Lösungsalternative in schwer zugänglicher Hanglage
Kanäle und Schächte in schwer zugänglichen Bereichen werden auf Grund des hohen Planungs- und Ausführungsaufwandes gerne auf die Zukunft verschoben, bis ein akutes Handeln erforderlich wird. Die Stadtentwässerung Backnang stellte sich frühzeitig ihrer Verantwortung und erneuert einen für sie sehr wichtigen kaskadierenden Mischwasserkanalstrang DN 250 bis DN 400 in schwer zugänglicher Hanglage im für Kanalsanierungen eher ungewöhnlichen Horizontalspülbohrverfahren.
Regenwassermanagement auf Bahnhöfen macht Stationen fit für die Zukunft
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Ausgangspunkt der Sanierung war eine im Rahmen der Eigenkontrollverordnung durchgeführte TV-Inspektion im Jahr 2016, bei der in Haltungen und Schächten teilweise massive Schäden festgestellt wurden. Hierzu zählten bei den Haltungen insbesondere Scherbenbildungen mit Deformationen und Wurzeleinwüchse. Die Schächte wiesen in dauerhaft abwasserüberströmten Bereichen starke Verschleißerscheinungen auf. Aufgrund der sehr schwierigen Zugänglichkeiten wurden die betreffenden Kanalisationsbereiche im Jahr 2016 erstmals und mit erheblichem Aufwand optisch inspiziert und detailliert vermessen.
Schächte selbst zu Fuß schwer erreichbar
Der aus dem Jahr 1955 stammende Bestandskanal verlief in fünf Haltungen in einem steil abfallenden, bewaldeten und unzugänglichen Hang und überwand auf einer Strecke von rund 130 m einen Höhenunterschied von ca. 25 m. Der Hang besteht aus einer in eine Klinge aufgeschütteten Altablagerung, die den Kanal bis zu 11 m überdeckt. Direkt anfahrbare Zugänglichkeiten waren nur an den Anfangs- und Endpunkten der Gesamtstrecke gegeben. Die Zwischenschächte waren selbst zu Fuß nur mit erheblichem Risiko zu erreichen. Erreicht werden konnte die Baustelle talseits nur durch ein Sportgelände hindurch, welches unmittelbar an das Trassenende angrenzte.
Die Planung wurde der Vogel Ingenieure GmbH aus Kappelrodeck übertragen. Im Zuge der Bedarfsermittlung zeigte sich, dass Sanierungsalternativen mit Reparaturtechniken sowie die Erneuerung in offener Bauweise keine Option darstellen konnten. Eine Renovierung im Einzelrohrliningverfahren ohne Ringraum (Tight-In-Pipe-Verfahren) erwies sich zunächst als die denkbare Vorzugslösung, wenngleich Geräte und Material in jedem Fall zu Fuß an die Schächte heranzubringen wären. Im Zuge der weiteren Vorplanung musste erkannt werden, dass die aus Arbeitssicherheitsgründen erforderlichen Bauprovisorien zum Erreichen der Zwischenschächte (Gerüstbau entlang der Trasse, um den Transport und die Sanierung zu ermöglichen) immense Kosten hervorrufen würden. Auf Grund einer in geringer Höhe den Trassenbereich überspannenden Stromhochspannungsleitung war ein Kraneinsatz keine Option.
Alternative: Horizontalspülbohrtechnik
- Transport und Einrichtung der Bohrtechnik am Einsatzort
- inhomogene Bodenverhältnisse (bindiger Boden / Altablagerungen / Fels bis 220 MPA, vielfach klüftig), nur sehr eingeschränkt mögliche Baugrundaufschlüsse für die geotechnische Analyse im Trassenverlauf
- Raumkurve und Krümmungsradius der zu verlegenden Leitung
- Herstellung und Transport/Rücktransport Bohrspülung
- Herstellung, Transport und Einzug des PE-Rohrstrangs
Die abschließende Planung sah eine Bohrung von der Talseite aus vor, die von der Startbaugrube in einer 3D-Raumkurve zur Zielbaugrube (seitlich einer Abbiegespur der Bundesstraße B14) zu führen war. In den aufgeweiteten Bohrkanal sollte ein PE RC-Rohr DN/OD 355 mit Schutzmantel eingezogen werden. Der PE-Rohrstrang war entlang eines Radweges rechtwinklig zur Einzugsrichtung und um ca. 8 m höherliegend zur Einzugsgrube zusammenzufügen und hangabwärts in den Bohrkanal einzufädeln.
