Grundwasserschutz? Ab auf die lange Bank...
Um das Grundwasser zu schützen und Fremdwassereinträge in den Griff zu bekommen, haben nur wenige Bundesländer konsequente Nachweispflichten eingeführt. Schleswig-Holstein hat nun die Frist zum Nachweis von Dichtheitsprüfungen außerhalb von Wasserschutzgebieten auf 2040 verschoben. In einem Statement hat der RSV-Vorstand dazu klare Worte gefunden und eine Reihe von Empfehlungen formuliert, die nicht nur für Schleswig-Holstein von Interesse sein könnten.
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Mit einer Fristverschiebung auf das Jahr 2040 hat das Umweltministerium in Schleswig-Holstein ein unrühmliches Hin und Her vorerst beendet. Frühestens in 17 Jahren müssen Hauseigentümer die Dichtheit ihrer Abwasserleitungen außerhalb von Wasserschutzzonen nachweisen. Das klare Signal lautet also: Wir schieben dieses unbeliebte Thema erstmal erfolgreich auf die lange Bank, nach dem Motto: „Soll sich doch die über-über-übernächste Regierung damit herumschlagen!“
Das Ganze zeigt, in welchem Zustand sich unsere Umweltpolitik insgesamt befindet. Dem Bürger wird mit Biodiversität und batteriebetriebenen Bussen ökologisches Handeln vorgegaukelt, während alles, was möglicherweise beim Wähler Unwohlsein auslösen könnte, unterm Teppich verschwindet. Die per Erlass formulierte Ansage lautet: Herzlichen Glückwunsch, lieber Hausbesitzer! Du darfst in den nächsten 17 Jahren Notdurft im Erdreich versenken, ohne dass es jemand mitbekommt oder ahndet. Zugleich dürfen alle mitbezahlen, wenn durch deine Leitungen Grundwasser eindringt und in der Kläranlage teuer behandelt werden muss.
Verkannte Realität
Politiker und Verantwortliche des Umweltministeriums bekleckern sich gerade nicht mit Ruhm, was die Offenbarung ihrer Fachkenntnisse betrifft. Vor allem die Mutmaßung, dass der Bürger bei stark beschädigten Leitungen irgendwann von selbst handelt, geht an der Realität vorbei. Tatsache ist: Rund 70 Prozent der untersuchten privaten Abwasserleitungen in Schleswig-Holstein sind marode. Außerdem holen unsere Firmen regelmäßig Wurzelwerk aus den gleichen geschädigten Hausanschlussleitungen, damit – auf gut Norddeutsch – die Schiete nicht aus dem Klo wieder herauskommt.
In Zeiten, in denen wir in einer Nationalen Wasserstrategie um die Zukunft der überlebenswichtigen Ressource kämpfen, fehlt uns dafür das Verständnis. Von einem grün geführten Umweltministerium eines Bundeslandes, das weitgehend vom Wasser lebt, dürfen Bürger erwarten, dass es konsequent und nachhaltig für die Einhaltung des Wasserhaushaltsgesetzessorgt – und zwar nicht nur in Gewerbebetrieben, sondern auch beim privaten Hauseigentümer.
Die Pflicht zur Dichtheitsprüfung 17 Jahre nach hinten zu verschieben, kommt aus unserer Sicht einer kollektiven Billigung von Verstößen gegen das Wasserhaushaltsgesetz gleich.
Korrektur als Wählergeschenk?
Dass man mit vermeintlich unangenehmen Pflichten ausgerechnet dann großzügig umgeht, wenn gerade Wahlen anstehen, ist für uns nicht neu. Beim Zustand maroder Abwasserleitungen wähnt man sich offensichtlich auf der guten Seite, wenn man bei Umweltsauereien bereitwillig die Augen schließt.
Es mangelt allerdings auch an vernünftigen Regeln. Denn: Auch wenn es den Anschein hat, so ist die Sache mit den privaten Abwasserleitungen erschreckend schlecht geregelt. Die in Schleswig-Holstein eingeführte Verordnung bedient sich der DIN 1986-30 als allgemein anerkannte Regel der Technik. Das ist keine Besonderheit – auch Hamburg macht das so.
Das Problem ist nicht die Norm an sich, sondern der Zweck, für den sie verwendet wird, und die fehlende Begleitung des Grundstückseigentürmers als Verantwortlichen. Die Umsetzung einer komplexen technischen Regel wird dem Bürger überlassen, der damit natürlicherweise überfordert ist: Was muss ich bei der Beauftragung einer Inspektion wissen? Welche Kosten kommen auf mich zu? Was muss getan werden und was nicht? Solche Fragen werden uns als Verband gestellt – oft, nachdem unseriöse Dienstleister bei Bürgern abkassiert haben und damit unsere Branche insgesamt in die „Schmuddelecke“ ziehen.
