Grabenlos unter der VfB-Arena

Gerüste, Bagger, Betonmischer und -pumpen prägen das Bild direkt hinter der Seitenlinie. Während die Mannschaft in der Fußball-Bundesliga um den Klassenerhalt kämpft, läuft in der Stuttgarter Mercedes-Benz Arena der komplexe Umbau der Haupttribüne auf Hochtouren. Anfang des Jahres wurde die RS Kanal- und Umweltservice GmbH in die Arena gerufen, um den Durchfluss mehrerer Abwasserhaltungen wiederherzustellen.

Modernisierung der VfB-Arena mit Höchstdruck-Wasserstrahltechnik
Unmittelbar unter dem Haupteingang für VIP-Gäste verlief der betroffene Kanalabschnitt, der bei laufenden Spielbetrieb grabenlos instandgesetzt wurde. Spül- und Fräsfahrzeuge wurden zu den Spielen umgeparkt, so dass der Eingang trotz Baustelle zugänglich war. | Foto: IBAK
Die Stadion NeckarPark GmbH & Co. KG beauftragte die Arbeitsgemeinschaft 1893 Ed. Züblin AG/ROM Technik GmbH & Co. KG mit der Modernisierung der Mercedes-Benz Arena. Mit dem offiziellen Baggerbiss am 3. Juni 2022 begannen die umfangreichen Arbeiten im Stuttgarter Stadion. Die untere Ebene der noch aus dem Jahr 1974 stammenden Haupttribüne wird komplett neu aufgebaut und die Haupttribüne erweitert. Es entstehen unter anderem neue Mannschaftskabinen, Sportfunktionsräume, ein neues Mediencenter, eine moderne Großküche sowie der „Tunnel-Club“, von dem aus rund 200 Zuschauer die Fußballprofis auf ihrem Weg von der Kabine aufs Spielfeld verfolgen können. Die Cannstatter Kurve soll im Zuge der Baumaßnahmen erstmals einen eigenen Bereich für Rollifahrer erhalten.

Das Bauen im Bestand ist deutlich nachhaltiger als Neubauten. Beim Abtragen des Tribünenkörpers setzt das Projekt auf Recycling von Baumaterial. Die Arena-Beleuchtung, inklusive des Flutlichts, wird auf energieeffiziente LED-Technik umgerüstet. Ein energieeffizienteres Beschallungssystem kommt bereits ab Sommer 2023 zum Einsatz. Auf den Sicheln des oberen Druckrings der Dachkonstruktion wird eine Photovoltaik-Anlage installiert, die Strom für den Eigenverbrauch liefern soll.

Kicken auf der Baustelle

Der Stadionumbau erfolgt bis Anfang 2024 bei laufendem Spielbetrieb. Umziehen müssen sich die Spieler während der Bauarbeiten in der Kabine in der Multifunktionshalle „Scharrena“ im Bauch der Untertürkheimer Kurve. Die Zuschauer erreichen ihre Plätze über einen temporär errichteten Treppenturm beim Haupteingang.

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Für den neuen Haupttribünen-Unterrang wurde im Januar 2023 eine 400 Kubikmeter große Betonplatte verlegt. Die RS Kanal- und Umweltservice GmbH wurde daraufhin in die Arena gerufen, um den Durchfluss von sechs Haltungen im Kreisprofil in den Rohrdimensionen von DN 200 bis DN 800 wiederherzustellen. Diese waren über eine Gesamtlänge von 400 Meter vollständig mit Beton verschlossen. Da die Haltungen unter anderem unmittelbar unter dem Haupteingang für VIP-Gäste verlaufen, sollte die Entfernung des Betons grabenlos erfolgen. Da der Spielbetrieb während der Bauarbeiten aufrecht gehalten wird, war zudem eine zügige Instandsetzung der Haltungen notwendig.

