Druckleitung mittels Swagelining saniert

Im Magdeburger Abwasserkanalnetz existiert eine 600 m lange Freigefälle-Druckleitung DN 700 aus Gusseisen. Die Funktionstüchtigkeit dieser sanierungsbedürftigen Leitung aus dem Jahr 1928 wurde grabenlos mittels Reduktionsverfahren ohne Wärmeeintrag wiederhergestellt. Im Vorfeld wurde eine kontinuierliche Profilmaßbestimmung sowie eine 3D-Verlaufsmessung über die gesamte Länge der Druckleitung durchgeführt.

Mit einer Länge von rund 1.100 km und 90 Pumpwerken leitet das Magdeburger Kanalnetz das Abwasser von ca. 240.000 Magdeburger Einwohnern sowie von über 100 Gewerbe- und Industriebetrieben und einigen Umlandgemeinden zum Klärwerk Magdeburg/Gerwisch. Die Landeshauptstadt Magdeburg hat die Konzession zur Abwasserentsorgung an die Abwassergesellschaft Magdeburg mbH (AGM) vergeben. Diese beauftragte im Kontext kontinuierlicher Sanierungs- und Erneuerungsmaßnahmen die Frisch & Faust Tiefbau GmbH mit der Rehabilitation einer fast 100 Jahre alten Druckleitung. Die Planung und Ausführung übernahm die Abteilung Kanalsanierung unter der Leitung von Bauingenieur Timo Heidbrink.

Die zu sanierende Druckleitung ist für das ostelbische Entwässerungsgebiet Brückfeld, Cracau und Prester von maßgeblicher Bedeutung und die einzige Ableitungsmöglichkeit zum Hauptpumpwerk Cracauer Anger. Das Kreisprofil in der Rohrdimension DN 700 aus Gusseisen ist 600 m lang und verläuft in einem Wohngebiet zwischen einer der größten Magdeburger Pumpstationen und einem Druckentspannungsschacht in einem stark befahrenen Straßenkreuzungsbereich. Zudem befindet sich ein alter Baumbestand in der unmittelbaren Umgebung der Druckleitung. Dementsprechend sollten bei dem Vorhaben verkehrs- und umwelttechnische Belange berücksichtigt sowie Behinderungen für Bewohner weitestgehend reduziert werden.

Nachhaltig in Magdeburg: Druckleitung mittels Swagelining saniert
Reduktionsverfahren mit mechanischer Durchmesserreduzierung (Swagelining) in Magdeburg – Einbringen des PE-Rohrstrangs | Foto: IBAK

Bestandsaufnahme

Für die Planung und Ausführung eines geeigneten Verfahrens nahm Frisch & Faust eine sorgfältige Schadensanalyse des Altrohres vor. Vorausgegangen war das Einrichten einer Überleitung, durch die das Abwasser umgeleitet wurde.

Bei der Kamerainspektion wurden Inkrustationen und Spongiose, eine materialspezifische Korrosionserscheinung, festgestellt. Dabei handelte es sich um eine Langzeitschädigung, da der korrosive Zersetzungsprozess sehr weit fortgeschritten war. Das Wandungsmaterial löste sich schichtweise auf und wurde vom Abwasser abgetragen. Die ursprüngliche Gestalt des Altbestandes blieb zwar erhalten; verlor jedoch durch das selektive Auflösen des Eisenanteils an Festigkeit. Somit lagen potenzielle Schwachstellen und damit eine erhöhte Bruchgefahr vor. Das Altrohr war nicht mehr mechanisch belastbar.

Schadensbild: starke Zersetzung des Gusseisens. Das Swagelining-Verfahren eignet sich insbesondere zur grabenlosen Erneuerung von Abwasserleitungen, bei denen Korrosion zu Beschädigungen geführt haben. | Foto: IBAK
Schadensbild: starke Zersetzung des Gusseisens. Das Swagelining-Verfahren eignet sich insbesondere zur grabenlosen Erneuerung von Abwasserleitungen, bei denen Korrosion zu Beschädigungen geführt haben. | Foto: IBAK

Profilmaßbestimmung

Für eine größtmögliche Ausführungssicherheit der angestrebten Rehabilitation wurde das reale Profilmaß über den gesamten Verlauf der Druckleitung bestimmt. Dazu wurde mit IBAKs Dreh- und Schwenkkopfkamera Orpheus 2 eine kontinuierliche, lasergestützte Profilmaßbestimmung vorgenommen. Die Messergebnisse dienten Frisch & Faust als Grundlage für die Sanierungsplanung. Für eine grabenlose Erneuerung von Druckleitungen, bei denen Korrosion zu Beschädigungen geführt haben, eignet sich das Swagelining-Verfahren. Dabei dient der Altbestand ausschließlich als Trasse ohne statische Funktion für den neuen Rohrstrang. Dementsprechend verbleibt die alte Druckleitung im Erdreich und fugiert lediglich als Hülle für das Neurohr. Da das Maß der Durchmesserreduzierung des Neurohres maßgeblich vom Innendurchmesser des Altrohres abhängig ist, war die genaue Kenntnis des Ist-Profils über den Haltungsverlauf relevant für die weitere Sanierungsplanung.

