Miteinander reden und Innovationen schaffen

Damit die Energiewende gelingt, soll überall in Europa der Netzausbau schnell und im großen Stil vorangetrieben werden – auch mithilfe von HDD. Doch ist die Umsetzung der gesteckten Ziele überhaupt möglich? Was bedarf es dafür? Und wie sind die derzeitigen Herausforderungen, mit denen die HDD-Branche konfrontiert ist, zu meistern? Antworten darauf fanden die Teilnehmer der Podiumsdiskussion, die im Mittelpunkt der 27. DCA-Jahrestagung in Leipzig stand.

27. DCA-Jahrestagung: Miteinander reden und Innovationen schaffen
Full house in Leipzig: Gut 200 Teilnehmer fanden sich im Tagungshotel ein. | Foto: B_I/Valdix

Die Beliebtheit der Jahrestagung spiegelt sich regelmäßig in den Anmeldezahlen wider. Diesmal durfte DCA-Geschäftsführer Dietmar Quante einen neuen Rekord verkünden: Über 210 Teilnehmer von 90 Mitgliedsunternehmen kamen nach Leipzig. Die lebhafte Großstadt hat eine große Historie: Unter anderem wirkten hier einst viele berühmte Kulturschaffende wie Johann Sebastian Bach, Richard Wagner, das Schumann-Ehepaar und Johann Wolfgang von Goethe, und schon zur Römerzeit war Leipzig ein bedeutendes Handelszentrum. Das heutige Stadtbild Leipzigs schmückt sich mit schönen Gassen, Gebäuden und historischen Höfen.

Leipzig steckt voller Historie. | Foto: B_I/Valdix
Leipzig steckt voller Historie. | Foto: B_I/Valdix
Ort des Austausches: das Hotel „The Westin Leipzig“ | Foto: B_I/Valdix
Ort des Austausches: das Hotel „The Westin Leipzig“ | Foto: B_I/Valdix
Mit einem beeindruckenden Eröffnungsvortrag über Geopolitik startete die Tagung. Dass verschiedene Länder eigene staatliche Interessen verfolgen, ist klar. Doch welche Interessen, insbesondere die der Großmächte, das sind, welche geopolitischen Strategien dahinterstecken und welche Bedeutung die geografische Lage einzelner Länder für Lieferketten hat, darüber klärte der geopolitische Experte Ralf Schuster auf. Länder, die mit Armut zu kämpfen haben, agieren anders als wir Europäer, tragen zum Beispiel Sanktionen gegen Russland nicht mit, um wirtschaftlich besser dazustehen – nachvollziehbarerweise aus Sicht des Experten. Viele Interessen würden sich maßgeblich über die Wirtschaft definieren. Den Handel beherrschen bedeute Macht, so Schuster. China etwa habe verstanden, dass man unter anderem durch den Aufbau fehlender Infrastrukturen sich Märkte erschließen kann, insbesondere in Afrika. Viele seien sich einig, dass in Zukunft eine multipolare Weltordnung entstehen werde. Schuster meint: „Wir haben sie bereits. Und Europa muss aufpassen, nicht zu sehr an den Rand gedrängt zu werden.“ Weniger Regulierung und Bürokratie, mehr Innovationen und Kreativität – das sei der Schlüssel für einen dringend benötigten Strategiewechsel Europas. „Wir müssen innovative Technologien vorantreiben und diese vor allem in Länder verkaufen, die sich nach Wohlstand sehnen“, so Schuster. So könnten wir das Ruder noch herumreißen, gab sich der Geopolitik-Experte am Ende doch noch hoffnungsvoll.
„Andere handeln, wir jammern“, bedauerte Ralf Schuster, und mahnte einen Strategiewechsel für Europa an, zu der die Maxime „Technologieführerschaft anstreben, Bürokratie abbauen“ gehöre. | Foto: B_I/Valdix
„Andere handeln, wir jammern“, bedauerte Ralf Schuster, und mahnte einen Strategiewechsel für Europa an, zu der die Maxime „Technologieführerschaft anstreben, Bürokratie abbauen“ gehöre. | Foto: B_I/Valdix

