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Der Schallbaukasten (Teil 2)

Teil 1 beschäftigte sich mit Angaben zur Schallemission am Beispiel einer HDD-Baustelle sowie der Validierung der Emissionsmessungen. Teil 2 beschreibt, wie auch Fachfremde mit dem „Schallbaukasten“ (SBK) in der frühen Planungsphase im Hinblick auf einen kostenoptimierten Schallschutz die Realisierbarkeit und den später erforderlichen Detaillierungsgrad für einzelne Schallquellen und damit den Bearbeitungsaufwand realistisch abschätzen können.

Baulärm – Teil 2: Der Schallbaukasten
Bild 7: Kostenoptimierte Konzeption eines Lüftungsschalldämpfers | Foto: IITA-Messungen

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Hintergrund: Zeit- und Kostendruck nehmen in der Baubranche ständig zu. Bereits vor einer evtl. Beauftragung und Durchführung einer belastbaren Detailuntersuchung sollen verlässliche Angaben z.B. bzgl. der schalltechnischen Realisierbarkeit und der zu erwartenden Beratungskosten gemacht werden. Um dem gerecht zu werden, wird häufig ohne Garantie einer Kostenübernahme mit der Erstellung eines detailgetreuen 3D-Modells zur normgerechten Berechnung der Schallausbreitung begonnen.

Lärmminderungsmaßnahmen

Notwendigkeit zu Überlegungen

Allein für das Stromtrassenprojekt SuedLink müssen für bis zu 200 Baustellen Lärmminderungsmaßnahmen zum Schutz der Anwohner bzw. aus naturschutzfachlichen Gegebenheiten konzipiert werden, da in den Genehmigungsunterlagen maximal zulässige Schallleistungspegel für die gesamte Baustelle vorgegeben werden. Diese Vorgaben resultieren aus sogenannten Nachweis- bzw. Detailgutachten, die von Fachgutachtern erstellt werden. Um die Anforderungen zu erfüllen, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Gutachtern und Baufirmen bzw. Herstellern unerlässlich.

Beispiel für kostenoptimierten Schallschutz

Mit Kenntnis der Terz- bzw. Oktav-Schallleistungsspektren der Komponenten einer Baumaschine kann die Konzeption einer Schallschutzmaßnahme kostenoptimiert erfolgen. Bild 7 zeigt ein Beispiel für einen Lüftungsschalldämpfer. Ausgelegt auf ein pegelbestimmendes Maximum bei der Oktav-Mittenfrequenz von 1 kHz erzielt ein kostengünstiger Kulissenschalldämpfer in Standardausführung eine relativ höhere Minderung des Summen-Schallleistungspegels als ein Resonatorschalldämpfer.

Beispiel für eine sehr große mobile Einhausung

Aufblasbare Wandelemente (Quelle: Sattler Group) wurden innerhalb von 2 Stunden an einer speziell vom Institut für Immissionsschutz und Technische Akustik (IITA) und der Firma Schröder entwickelten Seilkonstruktion befestigt (Bild 8). Obermeyer ermittelte messtechnisch das ausreichende Schalldämmmaß der Konstruktion und mittels der beiden Hüllflächen den Schallleistungspegel.

Bild 8: Beispiel für eine mobile Einhausung aus aufblasbaren Wandelementen | Foto: IITA-Messungen
Bild 8: Beispiel für eine mobile Einhausung aus aufblasbaren Wandelementen | Foto: IITA-Messungen

Überschlägige Konzeption / Immissionsprognose mit dem HDD-Schallbaukasten

Der Zeit- und Kostendruck nimmt ständig zu. Ohne Kenntnis des Bauablaufplanes und noch vor der Durchführung einer belastbaren Detailuntersuchung sollen u.a. verlässliche Aussagen über die schalltechnische Machbarkeit des Bauvorhabens und die zu erwartenden Schallschutzkosten getroffen werden.

Zu diesem Zweck wurde von Klaus Goldemund und Anne Griebel (ebenfalls IITA) der HDD-Schallbaukasten (SBK) als Excel-Tool entwickelt. Die Grundidee besteht darin, die Summe der Schallleistungspegel aller Anlagen einer Baustelle in einer punktförmigen Ersatzschallquelle (ESQ) zusammenzufassen und die ESQ bezogen auf den maßgeblichen Immissionsort (IO) zu beurteilen. Damit ist für eine erste Beurteilung kein detailliertes 3D-Rechenmodell (vgl. [2] und Tutorial B0 [1]) erforderlich. Insbesondere für fachfremde Personen enthält der SBK Eingabehilfen in Form von grafischen Zellnotizen. Ergänzend werden weitere Grundlagen (z.B. Summation und Subtraktion von Pegelgrößen) in den Tutorials [1] erklärt. Eingabefelder sind im SBK blau umrandet; Werte können direkt eingegeben oder aus hinterlegten Datenbanken ausgewählt werden. Die Datenbanken können vom Anwender beliebig erweitert werden. Der SBK gliedert sich in drei Arbeitsschritte (Bild 9):