Durch die am voll rotationsfähigen Kamerakopf integrierten Laser wurde eine Profilmaßbestimmung über die gesamte Leitungslänge vorgenommen. Der Kamerafahrwagen T 86 von IBAK fuhr dabei mit gleichmäßiger Geschwindigkeit von etwa 5 bis 7 cm/sek. Die auf diese Weise erfassten Laserpunkte wurden mit der Software IKAS evolution analysiert und durch Frisch & Faust ausgewertet. Durch den Laserscan der Druckleitung konnten Daten und damit Erkenntnisse gewonnen werden, die über eine rein optische Inspektion hinausgehen. Die Messdatenanalyse ergab u.a. den minimal gemessenen Durchmesser von 692 mm. In Kenntnis des maximalen und minimalen Durchmessers über die gesamte Länge der Druckleitung wurde eine darauf abgestimmte Auswahl des PE-Rohres vorgenommen.

Für die kontinuierliche Profilmaßbestimmung sowie die 3D-GeoSense-Verlaufsmessung über die gesamte Länge der Druckleitung kam in Magdeburg die Orpheus 2 zum Einsatz. | Foto: IBAK
Für die kontinuierliche Profilmaßbestimmung sowie die 3D-GeoSense-Verlaufsmessung über die gesamte Länge der Druckleitung kam in Magdeburg die Orpheus 2 zum Einsatz. | Foto: IBAK

Rohrverlaufsmessung

Die Lage von Abwasserkanälen kann theoretisch anhand der Schachtbauwerke ermittelt werden. Zwischen den Schächten wird ein geradliniger Verlauf der Haltung angenommen. Die zu sanierenden Druckleitung verläuft zwischen den Revisionsöffnungen nicht geradlinig. Die Bogenabweichung war nicht genau bekannt und so erheblich, dass sie für die Planung von der Sanierungsmaßnahme von Bedeutung war. Aus diesen Überlegungen heraus wurde im vorliegenden Fall der exakte Verlauf der Druckleitung mit x,y,z-Koordinaten erfasst. Zu diesem Zweck wurde IBAKs 3D-GeoSense-Verlaufsmessung eingesetzt. Mit dem in die Dreh- und Schwenkkopfkamera Orpheus 2 integrierten 3D-Sensor wurde der Leitungsverlauf während der Kamerabefahrung aufgezeichnet. Die 3D-GeoSense-Verlaufsmessung lieferte unmittelbar einen realitätsgetreuen Lageplan mit Breiten-, Längen und Höhenangaben. Die geodätisch exakte Lagevermessung vervollständigte die Information über die zu sanierende Druckleitung und wurde in die Entscheidung für das Sanierungsverfahren einbezogen. Der generierte Lageplan war die Grundlage für die Entscheidung, in wie viel Bauabschnitte das Einzugsverfahren unterteilt werden muss.
Blick auf die Startbaugrube | Foto: IBAK
Blick auf die Startbaugrube | Foto: IBAK

Reduktionsverfahren

Auf Grundlage dieser umfassenden Voruntersuchungen entschied sich die Abwassergesellschaft Magdeburg in Abstimmung mit den Städtischen Werken Magdeburg (SWM), die im Auftrag der AGM die technische Betriebsführung der Entsorgung von Abwasser in Magdeburg realisieren, und in Zusammenarbeit mit Frisch & Faust die beschriebene Aufgabenstellung in Magdeburg mittels Swagelining zu lösen. Das Grundprinzip dieses Reduktionsverfahren ohne Wärmeeintrag beruht auf der Möglichkeit, den Durchmesser eines PE-Rohrstrangs mittels hydraulischer Zugwirkung gleichmäßig so weit zu verkleinern, dass er sich in das Innere eines Altrohres einziehen lässt. Dabei wird die Viskoelastizität des Werkstoffes PE genutzt. Nach dem Ende der Zugwirkung dehnt sich der PE-Rohrstrang aufgrund des Memory-Effektes von PE wieder aus und legt sich ohne Ringraumbildung passgenau an die Innenwandung des Altrohres.

Bauausführung

Der Einzug in die Druckleitung wurde in zwei Teilen umgesetzt: Zuerst widmete man sich dem 240 m langen Streckenabschnitt mit drei Bögen mit jeweils bis zu 15°; anschließend wurde der Einzug auf der Strecke von 320 m mit zwei Bögen vorgenommen. Dazu wurden vier Betonwiderlager mit je 14 m3 Beton gegossen und eine Start- sowie zwei Zielgruben hergestellt. Die Startbaugrube diente dem Einbringen der neuen PE-Rohrstränge, die Zielbaugruben der Aufnahme der Rohrziehanlage.

