Verschleiß und Verklebung – nicht nur ein Thema bei Großvortrieben!
Verschleiß und Verklebung von Werkzeugen, Werkzeugträgern und Transporteinrichtungen sind Effekte, die im Untertage-, Tunnel- und Spezialtiefbau auftreten und erhebliche direkte sowie indirekte Kosten verursachen können. Erfahrungen zeigen, dass unzulängliche oder nicht eindeutig zu interpretierende Angaben zum Verschleiß- und Verklebungspotenzial des Baugrunds im geotechnischen Bericht, aber auch Fehlinterpretationen sowie eine unzureichende kalkulatorische Umsetzung der Angaben zu falschen Prognosen und damit zu erhöhten Kosten geführt haben.
Für die seriöse Leistungs- und Kostenkalkulation einer Bauleistung ist daher sowohl eine quantitative Bewertung des Baugrunds hinsichtlich seines Verschleiß- und Verklebungspotentials als auch ein umfassendes Verständnis der Angaben im geotechnischen Bericht unerlässlich. Sowohl national als auch international existieren bisher keine eindeutigen Regelungen in Normen oder Empfehlungen, die die komplexen Wechselwirkungen bei Verschleiß- und/oder Verklebungseffekten berücksichtigen und eine zuverlässige Bewertung zulassen.
Seit mehreren Jahren beschäftigen sich etwa 20 Fachleute aus den verschiedensten Bereichen im Arbeitskreis 1.11 der Deutschen Gesellschaft für Geotechnik (DGGT) mit der Erarbeitung, Konkretisierung und anwendungsspezifischen Auswahl von praxisnahen Verfahren zur Bestimmung der Abrasivität von Lockergesteinen sowie zur Bewertung der Verklebungsneigung bindiger Böden und/oder veränderlich fester Gesteine. Als Ergebnis ist die Veröffentlichung einer Empfehlung mit praxistauglichen Hilfestellungen geplant, die eine realitätsnahe Einschätzung von Verschleiß und Verklebungen ermöglichen.
Der Beitrag gibt einen kurzen Überblick über die bisherige Arbeit und einen Ausblick auf die zukünftige Empfehlung der DDGT.
Verschleiß und Verklebung
Verschleiß- und Verklebungseffekte treten vornehmlich bei Fräs-, Bohr- oder Rammarbeiten, also beim direkten Kontakt mit dem Baugrund beim Lösen oder Verdrängen auf. Des Weiteren haben diese Effekte Auswirkungen auf das Fördern, Laden und den Wiedereinbau.
Zu den wesentlichen von Verschleiß und Verklebung betroffenen Baugeräten im Spezialtiefbau zählen beispielhaft Drehbohrgeräte sowie Schlitzwandgreifer/-fräsen. Im Bereich des Tunnelbaus sind Tunnelbohrmaschinen (TBM) mit und ohne aktive Stützung relevant. Für den grabenlosen Leitungsbau stellen Mikrotunnelmaschinen (analog TBM-Technik), Gerätschaften für das Horizontalspülbohrverfahren (HDD) und (offene) Rohrvortriebsmaschinen (mit Schräme oder Zughacke) die zentralen Baumaschinen dar.
Beim Einsatz solcher Baugeräte ist der Verschleiß maßgeblich durch die Geologie, die eingesetzten (Abbau-)Werkzeuge, den Baubetrieb sowie deren gegenseitige Interaktion bestimmt. Die Abrasivität (= Fähigkeit, einen Werkzeugverschleiß zu verursachen) des Bodens stellt – neben weiteren geologischen Kennwerten – eine wesentliche Einflussgröße dar. Auswirkungen von Verschleiß sind in den Abbildungen 1 und 2 beispielhaft dargestellt.
Verklebungen von Werkzeugen, an Schneidradöffnungen und in der Abbaukammer von Vortriebsmaschinen sowie an Räumer-/Aufweitungs- oder anderen Transportwerkzeugen werden durch die Geologie (Adhäsion / Kohäsion / Fließverhalten), das Design der eingesetzten Maschinen, den Baubetrieb sowie deren gegenseitige Interaktion -insbesondere durch die bei maschinellen Vortrieben unvermeidbaren Abbau- und Umwandlungsprozesse – bestimmt. Exemplarisch für diese Auswirkungen sind die Beispiele in den Abbildungen 3 und 4.
In bestimmten Situationen sind Überlagerungen der beiden Effekte Verschleiß und Verklebung, bei denen z.B. eine entstehende Verklebung durchaus verschleißverstärkend wirken kann, möglich.
Beim Einsatz von Prozesswasser und/oder Suspension z.B. für die Flüssigförderung von Abbaumaterial sind Verklebungs- und Verschleißeffekte auch an der peripheren Anlagentechnik (Transportleitungen, Separationsanlagen u.a.) relevant. Für die Bohrtechnik sind insbesondere die Eigenschaften Viskosität und Transportkapazität der Spülung zentrale, teilweise verklebungsfördernde Parameter.
