Teil 2: Die am besten geeignete Methode aus Umweltsicht
Eine Studie vergleicht fünf gängige Reparaturverfahren an zwei häufigen Schadensbildern mittels einer Lebenszyklusanalyse (LCA). Der Hintergrund und die Methodik der Studie wurden vorgestellt, Teil 2 widmet sich nun den Ergebnissen.
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Für die Wahl der Sanierungsverfahren sind technische und finanzielle Faktoren bekannt, Umweltauswirkungen können aufgrund von fehlenden Daten jedoch noch nicht berücksichtigt werden. Im Rahmen von Nachhaltigkeitszielen wie den Sustainable Development Goals (SDGs) oder Klimaneutralität, stellt sich die Frage, welche Reparaturmethode aus Umweltsicht am besten geeignet ist. Die Lebenszyklusanalyse (LCA) ist eine geeignete Methode, um diese Wissenslücke zu schließen und die Nachhaltigkeit und Umweltauswirkungen von Kanalreparaturverfahren zu bewerten.
In dieser Studie wurde deshalb eine LCA für verschiedene punktuelle Reparaturverfahren mit dem Ziel der Wiederherstellung der Dichtheit eines Kanals für 15 Jahre (funktionelle Einheit) durchgeführt. Die Studie betrachtet einen Kanal der Größe DN 300 mit Schadensbild (i) = undichte Rohrverbindung/Riss am Rohrumfang (Reparaturmethode muss mindestens einen Bereich bis 500 mm abdecken) und Schadensbild (ii) = beschädigter Anschlussstutzen (DN 150). Die Analyse umfasste die Reparaturmethoden Edelstahlmanschette, Kurzliner, Spachtel-/Verpressverfahren, Hutprofil und Anschluss-Verpressverfahren. Die Auswirkungen auf die Umwelt wurden mithilfe der LCA-Methoden ReCiPe-Endpoint-Methode, USEtox 2-Methode und IPCC 13 GWP 100a-Methode verglichen, sodass ein weites Spektrum von Umweltauswirkungen (z.B. Klimawandel, Humantoxizität oder Ressourcen) erfasst und verglichen werden konnte. Eine detaillierte Beschreibung der Methodik wurde in Teil 1 dargelegt.
Ergebnisse der LCA
Vergleich der Umweltauswirkungen
Im Folgenden vergleichen wir die Umweltauswirkungen der Reparaturverfahren je nach Schadensbild. Um die Nutzungsdauer der Reparaturverfahren in den Vergleich miteinbeziehen zu können, haben wir drei vergleichende Optionen aufgestellt, die eine Zeitspanne zwischen 10 und 25 Jahren abdecken (s. Tabelle 1). Wird die Nutzungsdauer der Reparaturmethode überschritten, wird von einer erneuten Anwendung der Methode ausgegangen. Dies bedeutet beispielsweise, dass ein Kurzliner mit einer Lebensdauer von 10 Jahren in einem Zeitraum von 15 Jahren zweimal angewendet werden müsste.
Tab. 1: Vergleich der Verfahren für das Schadensbild (i) mit der ReCiPe-Methode nach Gesamtschadenspunkten [Pt (total)] unter Einbeziehung der Nutzungsdauer der einzelnen Verfahren
Nutzungshorizont des Kanals | Anwendungen | ReCiPe Gesamtschadenspunkte [Pt (total)] |
---|---|---|
Option 1 (10 Jahre) | Edelstahlmanschette = 1 Kurzliner = 1 Spachtel-/Verpressverfahren = 1 | Edelstahlmanschette = 13,76 Kurzliner = 17,72 Spachtel-/Verpressverfahren = 17,82 |
Option 2 (15 Jahre) | Edelstahlmanschette = 1 Kurzliner = 2 Spachtel-/Verpressverfahren = 1 | Edelstahlmanschette = 13,76 Kurzliner = 35,44 Spachtel-/Verpressverfahren = 17,82 |
Option 3 (25 Jahre) | Edelstahlmanschette = 1 Kurzliner = 3 Spachtel-/Verpressverfahren = 2 | Edelstahlmanschette = 13,76 Kurzliner = 53,17 Spachtel-/Verpressverfahren = 35,64 |
Betrachtet man die Ergebnisse aller LCA-Methoden (ReCiPe-, USEtox 2- und GWP100a-Methode) für das Schadensbild (i), so schneidet die Edelstahlmanschette bei einmaliger Anwendung der Reparaturverfahren und einer Nutzungsdauer von 15 und mehr Jahren deutlich besser ab als die beiden anderen Methoden Kurzliner und Spachtel-/Verpressverfahren (s. Abbildung 1-3 und Tab. 1). Der Kurzliner und das Spachtel-/Verpressverfahren weisen nur geringe Unterschiede in den Ergebnissen bei einmaliger Anwendung auf. Unter Berücksichtigung der Nutzungsdauer schneidet der Kurzliner schlechter ab (s. Abb. 1-3).
