Neues System für lange Sammler: Mit MobiK durch den Kanal
Die beiden aneinandergekoppelten Fahrwagen: Das System ist für Haltungslängen bis zu 1.200 m ausgelegt und entspricht allen Anforderungen der Berufsfeuerwehr, der Unfallkasse NRW und der Bezirksregierung Düsseldorf. | Foto: B_I / zu Eulenburg

Der grabenlose Rohrvortrieb zeigt gerade dann seine Stärken, wenn es gilt, sensible Oberflächen zu unterqueren. Auf diesen Trassen ist es oftmals auch problematisch bis unmöglich, Schächte abzuteufen, insbesondere dann, wenn die Rohrleitung in großen Tiefen verlegt werden muss. Für das Bauverfahren ist es mittlerweile unproblematisch, Vortriebsstrecken mit begehbaren Querschnitten von 1.000 m und mehr aufzufahren. Bei Kanälen stellt sich jedoch das Problem für den Kanalbetrieb, wie solche überlangen Haltungen ohne Zwischenschächte unterhalten werden können.

Vor dieser Frage standen auch die Technischen Betriebe Solingen. Im Zuge der Umgestaltung des Mischwassernetzes entsteht ein neuer, 4 km langer Hauptsammler. Dieser Stahlbetonkanal mit einem Durchmesser von 1,80 bis 2,40 m wird aufgrund der schwierigen Topographie und der schützenswerten Landschaft auf gesamter Strecke im unterirdischen Rohrvortriebsverfahren gebaut.

Die Winden sind mit einem Hebezeug ausgestattet und können unabhängig vom MobiK auch einzeln vielseitig für andere Aufgaben eingesetzt werden. | Foto: A. zu Eulenburg
Die Winden sind mit einem Hebezeug ausgestattet und können unabhängig vom MobiK auch einzeln vielseitig für andere Aufgaben eingesetzt werden. | Foto: A. zu Eulenburg

Anordnung von Schächten schwierig und teuer

Im Rahmen der Planung des Sammlers stellte sich eine Anordnung der aus den geltenden Normen und Vorschriften erforderlichen Kontrollschächte als schwierig heraus. Die Kanaltrasse verläuft durch verschiedene landschaftlich zu schützende Bereiche, im Mittel ist jedes der Bauwerke 15 m tief. Neben den hohen Baukosten würde jede der Schachtbaustellen einen großen Eingriff in die Natur darstellen und benötigte unter anderem herzustellende freie Anfahrt- und Zugangsmöglichkeiten, da neben den Kontrollarbeiten eventuell notwendige Hilfs- und Rettungseinsätze über diese Zwischenschächte erfolgen würden. Aufgrund des zurzeit bestehenden Stands der Ausrüstungstechnik der Feuerwehr für Rettungsmaßnahmen sind Abstände von mehr als 200 m zwischen Schachtbauwerken nicht möglich.

Vor diesem Hintergrund entstand die Idee, ein mobiles und von synchronisierten Winden angetriebenes Transportsystem zu entwickeln, das eine Unterhaltung des neuen Sammlers und im Notfall erforderliche Rettungsmaßnahmen unter weitgehendem Verzicht auf Schachtbauwerke ermöglicht. Seit dem Frühjahr 2010 wurde unter Führung von Stefan Grotzki, Projektleiter für die Sonderbauwerke im Teilbetrieb Tiefbau bei den Technischen Betrieben Solingen, die Idee und Entwicklung eines solchen Systems mit Namen „MobiK“ vorangetrieben.

Stefan Grotzki war maßgeblich an der Entwicklung des MobiK beteiligt und wurde für sein Engagement in diesem Projekt im Jahr 2014 mit dem Goldenen Kanaldeckel des Instituts für Unterirdische Infrastruktur (IKT) ausgezeichnet. | Foto: A. zu Eulenburg
Stefan Grotzki war maßgeblich an der Entwicklung des MobiK beteiligt und wurde für sein Engagement in diesem Projekt im Jahr 2014 mit dem Goldenen Kanaldeckel des Instituts für Unterirdische Infrastruktur (IKT) ausgezeichnet. | Foto: A. zu Eulenburg

Sicher durch den Kanal

MobiK ist einsetzbar in Rohrdurchmessern ab DN 1600 und kann über Schachtöffnungen mit einem Durchmesser von 800 mm in den Kanal herabgelassen werden. Das System besteht aus zwei auf Anhängern montierten Winden und zwei aneinander zu koppelnden, gummibereiften Fahrwagen. Die Verbindung zwischen Fahrwagen und Winden erfolgt durch ein spezielles Kabel, das nicht nur die Zugkräfte der Winden überträgt. Eine integrierte Glasfaserlitze sorgt auch für den Datenaustausch zwischen dem Personal unter Tage und der Bedienungsmannschaft an den Winden. Die beiden aneinandergekoppelten Fahrwagen werden mit einer Besatzung von drei Personen von den beiden synchronisierten Winden durch den Kanal gezogen.

