Wie BIM die Projekteffizienz und Planungssicherheit erhöht
Die Digitalisierung des Bauwesens nimmt an Fahrt auf, ein wesentlicher Treiber ist hierbei das Building Information Modeling. Als BIM-Referenz gilt der Hochbau, doch auch im Tief- und Kanalbau kann die Methode entscheidend zu einer höheren Produktivität beitragen. Bislang nutzen die Gewerke die weitreichenden Potenziale der Methode allerdings kaum.
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Der Bauboom hält in Deutschland entgegen der schwierigeren gesamtwirtschaftlichen Situation weiter an. Gleichzeitig steigen die Komplexitäten und Kosten von Bauprojekten, während der Fachkräftemangel fortbesteht. Viele Bauunternehmen haben aufgrund dieser Entwicklung Schwierigkeiten, ihre Aufträge schnell und erfolgreich abzuarbeiten. Die Lösung für diese Herausforderung sind Effizienzsteigerungen. Insbesondere Planung, Vorbereitung und Logistik auf dem Bau bieten viel Potenzial für Optimierungen.
BIM-Nachzügler Deutschland
Zahlreiche Länder sind Deutschland im Hinblick auf die Digitalisierung des Bauwesens weit voraus und haben schon seit Jahren entsprechende Richtlinien eingeführt. Beispielsweise brachte die „Building Information Modelling Task Group“ in Großbritannien bereits 2011 Expertise aus der britischen Industrie, Regierung, dem öffentlichen Sektor, Institutionen und Hochschulen zusammen. In den USA nahm der Projektausschuss „BIM Standard-United States Project Committee“ im Jahr 2008 seine Arbeit auf.
Den enormen digitalen Aufholbedarf in der Bauwirtschaft soll vor allem das viel besprochene Building Information Modeling leisten. Die Verarbeitung aller relevanten Informationen eines Bauprojektes über dessen Lebenszyklus in einem digitalen Modell wurde noch bis vor wenigen Jahren skeptisch bewertet. Heute scheinen Konferenzen, Vorträge oder Zeitschriften im Bausektor nicht mehr ohne die drei Buchstaben auszukommen. Zudem schreibt der Stufenplan der Bundesregierung zur Einführung von BIM mittlerweile den Einsatz des Prozesses in allen neuen öffentlichen Infrastrukturprojekten vor.
Die Bauwerksdatenmodellierung wird die Industrie in den kommenden Jahren deutlich verändern. Davon gehen sechs von zehn der befragten Entscheider aus den Branchen Planung, Bauunternehmung und Anlagenbau in der Studie „Digitalisierung der deutschen Bauindustrie“ aus. Knapp 80 Prozent möchten in den nächsten Jahren BIM einsetzen, allerdings nutzt bis dato die Hälfte der Befragten die digitalen Kooperationsprozesse nicht.
Großes Potenzial auch im Tiefbau
Gerade im Hochbau nehmen die praktischen Erfahrungen mit BIM stetig zu. Die Methode wird deswegen überwiegend mit dem Hochbau, weniger mit dem Tief- und Kanalbau in Verbindung gebracht.
Für die Zurückhaltung von BIM im Tiefbau gibt es verschiedene Gründe. Beispielsweise arbeiten die Akteure sehr spezialisiert und verfügen dadurch über wenig Anreiz für eine berufsübergreifende Zusammenarbeit. Manche Mitglieder dieses kleineren Gewerks betrachten den Ressourcenaufwand für die BIM-Einführung als nicht gerechtfertigt. Außerdem gelten Hochbauprojekte im Vergleich zum Tiefbau als komplexer, womit die Verwendung von BIM häufig begründet wird.
Allerdings bietet das modellbasierte Arbeiten im Tiefbau hinsichtlich der optimierten Planung, Ausführung und Bewirtschaftung von Projekten ein besonders vielversprechendes Entwicklungspotenzial. Qualitätsmängel, Überschreitungen von Budgets und nicht eingehaltene Termine betreffen nicht nur zahlreiche Vorhaben im Hoch- und Ingenieurbau, sondern auch im Tief- und Kanalbau. Ursächlich dafür sind in erster Linie ineffiziente Prozesse. Mittels BIM könnten die beteiligten Bauunternehmer, Projektleiter, Fachplaner, Statiker, Behörden und Dienstleister an ein und demselben Kanalbau- oder Tunnelbauprojekt arbeiten. Bauleiter informieren sich modellbasiert mittels Smartphones und Tablets über die nächsten Arbeitsschritte und Zulieferer wissen genau, wann welche Baustoffe benötigt werden. Ein interaktiver Terminplan verknüpft zeitliche Abhängigkeiten und übermittelt Planänderungen direkt an alle betroffenen Personen.