Für das Schadensbild (ii) verhalten sich die Ergebnisse für das Hutprofil und das Spachtel-/Verpressverfahren sehr ähnlich. Die Ergebnisse zeigen entweder keinen Unterschied oder einen leichten Vorteil für das Hutprofil. Hier ist aufgrund der gleichen Lebensdauer kein weiterer Vergleich nötig.
Ein erster Vergleich der Reparaturverfahren zeigt (für Schadensbild (i)) somit einen leichten Vorteil für die Edelstahlmanschette. Besonders entscheidend für die LCA-Ergebnisse sind jedoch die Nutzungsdauer der Reparaturverfahren und somit auch die Restlebensdauer des Kanals, für die die Reparatur ausgelegt werden soll. Ausschlaggebende Unterschiede werden daher durch die Anzahl der Anwendungen hervorgerufen. Die folgende Sensitivitätsanalyse beschränkt sich auf die ReCiPe-Methode und einmalige Anwendung, um weitere Einflussfaktoren auf die Gesamt-Umweltauswirkungen aufzuzeigen.
Sensitivitätsanalyse
Bei der Betrachtung der Wirkungs-Hotspots (Prozesse, die überdurchschnittlich viele Emissionen aufweisen) fällt auf, dass der Einfluss des Anfahrtsweges vom Sanierungsunternehmen zur Baustelle sowie der beim Einbau verwendete Energieträger einen großen Einfluss auf die Verfahren haben (s. Abb. 4). Der Unterschied, den diese beiden Faktoren ausmachen, ist so groß, dass sie für die Wahl des nachhaltigen Sanierungsverfahrens ausschlaggebend sind, da der Anfahrtsweg und die Wahl des Energieträgers die Anzahl der Schadenspunkte stärker beeinflussen als die Wahl eines bestimmten Sanierungsverfahrens.
Der Anfahrtsweg hat den größten Anteil an den Gesamtschadenspunkten und damit den größten Einfluss (s. Abb. 4). Eine Reduzierung des Anfahrtsweges um 50% kann bspw. die Gesamtschadenspunkte der Edelstahlmanschette um etwa 26% und die des Spachtel-/Verpressverfahrens um 24% reduzieren. So könnte bspw. die Anwendung eines Spachtel-/Verpressverfahrens durch ein Sanierungsunternehmen aus der unmittelbaren Umgebung zu weniger Emissionen/Schadenspunkten führen als der Einbau einer Edelstahlmanschette durch ein Sanierungsunternehmen, das von weiter her anreisen muss. Daher sollten die Nähe bei der Auswahl eines Kanalsanierungsunternehmens unter Umweltgesichtspunkten im Vordergrund stehen.
Der Anfahrtsweg der Sanierungsfirma zur Baustelle ist bei allen Verfahren gleich, nur die Lieferwege der Materialien der einzelnen Verfahren unterscheiden sich (s. Teil 1). Vergleicht man die Ergebnisse mit den Ergebnissen ohne Transport, so kann man feststellen, dass die Schadenspunkte stark abnehmen, das Verhältnis zwischen den Sanierungsmethoden aber gleichbleibt (s. Abb. 4). Daraus schließen wir, dass die Lieferwege für die einzelnen Reparaturverfahren keinen entscheidenden Einfluss auf die Vergleichsergebnisse der Verfahren haben.
