Zum Auftakt durch die Autobahn
Der Wasserverband Eifel-Rur (WVER) wird in den kommenden Jahren den knapp 12 Kilometer langen Hauptsammler 11 zur Kläranlage Düren größtenteils durch einen Neubau ersetzen. Die bauliche Umsetzung des Großprojektes hat im Sommer 2023 mit der Querung der Autobahn 4 begonnen.
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Hohe Belastung durch biogene Schwefelsäure
Über den Hauptsammler 11 werden sechs Kommunen und die Stadt Düren entwässert. Im oberen Bereich fungiert er als Mischwassersammler, ab dem Anschluss des Dürener Netzes ist es aufgrund der Menge der eingeleiteten Industrieabwässer, die über 60 Prozent des Trockenwetterabflusses ausmachen, bis zur Kläranlage vorwiegend ein Schmutzwassersammler. Der Durchmesser des vorhandenen Kreisprofiles liegt zwischen DN 400 und DN 1500. Die Abwässer aus der in Düren ansässigen Papierindustrie sind mit Temperaturen zwischen 30 und 36 Grad Celsius nicht nur sehr warm, sie enthalten darüber hinaus große Mengen an Sulfid. Beides zusammen begünstigt die Bildung biogener Schwefelsäure und eine entsprechend aggressive Kanalatmosphäre.
Der akute Handlungsbedarf wurde durch einen Straßeneinbruch in der Renkerstraße, einer Hauptverkehrsader in Düren, in unmittelbarer Nähe zu einem Krankenhaus noch einmal eindrücklich unterstrichen. Hinzu kommt, dass der bestehende Kanal wegen der erhöhten Abwassermengen hydraulisch die Überlastungsgrenze erreicht hat.
Redundantes Doppelröhrensystem
Als weitere Besonderheit ist ein kontrolliertes Be- und Entlüftungssystem mit entsprechender Behandlung der abgesaugten Gase vorgesehen, um Geruchsbelästigungen für die Anwohner möglichst zu vermeiden.
Das gesamte Projekt ist aufgeteilt in sieben Bauabschnitte. In den Abschnitten 4, 5, 6 und 7 verläuft der neue Kanal auf einer Länge von knapp 8 Kilometern in gleicher Trasse wie der bestehende Sammler. Hier findet also gleichzeitig zur Neuverlegung der Rückbau des Asbestzementbestandskanales statt.
Rahmenprofil mit zwei Zügen
Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Materialauswahl war die Korrosionsbeständigkeit. „Zu diesem Thema haben wir in Verbindung mit der Temperaturbeständigkeit, Abriebfestigkeit, Statik und Nutzungsdauer umfangreiche Materialrecherche betrieben“, erläutert Stephan Goffert. „Wir wollen schließlich nicht, dass die nächste Generation in 50 Jahren sich wieder mit einem solchen Mammutprojekt an dieser Stelle befassen muss.“ Ein entsprechendes Anforderungsprofil mit weiteren Kriterien wie Geometrie, Statik, und Baulänge wurde schließlich Bestandteil der Ausschreibung.
Korrosionsgeschützte „Double Box“
Die Wahl des Rohrmaterials fiel auf die mit PE ausgekleidete „Double Box“ vom Betonwerk Müller aus Achern. In den komplexen Anforderungskriterien sahen die Verantwortlichen bei Beton Müller eine reizvolle Herausforderung. „Gerade, was den Korrosionsschutz angeht, sehen wir uns mit unserer Erfahrung hinsichtlich der Innenauskleidung mit Linern aus PE für solche Aufgaben prädestiniert“, so Joachim Strack, Geschäftsführer beim Betonwerk Müller. „Hier kamen zusätzlich Besonderheiten hinzu, die auch wir zum ersten Mal zu lösen hatten.“
Die übliche Linerstärke liegt bei Perfect Pipe-Rohren von Beton Müller bei 1,65 Millimetern, bei diesem Projekt sollten mit 2,5 Millimetern deutlich stärkere Liner verwendet werden, um den Widerstand gegenüber mechanischen Beanspruchungen zu erhöhen.
„Wir haben aufgrund der Inspektionsfreundlichkeit, die bei Perfect Pipe etablierte gelbe Farbe gewählt und die gleiche Verankerungstechnik des Liners im Beton genommen, weil wir hierzu die DIBt-Prüfungen zur Auszugsfestigkeit haben“, erklärt Joachim Strack. Anstelle des bei runden Rohren eingesetzten Konnektors kommt bei der Double Box eine prüfbare Doppelkeildichtung zum Einsatz. Um den Korrosionsschutz weiter zu optimieren, waren auch die Spitzenden mit dem PE-Liner zu verkleiden. „Auch das war eine Neuheit für uns“, so Strack weiter.
In hohem Tempo durch die Autobahn
Im Sommer 2023 begann die Strabag AG als Auftragnehmer mit der ersten Baumaßnahme des Projektes. Der Auftakt stellte für alle Beteiligten gleich eine besondere Herausforderung dar: In einem Zeitfenster von genau sechs Wochen waren die sechs Fahrstreifen der Autobahn A4 in offener Bauweise mit dem ersten Teilstück des neuen Sammlers zu unterqueren. Entsprechend der Vorgaben durch die Autobahn GmbH mussten die Arbeiten im Bereich der Autobahn in den Sommerferien abgeschlossen sein.
