Wie sollte man mit Asbestfaserzement-Rohren umgehen?
Asbest ist gesundheitsschädlich und der erste Gedanke ist: AZ-Rohre sollte man tunlichst ausbauen und entsorgen. Doch nicht nur das Rohr selbst, sondern in der Regel auch das umgebende Erdreich müsste mit entsorgt werden. Der Bedarf an Deponieraum wäre gewaltig. Werden die Rohre ausgebaut, gibt es zudem große Aufwendungen, um zu vermeiden, dass Asbestfasern in die Atemluft und die Umgebung gelangen. Zu den hohen Ausbaukosten werden dann die Deponierungsgebühren kommen, die aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit und hoher Analyse-Anforderungen ohnehin schon hoch sind.
Herr Haacker, ist die Instandsetzung denn nicht eine zu kurzfristige Lösung?
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Auf der anderen Seite gibt es ja Lösungen, um der Gesundheitsgefahr durch schadhafte AZ-Rohrleitungen zu begegnen. Durch die Instandsetzung wird eine „Passivierung“ der Asbestrohre erreicht; diese verbleiben dann zwar im Erdreich, stellen aber im Rahmen der Kanalunterhaltung und Abwasserbehandlung keine Gefährdung mehr dar. Beim Schlauchlining beispielsweise dient das Altrohr als Formgeber. Damit entsteht ein dauerhaftes Rohr im Rohr, das durch eine Trennschicht (Preliner/Außenfolie) keine Verbindung mit dem AZ-Rohr eingeht. Eine spätere Entfernung – inklusive Recycling – ist nach Ende der technischen Nutzungsdauer mit vergleichsweise geringem Aufwand möglich. Dieser Umstand ist vielen nicht bewusst.
„Die kontrollierte Renovierung ist in der Praxis längst im Einsatz. Es wird nur nicht offen kommuniziert.“
Warum werden schadhafte Rohre nicht schon mit Schlauchlinern instand gesetzt?
Die Wahrheit ist: Die kontrollierte Renovierung ist – neben anderen Verfahren zur Instandhaltung – in der Praxis längst im Einsatz. Und zwar in vielen europäischen Ländern, in denen AZ-Rohre im Betrieb sind, auch in Deutschland. Es wird nur nicht offen kommuniziert. Überhaupt ist das Vorhandensein von AZ-Rohren im eigenen Netz im Allgemeinen nicht Bestandteil der aktiven Kommunikation von Netzbetreibern.
Was bisher für einen offenen Umgang mit dem Thema auch fehlte, ist die breite Akzeptanz von grabenlosen Sanierungsverfahren, die sich in der Praxis bei AZ-Rohren bereits bewährt haben. Sie haben oftmals im Einzelfall über entsprechende Messungen nachgewiesen, dass sich die Exposition von Fasern gemäß der TRGS 519 im zulässigen Rahmen hält. Jetzt geht es darum, bundesweit Anerkennungsverfahren anzustoßen – als Verband, der alle relevanten Systemhersteller und die meisten großen Sanierungsunternehmen vertritt.
„Wir hoffen, dass wir im ersten Halbjahr 2022 die Anerkennung zum emissionsarmen Verfahren erreichen.“
Wir haben mit dem Schlauchlining als Verfahrensgruppe begonnen. Das Projekt läuft unter der Federführung von Daniel Korczinski vom Ingenieurbüro ISAS. Es gibt ein festgelegtes Prozedere für die Dokumentation der Arbeiten an Baustellen mit Messungen durch spezialisierte und akkreditierte Labore, die vorgenommen werden müssen. Wir haben jetzt ein erstes Bauprojekt gefunden, an dem wir Messungen planen und hoffen, dass wir im ersten Halbjahr 2022 die Anerkennung zum emissionsarmen Verfahren erreichen.
Dann wäre das Problem gelöst, oder?
Das wäre schön. Aber es gibt bei der ganzen Sache noch andere Facetten, die nicht außer Acht gelassen werden sollten. Denn selbst wenn arbeitsschutzrechtlich die Rahmenbedingungen durch weitere anerkannte emissionsarme Verfahren geklärt sind, heißt es noch nicht, dass für ein Sanierungsprojekt auch die Genehmigung durch die regionalen Behörden vorliegt. Die Hoheit bleibt immer noch beim jeweiligen Bundesland, doch wir hoffen, damit die Basis für die Akzeptanz zu schaffen.
„Mit dem VSB-Fachausschuss Asbestzementrohre befinden wir uns inzwischen im direkten Austausch.“
Das klingt nicht nach einer einfachen Aufgabe. Auch der VSB hat einen Fachausschuss gegründet. Warum arbeiten Sie nicht zusammen?
Es gibt mittlerweile mehrere Akteure aus verschiedenen Verbänden, die sich mit dem Thema beschäftigen und in technischer und politischer Hinsicht Lösungen suchen. Vor allem in Bayern, wo die Betroffenheit groß ist. Wir als technischer Verband, der Systemhersteller und ausführende Unternehmen vertritt, haben uns zunächst auf die technische Lösung konzentriert. Wir haben keinen klassischen Arbeitskreis gegründet, sondern ein Projekt gestartet zur konkreten Verfahrensanerkennung. Mit dem VSB-Fachausschuss Asbestzementrohre befinden wir uns inzwischen im direkten Austausch, denn die Ingenieurbüros spielen im nächsten Schritt eine wichtige Rolle als Schnittstelle zwischen Netzbetreibern und Auftragnehmern. Es ist im Interesse aller Verbände, keine Konkurrenz entstehen zu lassen, denn es geht in erster Linie um die Sache.
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Es gibt bei diesem Thema für alle relevanten Verbände – auch die der Kommunen – genug zu tun, denn die Lösung liegt auch mit anerkannten Verfahren nicht endgültig auf dem Tisch. Die politische Ebene, die europarechtliche Ebene, die abfallrechtliche Bewertung von Asbestfaserzement – das alles sind Bereiche, für die es starke Fürsprecher und eine clevere Kommunikation bedarf. Vor allem geht es darum, für eine langfristige Rechtssicherheit die Unterschiede zwischen erdverlegten AZ-Rohren im Gegensatz etwa zu asbesthaltigen Dämmstoffen im Hochbau zu berücksichtigen.
Quelle: RSV
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