Bei der Betrachtung der Energiequellen für die Durchführung der Reparaturverfahren fällt auf, dass ein Batterieantrieb deutliche Vorteile aufweist (s. Abb. 4). Batterie- anstatt Dieselbetrieb bei der Installation führt zu einer Reduktion der Schadenspunkte von bspw. 28% bei der Edelstahlmanschette und 33% beim Spachtel-/Verpressverfahren. Neue Sanierungsfahrzeuge für Reparaturverfahren können mit Batterie-/Solarbetrieb ausgestattet werden. Dies ermöglicht, dass das Sanierungsfahrzeug autark arbeiten kann und der Generator nur in Notfällen zum Einsatz kommt.
Bei weiterer Betrachtung der Wirkungs-Hotspots sticht die Wahl des Verpackungsmaterials für Harze (hier verzinnter Stahl) als wesentlicher Faktor hervor. Eine andere Art der Verpackung hätte höchstwahrscheinlich einen Einfluss auf die LCA-Ergebnisse. Die Schadenspunkte (reines Verfahren, ohne Transport) steigen zwischen 3 kg Harz und 6 kg um 64% an, was maßgeblich auf die doppelte Menge an verzinntem Stahl als Verpackung zurückzuführen ist.
Abschließend untersuchen wir, ob die Ergebnisse auf andere Kanalgrößen übertragbar sind. Ändert sich der Durchmesser des Abwasserkanals, ändert sich auch die Menge des verbrauchten Materials (vor allem bei den Verfahren Edelstahlmanschette und Kurzliner). Die Ergebnisse für DN 500 zeigen eine andere Verteilung als für DN 300 (s. Abb. 4). Bei DN 500 wird allen drei Reparaturverfahren eine ähnliche Anzahl von Schadenspunkten zugeordnet. Die Schadenspunkte für den Kurzliner und das Spachtel-/Verpressverfahren haben sich mit 1,4-2,9 % nur geringfügig verändert. Die Schadenspunkte für die Edelstahlmanschette haben sich um 25,3 % erhöht.
Zusammenfassung
Aus den Ergebnissen dieser Untersuchung können sechs wesentliche Schlussfolgerungen gezogen werden:
- Die Lebensdauer der Sanierungsverfahren und die Restlebensdauer des Kanals sind von zentraler Bedeutung für die Ergebnisse der LCA und müssen beim Vergleich der Verfahren detailliert berücksichtigt werden.
- Der Einfluss des Anfahrtsweges vom Sanierungsunternehmen zur Baustelle und des Energieträgers bei der Verlegung sind so groß, dass diese Faktoren für die Wahl des nachhaltigsten Sanierungsverfahrens entscheidend sind: Diese Faktoren beeinflussen die Anzahl der Schadenspunkte stärker als die Wahl eines bestimmten Sanierungsverfahrens.
- Die Menge des zum Einsatz kommenden Harzes ist ein weiterer wichtiger Einflussfaktor, der seinerseits vom Schadensumfang abhängt. Im Vergleich wirkt er sich aufgrund der eingesetzten Gebindegrößen nicht linear, sondern stufenweise aus.
- Der Durchmesser beeinflusst die Auswirkungen bei der Edelstahlmanschette und dem Kurzliner direkt durch den erhöhten Materialeinsatz, während beim Spachtel-/Verpressverfahren das Schadensausmaß maßgeblich ist.
- Bei einmaliger Anwendung und unter Ausschluss der Anfahrtswege können die folgenden Ergebnisse zusammengefasst werden:
- Wenn der Kanaldurchmesser kleiner als DN 500 ist und der Harzverbrauch des Spachtel-/Verpressverfahrens einen 3 kg-Behälter übersteigt, ist die Edelstahl-manschette die umweltfreundlichste Option.
- Wenn ein Behälter mit 3 kg Harz für die Sanierung bei DN 300 ausreicht oder Kanäle von DN 500 und größer repariert werden müssen, stellt das Spachtel-/Verpressverfahren die beste Wahl dar (allerdings nur geringe Unterschiede).
