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Premiere in Neumünster

Fernwärme ist in Deutschland ein wichtiges Standbein der Energieversorgung. Die Energieversorger betreiben und unterhalten Rohrleitungsnetz von mehr als 26.000 Kilometern. Für diesen Teil der überwiegend unterirdischen Infrastruktur gibt es bis heute kein etabliertes grabenloses Sanierungsverfahren. Im Sanierungsfall müssen die Rohre in offener Bauweise erneuert werden.

Erster Schlauchliner für Fernwärmeleitungen - Projekt in Neumünster
Die Versuchsstrecke auf einer Brachfläche der Stadt Neumünster. | Foto: Artur zu Eulenburg

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„Sanierungsbedarf ist vorhanden und das Interesse der Netzbetreiber an geeigneten Verfahren ist groß“, sagt Sebastian Grimm, zuständig beim Branchenverband AGFW für Forschung und Entwicklung. Seit knapp fünf Jahren beschäftigt sich Grimm mit dem Thema Möglichkeiten und Grenzen von vor Ort erhärtenden Schlauchlinersanierungen in Fernwärmeleitungen. Er begleitete hierzu ein vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördertes Forschungsvorhaben, das im Februar 2022 beendet wurde.

Die Stadtwerke Neumünster waren Teilnehmer des Verbundprojektes. Deren Aufgabe war es, eine Versuchsstrecke aufzubauen. Dazu wurde auf einer Brachfläche der Stadt Neumünster oberirdisch ein Bypass einer erdverlegten und ständig in Betrieb befindlichen Hauptleitung des Neumünsteraner Fernwärmenetzes aufgebaut. Bei der Testleitung handelt es sich um eine insgesamt 115 Meter lange Stahlleitung mit einem Durchmesser von DN 200.

Das im Februar abgeschlossene Forschungsprojekt mit einem Glasfaserliner führte bisher noch zu keinen praxistauglichen Ergebnissen. „Zurzeit läuft die Beantragung eines weiteren Forschungsvorhabens, um in diesem Thema weiter am Ball zu bleiben“, erläutert Sebastian Grimm.

Beginn des Linereinzuges. | Foto: PPR Deutschland
Beginn des Linereinzuges. | Foto: PPR Deutschland

Entwicklungsarbeit in Schweden

Unabhängig von dem Forschungsprojekt begann vor 10 Jahren in Schweden die Firma Pressure Pipe Relinig Sweden AB, PPR, einen Schlauchliner für den Anwendungsfall Fernwärmeleitungen zu entwickeln. 2014 kamen der schwedische Hightech-Spezialist für die Verarbeitung von Carbonfasern, Oxeon und 2017 der Schlauchlinerhersteller BKP Berolina aus Velten bei Berlin als Entwicklungspartner hinzu. Unter dem Produktnamen CarboSeal kam der neue Liner 2021 in Schweden bei zwei Projekten erstmals zum Einsatz und wird nun auch in Deutschland als marktreifes Produkt angeboten.

Vor diesem Hintergrund entstand die Idee, ein 40 Meter langes Segment der vorhandenen und derzeit nicht genutzten Testleitung in Neumünster für den Einbau des CarboSeal-Liners zu nutzen, um ihn, begleitet vom Branchenverband AGFW, vom Einbau bis zum Sanierungsergebnis und Netzbetrieb auf seine Praxistauglichkeit zu untersuchen. Hierzu wurde die Leitung mit Fehlstellen wie defekten Schweißnähten und simulierten Korrosionsschäden versehen.

Der Carbonfaserliner während des Einzuges. | Foto: PPR Deutschland
Der Carbonfaserliner während des Einzuges. | Foto: PPR Deutschland

Herausforderung Fernwärme

Die Tatsache, dass es in dem abgeschlossenen Forschungsvorhaben nicht gelungen ist, zu praxistauglichen Ergebnissen zu kommen, weist auf die Schwierigkeiten hin, die es bei der Sanierung von Fernwärmeleitungen zu lösen gilt. „Zentrale Herausforderungen sind die hohen Temperaturen und die Temperaturunterschiede, mit denen wir es im Betrieb der Leitungen zu tun haben“, erläutert Lars Quernheim, verantwortlich bei BKP für Forschung und Entwicklung sowie für die Technik.

