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Kluge Maßnahmen für den schleppenden Markt

Was passiert auf dem Grundstücksentwässerungsmarkt? Warum ist ein Entwässerungspass sinnvoll? Und was gibt es Neues bei Brawo Systems? Brawo Systems-Geschäftsführer Gunter Kaltenhäuser und Hans-Joachim Fritz, Leiter Technik & Entwicklung, geben im Interview Antworten darauf.

Interview: Kluge Maßnahmen für den schleppenden Markt
Gunter Kaltenhäuser (r.) und Hans-Joachim Fritz nehmen Stellung zur Situation bei der Sanierung von Gebäude- und Grundstücksentwässerungsleitungen und zur Qualitätssicherung und stellen eine neue hauseigene Technologie vor. | Foto: Brawo Systems

B_I umweltbau: Wie hat sich der Grundstücksentwässerungsmarkt in den letzten Jahren entwickelt, sowohl im Hinblick auf tatsächlich vorgenommene Sanierungen als auch in technologischer Hinsicht?


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Gunter Kaltenhäuser: Aus unserer Sicht ist die Entwicklung bei der Sanierung von Gebäude- und Grundstücksleitungen sehr schleppend. Es wird nach wie vor generell viel zu wenig saniert und zu viel nach der Feuerwehrstrategie. Hier muss merklich mehr passieren und auch mehr von politischer Seite Einfluss genommen werden. Ein weiterer Punkt ist, dass nach wie vor zu viele „schwarze Schafe“ agieren – zu Lasten der seriösen Anbieter. Hier brauchen wir mehr Qualitätssicherung.

Hans-Joachim Fritz: Technologisch gesehen hat sich dagegen einiges getan. Bei der Lichthärtung ist man zum Beispiel weiter in kleinere Dimensionen vorgedrungen; heute ist selbst in Rohren DN 50 eine Lichthärtung möglich. Auch Harzsysteme wurden weiterentwickelt und erleichtern mehr und mehr die Anwendungen in den kleinen Dimensionen, wo es bekanntlich viele Zuläufe gibt. Außerdem sehen wir bei der begleitenden Technologie für Vor- und Nacharbeiten, also etwa bei Anbindungs-, Öffnungs- oder Reinigungstechnologien, Fortschritte – nicht zuletzt auch durch Impulse aus dem Ausland.

„Das große Problem in Deutschland ist nach wie vor Unwissenheit.“ – Gunter Kaltenhäuser

B_I umweltbau: Aus Skandinavien vor allem. Vor einigen Jahren konnte ich mich in Finnland davon überzeugen. Wie ist der Stand bei der Inhouse-Sanierung? Hinkt hier Deutschland immer noch so hinter unseren nördlichen Nachbarn her?

Kaltenhäuser: Definitiv. Schweden, Norwegen und Finnland sind in Sachen Inhouse-Sanierung Vorreiter; hier sind die Märkte stark entwickelt. Das große Problem in Deutschland ist nach wie vor Unwissenheit. Private Eigentümer, aber auch Immobilienfirmen bzw. Wohnungsbaugesellschaften haben vielfach noch nichts von der Möglichkeit gehört, Gebäude- und Grundstücksentwässerungsleitungen in geschlossener Bauweise zu sanieren. Wir versuchen hier gegenzuarbeiten und aufzuklären, machen seit Jahren Webinare, die wir an diese Zielgruppe adressieren und stoßen bei den Teilnehmern auch auf großes Interesse. Die Technologien sind da, aber die Botschaft, dass es grabenlose Instandsetzungsmethoden gibt, deren Einsatz sich aus wirtschaftlichen und zeitlichen Gründen lohnt, ist noch zu wenig durchgedrungen. Man muss aber auch sagen, dass auch die Krisen in den letzten Jahren die Marktentwicklung ein Stück weit gehemmt haben.

B_I umweltbau: 2016 kam mit Spray-Liner ein neues patentiertes Sprühverfahren für die Sanierung von kleineren Abwasserleitungen auf den Markt, das sich allerdings nie durchsetzen konnte. Wo sehen Sie dennoch Vorteile von Sprühverfahren bzw. Sprüh-Schleuderverfahren und an welchen Stellen hakt es?