Schritt 1: Immissionsrichtwert

Eine Baustelle ist in der Regel von IO umgeben. Gemäß AVV-Baulärm [3] ist die Beurteilung für den maßgeblichen IO vorzunehmen. Dieser wird vorrangig bestimmt durch die Gebietsnutzung und die Entfernung zur Baustelle. Entsprechend der Gebietsnutzung ist ein Immissionsrichtwert (IRW) für den Tag- und Nachtzeitraum definiert ([3], 3.1).

Schritt 2: Emissionskontingent

Unter akustischen Freifeldbedingungen kann die Konzeption eines maximal zulässigen Schallleistungspegels überschlägig in Abhängigkeit des IRW und des Abstandes zwischen Baustelle und IO erfolgen.

Schritt 3: Konzeption der Emission

Mit Hilfe der SBK-Datenbanken (Bild 10) können für eine Baustelle die Anlagen ausgewählt, deren Anzahl und Betriebszeiten sowie die vorgesehenen/erforderlichen Schallschutzmaßnahmen definiert werden. Mit diesem Konzept ist im Nachgang eine normgerechte Ausbreitungsberechnung durchzuführen.

Bild 9: Übersicht HDD-Schallbaukasten | Foto: IITA-Messungen
Bild 9: Übersicht HDD-Schallbaukasten | Foto: IITA-Messungen

Fazit

  • Überschreitung des IRW um mehr als 4 dB: Eine IRW-Überschreitung kann mit dem gewählten Baustellenstandort bzw. der Baustellenkonfiguration voraussichtlich nicht vermieden werden; für die normgerechte Ausbreitungsberechnung wird ein frequenzabhängiger Emissionsansatz empfohlen.
  • Einhaltung IRW ±4 dB: Die IRW-Einhaltung ist voraussichtlich möglich.
  • IRW-Unterschreitung um mehr als 4 dB: Die IRW-Einhaltung ist möglich.
Bild 10: Übersicht Datenbanken im HDD-Schallbaukasten | Foto: IITA-Messungen
Bild 10: Übersicht Datenbanken im HDD-Schallbaukasten | Foto: IITA-Messungen

Normgerechte Ausbreitungsberechnung

Bei der letztlich erforderlichen normgerechten Ausbreitungsrechnung nach DIN ISO 9613-2 [7] werden folgende Pegelminderungen auf dem Ausbreitungsweg berücksichtigt:

  • Abstandsmaß und Luftabsorption
  • Boden- und Meteorologiedämpfung
  • Abschirmungen und Reflexionen

Die Schallemission kann in Terz-/Oktav-Bandbreite oder nur bezogen auf die 500-Hz-Oktav-Mittenfrequenz angesetzt werden (Bild 11). Letzteres ist der Regelfall, insbesondere wenn keine Frequenzanalyse vorliegt.

Bild 11: Emissionsansätze in Terz-/Oktav-Bandbreite und bezogen auf die Oktav-Mittenfrequenz 500 Hz am Beispiel der HDD-Bohranlage PD80/33-D | Foto: IITA-Messungen
Bild 11: Emissionsansätze in Terz-/Oktav-Bandbreite und bezogen auf die Oktav-Mittenfrequenz 500 Hz am Beispiel der HDD-Bohranlage PD80/33-D | Foto: IITA-Messungen

Aufgrund der frequenzabhängigen Luftdämpfungskoeffizienten (Tabelle 2 der DIN ISO 9613-2 [5]) nehmen die hohen Frequenzen mit zunehmendem Abstand zur Schallquelle überproportional ab. In Bild 12 sind die berechneten Schalldruckpegelverteilungen für ein Rechengebiet in 3 m über Boden dargestellt. Die Differenz der beiden Verteilungen nimmt mit der Entfernung zu – so dass bei frequenzabhängigen Emissionsansätzen je nach Lage des IO höhere Schallleistungspegel zulässig sein können.

Bild 12: Frequenzunabhängig und frequenzabhängig berechnete Schalldruckpegelverteilung am Beispiel der HDD-Bohranlage PD80/33-D | Foto: IITA-Messungen
Bild 12: Frequenzunabhängig und frequenzabhängig berechnete Schalldruckpegelverteilung am Beispiel der HDD-Bohranlage PD80/33-D | Foto: IITA-Messungen

Fazit

Eine Baulärmprognose ist z.B. bei der Planung der SuedLink-Trasse Bestandteil des Genehmigungsverfahrens. Insofern ist es sinnvoll, sich auch mit dem Thema Schall zu befassen. Sollen zu Projektbeginn ohne Detailinformationen zu dem Bauvorhaben z.B. dessen Realisierbarkeit und der damit verbundene Aufwand für Schallschutzmaßnahmen abgeschätzt werden, reicht ein Taschenrechner heute nicht mehr aus. Die Erstellung eines 3D-Modells zur Berechnung der Schallausbreitung ist jedoch verfrüht, weil Details zum Bauablaufplan fehlen.

