerblicher Unternehmer Hessen aus dem Jahre 2018 konnte die mittlere Transportentfernung zur Entsorgung von Bau- und Abbruchabfällen zu 47 km bestimmt werden (einfach).

Bei dieser mittleren Transportentfernung von 47 km und einem jährlichen Aufkommen an Bau- und Abbruchabfällen von ca. 13,9 Millionen Tonnen legen rund 550.000 Lastkraftwagen eine Strecke von 51.700.000 km pro Jahr zurück. Die dadurch entstehenden CO2e-Emissionen belaufen sich auf 215.000 Tonnen. Dies entspricht einer jährlichen CO2-Bindung von rund 36.000 Hektar Mischwald beziehungsweise 4 Prozent des gesamten hessischen Waldes. Das Erreichen umweltpolitischer Zielsetzungen des Bundeslandes wird durch gleichbleibende oder wahrscheinlich ansteigende Transportentfernungen nur bedingt möglich sein. [5]

Ökobilanz Entsorgung von Bauschutt und Erdaushub in Hessen [5] | Foto: Gebr. Kemmler GmbH & Co. KG
Ökobilanz Entsorgung von Bauschutt und Erdaushub in Hessen [5] | Foto: Gebr. Kemmler GmbH & Co. KG

Ökonomische Auswirkungen

Von 2015 bis 2021 stiegen die Preisindizes im Bereich Erdarbeiten um 61,00 Prozent an. Der aktuelle Kostenanstieg ist aufgrund der momentanen Krise und inflationären Dynamik nicht mehr repräsentativ. Dennoch ist im Bereich der Entsorgung ungefährlicher Bau- und Abbruchabfälle ein weit über dem Durchschnitt liegender Zuwachs zu verzeichnen. [6] Dieser ist vor allem den erhöhten Transportwegen, der uneinheitlichen Analytik, Mehrfachbeprobungen, den mangelhaften Übersichten von Entsorgungsmöglichkeiten sowie den damit verbundenen Wartezeiten geschuldet. Des Weiteren sind die mit der Entsorgung verbundenen bürokratischen Tätigkeiten als auch die rechtliche Klärung des Entsorgungsweges aufwändig und zeitlich fordernd.

Speziell bei Kleinbaumaßnahmen wie Reparaturen an Leitungen, Hausanschlüssen, Stromkabelstörungen, Wasserrohrbrüchen oder Baugruben für Einfamilienhäuser sind die Entsorgungskosten unverhältnismäßig hoch. Prozentual nehmen diese mehr als 50 % der Gesamtkosten ein. [5]

Deponiemangel – Problem oder Notstand?

Bereits jetzt führt das lückenhafte Entsorgungssystem zu stark negativen ökologischen als auch ökonomischen Auswirkungen, aber ist die Entsorgungssicherheit im Bereich ungefährlicher Bau- und Abbruchabfälle tatsächlich gefährdet?

Das Restvolumen von Deponien der Klasse DK 0 für mineralische Abfälle mit geringem Schadstoffgehalt wie beispielsweise Erdaushub liegt in Hessen bei ca. 315.000 m3. Es ist laut Abfallwirtschaftsplan weder neues Volumen in Planung noch in Bau. Es handelt sich somit um einen Endverbrauch des Vorrates an Deponieraum. Im Bereich der Deponien für mäßig belasteten Erdaushub, Bauschutt oder vergleichbare mineralische Abfälle (Deponieklasse DK 1) besteht ein Restvolumen von ca. 2.255.000 m3. [4]

Unter der Annahme, dass die zu beseitigende Menge in den Folgejahren konstant bei 505.183 Tonnen liegen wird, reicht das Restvolumina im besten Fall für weitere 8,21 Jahre aus. Dies vernachlässigt die Aussagen von Fachleuten, dass sogar von einem leichten Anstieg der Beseitigungsmenge auszugehen ist. Neben der Betrachtung des „Best Case“-Szenarios ergaben neueste Modellrechnungen mit Einbezug einer jährlichen Abfallzunahme, unterschiedlicher Materialeigenschaften oder verschiedener Umrechnungsfaktoren wesentlich kürzere Zeiträume. Das Deponievolumen ist nach diesen Simulationen bereits in 4,05 Jahren vollständig aufgebraucht.