Kaltenhäuser: Wir sehen die Verfahren mittlerweile grundsätzlich kritisch, insbesondere wegen der bei Beschichtungsverfahren essenziellen Untergrundvorbereitung. Die Grundreinigung ist auch bei kleinen Durchmessern enorm aufwendig, so dass es sich meist eher lohnt, einen Schlauchliner einzubauen, der ein neues Rohr im Altrohr bildet und nach allgemein anerkannten Regeln der Technik eine Lebensdauer von 50 Jahren hat.

Fritz: Schwierig ist auch zum Nachweis der Qualität die Probenahme bei Beschichtungsverfahren, die naturgemäß nicht wie beim Schlauchliner unabhängig vom Altrohr möglich ist. Aber natürlich haben die Verfahren auch ihre Daseinsberechtigung, zumindest bei der Sanierung von Gebäudeleitungen, bei denen es im Vergleich zu erdverlegten Leitungen weniger auf die Statik ankommt. Ich denke dabei an lokale Anwendungen wie etwa nach der Sanierung die zusätzliche Abdichtung von Verbindungsbereichen an Zuläufen, die Abdichtung von einzelnen Rissen an Stutzen oder Manschetten.

B_I umweltbau: Schlauchlining ist kürzlich als emissionsarmes Verfahren für die Sanierung erdverlegter Asbestzementleitungen anerkannt worden. Ein längst fälliger Schritt?

Fritz: Aus Sicht der Netzbetreiber ist das natürlich ein Schritt in die richtige Richtung, zumal es schlichtweg unmöglich ist, die AZ-Leitungen auszubauen und auszutauschen. Das macht aus wirtschaftlichen und gesundheitlichen Gründen absolut keinen Sinn. Mit dem Schlauchliner können AZ-Leitungen nun nachweislich ohne Gefährdung der Mitarbeiter und des Umfelds funktional instand gehalten werden, ohne dabei ein neues Abfallprodukt zu generieren.

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Wir haben für die Sanierung von AZ-Leitungen eine Handlungsempfehlung erarbeitet, die auf die Empfehlungen des Rohrleitungssanierungsverbandes hinweist und die sich etwa mit der Risikobeurteilung der Baustelle sowie Vor- und Nacharbeiten beschäftigt. Bei letzteren besteht im Vergleich zum Schlauchliner-Einbau eine größere Gefahr, dass sich Asbest-Fasern vom Bestandsrohr lösen.

B_I umweltbau: Die Einführung eines bundesweit einheitlichen Grundstücks-Entwässerungspasses ist schon seit längerer Zeit angedacht. Nun steht er in den Startlöchern. Was ist der Zweck und wie wichtig ist ein solcher Pass?

Kaltenhäuser: Die Idee des Entwässerungspasses geht in Richtung Energieausweis. Es soll eine ordnungsgemäß funktionierende Grundstücksentwässerung dokumentiert und nachgewiesen werden. Für die Beurteilung und Dokumentation des ordnungsgemäßen Zustands von neu errichteten, überprüften oder sanierten Grundstücksentwässerungen legt ein Leitfaden einheitliche Bewertungskriterien fest. Dabei geht es um das Gesamtsystem, das etwaige Sanierungsmaßnahmen wie auch Überflutungsschutzmaßnahmen inkludiert.

Wir finden das Vorhaben sehr gut, haben das Thema ja auch mit vorangetrieben und beobachten die weitere Entwicklung und die Fortschritte in der Arbeitsgruppe der DWA. Letztlich trägt der Entwässerungspass dem Umweltschutzgedanken Rechnung, wertet die Immobilie auf und gibt dem Hauseigentümer oder potenziellen Käufer aufgrund der geprüften Qualität Sicherheit. Entscheidend kommt es nach der Einführung des Passes auf die Umsetzung an, also dass es Kanalnetzbetreiber gemeinsam mit dem Güteschutz Grundstücksentwässerung schaffen, Bürgerinnen und Bürger sowie die Gewerbetreibenden dazu zu bewegen, ihre Grundstücksentwässerungen prophylaktisch auf Vordermann zu bringen.

