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Den Ratten professionell und rechtssicher zu Leibe rücken

Zunehmend wird das schwer zu kontrollierende Wachstum von Rattenpopulationen in abwassertechnischen Anlagen zu einem dringlichen Thema für alle Betreiber von Kanalnetzen. Was kann man tun? Wie sehen die gesetzlichen Rahmenbedingungen aus? Wie reagieren die Verantwortlichen auf kommunaler Seite, wie der Markt? Gibt es Alternativen? Zu Fragen wie diesen nimmt Dipl.-Ing. agr. Hans-Rainer Neuber, Freier Sachverständiger, Staatl. gepr. Desinfektor & Schädlingsbekämpfer, IHS-Ingenieurbüro für Hygieneplanung und Schädlingsprävention, im folgenden Interview Stellung.

im Kanal – professionell und rechtssicher
Ratten finden in der Abwasserkanalisation gute Lebensbedingungen vor und sie stellen als Überträger vieler schwerwiegender Krankheiten ein im Wesentlichen hygienisches Problem dar. Darüber hinaus verunreinigen mitgerissene Köder oder ausgewaschene Gifte das Abwasser und stellen die Umwelt vor große Probleme. | Foto: Adobe Stock / Bilal

Herr Neuber, am 1.9.2013 trat die Verordnung (EU) Nr. 528/2012, auch bekannt als Biozid-Verordnung, in Kraft. Was besagt die Verordnung und was ist ihr Zweck?


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Hans-Rainer Neuber: Die Biozidverordnung hatte bereits einen Vorläufer, die Biozidrichtlinie 98/8/EG. Zweck dieser Verordnung ist es, den freien Verkehr von Biozidprodukten innerhalb der Union zu verbessern und gleichzeitig ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt zu gewährleisten. Diese Verordnung sollte auf dem Vorsorgeprinzip beruhen, um sicherzustellen, dass die Herstellung und Bereitstellung von Wirkstoffen und Biozidprodukten auf dem Markt keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier und keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt haben. Unter den bioziden Wirkstoffen haben sich dadurch im Bereich der Rodentizide – darunter werden chemische Schädlingsbekämpfungsmittel (Biozide) bezeichnet, die zur Bekämpfung bzw. Vernichtung schädlicher Nagetiere (Ratten, Mäuse, Wühlmäuse) eingesetzt werden – zahlreiche Änderungen in der Anwendung und Vermarktung ergeben.

[Info: Vor wenigen Jahren noch wurden im Kanalnetz regelmäßige und flächendeckende Maßnahmen zur Schadnagerbekämpfung durchgeführt. Mit Inkrafttreten der Biozidverordnung 528/2012 wurde der Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln gegen Schadnager (Rodentizide) – sie enthalten blutgerinnungshemmende Wirkstoffe, sogenannte Antikoagulanzien – neu geregelt. Die konkrete Handhabung wird durch die Risikominderungsmaßnahmen (RMM) festgelegt. In den RMM heißt es: „Die Köder müssen so angewendet werden, dass sie nicht mit Wasser in Kontakt kommen und nicht weggespült werden“.]

Warum hat es so lange gedauert, bis sich im Bewusstsein der Öffentlichkeit und der Kommunen etwas getan hat?

Neuber: Die Umsetzung von EU-Verordnungen in nationales und regionales Handeln dauert bekanntlich immer etwas länger. Hier haben vor allem Übergangsfristen sowohl in den Anwendungsvorschriften als auch in den Produktzulassungen zu Verzögerungen bei der Umsetzung geführt. Aber auch nationale Interpretationen der Biozidverordnung wurden mehrfach überarbeitet. Das führte zu Beginn zu viel Gesprächs- und Klärungsbedarf, auch bei Ministerien, Behörden und Berufsverbänden. Bis es dann zur praktischen Umsetzung kommt, vergeht viel Zeit.

Wie sieht es mit den Fachkenntnissen bei den Personenkreisen aus, die mit der Verordnung arbeiten müssen?

Neuber: Wichtige Voraussetzung für rechtskonforme Bekämpfung von Nagetieren ist qualifiziertes Personal. Für die hier tätigen Personen sind zwei voneinander unabhängige Sachkundeschulungen und eine mindestens dreimonatige Praxiszeit für die Anerkennung notwendig. Die Sachkundeschulungen beziehen sich zum einen auf § 4 Tierschutzgesetz (Sachkunde zum Töten von Wirbeltieren) und zum anderen auf die Gefahrstoffverordnung (Sachkunde zur Bekämpfung von Nagetieren als Schädlinge unter Einsatz von Rodentiziden nach Anhang I Nr. 3.4 Abs. 6 Satz 3 GefStoffV). Gerade bei kleineren Kanalbetrieben beobachten wir in den letzten Jahren eine zunehmende Tendenz zur Vergabe der Schädlingsbekämpfung an Fachfirmen, da die Aus- und Fortbildung von eigenen Mitarbeitern vermutlich zu kosten- und personalintensiv ist.