Per Definition liegt im abfallrechtlichen Sinne ein Entsorgungsnotstand vor, wenn die schadlose und ordnungsgemäße Entsorgung gemäß Kreislaufwirtschaftsgesetz von bestimmten Abfällen nicht mehr gesichert ist. Auf Basis der angestellten Prognosen wird dieser Zustand bereits in 8 Jahren für die Beseitigung von Bauschutt und Erdaushub in Hessen eintreten. Die sich immer weiter zuspitzende Lage könnte jedoch bereits im Jahre 2026 von einem Problem in einen Notstand übergehen. Ab diesem Zeitpunkt ist es nicht mehr möglich, Bau- und Abbruchabfälle entsprechend ihrer Schadstoffklassifikation auf Deponien zu beseitigen. [5]

Mathematische Langzeitsimulation zur Bewertung der Entsorgungssicherheit (Berechnung mit GeoGebra, [5], 15.06.2022) | Foto: Gebr. Kemmler GmbH & Co. KG
Mathematische Langzeitsimulation zur Bewertung der Entsorgungssicherheit (Berechnung mit GeoGebra, [5], 15.06.2022) | Foto: Gebr. Kemmler GmbH & Co. KG

Problemlösungsansätze

In Anbetracht der unbekannt langen Genehmigungszeiten durch das Planfeststellungsverfahren kann selbst bei sofortigem Handeln noch innerhalb dieses Jahres der Notstand für die Beseitigung ungefährlicher Bau- und Abbruchabfälle nicht aufgehalten werden. Infolgedessen wird eine ordnungsgemäße und schadlose Beseitigung im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes nicht mehr möglich sein. Es werden hochwertige Deponiekapazitäten mit ungefährlichen Materialien verbraucht. Transportwege, Kosten und Treibhausgasemissionen werden immer stärker steigen und die illegale Aushub- und Bauschuttentledigung wird mangels Alternativen zur Gewohnheit.

Da die Eröffnung neuer Deponien aufgrund diverser Faktoren sehr lange dauert, gilt es, die Gesamtsituation durch eine Mixtur von verschiedenen Maßnahmen zu verbessern und so den Entsorgungsnotstand in seiner Stärke einzudämmen. Die nachfolgenden Lösungsansätze können als Zahnräder mit unterschiedlicher Wirkung verstanden werden, die ineinandergreifen und so zu einer ökologisch und ökonomisch verbesserten, gesamtgesellschaftlichen Lage führen.

Lösungsansatz 1:

Im Bereich der sehr wichtigen und sehr dringlichen Maßnahmen ist die Schaffung von neuem Deponieraum der Klasse DK0 und DK1 sowie Verfüllungsstätten zu nennen. Lange Transportwege sollten schnellstmöglich durch ein dichteres Netz an Entsorgungskapazitäten vermieden werden. Weiterhin bedarf es im Sinne einer gut funktionierenden Kreislaufwirtschaft an Zwischenlagerstätten, um Bau- und Abbruchabfälle zu sortieren, zu recyceln oder einfach für andere Baustellen bereit zu halten.

Der Ausbau eines der Landesfläche und der Wirtschaftsleistung angepassten Netzes an Deponien für ungefährliche Bau- und Abbruchabfälle muss mit erhöhtem Nachdruck vorangetrieben werden.

Lösungsansatz 2:

An zweiter Stelle folgt die Reduzierung des Einsatzes von Primärrohstoffen. Dazu müssten vorrangig Akzeptanzprobleme gelöst werden. Durch eine garantierte und lückenlose Qualitätssicherung in Form eines öffentlich anerkannten Qualitätssicherungssystems könnten bestehende Vorbehalte ausgeräumt werden. Die momentane Wertschöpfungskette mineralischer Baustoffe illustriert, dass es sich nicht um einen Kreislauf, sondern eine Art Einbahnstraße mit drei Stufen handelt.

Das zukünftige Ziel sollte jedoch sein, Materialien in realen Kreisläufen zu führen. Das bedeutet vereinfacht gesagt, dass der Abbau natürlicher Rohstoffe und die Beseitigung von Bau- und Abbruchabfällen abnimmt. Dazu müsste jedoch die Nutzungsphase durch Abfallvermeidung, Umnutzung, Umbau statt Abbruch, Wiederverwendung bzw. Recycling, Downcycling oder Aufbereitung ausgebaut werden.