Mit Bau- und Ferienbeginn am 1. Juli waren drei Fahrspuren Richtung Niederlande offenzuhalten, um den Ferienverkehr möglichst wenig zu behindern. Gleiches galt für die zweite Ferienhälfte in der Gegenrichtung. In drei Abschnitten wurde die Autobahn gequert. Standspur und LKW-Streifen bildeten das Baufeld 1, Baufeld 2 mit Mittel- und den Überholfahrstreifen war eine Inselbaustelle, und Baufeld 3 umfasste die restlichen Fahrspuren der Gegenrichtung.
Kampfmittelsondierung, Amphibienschutz, Einschränkungen bei der Zugänglichkeit der Baustelle waren Randbedingungen, welche die Baumaßnahme begleiteten. Darüber hinaus wurde ein großes Glasfaserleitungspaket in geringerer Tiefenlage angetroffen, als dies in den Bestandsunterlagen vermerkt war. Dies erforderte eine ad-hoc-Umplanung und eine um 50 Zentimeter höhere Verlegung der Rohre. „Das war an dieser Stelle kurz vor der Kläranlage mit den Fließgeschwindigkeiten noch gerade so möglich“, so Mirko Schniedermann.
Für unvorhergesehene Probleme sorgten Fahrradfahrer. Über das Baustellengelände führt ein Fernradweg. Die extra eingerichtete Umleitung wurde jedoch von Radfahrern immer wieder ignoriert. „Wir haben mindestens einmal am Tag die Baustellenabsperrung neu errichten müssen, weil Radfahrer es nicht eingesehen haben, der regulären Umleitung zu folgen“, beschreibt Schniedermann. Nach Wochenenden waren Bauzäune teils mit Werkzeugen abmontiert, teils mit Saitenschneidern demoliert. „Wir hatten teils ganze Reisegruppen auf der Baustelle, die sich die Mühe gemacht hatten, ihre schweren E-Bikes über die Absperrungen zu hieven und sich inmitten des Baustellenverkehrs mit schwerem Gerät bewegten“, ergänzt Stephan Goffart.
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Der Bauablauf selbst war vor dem Hintergrund der besonderen Verkehrssicherung einer solchen Baustelle auf der Autobahn eine logistische Herausforderung. Jedes der 16 Tonnen schweren Rechteckprofile wurde einzeln und just in time per Sattelschlepper angeliefert, mit einem Großkran in die Baugrube eingehoben, auf die hergestellte Sauberkeitsschicht mit einer Lage rollfähigem Splitt abgelegt und mit einem Kettenzug zusammengezogen. An den Schnittstellen der drei Bauabschnitte wurde der Rohrgraben gegen den Verbau mit Flüssigboden verfüllt. Die hohe Maßgenauigkeit der Rohre sei gerade in den Übergangsbereichen von einem Bauabschnitt zum nächsten vorteilhaft gewesen, hebt Mirko Schniedermann hervor und ergänzt: „Die Boxen hatten sowohl von der Lastaufnahme als auch vom Einbau her deutliche Vorteile und haben den Baufortschritt beschleunigt.“ Auch die prüfbare Doppelkeildichtung war vor dem Hintergrund der kurzen zur Verfügung stehenden Bauzeit ein wichtiger Faktor. Für den Fall einer nicht bestandenen Dichtheitsprüfung hätte die Rohrverbindung nachträglich ohne Tiefbauarbeiten mit einer Injektion in den Prüfraum abgedichtet werden können.
Zu allem Überfluss sorgte ein Starkregen für eine Überflutung der Baustelle, und erodierter Boden wurde in den bereits verlegten Kanal eingeschwemmt. „Trotzdem sind wir am letzten Ferientag mit den Asphaltierungsarbeiten fertig geworden und konnten die Autobahnquerung pünktlich abschließen“, so Stephan Goffart.
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Gelungener Auftakt
In einem weiteren Bauabschnitt war dicht neben der Autobahn ein 32 Tonnen schweres und über 3 Meter breites Schieberbauwerk als „Abwasserweiche“ zu setzen. Aufgrund des Gewichtes und der Überbreite war es nicht einfach, für den Weg von Achern zur Baustelle eine durchgängige Transportgenehmigung zu bekommen. Und auch das Bauwerk unter den eingeschränkten Platzverhältnissen mit einem 250 Tonnen-Kran einzubauen, stellte eine anspruchsvolle Aufgabe dar.
Der Teilabschnitt hat ein Auftragsvolumen von 2 Millionen Euro. Darin enthalten ist ein erheblicher Teil für die aufwändige Verkehrsführung und -sicherung. Schlechtes Wetter sorgte für Verzögerungen und zusätzlichen Aufwand, mit dem man im Vorfeld nicht gerechnet hatte.
Nichtsdestotrotz war die Maßnahme ein erfolgreicher Auftakt für das Gesamtprojekt. Die Baustelle war rund um die Uhr kameraüberwacht. Aus den Bildern ist ein Zeitraffervideo entstanden, das den Bauablauf zusammenfasst und bei Youtube (WVER) verfügbar ist:
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Ein wesentlicher Schlüssel sei die frühzeitige Kommunikation mit allen Beteiligten und Betroffenen, betont Stephan Goffart. Ein Faktor, der auch für Joachim Strack eine zentrale Rolle spielt. „Wenn wir als Hersteller gut mit den Auftraggebern kommunizieren, und hausintern die Abstimmung zwischen Vertrieb, Konstruktion und Produktion funktioniert, dann sind wir in der Lage, derartige technisch anspruchsvolle Aufgaben zu lösen, und wir sind dann auch stolz darauf, wenn wir es so gut hinbekommen.“
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