Wasserstoff – Marktentwicklung und Infrastruktur

Wasserstoff ist eine Technologie mit großem Potenzial und wird in Deutschland bereits in vielen Bereichen genutzt. Hypos, ein Netzwerk mit 170 Mitgliedsunternehmen, hat sich zum Ziel gesetzt, sektorenübergreifendem grünem Wasserstoff durch Einzel- und Verbundprojekte zum Durchbruch zu verhelfen. Noch ist die Herstellung von (grünem) Wasserstoff energieintensiv und auch relativ teuer. Laut HYPOS-Geschäftsführer Johannes Wege werden die Preise sowohl für die Produktion hierzulande als auch für die H2-Importe bis 2045 stetig deutlich sinken. Was den Markthochlauf in Deutschland anbelangt, so erwartet Wege bis 2035 die Fertigstellung eines Kernnetzes und bis 2045 eine großflächige Anbindung und aufgebaute Verteilnetze.
Johannes Wege bei seinem Vortrag über Wasserstoff-Markthochlauf und Aufbau von H2-Infrastrukturen. | Foto: B_I/Valdix
Johannes Wege bei seinem Vortrag über Wasserstoff-Markthochlauf und Aufbau von H2-Infrastrukturen. | Foto: B_I/Valdix

Schaffen wir den geplanten Netzausbau in der vorgegebenen Zeit?

Verschiedene Akteure – Planer, Bohrfirmen und Auftraggeber – gleichermaßen zu Wort kommen lassen und miteinander wie auch mit den Zuhörern diskutieren – das war die Idee hinter den Podiumsdiskussionen, die diesmal anstelle der Workshops durchgeführt wurden. Die Diskussionsrunden wurden von der Journalistin Dr. Antje Wöhnke und DCA-Präsident Jorn Stoelinga moderiert.

Block 1 beschäftigte sich mit der Planung und mit Genehmigungen/Auflagen. Die hochgesteckten politischen Ziele zur Umsetzung der Energiewende erzeugen einen großen Auftrags- und Zeitdruck. Nicht zuletzt auch deshalb sei die Ausschreibungsqualität „teils unglaublich schlecht“, bemängelte Ernst Fengler, LMR Drilling. Etwa seien Auflagen den ausführenden Unternehmen oftmals überhaupt nicht bekannt. „Neben dem Zeitdruck ist bei Ausschreibungen aber auch die fehlende Manpower ein Problem“, gab Jörg Piotrowski, Ingenieur- und Planungsbüro Lange GmbH & Co. KG, zu bedenken. Einigkeit in der Runde bestand darin, dass Genehmigungsverfahren im Rahmen der bestehenden Gesetze beschleunigt werden müssen. Jorn Stoelinga würde am liebsten auf „manche unsinnige Auflagen“ verzichten. Auch so würde man Verfahrenszeit einsparen.

Podiumsdiskussion Teil 1 mit (v.l.) Moderatorin Dr. Antje Wöhnke, Gian Luca Dietz (Amprion GmbH), Kay Büchsenschütz (TenneT TSO GmbH), Jörg Piotrowski (Ingenieur- und Planungsbüro Lange GmbH & Co. KG), Ernst Fengler und Jorn Stoelinga (beide LMR Drilling GmbH) | Foto: B_I/Valdix
Podiumsdiskussion Teil 1 mit (v.l.) Moderatorin Dr. Antje Wöhnke, Gian Luca Dietz (Amprion GmbH), Kay Büchsenschütz (TenneT TSO GmbH), Jörg Piotrowski (Ingenieur- und Planungsbüro Lange GmbH & Co. KG), Ernst Fengler und Jorn Stoelinga (beide LMR Drilling GmbH) | Foto: B_I/Valdix

Was ist technisch machbar und sinnvoll?