„Der Einsatz von Rodentiziden erfordert einen sehr verantwortungsvollen Umgang.“

Hier besteht also Nachholbedarf?

Neuber: Ja. Der Einsatz von Rodentiziden erfordert wegen seiner Umweltgefährdung einen sehr verantwortungsvollen Umgang mit diesen Wirkstoffen. Dies können nur Mitarbeiter leisten, die sich dieser Verantwortung bewusst sind und wissen, was sie tun. Bis zur neuen Biozidverordnung von 2012 reichte eine Sachkundeschulung nach § 4 TSchG, um diese Tätigkeiten auszuführen. Doch die rechtlichen und fachlichen Anforderungen an diese Tätigkeiten sind in den letzten Jahren erheblich gestiegen und werden vermutlich auch weiterhin steigen. Sachkundig ist der- oder diejenige, der oder die sich regelmäßig fortbildet und stets auf dem aktuellen Stand der Technik oder der Wissenschaft ist. Das ist ein ziemlich hoher Anspruch. Dem sollte man auch als verantwortungsvoller Arbeitgeber gerecht werden.

Was wird sich ändern?

Neuber: Was sich konkret ändern wird, kann ich heute natürlich nicht voraussagen, aber es wird sich etwas ändern – etwa mit Blick auf die Frage: Wie setzen wir die Bestimmungen überhaupt national um? Wichtig ist auch, ob die Kämmerer mitspielen und Geld für den Kauf und die Installation von Köderstationen bereitstellen. Und letztendlich müssen diese natürlich auch entwickelt werden. Es muss Unternehmen geben wie zum Beispiel Funke Kunststoffe, die sich mit so einer Aufgabe beschäftigen*. Zielführend ist, wenn das im Austausch mit den Beteiligten passiert: Schädlingsbekämpfer, Kommunen, Hersteller.

Wie sieht denn das Angebot auf dem Markt aus?

Neuber: Es hat lange gedauert, bis sich Firmen und Entwickler mit diesem Thema konkreter beschäftigt haben und Köderschutzboxen zur Marktreife entwickelt wurden. Am Markt ist die Anzahl der Hersteller von Köderstationen für die Kanalisation auch heute noch eher überschaubar. Die Nachfragen von Kommunen oder Schädlingsbekämpfern sind immer noch zurückhaltend. Einige Kommunen sammeln mit wenigen Köderstationen erste Erfahrungen, um sich dann in einem nächsten Schritt für ein System und eine größere Stückzahl zu entscheiden. In einigen Gesprächen mit Kommunen und Kanalbetrieben wurden auch oft die finanziellen Aspekte einer solchen Investition und die aktuell angespannte Haushaltslage angesprochen.

Hinzu kommt: Wenn man Köderstationen für die oberirdische Bekämpfung kennt, denkt man zunächst, dass so etwas für den Kanal ja nicht viel komplizierter sein dürfte. Ist es aber doch. Die Umweltbedingungen und die Wassermengen sind tatsächlich ein etwas größeres Problem, mit dem man im Kanal zu kämpfen hat. Die Ratten müssen zudem diese Stationen und den Köder darin gut annehmen. Die Köder und die abgenagten Köderreste dürfen nicht fortgespült werden – sie dürfen mit Wasser erst gar nicht in Berührung kommen. Zudem sollen sie in der feuchten Schachtumgebung nach Möglichkeit nicht schimmelig werden. Das Material der Station muss den aggressiven und korrosiven Umweltbedingungen im Schacht standhalten und das Handling bei der Montage und den Köderkontrollen muss für die Betreiber sicher und einfach sein. Funke Kunststoffe hat bei der Praxiserprobung mit den Mitarbeitern der Stadt Warendorf engagierte Partner gefunden, die in der Erprobung in den städtischen Kanälen wichtige Erkenntnisse in der Anwendung gesammelt haben, die für die Weiterentwicklung und Produktoptimierung von hohem Nutzen waren.

Dipl.-Ing. agr. Hans-Rainer Neuber | Foto: Neuber
Dipl.-Ing. agr. Hans-Rainer Neuber | Foto: Neuber

Wenn von Schädlingsbekämpfung in der Kanalisation die Rede ist, geht es in der Regel um Kanaldeckel auf, Gift rein, Kanaldeckel zu: Ist das der richtige Weg?