Geplante Empfehlung
Die genannten Betrachtungen von Abhängigkeiten und Wechselwirkungen sind Teil des Aufgabenspektrums des Arbeitskreises der DGGT, um die verschiedenen Aspekte von Verschleiß und Verklebungen bei Arbeiten des Spezialtief-, Tunnel- und Mikrotunnelbaus sowie der Bohrtechnik im Lockergestein in einer Empfehlung zu fassen. Wesentliche Ziele sind die Standardisierung von
- geeigneten Untersuchungsmethoden zur Bestimmung des Verschleiß- und Verklebungspotenzials (sowohl im Vorfeld als auch während eines Projekts, in situ und im Labor),
- Bewertung und Klassifikation der Untersuchungsergebnisse zum Verschleiß- und Verklebungspotenzial von Boden im geotechnischen Bericht/Gutachten (Baugrundbeschreibung),
- Darstellung der verschiedenen Wechselwirkungen aus Geologie, Baubetrieb und Geräteeinsatz sowie des baupraktischen Erfahrungsstandes zu Präventions- und Bewältigungsmaßnahmen.
Im Zuge der Erarbeitung des Merkblatts werden die komplexen Zusammenhänge bei Verschleiß- und Verklebungseffekten hinsichtlich Ausprägungen, theoretischen Grundlagen, Baugrundeigenschaften, Abbau- und Umwandlungsprozessen sowie geeigneten Laborversuchen erläutert. Hierbei werden insbesondere die Möglichkeiten und Grenzen von Index- und Modellversuchen zur Abschätzung der Abrasivität/des Verschleißpotenzials bzw. des Verklebungspotenzials geprüft und beschrieben.
Zu den aktuell diskutierten Indexversuchen zur Bewertung des Verschleißpotenzials gehören der LCPC-Versuch, der CERCHAR-Versuch, das Wiener Abrasimeter und der NTNU Soil Abrasion Test (SAT) sowie zur Bewertung des Verklebungspotenzials der Stempel-Adhäsionsversuch, der Konuszugversuch und der ATUR-Test.
Im Weiteren werden die in den letzten Jahren zur Untersuchung von Verschleiß- und/oder Verklebungsphänomenen entwickelten Modellversuche CloggTS, RUB Tunnelling Device, SGAT Soft Ground Abrasion Tester und TUHH Modellschneidrad im Kontext praxistauglicher Anwendung bewertet. Auf Basis der Analysen werden Empfehlungen für die Eignung und Auswahl von Laborversuchen sowie Prognosemöglichkeiten für erwartbare Verschleiß- und Verklebungsphänomene dargestellt. Des Weiteren soll die Empfehlung Hilfestellungen für eine geeignete Leistungsbeschreibung und für die Umsetzung der Angaben aus dem geotechnischen Bericht/Gutachten in der Planung/Kalkulation (Berücksichtigung des Zusammenspiels von Werkzeug und Boden) geben.
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Der derzeitige Stand des Merkblatts umfasst neben den aufgeführten Untersuchungen und Analysen sowie den Stand der Forschung (s. beispielhafte Literaturaufzählung) auch zahlreiche Anwendungsbeispiele der nationalen und internationalen Baupraxis.
Literatur:
[1] Budach, C. et al. (2024): Ergebnisse von aktuellen Forschungsvorhaben zur Bestimmung der Abrasivität von Lockergesteinen, 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels, Esslingen, S. 125-131
[2] de Oliveira, D. (2018): EPB Excavation and conditioning of cohesive mixed soils: clogging and flow evaluation, Dissertation, Queens’s University
[3] Drucker, P. et al. (2024): Indexversuche zur Bestimmung der Abrasivität von Lockergestein, geotechnik 47 (2024), S. 185-193
[4] Feinendegen, M. et al. (2023): Empfehlung(en) „Verschleiß und Verklebung im Lockergestein“ - ein erster Ausblick, Fachsektionstage Geotechnik 2023, Würzburg, S. 268-273
[5] Feinendegen, M.; Stopp, A. (2023): State of the Art der Verschleißprognose im maschinellen Tunnelbau, Geomechanics and Tunnelling 16 (2023), No. 5, S. 573-597
[6] Feinendegen, M.; Spagnoli, G. (2021): Erkenntnisse aus zehn Jahren Verklebungsbewertung mit dem Konuszugversuch: Versuchsdurchführung, Aufbereitung der Proben, maßgebende Bewertungsfaktoren, STUVA-Tagung 2021, Karlsruhe, S. 194-202
[7] Budach, C. et al. (2019): Quantitative Bestimmung des Verklebungspotenzials feinkörniger Böden auf Basis von Adhäsionsspannung: Aktuelle Untersuchungen und neue Erkenntnisse, geotechnik 42 (2019), S. 2-10
[8] Milatz, M. et al. (2019): Bewertung von Verklebungen und Werkzeugverschleiß im Lockergestein anhand von Modellversuchen, geotechnik 42 (2019), S. 59-75
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