Block 2 behandelte technische Aspekte. HDD bietet sich etwa zur Verlegung von Gaspipelines und Erdkabeln in vielen Fällen an. Für André Mathieu, Amprion, ist bei der Verfahrenswahl die Kommunikation mit den Ingenieurbüros wichtig zur Klärung der Frage, „wie man am besten schnell und sicher zum Ziel kommen kann“. Marco Reinhard von der Baufirma Leonhard Weiss kritisiert indes: „Die Netzbetreiber haben höchste technische Anforderungen an die Bohrunternehmen, die zum Teil gar nicht erfüllt werden können, weil es zu wenige Firmen gibt, die diese geforderte Qualität ausführen können.“ Als Beispiel nannte Reinhard die Genauigkeit bei Bohrungen oder auch die Tiefenlagen. Philipp Dick vom Ingenieurbüro Moll-prd hielt dagegen: „Ich finde es gerade gut, wenn sich der Vorhabenträger gezielte Gedanken macht.“ Was die Genauigkeiten angeht, ist Dick der Auffassung, dass man auch alternative Ortungsverfahren gerade bei kürzeren Querungen zulassen muss. „Aber die Tendenz dahin erkenne ich schon“, so Dick. „Letztlich sind wir ja alle auch in einem Lernprozess“, sagte Jörg Himmerich, Dr.-Ing. Veenker Ingenieurgesellschaft. „Die gesammelten Erfahrungen sollten wir dazu nutzen, uns nicht zu überlegen, was alles möglich ist, sondern zu überlegen, was nötig ist.“
Podiumsdiskussion Teil 2 mit (v.l.) Dr. Antje Wöhnke, Jürgen Muhl (Step Oiltools GmbH), Ronald Siebel (TenneT TSO GmbH), Günter Albers (Bohlen & Doyen Bau GmbH), Simon Herrenknecht (Herrenknecht AG), Thomas Winter (HDD Sachsen GmbH), Brian Jorgensen (Ditch Witch EMEA), Jorn Stoelinga | Foto: B_I/Valdix
Podiumsdiskussion Teil 2 mit (v.l.) Dr. Antje Wöhnke, Jürgen Muhl (Step Oiltools GmbH), Ronald Siebel (TenneT TSO GmbH), Günter Albers (Bohlen & Doyen Bau GmbH), Simon Herrenknecht (Herrenknecht AG), Thomas Winter (HDD Sachsen GmbH), Brian Jorgensen (Ditch Witch EMEA), Jorn Stoelinga | Foto: B_I/Valdix

Und was ist mit Automatisierung? „Das ist eher bei Kleinbohranlagen und weniger komplexen Arbeiten ein Thema“, meint Timo Mücke, Beermann Bohrtechnik, „für die allermeisten Aufgaben braucht man aber menschliches Know-how.“ Aus dem Publikum meldete sich Kai Bernhard von der Firma Tracto-Technik: „Wir als Bohrgerätehersteller möchten den Weg gehen, sei es im Bereich Geräteverwaltung, Fernsteuerbarkeit oder Bodenradar. Es muss aber auch gefordert sein.“ Offen für diesen Weg ist Philipp Dick und fordert: „Innovationen helfen uns weiter. Auch wenn automatisiertes Bohren oder gar autonomes Bohren für uns heute noch abstrakt erscheint, werden wir irgendwann soweit sein, wenn wir unseren Geist dafür öffnen.“

Wer soll’s machen?

Viel zu tun, aber zu wenig Personal – eine große Herausforderung, die auch anhaltende Lieferprobleme in den Schatten stellt, so der Tenor der Diskutanten in Block 3. Unternehmenswachstum und vor allem Projektabwicklungen gestalten sich angesichts des fehlenden Personals schwierig. Jürgen Muhl, Step Oiltools, wies auf ein Problem bei Bohrgeräteführern hin: „Bohranlagen wechseln oft den Ort; die vielen Reisen schrecken potenzielle Arbeitnehmer ab.“ Diese Erfahrung teilt auch Brian Jorgensen von Ditch Witch, Barcelona/Spanien. Flexible Arbeitsangebote (Günter Albers, Bohlen & Doyen), interessante Ausbildungsgestaltung (Brian Jorgensen), aber auch die Schaffung eines Ausbildungsberufs „Bohrfacharbeiter“ (Wortmeldung aus dem Publikum) seien Lösungsansätze zur Personalgewinnung, ebenso angemessene Bezahlung wie auch geldwerte Vorteile (Wortmeldung aus dem Publikum). Und natürlich sei auch Öffentlichkeitsarbeit wichtig, zum Beispiel in Form von eingängiger Werbung oder Baustellenbesuchen von Schulklassen (Jürgen Muhl, Günter Albers).