Neuber: Je intensiver man sich mit dem Thema beschäftigt, desto konkreter wird der Gedanke, dass wir eigentlich weg müssen von Rattengift. Das Gift wird in Klärwerken nicht abgebaut und fließt letztendlich in Vorfluter und Bäche. Die Belastungen, die wir heute feststellen, sind in der Regel schon vor langer Zeit in den Kanal eingebracht worden und bauen sich nur ganz langsam ab. 2016 hat man beispielsweise nachgewiesen, dass Süßwasserfische mit Rodentiziden belastet sind. Vor diesem Hintergrund gibt es allerdings auch interessante alternative Ansätze. Im thüringischen Erfurt setzt man seit geraumer Zeit auf alternative Strategien. So werden Totbereiche in der Kanalisation gezielt erfasst, dokumentiert und sukzessive geschlossen. Damit nimmt man den Ratten wichtige Rückzugsräume. Hier hat ein Paradigmenwechsel im Kanal stattgefunden, der zu durchaus passablen Ergebnissen führt.

Aber auch Entwicklungen wie die von Funke Kunststoffe sind vor diesem Hintergrund durchaus wünschenswert und gut. Bauartbedingt verhindert die aktuelle Generation der Funke-Köderstationen ein Ausschwemmen von Giftstoffen in die Kanalisation. Das ist vorerst ein guter Ansatz. Mittelfristig sollte allerdings auch über andere Konzepte nachgedacht werden, so etwa die Konstruktion von mechanischen Fallen, in denen die Tiere getötet werden. Und auch das „Modell Erfurt“ ist ein Ansatz.

Reicht die Verordnung aus oder muss sie mit Blick auf die Entwicklung in den letzten 10 Jahren bereits wieder überarbeitet werden?

Neuber: Die Biozidverordnung ist wie alle anderen Verordnungen kein betonierter Gesetzestext, sondern sie wird inhaltlich überprüft und bei Bedarf neu überarbeitet. Das ist auch gut so, denn nur so kann man neue Erkenntnisse in das künftige Handeln einbauen. Rodentizide gehören nach der Neubewertung sicherlich zu den problematischen bioziden Wirkstoffen; die Anwendung ist nicht unbedenklich. Da sich besonders rodentizide Wirkstoffe der zweiten Generation in der Nahrungskette und der Umwelt anreichern und sich nur sehr langsam wieder abbauen, gelten gerade hier besondere Vorsichtsmaßnahmen.

Die Verordnung besagt unter anderem, dass das Einhängen von Ködern in Schachtbauwerke erlaubt ist, auf der anderen Seite muss sichergestellt sein, dass der Köder nicht nass wird und ausgespült wird – ein Widerspruch?

Neuber: Es gibt viele Bereiche in der Kanalisation, die häufig trocken sind und somit gut zu beködern wären; von daher besteht in der Theorie hier erstmal kein Widerspruch. Allerdings weiß jeder Praktiker, dass Regen- und Schmutzwasserkanäle dazu gebaut sind, Wasser zu führen – manchmal sogar sehr große Mengen. Es ist auch eher eine theoretische Annahme, dass vor einem zu erwartenden Starkregen alle Köder aus der Kanalisation entfernt werden, um den Kontakt mit Wasser zu verhindern. Die Praktiker werden mir hier sicherlich recht geben; hier muss eine funktionale, technische Lösung her, die eine sichere und rechtskonforme Bekämpfung bei jedem Wetterereignis möglich macht. Dies ist gerade unter dem Aspekt der Einsatzzeit, in der ein Kanalbereich in der Regel beködert wird (oft bis zu vier Wochen) von entscheidender Bedeutung.

„Ein ‚Weiter so wie bisher‘ wird es sicherlich nicht geben können.“

Ihr Fazit: Warum ist das Thema Schädlingsbekämpfung so wichtig?

Neuber: Auch heute noch findet man vereinzelt in Kanalschächten Rattenköder am Draht, die an den Tritten befestigt werden. Neuere Untersuchungen zeigen wiederholt, dass rodentizide Wirkstoffe in zahlreichen Wildtierarten nachweisbar sind. Nicht nur bei Beutegreifern wie Eulen, Greifvögeln, Füchsen, Mardern, sondern auch in den Lebern von Süßwasserfischen tauchen diese Wirkstoffe auf. Noch längst nicht alle Kanalbetriebe haben ihre Bekämpfung auf ein rechtskonformes Verfahren umgestellt und längst nicht alle Mitarbeiter sind auf dem neuesten Stand der Sachkunde geschult. Ein „Weiter so wie bisher“ wird es hier unter diesen Vorzeichen sicherlich nicht geben können.