Weiterhin mussten zwei neue PE-Schächte erstellt werden. Zur Beruhigung des Abwasserstroms war am Ende der Spülbohrstrecke ein Energieumwandlungsschacht erforderlich, der durch eine kurze Haltung mit dem bestehenden und zu sanierenden Schacht der nachfolgenden Dükeranlage (Dükeroberhaupt) in offener Bauweise verbunden wurde. Die alten entfallenden Haltungen und Schächte wurden durch Verfüllen mit einem fließfähigen Material dauerhaft außer Betrieb genommen.
Nach einem ersten öffentlichen Ausschreibungsverfahren konnte keine geeignete Firma für die Ausführung der Leistungen gefunden werden. Alle drei vorliegenden Angebote mussten wegen fehlender technischer Eignung ausgeschlossen werden. Es erfolgte eine „Marktrecherche“ für die Horizontalspülbohrarbeiten und die Herstellung von Kontakten zwischen verschiedenen geeigneten Horizontalspülbohrunternehmen und ortsansässigen bzw. ortsnahen Tiefbauunternehmern für den konventionellen Tiefbau. Im Anschluss erfolgte eine Beschränkte Ausschreibung mit anschließendem zweistufigen Verhandlungsverfahren. Der Auftrag konnte letztlich für rund 420.000 Euro an die Firma Lukas Gläser GmbH & Co. KG aus Aspach mit ihrem Nachunternehmer Leonhard Weiss GmbH & Co. KG aus Leonberg erteilt werden. Die Gesamtbaukosten beliefen sich zu diesem Zeitpunkt auf rund 590.000 Euro.
Klüftiges Hartgestein bereitet enorme Probleme
Auf Grund der im Bodengutachten ermittelten Festigkeiten der Felsformation wurde eine Felsbohreinheit mit Rollenmeißel eingesetzt. Der tatsächliche Verlauf der Pilotbohrung wurde fortlaufend mittels „Walk Over“-Messtechnik geortet und konnte direkt mit der abgesteckten Trasse abgeglichen werden.
Nach optimalem Bohrfortschritt scheiterte die Pilotbohrung ca. 15 m vor der Zielbaugrube. Im stark klüftigen inhomogenen Fels war die Felsbohreinheit beim Bohrfortschritt stark abgelenkt und/oder eingeklemmt worden, infolgedessen der Rollenmeißel abbrach. Auch die Felsbohreinheit war massiv in Mitleidenschaft gezogen worden und nicht mehr zu gebrauchen. Nach Montage einer neuen Felsbohreinheit mit Rollenmeißel wurde versucht aus dem bereits hergestellten Bohrkanal an verschiedenen Stellen herauszubohren. Dies gelang der Bohrmannschaft jedoch nicht. Die Bohrung musste aufgegeben werden.
Auftraggeber, Auftragnehmer und das Bohrunternehmen entschieden sich für einen erneuten Bohrversuch, diesmal allerdings vom Zielbereich aus beginnend. Aus diesem Grund musste die Bohranlage aufwendig umgesetzt werden. Auch bei diesem vierten Bohrversuch wurde der Bohrkopf wieder zu stark abgelenkt und es musste die Bohrung aufgegeben werden. Nach dreiwöchiger Bauzeit stand man wieder am Anfang. Hohe Kosten waren bereits angefallen.