Die Haltungen in Stuttgart wurden für ein kontrolliertes Zerkleinern des Beton-Verschlusses mit dem MicroGator-Geräteträger und adaptierter Falch-Höchstdruck-Wasserstrahldüse befahren. | Foto: IBAK
Die Haltungen in Stuttgart wurden für ein kontrolliertes Zerkleinern des Beton-Verschlusses mit dem MicroGator-Geräteträger und adaptierter Falch-Höchstdruck-Wasserstrahldüse befahren. | Foto: IBAK

Höchstdruck-Wasserkraft im Kanal

RS Kanal- und Umweltservice verwendet Falch-Düsen am Geräteträger MicroGator des Herstellers IBAK Robotics. Seit 2017 bewährt sich die Kombination aus Kanalrobotik und Höchstdruck-Wasserstrahl für das Unternehmen aus Balingen. Zwei Fahrzeuge, die sowohl mit dem Fräsroboter MicroGator als auch mit dem MicroGator-Geräteträger für die Höchstdruck-Wasserstrahltechnik ausgestattet sind, hat Geschäftsführer Tobias Sigel im Dauereinsatz. Im Juni 2021 übernahm er gemeinsam mit seiner Schwester Natalie Fritz das Unternehmen. Fräsaufträge wie dieser im VfB-Stadion machen etwa 40 Prozent der Aufträge aus. „Ein ungewünschter Betonverschluss von Kanälen kommt durchaus öfter vor, als man vielleicht annimmt. Aber wir setzen die robotergeführte Höchstdruck-Wasserstrahltechnik im Kanal auch erfolgreich bei anderen ausgedehnten festen Anhaftungen oder Fremdkörpern ein. Schadensbilder wie einwachsende Wurzeln, Bitumendichtungen oder auch extrem harte Kalkablagerungen lassen sich damit effizient beseitigen“, berichtet der 32-Jährige von seinen Baustellenerfahrungen.

Technische Voraussetzungen für die Arbeit mit Höchstdruck

Ein Höchstdruck-Wasserstrahl wird erzeugt, in dem Wasser mit sehr hoher Austrittsgeschwindigkeit durch eine Düse mit geringem Durchmesser geleitet wird. Das Wasser steht dabei unter hohem Druck, der je nach Anwendung zwischen einigen Hundert und bis zu 2.500 bar liegen kann. Die kinetische Energie des auf diese Weise erzeugten Wasserstrahls reicht aus, um verschiedenste Materialien wie Stahl, Beton, Kunststoffe und Versinterungen zu schneiden oder ihre Oberfläche abzutragen. Um einen Höchstdruck-Wasserstrahl im Kanal einsetzen zu können, betreibt RS Kanal- und Umweltservice eine drehbar gelagerte Düse an dem IBAK Robotics-MicroGator-Geräteträger. Dieser besteht aus dem Fahrwagen, der Steuerungstechnik und der Farbschwenkkopfkamera des elektrischen Fräsroboters MicroGator. Anstelle der Anbindung für den Fräsmotor tritt eine bewegliche Werkzeuganbindung, die eine Düse aufnehmen und den Höchstdruck-Wasserschlauch mitführen kann. Die Anbindung ermöglicht ein Kippen, Schwenken und Neigen des Werkzeuges, in diesem Fall von rotierenden Wasserstrahldüsen der Firma Falch. Tobias Sigel arbeitet mit der in einen Fahrzeuganhänger integrierten Falch-Anlage „Trail jet 125“. Damit können 11 bis 26 Liter Wasser pro Minute gefördert und der Wasserdruck stufenlos von 600 bar auf bis zu 2.500 bar komprimiert werden. Durch den 400-Liter-Wassertank kann er bei Bedarf kurzzeitig autark ohne Wasserzufuhr arbeiten.

35 Tonnen Beton entfernte die RS Kanal- und Umweltservice GmbH innerhalb von 2 Monaten Stück für Stück grabenlos aus dem Kanal | Foto: IBAK
35 Tonnen Beton entfernte die RS Kanal- und Umweltservice GmbH innerhalb von 2 Monaten Stück für Stück grabenlos aus dem Kanal | Foto: IBAK