Lösungsansatz 3:

Problemlösungsvorschlag Nr. 3 thematisiert die Schärfung bzw. Erlassung gesetzlicher und vergaberechtlicher Rahmenbedingungen. Es sind staatlich regulierende Eingriffe für die Verwendung von Recycling-Baustoffen nötig. Dies könnte beispielsweise durch eine gesetzlich vorgeschriebene Mindestquote an Ersatzbaustoffen bei Neubau-, Sanierungs- oder Instandhaltungsmaßnahmen geschehen. Des Weiteren bedarf es der Schärfung des Gesetzestextes, sodass kein weiterer Raum für Interpretationen bezüglich der abfallrechtlichen Pflichten von Erzeuger und Besitzer bleibt.

Lösungsansatz 4:

Zur systematischen Erfassung real fließender Stoffmengen und Beurteilung der Kapazitäten ist ein funktionierendes Monitoring-System zu etablieren. Im Zuge dessen ist die Erstellung eines öffentlich zugänglichen Katasters für alle drei hessischen Regierungsbezirke sehr wichtig. Dies vereinfacht die Suche nach geeigneten Entsorgungsmöglichkeiten und räumt bestehende Unklarheiten bezüglich eines schadlosen und ordnungsgemäßen Entsorgungsweges bei Seite.

Lösungsansatz 5:

Als wichtig wird ebenfalls die Maßnahme „Planerische Geländemodellierung“ eingestuft. Der zu entsorgende Aushub könnte dabei durch planmäßige Geländemodellierung, Erdmassenausgleiche, der Rückverfüllung von Baugruben, höhere Trassierung von Straßen- und Gleisinfrastruktur, Einbindung in Lärmschutzwällen oder erhöhtes Erschließungs- und Geländeniveau reduziert werden. Am Beispiel eines Neubaugebietes wird die Thematik deutlich: Bei der Erschließung neuer Wohngebiete kann durch eine gezielte Überhöhung des Straßenniveaus ein zusätzlicher Retentionsraum entstehen. Damit würden zeitgleich Maßnahmen der Abfallvermeidung nach der Abfallhierarchie § 6 Abs. 1 KrWG getroffen werden.

Lösungsansatz 6:

Durch den frühzeitigen Einbezug von Building Information Modeling (BIM) in die Nachnutzungsphase kann ein Gesamteindruck über das Gebäude entstehen. Sobald die im Bauwerksdatenmodell gespeicherten Bauteilinformationen Aussagen zu Schadstoffen, zum Rückbau oder zu Verwertungsmöglichkeiten zulassen, sind Entsorgungskonzepte einfach und problemlos erstellbar. Darüber können auch Aussagen zum tatsächlichen in einer Stadt enthaltenen Rohstoff-Verwertungspotenzial getroffen werden.

Zusammenfassung

Als mengenmäßig bedeutendster Abfallstrom ist die Entsorgung von Bauschutt und Erdaushub als wichtige Aufgabe für Bauwirtschaft und Politik einzustufen. Dabei steht eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung bzw. Beseitigung gemäß Kreislaufwirtschaftsgesetz an erster Stelle. Simulationsrechnungen im Kontext wissenschaftlicher Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass die Entsorgungssicherheit im Bereich der Deponien für ungefährliche Bau- und Abbruchabfälle für bestenfalls 8 weitere Jahre garantiert ist.

Es bleibt zusammenfassend zu konstatieren, dass die Thematik sowie die damit einhergehenden Probleme nicht durch übliches Handeln bewältigt werden können. Zur Problemlösung bedarf es intensivierter Auseinandersetzung der Bauwirtschaft, der Politik und der Wissenschaft mit den Systemen der Abfall- und Kreislaufwirtschaft. Zur Lösung dieser gemeinsamen Aufgabe, richtet sich der Appell an die konsequente Realisierung des erarbeiteten Maßnahmenkatalogs zur Verhinderung oder Hemmung des sich androhenden Entsorgungsnotstandes für Bauschutt und Erdaushub in Hessen.