Der PE-Rohrstrang passierte einen Revisionsschacht während des Einzugs: Blick auf den konischen Swagekopf aus Voll-PE mit Umlenkrolle (rot) für den Seilzug | Foto: IBAK
Der PE-Rohrstrang passierte einen Revisionsschacht während des Einzugs: Blick auf den konischen Swagekopf aus Voll-PE mit Umlenkrolle (rot) für den Seilzug | Foto: IBAK

Für den längeren der beiden Streckenabschnitte wurden 21 einzelne PE-Rohre mit einem Gewicht von 1,7 t und einer Länge von je 15 m vor Ort zu einem Rohrstrang verschweißt. Mittels Winde wurde der formbare PE-Rohrstrang unter Aufrechterhaltung einer konstanten axialen Zugkraft von etwa 50 t durch das mit einem Gleitmittel versehene Gesenk, das sog. Swagerig, gezogen. Dabei wurde der PE-Rohrstrang elastisch verformt und der Querschnitt durch Kaltverformung um bis zu 10 % reduziert. Nach Abschluss des Einzugs wurde der PE-Rohrstrang von der Zugwirkung entlastet.

Innerhalb von 24 Stunden dehnte sich der Rohrstrang wieder auf seinen ursprünglichen Außendurchmesser aus und presste sich lückenlos – „close-fit“ – an die Innenwand der zu sanierenden Druckleitung. Auf diese Weise wurde die gesamte Einziehlänge von 600 m bei einer Rohrdimension von DN 700 realisiert. Die Rohrverbindungen wurden mit Muffen hergestellt. Abschlussarbeiten, wie etwa das Einbinden an den Bestand, wurden erst nach Ablauf des Close-fit-Prozesses durchgeführt.

Das Ergebnis in Magdeburg ist ein neues, selbstständig tragfähiges Druckrohr, das die ursprüngliche hydraulische Kapazität der Rohrleitung lediglich um die Wandstärke des PE-Rohrstrangs von 4,1 cm reduziert. Das neue PE-Rohr übernimmt die statischen Aufgaben; sodass das gusseiserne Altrohr in seiner ursprünglichen Funktion nicht mehr genutzt wird. Der normale Betriebsdruck des Druckrohres beträgt 0,17 bar, der maximale Betriebsdruck 0,5 bar. Nach der Rehabilitation der Druckleitung wurde eine Druckprobe mit 1,5 bar erfolgreich durchgeführt.

Vorsatzrahmen in der Zielbaugrube mit Hydraulikzylinder | Foto: IBAK
Vorsatzrahmen in der Zielbaugrube mit Hydraulikzylinder | Foto: IBAK

Nachhaltiges Endergebnis

Für das Sanierungskonzept in Magdeburg wurde sowohl eine geodätisch exakte Verlaufsmessung als auch eine Profilmaßbestimmung über die gesamte Länge der Druckleitung mit IBAKs Dreh- und Schwenkkopfkamera Orpheus 2 vorgenommen. Die dadurch gewonnenen Erkenntnisse gingen weit über eine rein optische Inspektion hinaus und trugen zur Ausführungssicherheit der Sanierungsmaßnahme bei. Durch die umfangreichen Voruntersuchungen konnten ein geeignetes Verfahren und ein PE-Rohr mit optimaler Passform ausgewählt werden.

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Besonders im innerstädtischen Bereich, wie im vorliegenden Fall, ist die grabenlose Kanalnetzsanierung vorteilhaft. Für das Swagelining war lediglich ein punktueller Aushub für die Baugruben erforderlich. Arbeitsaufwendige Tiefbauarbeiten konnten ebenso wie unnötige Umweltbelastungen vermieden werden. Der auf einem Streckenabschnitt der Druckleitung befindliche Baumbestand wurde nicht beeinträchtigt. Einschnitte für Anwohner und eine Behinderung des Straßenverkehrs konnten auf ein Minimum reduziert werden. Im Vergleich zu einem Reduktionsverfahren mit Wärmeeintrag konnte eine Energieeinsparung durch Wegfall der Heizvorrichtung erreicht werden.

Die geringfügige Querschnittsreduzierung um 4,1 cm beeinflusste die hydraulische Leistungsfähigkeit der Druckleitung nur geringfügig, da das neue PE-Material einen wesentlich besseren Rauhigkeitsbeiwert der Rohroberfläche hat als das Altrohr. Zudem wurde durch den Close-fit-Einbau ein Ringraum vermieden, der gegebenenfalls hätte aufwendig verdämmt werden müssen. Nicht zuletzt handelt es sich im Vergleich zur konventionellen Bauweise um eine wirtschaftliche Lösung. Das neue PE-Rohr gewährleistet eine lange Nutzungsdauer im ostelbischen Entwässerungsgebiet und ist das Ergebnis eines erfolgreich abgeschlossenen Sanierungsprojekts in Magdeburg.


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