Einzelrohreinzug in anspruchsvollem Untergrund

„Das einzig Beständige ist die Veränderung, man muss nur darauf reagieren können.“ Dieser Satz in Anlehnung an den griechischen Philosophen Heraklit war Begleiter der Midewa Wasserversorgungsgesellschaft in Mitteldeutschland mbH für den Neubau einer Trinkwasserleitung DN 500 mit duktilen Gussrohren zwischen dem östlichen Rand der Stadt Merseburg und dem Wasserwerk Werder.

Schwierige Bohrung bei Verlegung einer Gussrohr-Trinkwasserleitung
Abb. 1: Bohranlage HK 250 T mit Steuer | Foto: Beermann Bohrtechnik

Auf einer Luftlinie von 1,3 km musste nach den Schädigungen an der Infrastruktur durch das Hochwasser 2013 die Hauptversorgungsleitung für die Kreisstadt Merseburg, deren Ortsteile und der ortsansässigen Industriebetriebe erneuert werden. Im Sommer fließen durch diese Hauptversorgungsleitung ca. 500 m3 pro Stunde. Die Baumaßnahme wurde durch das Land Sachsen-Anhalt und die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Ausbauhilfe Hochwasser 2013 gefördert.

Durch die räumlichen Gegebenheiten war eine Erneuerung der Bestandsrohrleitung nur auf nahezu gleicher Trasse in direkter Verbindung zwischen dem Wasserwerk Werder und der Einspeisung im Ostteil der Stadt möglich. Gleichzeitig musste die Bestandsrohrleitung (DN 500 Grauguss) in Betrieb bleiben und die Versorgung von ca. 40.000 Einwohnern sicherstellen. Die Arbeiten ostwärts der Saale fanden in einem Landschafts- und Europäischen Vogelschutzgebiet statt. Der Bereich ist darüber hinaus ein ausgewiesenes Überschwemmungsgebiet. Rahmenbedingungen, die alle Projektbeteiligten vor große Herausforderungen stellte, insbesondere im Hinblick auf die zeitlichen Abläufe.

Abb. 2: Baustelleneinrichtung für die Container und Widerlager Großbohranlage, Platzbedarf mit Lagerkapazität 2.500 m2 | Foto: Midewa GmbH
Abb. 2: Baustelleneinrichtung für die Container und Widerlager Großbohranlage, Platzbedarf mit Lagerkapazität 2.500 m2 | Foto: Midewa GmbH

Kein leichter Boden für die Bohrungen

Die alte Querung des Schifffahrtsweges Saale wurde 1961 (!) genehmigt und dann in offener Bauweise mittels Stahlrohren im rund 6 Meter tiefen Gewässer vorgenommen. Damals war das eine bautechnische Herausforderung, deren grundsätzliche Wiederholung durch die heutigen Rahmenbedingungen (Schutzstatus Baufeld, Schleusennähe, Betrieb Bestandsleitung) für die neu zu errichtende Trinkwasserleitung nicht mehr in Erwägung gezogen werden konnte. Als Lösung kristallisierte sich als innovative und umweltfreundliche Variante eine 750 Meter lange Bohrung in gesteuerten horizontalen Spülbohrverfahren (HDD) heraus, wenn auch in einem herausfordernden Untergrund. Die Baugrunduntersuchung ergab im Auegebiet u.a. eine rund 2 Meter dicke Auelehmschicht, gefolgt von einer rund 5 Meter starken Flussschotterschicht, weiter mit Tertiärton/-sanden und einer mehrere Meter dicken Lage von Ton- und Sandstein.

Die hallesche Niederlassung der Umwelttechnik und Wasserbau GmbH hatte sich im Jahr 2020 bei der Ausschreibung mit dem wirtschaftlichsten Angebot durchgesetzt. Nur wenige Unternehmen in Deutschland verfügen über die für diese Maßnahme erforderliche Bohrtechnik. Daher wurde die Firma Beermann Bohrtechnik GmbH als Nachunternehmer gebunden, deren Großbohranlage HK 250T Rig (Abb. 1 und 2) hier zum Einsatz kam.