Mit dem Schallbaukasten (SBK) können auch fachfremde Personen u.a. ihre Erfahrungen aus früheren Projekten archivieren, damit den SBK laufend validieren und neue Projekte ohne Detailinformationen überschlägig beurteilen. Es obliegt dem SBK-Anwender, in Excel die SBK-Struktur für weitere Bauverfahren (z.B. offene Verlegung) zu definieren und die Mitarbeiter im Unternehmen so zu schulen, dass sie die integrierten Datenbanken selbständig pflegen und beispielsweise um die Angabe von Investitions- und Betriebskosten erweitern können.

Das SBK-Konzept ersetzt nicht die von einem Fachmann zu erstellende Expertise, kann aber als Grundlage dienen. Um die Sicherheit einer normgerechten Baulärmprognose zu erhöhen, sind Emissionsansätze (idealerweise frequenzabhängig) entsprechend dem aktuellen Stand der Lärmminderungstechnik unerlässlich. Liegen hierzu keine belastbaren Angaben vor, sind diese im Baustellenbetrieb messtechnisch zu ermitteln.

Eine behördlich angeordnete Abnahme bezieht sich in der Regel auf die Schallimmission. Wenn der Immissionsschutzbeauftragte im Rahmen seiner Kontrollmessungen gleichzeitig die Schallleistungspegel der auf der Baustelle befindlichen Anlagen messtechnisch ermittelt, stehen für weitere Prognosen aktuelle Emissionsansätze zur Verfügung. Mit solchen Messungen kann gleichzeitig die Einhaltung von schalltechnisch eindeutig formulierten Ausschreibungen überprüft werden.

Literatur:
[1] Tutorials von Dipl.-Ing. (FH) Klaus Goldemund zu den Grundlagen der Technischen Akustik (www.youtube.com/channel/UCM9_eF6GH3hNcHCCwPDbeVQ)
[2] Zeitschrift tab, Artikel von Dipl.-Ing. (FH) Klaus Goldemund und Anne Griebel, M.Sc. „Schallbaukasten – SBK, erste Schritte für eine akustische Anlagenkonzeption“
[3] AVV-Baulärm: Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm (Geräuschimmissionen) vom 19. August 1970
[4] HLUG: Technischer Bericht zur Untersuchung der Geräuschemissionen von Baumaschinen, Hessisches Landesamt für Umwelt und Geologie, Heft 2 – 2004
[5] DIN EN ISO 3744, Akustik – Bestimmung der Schallleistungs- und Schallenergiepegel von Geräuschquellen aus Schalldruckmessungen, Ausgabe Februar 2011
[6] Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung – 32. BImSchV vom 29. August 2002 (BGBl. I S. 3478), die zuletzt durch Artikel 110 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) geändert worden ist
[7] DIN ISO 9613-2 – Dämpfung des Schalls bei der Ausbreitung im Freien – Februar 1999
[8] CadnaA für Windows, EDV-Programm zur Berechnung und Beurteilung von Lärmimmissionen im Freien, Version 2023 MR 2, DataKustik GmbH, Gilching

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Dipl.-Ing. (FH) Klaus Goldemund, Obermeyer Infrastruktur GmbH & Co. KG, Institut für Immissionsschutz und Technische Akustik, Tel.: 089/5799-677, E-Mail: klaus.goldemund@obermeyer-group.com, Internet: www.obermeyer-group | Foto: IITA-Messungen
Dipl.-Ing. (FH) Klaus Goldemund, Obermeyer Infrastruktur GmbH & Co. KG, Institut für Immissionsschutz und Technische Akustik, Tel.: 089/5799-677, E-Mail: klaus.goldemund@obermeyer-group.com, Internet: www.obermeyer-group | Foto: IITA-Messungen
Vincent Wollinger, B.Eng., Obermeyer Infrastruktur GmbH & Co. KG, Institut für Immissionsschutz und Technische Akustik, Tel.: 089/5799-681, E-Mail: vincent.wollinger@obermeyer-group.com, Internet: www.obermeyer-group | Foto: IITA-Messungen
Vincent Wollinger, B.Eng., Obermeyer Infrastruktur GmbH & Co. KG, Institut für Immissionsschutz und Technische Akustik, Tel.: 089/5799-681, E-Mail: vincent.wollinger@obermeyer-group.com, Internet: www.obermeyer-group | Foto: IITA-Messungen

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