„Schleswig-Holstein bezieht sein Trinkwasser aus dem Grundwasser. Anders als viele andere Bundesländer müssen wir das besonders schützen“ – diese Aussage von Umweltminister Tobias Goldschmidt kann nur ernst gemeint sein, wenn man entsprechende Informationen und Pflichten für Grundstückseigentümer und Verbraucher wirksam näherbringt.
Bei aller Kritik...
Immerhin ist Schleswig-Holstein ein Land, das überhaupt Inspektionspflichten bei privaten Anschlussleitungen eingeführt hat und daran festhält – anders als viele andere Bundesländer. Eine gute Sache ist auch der neu beschlossene Hinweis, dass es keine Rolle spielt, wie lange vor 2040 die Grundstückseigentümer Gewissheit darüber haben, in welchem Zustand die Abwasserleitungen sind. Das lässt genügend Spielraum.
Wir hoffen, dass die Ankündigung des Umweltministeriums, jetzt mit Hochdruck die Nachweise in Wasserschutzgebieten und die Instandhaltung öffentlicher Kanäle voranzutreiben, nicht nur Lippenbekenntnisse darstellen. Wir hoffen auch, dass die Landesregierung klare Kante zeigt und sich nicht durch medial starke Vertreter von Hauseigentümerverbänden am Nasenring durch die Manege führen lässt.
Für öffentliche Netzbetreiber, Wohnungsbaugenossenschaften und Gewerbebetriebe gehört übrigens die Inspektion und Instandhaltung von Leitungen zur selbstverständlichen Aufgabe. Denn es geht nicht nur um die Einhaltung der Pflichten nach dem Wasserhaushaltsgesetz, sondern auch um den Werterhalt der kostbaren öffentlichen Infrastruktur-Assets. Würde man nicht inspizieren und sanieren, würden die Kosten für die Abwasseraufbereitung durch die Decke schießen, Straßen würden vielerorts wegen Unterspülungen absacken und über kurz oder lang bekämen wir Trinkwasser, das den Namen nicht mehr verdient.
Die Empfehlungen des RSV-Vorstands
- Bessere Information: Wer Regeln einführt, muss diejenigen, die sie befolgen müssen, vernünftig "mitnehmen". Das heißt: Verständliche Informationen liefern, Hintergründe erklären, eindeutige Hinweise zu den Leistungen geben, die bei der Dichtheitsprüfung oder Sanierung notwendig sind.
- Mehr Bürgernähe: Dringend überfällig ist die Erlaubnis für Kommunen und Netzbetreiber, unabhängig von der Prüfungspflicht bei Verdacht einer undichten Anschlussleitung eine Kamerabefahrung vom öffentlichen Sammelkanal aus vornehmen zu dürfen und den Kontakt mit den Verantwortlichen aufzunehmen.
- Mit einem Mythos aufräumen: Eine Sanierung muss nicht teuer sein. Mit grabenlosen Verfahren können unterirdische Kanäle kostengünstig und sicher renoviert oder punktuell repariert werden, ohne dass dafür Terrassen und Gärten aufgegraben werden müssen. Das vor Ort härtende Schlauchlining, das oft als Inliner-Verfahren bezeichnet wird, ist bei Grundstücksentwässerungen gängige Praxis – ebenso wie bereits seit vielen Jahren im öffentlichen Bereich. Wichtig ist die Beauftragung zertifizierter Unternehmen.
- Apropos Zertifizierung: Die in einzelnen Kommunen durchaus gängige Praxis, Bürger auf qualifizierte Unternehmen hinzuweisen, sollte überall möglich sein. Über den Güteschutz Kanalbau und das Gütezeichen Grundstücksentwässerung werden Unternehmen aus den Bereichen Kanalinspektion und Sanierung regelmäßig auf ihre personelle Qualifikation und Gerätetechnik überprüft und entsprechend zertifiziert. Das Argument, dass eine solche Empfehlung aufgrund der Gefahr der Wettbewerbsbeschränkung nicht gegeben werden darf, widerspricht den Interessen des Verbraucherschutzes. In vielen Kommunen in Deutschland werden solche Listen ausgegeben und auf diese Weise "schwarze Schafe" ausgebremst.
- Start einer langfristigen Strategie zur Wasser- und Leitungsinfrastruktur: Wir sollten die Gelegenheit nutzen, ins Gespräch zu einem wichtigen Thema zu kommen – mit Bürgern, Kommunen, Netzbetreibern und politisch Verantwortlichen, die mit ihren Entscheidungen die Zukunft gestalten. Denn: Fremdwassereinträge aus undichten privaten Anschlussleitungen sind überall ein Thema – vor allem in Zeiten von hohen Energiekosten in der Abwasseraufbereitung.
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