- Überschreitet die Restlebensdauer des Kanals die Nutzungsdauer des Spachtel-/Verpressverfahrens aber nicht die der Edelstahlmanschette, so ist die Anwendung einer Edelstahlmanschette aus umwelttechnischen Gründen zu empfehlen.
- Der Vergleich der Reparaturverfahren für Anschlüsse zeigt keine eindeutigen Umweltvorteile eines Verfahrens.
Empfehlungen für die Praxis und Ausblick
Die Ergebnisse dieser Studie können zur nachhaltigen Bewirtschaftung von Entwässerungssystemen beitragen. Die LCA ermöglichte es, die umweltrelevantesten Prozesse der Reparaturverfahren aufzuzeigen. Außerdem liefern die Ergebnisse Entscheidungshilfekriterien für die Wahl des aus Nachhaltigkeitsgesichtspunkten am besten geeigneten Verfahrens. Ein nachhaltiges Kanalnetzmanagement und das Bewusstsein für die Umweltauswirkungen von Reparaturverfahren sind bedeutsam, da das Kanalnetz eine wichtige und kostspielige Infrastruktur ist, die unter dem Sanierungsstau der letzten Jahrzehnte leidet. Auch der Trend zur Aufrüstung von Sanierungsfahrzeugen für den verstärkten Einsatz von Batteriestrom während der Installation zielt auf ein nachhaltigeres Kanalnetzmanagement ab. Schlussendlich kann eine umweltbewusste Kanalsanierung zu den Klimazielen der Bundesregierung beitragen.
Es konnte aufgezeigt werden, dass sich die Umweltauswirkungen der analysierten Verfahren generell nur minimal unterscheiden und die spezifische Situation wie Restlebensdauer des zu reparierenden Kanals, Anfahrts- und Transportwege sowie genutzte Energiequelle wichtiger sind. Somit sollte bei der Wahl des Reparaturverfahrens die kostengünstigste Variante, die technisch umsetzbar ist, ausgewählt werden, sofern die Energiequelle und Transportwege vergleichbar sind. Da der Anfahrtsweg der Sanierungsfirma die Umweltauswirkungen einer Reparatur stark beeinflusst, sollten besonders bei kleineren Sanierungsprojekten lokal ansässige Firmen gewählt werden. Letztlich empfehlen wir die vermehrte Nutzung von Batterien zur Energiebereitstellung vor Ort, da damit die Umweltauswirkungen reduziert werden können.
Diese Arbeit kann in vielfältiger Weise fortgesetzt werden. Weitere Funktionen des Kanals, wie die Stand- und Betriebssicherheit sowie andere Reparatur- und Renovierungsverfahren, können in die LCA einbezogen werden. Die zugrundeliegenden Datensätze sollten hinsichtlich der Genauigkeit erweitert und auf den internationalen Kontext ausgedehnt werden. Darüber hinaus sollten die Besonderheiten der verschiedenen Kanalmaterialien (z.B. lassen sich Kunststoffrohre nicht immer mit den gängigen Sanierungsmaterialien verkleben) genauer untersucht werden. Die Komplexität des Themas erfordert eine Zusammenführung der verschiedenen Aspekte der Kanalsanierung, um eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsbewertung vornehmen zu können. Dabei sind die technischen, wirtschaftlichen und umwelttechnischen Faktoren von besonderer Bedeutung.
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Danksagung:
Die Autoren danken Herrn Burcek, Herrn Haebler, Herrn Klar, Frau Körner, Herrn Stentrup und Herrn Vogel für die Interviews, sowie Herrn Professor Wintgens und Frau Dr. Haußmann von der RWTH Aachen und dem Team der ETH Zürich für die wissenschaftliche Betreuung.
Autoren:
Laura Golembowski (M.A. Stadtplanung, B.Sc. Umweltingenieur)
Prof. Dr. Stephan Pfister (ETH Zürich, Dozent am Departement Bau, Umwelt und Geomatik)
Christian Koch (M.Sc. Umweltingenieur, Co-Founder von Pallon)
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