Weil die Beteiligten oft nicht ausreichend kommunizieren, kommt es vor allem zwischen Planung, Ausführung und Betrieb von Tiefbauprojekten immer wieder zu Fehlern oder Leerlauf. Zum Beispiel wenn der Statiker Änderungen im Bauplan vornimmt, diese Informationen aber nicht vollständig an den Bauführer weitergibt. BIM macht diese Bauprozesse transparenter und verbessert den Informationsaustausch.
Arbeiten im virtuellen Raum
Zudem lassen sich durch BIM im Rohrleitungsbau Fehler nachverfolgen. Kunden können Veränderungen einsehen, um zu verstehen, warum diese vorgenommen wurden, und Probleme in Echtzeit überprüfen. Dies gilt etwa für das „BIM 360 Design“, das die digitale Konstruktionsberatung Virtual Design and Construction (VDC) von Victaulic standardmäßig bei ihren Tätigkeiten verwendet. Die offene Kommunikation zwischen Kunden und Auftragnehmern ermöglicht ein besseres gegenseitiges Verständnis. Im späteren Bauprozess werden dadurch weniger Fragen aufgeworfen, die sich negativ auf den Zeitplan und die Kosten auswirken können. Diese Effekte lassen sich verstärken, indem die BIM-Anwendungen mit VR-Technologien kombiniert werden. Wer mit einer VR-Brille die Rohre, Formteilen, Armaturen, Dichtungen, Flansche, Fittinge, Verschraubungen und Muffen im digitalen Raum um sich herum betrachtet, erhält einen präziseren Eindruck und kann besser planen.
Indem die Projektverantwortlichen mittels digitaler Modellierung die Planung vorab durchführen können, wird weniger Zeit für die Installation von Geräten und Anlagen auf der Baustelle benötigt. Dies gilt insbesondere für BIM-Software wie Victaulic Tools for Revit – ein Add-In für „Autodesk Revit“ –, die individuell an verschiedene Projekte angepasst werden kann. Bauarbeiter müssen auf der Baustelle beispielsweise keine Rohre mehr auf Maß schneiden, weil diese durch die übermittelten Daten passgenau und just in time geliefert werden. Außerdem verfügt Victaulic Tools for Revit unter anderem über eine Smart-Tagging-Funktion, die vorgenommene Einstellungen speichert. Durch diese Funktion beantwortet die Software zum Beispiel automatisch die Frage, wo und in welcher Reihenfolge bestimmte Rohrstücke montiert werden sollen. Das spart Zeit, Material, reduziert Abfall und senkt somit die Baukosten.
Vorteilhafte Rahmenbedingungen
Die Rahmenbedingungen für eine Digitalisierung des Planungs- und Bauprozesses sind im Tiefbau vorteilhaft, weil die Versorger normalerweise über umfassende Datenbestände in ihren Geoinformationssystemen (GIS) verfügen und mit dem bewährten Dateiformat Shapefile Geometrien und Attribute wie Durchmesser, Baujahr und Typ austauschen.
Auf Grundlage eines hinterlegten digitalen Katasterplans können etwa alle relevanten Bestandsleitungen im Rohrleitungsbau über das Shape-Format eingespielt und neue Leitungen sowie alle Einbauten wie Schieber, Hydranten und Formstücke geplant werden. Stehen die Höheninformationen mittels digitalen Geländemodells (DGM) zur Verfügung, kann man Leitungen direkt in korrekten 3D-Koordinaten entwerfen. Die Grabenprofile des Aufbruchs und Einbaus müssen einmalig definiert und den Leitungen zugeordnet werden. Anschließend lassen sich auf Knopfdruck die Stückmengen im Leistungsverzeichnis (LV) mit korrekten Werten füllen und das gewünschte Projektmodell steht im 3D-Format zur Übergabe an den Auftragnehmer zur Verfügung.