Podiumsdiskussion Teil 3 mit (v.l.) Dr. Antje Wöhnke, Jörg Himmerich (Dr.-Ing. Veenker Ingenieurgesellschaft mbH), Philipp Dick (Moll-prd GmbH & Co. KG), André Mathieu (Amprion GmbH), Timo Mücke (Beermann Bohrtechnik GmbH), Marco Reinhard (Leonhard Weiss GmbH & Co. KG), Jorn Stoelinga | Foto: B_I/Valdix
Podiumsdiskussion Teil 3 mit (v.l.) Dr. Antje Wöhnke, Jörg Himmerich (Dr.-Ing. Veenker Ingenieurgesellschaft mbH), Philipp Dick (Moll-prd GmbH & Co. KG), André Mathieu (Amprion GmbH), Timo Mücke (Beermann Bohrtechnik GmbH), Marco Reinhard (Leonhard Weiss GmbH & Co. KG), Jorn Stoelinga | Foto: B_I/Valdix

Gemeinsam zum Ziel

Insgesamt hörte man bei den Podiumsdiskussionen heraus, dass die Kommunikation untereinander hilfreich, oft aber auch notwendig ist, um die gemeinsamen Ziele zu erreichen. Wie Auftraggeber und Auftragnehmer gut und auf Augenhöhe bei nicht vorhergesehenen Problemen (mehrere Pilotbohrungen missglückten) zusammenarbeiten können, zeigten Markus Dohmann, Tiefbauamt Backnang, und Marco Reinhard. Beide Seiten wagten einen fünften Versuch und die geplante HDD-Bohrung gelang schließlich. Entscheidend für den Erfolg der komplexen Maßnahme [hier geht's zum entsprechenden Artikel] war der gegenseitige respektvolle Austausch, aber auch eine ausführliche Dokumentation der ausführenden Firma Leonhard Weiss und der Bauüberwachung. Auch bei der Klärung der Frage, wer die Mehrkosten trägt, fand man eine einvernehmliche Lösung.

Projekte für die Energiewende

Franz-Josef Kißing (Open Grid Europe) berichtete über die Anbindung des LNG-Terminals in Wilhelmshaven an das Erdgasnetz und worauf es dabei ankam. | Foto: B_I/Valdix
Franz-Josef Kißing (Open Grid Europe) berichtete über die Anbindung des LNG-Terminals in Wilhelmshaven an das Erdgasnetz und worauf es dabei ankam. | Foto: B_I/Valdix

Welche Rolle HDD bei der Energiewende heute schon spielt und in Zukunft spielen wird, zeigten einige vorgestellte Projekte. Franz-Josef Kißing, Open Grid Europe, schilderte den Bau der 26 Kilometer langen Wilhelmshavener Anbindungsleitung (WAL) DN 1000 in nur neun Monaten. Wichtig sei die Unterstützung des niedersächsischen Umweltministeriums und der nachgeschalteten Behörden sowie die ständige Polizeipräsenz vor dem Hintergrund von Protestaktionen gewesen, so Kißing. Das Teamwork aller Beteiligten – Planer, Politik/Verwaltung, Baufirmen und Risikomanagement – hat entscheidend zum Erfolg der Maßnahme beigetragen, so dass künftig die Energieversorgung über die Leitung mit Gas und später Wasserstoff gesichert ist.

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Darüber hinaus berichtete u.a. Ross Henderson, OCU Group, über das anspruchsvolle Stromkabelprojekt „Corran Narrows“ in den schottischen Highlands und Jez Seamans, LMR Drilling UK, über die Moray-West-Anlandung unter Einsatz eines Rohreinschubgeräts (Pipe Pusher).

Insgesamt war es wieder eine rundum gelungene informative Veranstaltung und gleichzeitig ideale Plattform für Meinungs- und Erfahrungsaustausch. Wie man hörte, kamen auch die Podiumsdiskussionen gut bei den Teilnehmern der Jahrestagung an. Im nächsten Jahr ist der DCA zu Gast in der zweitgrößten Stadt Spaniens: Vom 9.-11. Oktober 2024 findet die 28. Jahrestagung im wunderschönen Barcelona statt.

27. DCA-Jahrestagung: Miteinander reden und Innovationen schaffen: Weitere Bilder

DCA-Geschäftsführer Dietmar Quante freute sich über die Rekordteilnehmerzahl und über zahlreiche neue ordentliche sowie außerordentliche Mitglieder. | Foto: B_I/Valdix
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