B_I umweltbau: Kommen wir zu Brawo Systems. Wie hat sich Ihr Unternehmen mit den einzelnen Bereichen Brawoliner, Brawo Tech und Brawo Academy bis heute entwickelt?

Fritz: 1997 haben wir den Brawoliner als innovatives Produkt zur Sanierung von kleineren Leitungen mit Bögen auf den Markt gebracht. Im Laufe der Jahre ist ein breites Portfolio an Brawolinern entstanden. Seit Anfang der 2000er Jahre haben wir angefangen, auch technisches Equipment zu produzieren, um Kunden Liner und Einbaugeräte aus einer Hand bieten zu können. Mit Inversionstrommeln fingen wir an, dann kamen u.a. Imprägnieranlagen, Heizgeräte für Wasser und Dampf, komplett ausgebaute Sanierungsanhänger und zuletzt unsere selbstentwickelten Lichthärteanlagen Brawo Magnavity und Brawo Pico.

Kaltenhäuser: Wir sind im Jahr 2021 ausgegründet und zur Brawo Systems GmbH geworden. Seitdem sind wir ein eigenständiges Unternehmen – mit größeren Freiräumen. Wir haben seitdem in Kaiserslautern insbesondere den eigenen Maschinenbau vorangetrieben, zu dem sowohl die Software als auch die Elektrotechnik und die Mechanik gehören. In diesem Zusammenhang ist auch die Marke „Brawo Tech“ entstanden. Der Maschinenbau ist ein wesentliches Standbein von uns.

Seit 1998 bieten wir bereits Schulungen an. Wir haben den Bereich ausgeweitet und schließlich in „Brawo Academy“ umbenannt. Die Schulungen sind das Fundament für die qualitativ hochwertige Arbeit auf der Baustelle.

„Mit unserer neuen Technologie können wir einen vollflächigen Verbund mit dem Trägermaterial herstellen.“ – Hans-Joachim Fritz

B_I umweltbau: Was tut sich aktuell bei Ihnen?

Fritz: Wir haben erst vor kurzem den neuen Brawoliner 3D LR auf den Markt gebracht, also einen mit dem lichthärtenden Harz Brawo LR vorimprägnierten 3D-Liner. Aufgrund der guten Resonanz bieten wir mittlerweile auch die Standard-Brawoliner mit werkseitiger Vorimprägnierung an.

Ganz neu ist, dass wir eine Technologie entwickelt haben, mit der wir das Textil nahtlos beschichten und somit einen vollflächigen Verbund mit dem Trägermaterial herstellen können. Dadurch können wir Unregelmäßigkeiten, also überstehende Teile oder Falten in der Oberfläche ausschließen und verbessern somit unter anderem die Hydraulik.

Der neue Brawoliner | Foto: Brawo Systems
Der neue Brawoliner | Foto: Brawo Systems

B_I umweltbau: Wobei kleinere Falten ja toleriert werden.

Kaltenhäuser: Das stimmt. Aber jede Falte in einer kleinen Abwasserleitung ist per se ungünstig. Die Minimierung von Falten muss demnach das Ziel sein.

Fritz: Wir haben mit der Beschichtung, für die wir ein thermoplastisches Polyurethan verwenden, auch die Gleitfähigkeit verbessern können. Das kommt den Einbauern zugute, die mit deutlich weniger Reibungswiderständen auf der Folienseite konfrontiert sind und den Brawoliner mit geringen Drücken einstülpen können – auch wenn Bögen vorhanden sind. Die geringen Reibungswiderstände haben wir mit Haftreibungsversuchen nachgewiesen.

B_I umweltbau: Gibt es schon einen Fahrplan für die Markteinführung?

Kaltenhäuser: Mit den ersten Linertypen sind wir schon gestartet. Mit der Produkteinführung haben wir auch ein neues Logo entwickelt, das die Wahrnehmung des neuen Produkts steigern wird.

B_I umweltbau: Herr Kaltenhäuser, Herr Fritz, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Boris Valdix.


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