Wird sich die Gesetzeslage verändern?

Neuber: Ob man in Zukunft vollständig auf Rodentizide in der Kanalisation verzichten muss oder kann, hängt sicherlich auch von weiteren Untersuchungen und Entwicklungen ab. Nach meiner Einschätzung werden sich die Gesetzeslage und die damit verbundenen Auflagen mittelfristig nicht entspannen. Ob jedoch mit neuen Wirkstoffen, die weniger umweltbelastend sind, bessere Ergebnisse in der Bekämpfung erreicht werden, hängt sicherlich von weiteren Studien ab (vgl. hierzu: „Konzeptstudie zu Entwicklungsmöglichkeiten eines umweltverträglichen Rodentizids“ UBA 02.2022). Eine Alternative zum Einsatz von Rodentiziden in der Kanalisation sind auch aktuell schon automatische Schlagfallen sowie begleitende Präventivmaßnahmen zum Verschluss von Totrohren und Sicherung der Hauskanalisationsanschlüsse; denn in diesen Rückzugsbereichen finden Ratten häufig ihre Ruhezonen, in denen sich der Nachwuchs gut entwickeln kann.

Wer ist hier die treibende Kraft – der Verband der Schädlingsbekämpfer, Arbeitskreise?

Neuber: Der Rodentizideinsatz und die damit verbundenen Auflagen werden gerade im Bereich der Kanalbeköderung auch heute noch kontrovers diskutiert. Als Fachbehörde hat das Umweltbundesamt drei Leitfäden für die „Gute fachliche Anwendung“ und eine Fachbroschüre „Nagetierbekämpfung mit Antikoagulanzien – Antworten auf häufig gestellte Fragen“ veröffentlicht. Auch das LAVES in Oldenburg (Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit) hat zu diesem Thema einen „Leitfaden zu großräumigen Rattenbekämpfungsmaßnahmen in Niedersachsen“ herausgegeben. Zudem forschen staatliche Stellen im Moment vermehrt. Man geht zum Beispiel der Frage nach, ob es Ersatzstoffe gibt, die bei gleicher Wirkung (tote Ratten) die Umwelt weniger schädigen. Ich glaube, wir müssen umdenken, denn wir machen etwas, was nicht so besonders gut ist. Im Bereich der mechanischen Bekämpfung und im Bereich der Prävention wird sich noch was tun – und das ist gut so!

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Herr Neuber, vielen Dank für das Gespräch!

*Die Funke Kunststoffe GmbH hat mit der innovativen Köderstation-Kanal Typ 1 und Typ 2 ein professionelles und im Einsatz rechtssicheres Produkt auf den Markt gebracht, mit dem sich Schadnager in der Kanalisation wirkungsvoll bekämpfen lassen. Die Köderstation, die auf Anregung und mit Unterstützung von Kasselwasser, Eigenbetrieb der Stadt Kassel, entwickelt wurde, ist so konstruiert, dass Giftstoffe selbst bei Rückstausituationen und steigendem Wasserstand nicht ausgewaschen werden können. Hinzu kommt: Weder für die Montage noch für das Nachfüllen der Köderstation muss man in den Schacht einsteigen.

IHS-Ingenieurbüro
Als beratendes Ingenieurbüro ist das IHS-Ingenieurbüro für Hygieneplanung und Schädlingsprävention immer wieder auf der Suche nach
technisch ausgereiften Lösungen, um Schädlingsbekämpfungen mit möglichst wenig schädigenden Wirkstoffen durchzuführen. Beratungen, präventive Maßnahmen und alternative Bekämpfungstechniken stehen hierbei an erster Stelle der Ingenieurdienstleistungen. Gerade im Zuge der neuen Biozidverordnung und den aktuellen Anwendungsbeschränkungen von Rodentiziden sind effiziente, risikomindernde Maßnahmen in der professionellen Schädlingsbekämpfung gefragter denn je. Neben dem Beratungs- und Dienstleistungsangebot hat sich das IHS-Ingenieurbüro in den letzten Jahren auch auf den Vertrieb innovativer und umweltfreundlicher Produkte in der Schädlingsprävention und -bekämpfung spezialisiert. Dabei steht vor allem im Fokus, den Einsatz von gefährlichen Bioziden zu reduzieren und sicherer zu machen.

Quelle: Funke Kunststoffe


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