Abb. 3: Teil des Bohrequipments | Foto: VonRoll hydro (deutschland)
Abb. 3: Teil des Bohrequipments | Foto: VonRoll hydro (deutschland)
Ursprünglich war geplant, zwei Bohrungen über rund 750 Meter durchzuführen, zuerst für die Rückspülleitung und dann für die Medienleitung. Bereits bei der Pilotbohrung bereitete die Kombination und Abfolge der verschiedenen Bodenarten, speziell beim Rückflussverhalten der Bohrsuspension, Schwierigkeiten. Bohrklein, aber auch gelöster Kies, musste sich mit der Suspension zwischen Bohrlochwandung und Bohrgestänge entgegen der Bohrrichtung in Richtung Startgrube bewegen. Vermutlich „verstopfte“ dieser „Materialtransport“ den Zwischenraum im Bereich des durchbohrten Festgesteins. Der fehlende Rückfluss konnte nur zeitweise durch Ergreifung verschiedener Maßnahmen wiederhergestellt werden. Letztendlich entschied man sich für einen aufwändigen Austausch des Bohrkopfes, aber auch dieser Wechsel ermöglichte keinen Abschluss der Bohrung bis zur Zielgrube. Dies konnte erst mit Hilfe einer gezielten Entlastungsbohrung nach 680 Metern Bohrstrecke, unmittelbar vor einem Schulgebäude, erreicht werden. Dank der genauen Ortung des Bohrkopfes wurde die Entlastungsbohrung punktgenau niedergebracht. Eine Weiterführung der Bohrung ohne Rückfluss hätte die Bodenstruktur um den Bohrkanal durch die mit Hochdruck eingebrachte Bohrsuspension zwangsläufig verändert, Spannungen im Boden erzeugt und damit auch die wichtige Bestandsleitung aus Grauguss gefährdet.
Abb. 4: Teil des Bohrequipments | Foto: VonRoll hydro (deutschland)
Abb. 4: Teil des Bohrequipments | Foto: VonRoll hydro (deutschland)

Nach diesen Erfahrungen entschied man sich, diese für die Rückspülleitung vorgesehene Bohrung für die Medienleitung zu nutzen und den Transport der Suspension über Saugwagen zu realisieren. Damit vermied man eine zusätzliche Bohrung, um auch einen weiteren Zeitverlust zu vermeiden. Die Saugwagenvariante war ursprünglich wegen der schwierigen Zufahrt über eine Ackerfläche, Bauvorhaben an der Verbindungsstraße, der unmittelbaren Nähe einer Schule und beengten Platzverhältnisse an der Zielgrube verworfen worden.

Die Bohrgarnitur für die Pilotbohrung bestand zu Beginn aus einem 12”-Rollenmeißel, einer Jetting-Garnitur und Steering-Tool sowie dem 6 5/8“-Bohrstrang. Die Pilotbohrung wurde mittels Kreiselkompasses (Drillguide GST) vermessen.

Abb. 5: Tiefenlinienplan der Saale im Querungsbereich vor Baubeginn | Foto: Midic GmbH
Abb. 5: Tiefenlinienplan der Saale im Querungsbereich vor Baubeginn | Foto: Midic GmbH

Vom Bohrplatz (85 m NHN) aus gesehen lag der tiefste Punkt der Bohrung (61,7 m NHN) weit vor der Saale, da unter dem Fluss die Rohrleitung in westlicher Richtung unter Berücksichtigung der Raumkurve auf 95 m NHN ansteigen musste. Um diese Raumkurve zu erreichen, wurden die Ein- und Austrittswinkel mit ca. 15° relativ steil gewählt.

Nach der Pilotbohrung wurde der Bohrkanal in zwei Durchgängen bis auf 970 mm aufgeweitet (Bilder 3 und 4). Sicherheitshalber wurde noch ein Cleaning Run durchgeführt, um das Risiko einer verlorenen Bohrung bei diesen schwierigen Baugrundverhältnissen zu reduzieren.

Abb. 6: Duktile Gussrohre DN 500 mit BLS | Foto: VonRoll hydro (deutschland)
Abb. 6: Duktile Gussrohre DN 500 mit BLS | Foto: VonRoll hydro (deutschland)

Die 6 Meter tiefe Saale wurde mit einem Abstand von 12 Metern zur Flusssohle gequert. Zur Feststellung der Gewässersohle hat sich die Erstellung eines Tiefenlinienplans (Abb. 5) bewährt, aus dem zur Visualisierung noch Profilschnitte erzeugt werden konnten.

Abb. 7: Ausgelegte Stahlblechkonen, Verbindung und Zementmörtelumhüllung | Foto: VonRoll hydro (deutschland)
Abb. 7: Ausgelegte Stahlblechkonen, Verbindung und Zementmörtelumhüllung | Foto: VonRoll hydro (deutschland)

Rohrmontage und -einzug

Als Rohrmaterial kamen duktile Gussrohre für die Trinkwasserversorgung nach DIN EN 545 [1] mit einer längskraftschlüssigen BLS-Steckmuffenverbindung von VonRoll hydro (deutschland) zum Einsatz. Für den grabenlosen Rohreinbau sind diese Rohre mit einer Zementmörtelumhüllung nach DIN EN 15542 [2] versehen (Abb. 6).

Abb. 8: Montagerampe für die Rohre | Foto: VonRoll hydro (deutschland)
Abb. 8: Montagerampe für die Rohre | Foto: VonRoll hydro (deutschland)

Im Bereich der Rohrverbindung wird beim grabenlosen Rohreinbau der Rohrverbindungsschutz mit einem überschiebbaren Stahlblechkonus vor mechanischer Beschädigung geschützt (Abb. 7). Die Materialwahl war durch die Anforderungen an die schwierigen Bodenverhältnisse, die große Einzugslänge und insbesondere an die Montagebedingungen auch bei niedrigen Temperaturen sowie der zu erwartenden Lebensdauer relativ einfach.

