Siedlungsentwässerung im Wandel erfordert Neuausrichtung
Die Siedlungsentwässerung steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Die Umbenennung des DWA-Hauptausschusses ES „Entwässerungssysteme“ in SR „Siedlungsentwässerung und urbanes Regenwassermanagement“ markiert einen bedeutenden Schritt in der fachlichen Weiterentwicklung.

Die neue Bezeichnung ist Ausdruck einer inhaltlichen Neuausrichtung, die den veränderten Anforderungen an urbane Wasserinfrastrukturen Rechnung trägt. Für Fachleute im Tiefbau bedeutet dies: Die klassische Kanalisation wird zunehmend Teil eines integrierten, multifunktionalen Systems zur Steuerung und Gestaltung des urbanen Wasserkreislaufs.
Technische Weiterentwicklung der Siedlungsentwässerung
1. Dezentrale Regenwasserbewirtschaftung
Die klassische zentrale Ableitung wird ergänzt durch dezentrale Maßnahmen wie Versickerung, Verdunstung und Rückhaltung – sowohl auf privaten Grundstücken als auch im öffentlichen Raum. Beispiele:
- Mulden-Rigolen-Systeme in Wohngebieten: In Neubaugebieten wie dem Quartier „Am Wiesenrain“ in Köln wurden Rigolen unter Grünflächen installiert, die Regenwasser zwischenspeichern und versickern lassen. Die Bemessung erfolgte nach DWA-A 138 unter Berücksichtigung lokaler Bodenverhältnisse.
- Gründächer auf Gewerbebauten: In Hamburg wurde ein Logistikzentrum mit extensiven Gründächern ausgestattet, die bis zu 60 % des Jahresniederschlags zurückhalten. Die Retentionswirkung wurde durch eine Kombination aus Substratwahl und Drainageschicht optimiert.
- Regenwassernutzung in Schulen: In einer Berliner Grundschule wird das Regenwasser von den Dachflächen in Zisternen gesammelt und für die Toilettenspülung verwendet. Die Anlage spart jährlich rund 200 m³ Trinkwasser.
2. Hydraulische Modellierung und Starkregenmanagement
Die zunehmende Häufigkeit von Starkregenereignissen macht eine differenzierte hydraulische Analyse notwendig:
- 2D-Modellierung in Dortmund: Die Stadt setzt auf gekoppelte Kanalnetz- und Oberflächenmodelle, um Überflutungsrisiken in Hanglagen zu analysieren. Dabei wurden kritische Punkte identifiziert, an denen Notwasserwege angelegt wurden.
- Retentionsmulden in Leipzig: In einem Gewerbegebiet wurden Mulden mit einem Volumen von 500 m³ angelegt, die bei Starkregenereignissen als temporäre Speicher dienen. Die Entleerung erfolgt gedrosselt über eine nachgeschaltete Rigole.
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3. Systemintegration und Monitoring
Moderne Entwässerungssysteme sind Teil eines übergeordneten urbanen Wasserkreislaufs:
- Sensorik in München: Die Stadt betreibt ein Netz aus Pegelsensoren in Regenrückhaltebecken, das über ein zentrales Leitsystem gesteuert wird. Bei Starkregen werden Becken gezielt gefüllt und entleert, um Kanalüberlastungen zu vermeiden.
- Biodiversitätsförderung in Freiburg: In einem Wohnquartier wurden Versickerungsflächen naturnah gestaltet. Die Kombination aus Feuchtbiotopen und Blühstreifen erhöht die Artenvielfalt und verbessert die Aufenthaltsqualität.

Klimawandel als technischer Treiber
Der Klimawandel verändert die Bemessungsgrundlagen für Entwässerungssysteme grundlegend:
- Anpassung der Bemessungsregen: In Stuttgart wurde die Bemessung von Regenrückhaltebecken auf Basis von KOSTRA-Daten mit Klimaanpassungsfaktoren durchgeführt. Die Volumina wurden um 20 % erhöht, um zukünftige Extremereignisse abzudecken.
- Hitzeinseln entschärfen: In Essen wurden versiegelte Schulhöfe entsiegelt und mit Regenwassergärten ausgestattet. Diese kühlen die Umgebung durch Verdunstung und verbessern das Mikroklima. - Retentionsdächer in Frankfurt: Ein Bürogebäude wurde mit einem Retentionsdach ausgestattet, das bis zu 40 l/m² Regenwasser zwischenspeichert und zeitverzögert abgibt. Die Maßnahme reduziert die Spitzenabflüsse und entlastet das Kanalnetz.

Fazit: Technik trifft Gestaltung
Dies ist eine Auswahl von vielen, die Siedlungsentwässerung ist Bestandteil eines ganzheitlichen urbanen Regenwassermanagements. Die Umbenennung des Hauptausschusses ist kein symbolischer Akt – sie ist Ausdruck eines neuen Selbstverständnisses. Die Siedlungsentwässerung wird zur Schnittstelle zwischen Technik, Ökologie und Stadtgestaltung. Für den Tiefbau bedeutet dies: Die Anforderungen steigen, aber auch die Möglichkeiten zur Mitgestaltung einer klimaresilienten, lebenswerten Stadt nehmen zu.
Der Hauptausschuss Siedlungsentwässerung und urbanes Regenwassermanagement bietet eine Plattform für den fachlichen Austausch, die Entwicklung innovativer Lösungen und die Förderung eines integrativen Verständnisses von Wasser in der Stadt. Tiefbauingenieurinnen und -ingenieure sind eingeladen, sich aktiv einzubringen und die Zukunft der urbanen Wasserwirtschaft mitzugestalten.
Quelle: DWA
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