Druckvoll unter Beobachtung

Die Abtragleistung hängt von der Wahl des Düsentypes in Verbindung mit dem Wasservolumen und Druck sowie der Fahrgeschwindigkeit des Roboters ab. Sigel-Mitarbeiter Irode Costel steuerte die jeweils gewählte Wasserstrahldüse mit dem MicroGator-Geräteträger durch den Kanal. Seine Arbeit im Kanal verfolgt der gelernte Mechaniker an den Monitoren im Bedienraum des Fahrzeugs. Die Kamera CutterCam, die Bestandteil des MicroGator-Geräteträgers ist, liefert ihm uneingeschränkte Sicht auf seinen Arbeitsbereich unter Tage. Darüber kontrollierte der Operator auch in Stuttgart den Fortschritt der Abtragleistung. Je nach Bedarf dosierte er den Wasserdruck und stellte die Position der Düse gezielt auf den zu bearbeitenden Bereich ein. Maximal arbeitete er mit bis zu 2.500 bar bei 24 l/min. „Der erzeugte Wasserstrahl trifft mit hoher Geschwindigkeit auf den im Rohr ausgehärteten Beton und zerstört schichtweise die Betonoberfläche. Durch das Ausrichten der Düse kann ich den Winkel, in dem der Wasserstrahl auf den gehärteten Beton auftritt, präzise einstellen und jederzeit anpassen“, erläutert Costel. Dadurch erfolgte das Abtragen möglichst schonend und die Rohrsubstanz blieb erhalten. Während des Abtragens entstehender Schmutz beseitigte Costel durch Verschwenken der Kamera über eine Gummilippe. Die Rotation der Wasserstrahldüsen erzielte eine sehr gute abscherende Wirkung: „Wir kommen gut voran. Mit dem Fräsen schaffen wir circa 10 Meter pro Tag. Allerdings fallen nicht nur die reinen Fräsarbeiten an, sondern es braucht auch Zeit, die gelösten Betonteile zu entfernen. Gestern haben wir beispielsweise sieben Kubikmeter rausgeholt. Das war der Fräsdreck von ungefähr zwei Tagen“, berichtet Costel weiter. Auf diese Weise entfernte RS Kanal- und Umweltservice unter der Stuttgarter Arena innerhalb von 2 Monaten insgesamt 35 Tonnen grabenlos aus dem Kanal über eine Stecke von 400 Metern.

Tobias Sigel ist zufrieden mit dem Verlauf auf der Stadion-Baustelle. Die meterlange Verstopfung konnte Rohrsubstanz-schonend, schnell und wirtschaftlich beseitigt werden. Einmal mehr sieht er mit dem Ergebnis in Stuttgart bestätigt, dass die Wasserstrahltechnik bei großflächigen und massiven Fremdkörpern im Kanal die wirtschaftlichste Variante ist. Effizienzvorteile sieht Sigel auch in der Ausstattung über die Wasserstrahl-Höchstdrucktechnik hinaus: „Auch unsere drei Inspektionsfahrzeuge und unser Schachtinspektionssystem sind von IBAK. Es ist ein großer Vorteil bei der täglichen Arbeit, dass alles kompatibel ist: Meine Mitarbeiter steuern Fräsroboter, Wasserstrahl-Höchstdrucktechnik und Inspektionskameras über die gleichen Joysticks und Tasten. Sie arbeiten bei allen Aufträgen mit der Software IKAS evolution, so dass die Daten der vorbereitenden Hindernisbeseitigung nahtlos in die Schadenserfassung während der Inspektion übergehen.“

Eine visuelle Kontrolle des Arbeitsfortschrittes war über die Beobachtungskamera CutterCam am MicroGator-Geräteträger gegeben. | Foto: IBAK
Eine visuelle Kontrolle des Arbeitsfortschrittes war über die Beobachtungskamera CutterCam am MicroGator-Geräteträger gegeben. | Foto: IBAK

Fußball im fertigen Stadion

Bis zur UEFA Europameisterschaft 2024 wird die finale Ausbauphase von Deutschlands sechstgrößter Sportstätte realisiert. Danach wird Stuttgart über ein modernes Fußballstadion verfügen, das 60.030 Zuschauer bei Bundesliga-Spielen sowie 54.244 bei internationalen Partien fasst. Die Gesamt-Inbetriebnahme der neuen Haupttribüne ist für den Start der Rückrunde 2023/2024 geplant. Die Modernisierung findet auch im Sinne der Fußball-EM 2024 statt. Das Turnier steigt vom 14. Juni bis 14. Juli 2024 in Deutschland. Stuttgart wird insgesamt vier Gruppenspiele und ein Viertelfinale austragen. Fix ist bereits, dass das zweite Gruppenspiel der deutschen Nationalmannschaft in der Mercedes-Benz Arena stattfindet.

Quelle: IBAK


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