Während des eigentlichen Bauprozess muss der Anwender in der Kalkulation bei der Prüfung der LV-Mengen lediglich deren Positionen den Mengenobjekten zuweisen. Voraussetzung ist jedoch, dass die Bestandsdaten und die geplanten Objekte über Shape-Files in 3D zur Verfügung stehen. Gleicht der Auftragnehmer die geplanten Tiefbaumaßnahmen virtuell interaktiv mit dem Ist-Zustand ab, kann er die Bestandsdaten aus dem BIM-Modell und eine exakte Schlussrechnung abrufen. Auf diese Weist ist eine vollständige Digitalisierung der Prozesse im Tiefbau möglich.
Tiefbau 4.0
Von der Buchung der Projektdienstleistung bis zur Rohrverlegung ist zwar jedes BIM-Projekt bei Victaulic anders, allerdings pflegt das Unternehmen Standards für die Prozessumsetzung. Entscheidend sind die Informationsanforderungen des Auftraggebers, wie Koordinationswerkzeuge und Rollenverteilung. Die Mehrheit der Informationen werden dem BIM-Abwicklungsplan entnommen, den der Bauleiter festlegt. Meistens stellt der Auftraggeber in Form eines generellen BIM-Koordinationsmodells alle relevanten Informationen zur Verfügung, in der das spezielle Rohrleitungsmodell integriert wird. Zu Projektbeginn findet ein Kick-Off-Meeting zur Definition der Arbeitsgrundlagen, wie Projektmeilensteine und Planungszeiträume, statt. Bei der Bestandsaufnahme während der Vor-Ort-Begehung werden Abmessungen wie Hohlräume und Profile mittels Laserscan als präzises digitales Modell erfasst, das in ein BIM-Rohrleitungsmodell überführt wird, um daraus Informationen zu entnehmen. Anschließend geht das BIM-Modell im bevorzugten Dateiformat zur Prüfung an den Kunden.
Bereitschaft zur Veränderung
Damit sich BIM im Tiefbau hierzulande erfolgreich etabliert und Produktivitätssteigerungen nutzbar gemacht werden können, sollten verschiedene Einflussfaktoren berücksichtigt werden. Entscheidend ist vor allem die Bereitschaft der Verantwortlichen und Mitarbeiter, eine neue Methode der Zusammenarbeit und deren Technologien überhaupt nutzen zu wollen. In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass 2D-Zeichnungen noch immer weit verbreitet sind. Mitarbeiter können sich durch Aus- und Weiterbildungen spezialisieren und umschulen. Weiterhin können Auftraggeber mehr Anreize für eine bereichsübergreifende Zusammenarbeit setzen. Nicht zuletzt aus Eigennutz, um ihre Projekte erfolgreicher umzusetzen. Weitreichende Potenziale bieten darüber hinaus der Ausbau unserer digitalen Infrastruktur und die Schaffung standardisierter BIM-Vertragsbestimmungen, wie sie der Bund seit Anfang des Jahrs vorsieht. BIM lässt sich beim Bau und der Planung von Tiefbauprojekten auch zunächst in Teilbereiche integrieren, wie der Massenermittlung, Angebotskalkulation, Arbeitsvorbereitung, Terminplanung, Baufortschrittskontrolle oder Bestandsdokumentation.
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Trotz aller Entwicklungsrückstände in der Bauwirtschaft geben die aktuellen Trends Grund zur Zuversicht: In der Praxis steigt die Nachfrage nach BIM-Lösungen kontinuierlich und das Thema war noch nie so präsent wie im Augenblick. Neben den BIM-Werkzeugen wird die digitale Transformation des Bauwesens auch durch Technologien wie Augmented Reality, 3D-Druck, Geräte- und Materialkonnektivitiät, Robotik und Drohnenüberwachung zunehmend sichtbarer. Auch bei diesen Innovationen gilt es, den Anschluss nicht zu verpassen und den digitalen Wandel aktiv mitzugestalten.
*Autor:
Michael Filek ist BIM-Koordinator und Projektplaner bei dem Rohrsystementwickler Victaulic in Nazareth, Belgien. Er arbeitet in der Unternehmensabteilung für digitale Konstruktionen, Virtual Design and Construction (VDC).
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