Als die Firma PPR vor etwa 10 Jahren in Schweden mit der Entwicklung eines Schlauchliners für Fernwärmeleitungen begann, war der erste Schritt die Suche nach einem für die anzutreffenden Temperaturverhältnisse geeigneten Harz. „Bis man da fündig wurde, hat es durchaus zwei bis drei Jahre gedauert“, so Quernheim. Verwendet wird ein hochtemperaturbeständiges, zweikomponentiges, warmhärtendes Epoxidharz. Im nächsten Schritt wurden Versuche mit verschiedenen Verstärkungsmaterialien gemacht und man kam schlussendlich auf das Carbongewebe Textreme von Oxeon als optimales Trägermaterial. „Die Kohlefaser bietet die Möglichkeit, die temperaturbedingte Längenausdehnung des Liners der des zu sanierenden Stahlrohres anzupassen. Dadurch haben wir keine oder nur eine extrem geringe Relativbewegung zwischen Liner und dem Stahlrohr“, erklärt Lars Quernheim weiter. Nachdem die geeigneten Materialien gefunden waren, bestand die nächste Herausforderung darin, aus den Komponenten einen funktionierenden Liner zu fertigen. Mit dieser Aufgabe hat sich in den letzten drei Jahren die BKP in Velten beschäftigt. Bis Mitte 2021 wurde zusammen mit PPR Schweden ein Ergebnis erreicht, welches es heute ermöglicht das Produkt in Serie zu produzieren. Das Ergebnis ist der CarboSeal-Liner.

In Velten wird das von der Firma Oxeon entwickelte Kohlefasergewebe mit dem Epoxidharz beschichtet und zu einem Schlauch gefaltet. Der Aufbau mit Innen- und Außenfolie basiert weitgehend auf dem des bekannten Berolina-Liners. Nach einer kurzen Reifephase wird das Produkt eingefroren. Bei Temperaturen zwischen -15 und -25 Grad ist der Liner über mehrere Monate lagerfähig.

Inspektionsfoto nach abgeschlossener Aushärtung des Liners. | Foto: PPR Deutschland
Inspektionsfoto nach abgeschlossener Aushärtung des Liners. | Foto: PPR Deutschland

Schlauchlinertypischer Einbau

Zum Einbau wird der Liner aufgetaut und, wie beim Schlauchlinerverfahren typisch, eingezogen und aufgestellt. Die Aushärtung erfolgt mit Dampf. Einschränkungen gibt es hinsichtlich der Bogengängigkeit des Liners und Anschlüsse müssen in offener Bauweise über Kopflöcher hergestellt werden.

In Neumünster konnte CarboSeal jedenfalls bei den angereisten Vertretern von Stadtwerken aus der Region einen positiven Eindruck hinterlassen. Der Einbau durch ein Team aus Schweden und Velten erfolgte ohne Probleme. „Es ist ein einfaches, schnelles, sauberes Verfahren“, sagt Jörg Stoltenberg, Sachbereichsleiter Fernwärme bei den Stadtwerken Neumünster. „Wir haben natürlich hier auf dem Testgelände optimale Einbaubedingungen, aber ich sehe großes Potential bei undichten Rohrleitungen und gerade dort, wo wir Eisenbahnlinien oder viel befahrene Straßen unterqueren, ist der Liner eine interessante Alternative zum Austausch der Rohre in offener Bauweise.“

Auch Sebastian Grimm nimmt für den AGFW und seine Mitgliedsfirmen interessante Eindrücke mit aus Neumünster. Der Einbau wurde in einem vom AGFW vor Ort produzierten Video dokumentiert, das Interessierten als unabhängiges Informationsmaterial dienen soll. „Wir haben bereits Anfragen von Mitgliedsunternehmen, die das Verfahren bei sich im eigenen Netz testen wollen, und dann werden wir sicher demnächst weitere Erfahrungen sammeln können.“

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All diese Vorzeichen stimmen Marco Warkotz-Gruber, der CarboSeal für PPR Deutschland im Vertrieb betreut, optimistisch. „Das Feedback aus dem Markt in Deutschland und dem benachbarten Ausland ist sehr positiv, aber es gibt auch eine gewisse Zurückhaltung, bei diesem Produkt der Erste sein zu wollen.“ Deshalb sei dieser vom AGFW begleitete Testeinbau von besonderer Bedeutung für die Markteinführung, so der Vertriebsverantwortliche.

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