Die anschließenden Aufweit- und Räumungsvorgänge wurden aufgrund des teilweise instabilen Bohrkanals sowie des teilweise klüftigen Baugrunds erschwert. Aus diesem Grund wurde die Aufweitung und Räumung unter Aufrechterhaltung einer immer durchgängigen Bohrgestängeverbindung durchgeführt. Die Aufweitung selbst erfolgte in vier Schritten. Nach Abschluss der Aufweitung bis auf einen Enddurchmesser von 530 mm wurden drei sogenannte Cleaning-Gänge zur weiteren „Reinigung“ des Bohrkanals durchgeführt. Während der Räum- und Cleaning-Gänge gab es häufige Spülungsverluste. Weiterhin wiesen starke Vibrationen der Bohranlage darauf hin, dass im Bohrkanal offensichtlich noch Hindernisse (Steine, Felsstücke) vorhanden waren.
„Verhandlungen“ nach Abschluss der (Zusatz-)Arbeiten
Für den Transport des Rohrstrangs zur Einzugsstelle musste eine Kreisstraße kurzzeitig gesperrt werden, um die zulässigen Biegeradien nicht zu überschreiten. Auch während des Rohreinzuges musste der Rohrstrang mit einem Bagger aus gleichem Grund angehoben werden. Der Einzug der Abwasserleitung verlief ohne Zwischenfälle mit planmäßigen und moderaten Zugkräften und konnte nach 1,5 Stunden Anspannung bei allen Beteiligten beendet werden.
Nach dem erfolgreichen Rohreinzug wurde der Ringraum zwischen Bohrkanal und PE-Rohr mittels eines hochfließfähigen Mörtels vollständig verfüllt. Nach Abschluss der Bohrarbeiten wurden die begleitenden Tiefbauarbeiten im Bereich des Start- und Zielpunktes der Spülbohrstrecke ausgeführt. Nach knapp viermonatiger Bauzeit konnten die gesamten Leistungen letztlich mängelfrei, wenn auch mit nicht vermeidbaren Mehrkosten erfolgreich und zur vollsten Zufriedenheit der Stadtentwässerung Backnang abgenommen werden.
Schlussendlich haben sich die Gesamtbaukosten um rund 325.000 Euro auf insgesamt 916.000 Euro erhöht. Nach mehrmonatigen „Verhandlungen“ konnte sich die Stadtentwässerung Backnang und deren Auftragnehmer bzw. Nachunternehmer einigen. Die erforderlichen Mehr- und Zusatzleistungen der ausgeführten Horizontalspülbohrarbeiten wurden nach der aktuell geltenden Rechtslage mit den tatsächlich erforderlichen und entstandenen Kosten ermittelt und vergütet. Nach VOB/C DIN 18324 musste die Stadtentwässerung Backnang teilweise auch die abgerissenen und im Bohrloch verbliebenen Bohrwerkzeuge vergüten, da der Auftragnehmer in den betreffenden Fällen nicht die Ursachen hierfür zu vertreten hatte. Speziell in diesem Zusammenhang hat sich unter anderem gezeigt, wie wichtig eine detaillierte, ausführliche und permanente Dokumentation der ausgeführten Arbeiten sowohl von Seiten des Auftragnehmers sowie der örtlichen Bauüberwachung ist.
Resümee
Mit dem gewählten Verfahren konnte ein neuer Kanal in schwer zugänglicher Lage hergestellt werden, der die Ableitung des anfallenden Abwassers des südlichen Backnanger Stadtgebiets für die nächsten Jahrzehnte dauerhaft sicherstellt. Auch unter optimaler Planung und bautechnisch versierter Ausführung bleibt das Horizontalspülbohrverfahren eine grabenlose Sanierungstechnik, die Ausführungsrisiken mit sich bringt. Trotz dieser Risiken sind mit der Horizontalspülbohrtechnik entsprechend komplexe Sanierungsmaßnahmen mit ausreichendem Längsgefälle technisch und wirtschaftlich umsetzbar.
Autoren:
Andreas Huber M.Eng.
Vogel Ingenieure GmbH
Tel.: 07842/99449-0
E-Mail: a.huber@vogel-ingenieure.de
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Tel.: 07191/894-275
E-Mail: markus.dohmann@backnang.de
Dipl.-Ing. Marco Reinhard
Leonhard Weiss GmbH & Co. KG
Tel.: 07152/90140-14
E-Mail: m.reinhard@leonhard-weiss.com
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