Literaturverzeichnis:
[1] Michael Bauer, Peter Mösle, Michael Schwarz - Dress & Sommer. Green Building - Leitfaden für nachhaltiges Bauen . [Hrsg.] Springer-Verlag Berlin Heidelberg. 2. Auflage . Stuttgart : Springer Vieweg , 2013. S. 237. Bd. 1, Vorwort . ISBN 978-3-642-38297-0.

[2] Statistisches Bundesamt . D_STATIS. [Online] 4. Juni 2021. [Zitat vom: 15. Oktober 2021.] Pressemitteilung Nr. 261 . https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/06/PD21_261_321.html.

[3] —. D_STATIS. [Online] 30. Juni 2021. [Zitat vom: 11. November 2021.] Abfallbilanz (Abfallaufkommen/-verbleib, Abfallintensität). https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Umwelt/Abfallwirtschaft/Publikationen/Downloads-Abfallwirtschaft/abfallbilanz-pdf-5321001.html.

[4] Redaktion Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz . Umwelt.hessen.de. [Online] 09. September 2021. [Zitat vom: 01. November 2021.] Abfallwirtschaftsplan Hessen - Siedlungsabfälle und Industirelle Abfälle. https://umwelt.hessen.de/Umwelt/Abfall-und-Recycling/Abfallwirtschaft.

[5] Siekemeyer, Tobias. Entsorgungsnotstand für Bauschutt und Erdaushub in Hessen - Auswirkungen, Grenzen und Perspektiven. 1. Auflage . Stuttgart : Fraunhofer IRB Verlag, 2022. S. 97. Band 51, Reihe Wissenschaft. ISBN 978-3-7388-0753-0.

[6] Statistisches Bundesamt. D_STATIS. [Online] 7. Oktober 2021. [Zitat vom: 5. Dezember 2021.] Preisindizes für die Bauwirtschaft (3. Vierteljahresausgabe). https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Preise/Baupreise-Immobilienpreisindex/Publikationen/Downloads-Bau-und-Immobilienpreisindex/bauwirtschaft-preise-2170400213234.pdf?__blob=publicationFile. Artikelnummer: 2170400213234.

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Autoren: Prof. Dr.-Ing. Achim Hitzel (Frankfurt University of Applied Sciences) und B. Eng. Tobias Siekemeyer (Gebr. Kemmler GmbH & Co. KG)

Für seine Bachelor-Arbeit zum Thema „Entsorgungsnotstand für Bauschutt und Erdaushub im Rhein-Main-Gebiet – Auswirkungen, Grenzen und Perspektiven“ hat Tobias Siekemeyer den mit 3.000 Euro dotierten Förderpreis 2023 der Gütegemeinschaft Leitungstiefbau (GLT) erhalten. „Wir verstehen diese Arbeit als Weckruf an unsere Branche, beim Thema Entsorgung von Bauschutt dringend Abhilfe zu schaffen“, unterstrich GLT-Geschäftsführerin Susanne Hake anlässlich der Ehrung des Preisträgers im Rahmen der GLT-Mitgliederversammlung am 5. Mai 2023 in Bremen. Das Thema sei von hoher Aktualität, so die Bewertung der GLT-Jury. Es sei nicht nur regional relevant, sondern lasse Schlüsse auf das gesamte Bundesgebiet zu. Mit Auswertungen von Interviews und Recherchen, aber auch mit grafischen Darstellungen des Entsorgungsnotstandes, habe Siekemeyer mit seiner Arbeit eine Art Handbuch für Anwender erstellt.

Matthias Fiedler (l.) übergab die Urkunde an den diesjährigen Preisträger Tobias Siekemeyer (r.), der für seine herausragende akademische Ausarbeitung zum Thema „Entsorgungsnotstand für Bauschutt und Erdaushub im Rhein-Main-Gebiet – Auswirkungen, Grenzen und Perspektiven“, ausgezeichnet wurde. | Foto: GLT/ Thomas Panzau, Hamburg
Matthias Fiedler (l.) übergab die Urkunde an den diesjährigen Preisträger Tobias Siekemeyer (r.), der für seine herausragende akademische Ausarbeitung zum Thema „Entsorgungsnotstand für Bauschutt und Erdaushub im Rhein-Main-Gebiet – Auswirkungen, Grenzen und Perspektiven“, ausgezeichnet wurde. | Foto: GLT/ Thomas Panzau, Hamburg

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