Abb. 9: Barrel-Reamer | Foto: VonRoll hydro (deutschland)
Abb. 9: Barrel-Reamer | Foto: VonRoll hydro (deutschland)

Die Rohrmontage erfolgte während des Einziehvorgangs auf einer Montagerampe (Abb. 8). Der 1581 angelegte und als Baudenkmal verzeichnete Stadtfriedhof St. Maximi innerhalb der Bohrachse, auf der gegenüberliegenden Straßenseite der Zielgrube, erforderte diese Variante.

Abb. 10: Rohrmontage in der Nacht | Foto: VonRoll hydro (deutschland)
Abb. 10: Rohrmontage in der Nacht | Foto: VonRoll hydro (deutschland)

Die einzelnen Rohre für eine HDD-Bohrung werden zugkraftschlüssig miteinander verbunden; insbesondere hier darf kein Fehler passieren. Bei der Einzelrohrmontage besteht vor dem Rohreinzug keine Kontrollmöglichkeit der Rohrdichtigkeit. Ein Barrel-Reamer (Abb. 9) wird für den Einziehvorgang an den Bohrstrang gekoppelt und über einen Drehwirbel mit Kreuzgelenk an den Zugkopf, der mit dem Rohrstrang verbunden ist, angeschlossen.

Berechnet wurde eine erforderliche Zugkraft von 380 kN, rund 44% der zulässigen Zugkraft der Rohrverbindung. Benötigt wurde am Ende knapp die doppelte Zugkraft, was bei der BLS-Verbindung DN 500 mit einer zulässigen Zugkraft von 860 kN aber kein Problem darstellte.

Abb. 11: Rohrmontage am Tag | Foto: VonRoll hydro (deutschland)
Abb. 11: Rohrmontage am Tag | Foto: VonRoll hydro (deutschland)

Der Rohreinzug lief ohne Unterbrechung über fast 30 Stunden. Schichteinteilung mit Reserven, Beleuchtung bei Nacht, Verkehrssicherung speziell gegenüber Fußgängern im Montagebereich, Kennzeichnung der Anschlagpunkte an den Rohren und vieles mehr musste bei der Vorbereitung bedacht werden. Dazu gehörte vorab auch eine gesonderte Einweisung der Monteure und durchgehende Begleitung der Rohrmontage durch den Hersteller (Abb. 10 und 11).

Abb. 12: Rohrleitungsverschluss für Druckprüfung | Foto: VonRoll hydro (deutschland)
Abb. 12: Rohrleitungsverschluss für Druckprüfung | Foto: VonRoll hydro (deutschland)

Inzwischen ist die Leitung nach der Druck- und Hygieneprüfung (Abb. 12) in Betrieb. Die Arbeiten an der insgesamt rund drei Millionen Euro teuren Trinkwasserleitung sind abgeschlossen. Neben der Hauptversorgungsleitung wurden noch eine Rohrbrücke (Abb. 13) mit wärmegedämmten duktilen Gussrohren DN 400 (WKG) und über 1,1 km kleinere Versorgungsleitungen gebaut. Die erfolgreiche Umsetzung der Baumaßnahme wurde hauptsächlich durch die konstruktive Mitarbeit aller Beteiligten ermöglicht.

Abb. 13: Rohrbrücke mit WKG-Rohren DN 400 BLS und Wickelfalz-Mantelrohr | Foto: VonRoll hydro (deutschland)
Abb. 13: Rohrbrücke mit WKG-Rohren DN 400 BLS und Wickelfalz-Mantelrohr | Foto: VonRoll hydro (deutschland)

*Autoren:
Thorsten Mahler – Midewa GmbH, Merseburg
Timo Mücke – Beermann Bohrtechnik GmbH, Hörstel
Jens Jünger – Fichtner Water & Transportation GmbH, Leipzig
Steffen Ertelt – VonRoll hydro (deutschland) GmbH & Co. KG, Wetzlar

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Literatur:
[1] DIN EN 545: 2011-09 – Rohre, Formteile, Zubehörteile aus duktilem Gusseisen und ihre Verbindungen für Wasserleitungen – Anforderungen und Prüfverfahren; Deutsche Fassung EN 545:2010, Beuth Verlag GmbH, 10772 Berlin
[2] DIN EN 15542: 2008 – 06 „Rohre, Formstücke und Zubehör aus duktilem Gusseisen – Zementmörtelumhüllung von Rohren – Anforderungen und Prüfverfahren“; Deutsche Fassung EN 15542:2008, Beuth Verlag GmbH, 10772 Berlin

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