Das System lässt sich über eine Steuereinheit von einem der beiden Fahrwagen aus und bei Bedarf vom Personal an den oberirdischen Winden bedienen. Die Audio- und Videoübertragung sowie die Positionsübermittlung der Fahrwagen sind an allen Steuerständen gewährleistet. Ein Gaswarngerät ist direkt an das Fahrwagensteuerpult montiert. Die Messwerte werden sowohl auf einem Monitor der Steuerungseinheit angezeigt als auch an die Bedieneinheiten der Winden übermittelt. „Die Kommunikation ist einer der zentralen Faktoren, auf den bei der Entwicklung dieses Systems besonderer Wert gelegt wurde“, betont Stefan Grotzki.

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Durch das MobiK lässt sich der Transport von Arbeits- und Sicherheitsausrüstung, von Material und Personal in überlangen Haltungen realisieren. Für den Notfall sind die Fahrwagen mit Pressluftflaschen für die Atemluftversorgung des Wartungspersonals ausgestattet. In Gefahrensituationen ist ein zügiger und sicherer Rückzug der Mitarbeiter gewährleistet. Darüber hinaus bietet das System durch das bis zu 1.200 m lange Steuerkabel die Möglichkeit, die Haltungen durchgehend mit der Kanalfernsehkamera zu untersuchen.

Eine Schachtöffnung mit einem Durchmesser von 80 cm reicht auch, um den Fahrwagen in den Kanal herabzulassen. | Foto: Technische Betriebe Solingen
Eine Schachtöffnung mit einem Durchmesser von 80 cm reicht auch, um den Fahrwagen in den Kanal herabzulassen. | Foto: Technische Betriebe Solingen

Produktive Zusammenarbeit, tolle Unterstützung

Im Jahr 2010 wurde unter Leitung von Stefan Grotzki mit dem Projekt MobiK begonnen. Entwicklungspartner war die Firma Werner. Das Unternehmen aus Trier ist Spezialist für die Herstellung von Seilwinden für die Forstwirtschaft. Ebenfalls an der Entwicklung beteiligt war der Spezialist für mobile Inspektionssysteme Gullyver aus Bremen, der als Nachunternehmer der Firma Werner die Aufgabe hatte, sich um die digitalen Komponenten und die Steuerung des Systems zu kümmern. Auf einen weiteren entscheidenden Faktor weist Manfred Müller, Teilbetriebsleiter Tiefbau bei den Technischen Betrieben Solingen, hin: „Die intensiven Abstimmungsgespräche unter Leitung von Stefan Grotzki haben dazu geführt, dass das MobiK die volle Aufmerksamkeit und Unterstützung der Berufsfeuerwehr, der Unfallkasse NRW, der Berufsgenossenschaften und der Bezirksregierung Düsseldorf genießt.“

Bei einem Erfahrungsaustausch erfuhren die Stadtwerke Essen von dem Projekt, und weil es dort ein großes Interesse an einer derartigen Problemlösung gab, beteiligten sich die Essener zu 50 Prozent an den Entwicklungs- und Herstellungskosten von rund einer Million Euro.

Die Erprobung des Systems unter realen Einsatzbedingungen verlief erfolgreich. | Foto: Technische Betriebe Solingen
Die Erprobung des Systems unter realen Einsatzbedingungen verlief erfolgreich. | Foto: Technische Betriebe Solingen

Großes Einsparpotenzial

„Der durch den Einsatz von MobiK ermöglichte Verzicht auf Zwischenschächte kann die Investitionskosten allein beim Bau des Hauptsammlers Viehbachtal um 5,1 Millionen Euro reduzieren“, so Manfred Müller. Hinzu kommen die jährlichen Aufwandseinsparungen unter Berücksichtigung der kalkulatorischen AfA und entfallende Finanzierungszinsen von rund 450.000 Euro. Weiteres Einsparpotenzial sieht Stefan Grotzki durch den Wegfall von Zwischenschächten bei anderen geplanten Großprofilen. „MobiK eröffnet uns bei zukünftigen Maßnahmen zusätzliche planerische Optionen. Wir können jetzt Haltungslängen realisieren, die ohne das System gar nicht genehmigungsfähig gewesen wären.“ Außerdem könne MobiK auch im bestehenden Kanalnetz der Stadt Solingen zur Optimierung der Kanalunterhaltung eingesetzt werden. Die Wartung und Unterhaltung des Systems führt der Betriebshof der Technischen Betriebe selbst durch.

Nach der erfolgreich abgeschlossenen praktischen Erprobung und der Schulung von Mitarbeitern ist MobiK einsatzbereit und steht den Technischen Betrieben Solingen und den Stadtwerken Essen zur Verfügung. „Auf Anfrage von Netzbetreibern sind wir aber selbstverständlich auch bereit, die Befahrung von Sammlern mit dem System als Dienstleistung anzubieten“, so Manfred Müller.


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