Spezialeinsatz in den Schweizer Bergen

Zur Reinigung und Inspektion von Druckrohrleitungen zweier Wasserkraftwerke in den Schweizer Bergen kam es auf eine intensive Planung und bei der Umsetzung eine flugfähige Ausrüstung an.

Spezialeinsatz mit Transportbox in Schweizer Bergen
1) Die von H & P aufgebaute flugfähige Transportbox mit dem IBAK-Inspektionssystem. 2) Die Transportbox bei der Kraftwerkzentrale, die sich auf einer Seehöhe von 470 m befindet. 3)/4) Die aufgeklappte Transportbox mit einsatzbereiter Inspektionsanlage vor einem Stolleneingang auf ca. 1.300 m ü.M. | Foto: IBAK

Mit der Ausführung der Arbeiten beauftragt wurde die Fretz Kanal-Service AG (Fretz). Was einst als kleiner Familienbetrieb begann, hat sich inzwischen zu einem Unternehmen entwickelt, das von fünf Standorten ausgehend in der gesamten Schweiz tätig ist. Waren es 2011 noch 34 Mitarbeiter, so beschäftigt Fretz heute ein 110-köpfiges Team an den Standorten Einsiedeln, Küssnacht, Altdorf, Baar und Sursee.

Als Komplettanbieter bietet das Unternehmen nicht nur klassische Kanalreinigungen an, sondern auch Dienstleistungen in den Bereichen Inspektion und Unterhalt, Prüfung und Sanierung von Abwasserkanalisationen. Sowohl Privatkunden als auch Großprojekte in Kommunen werden schnell und effizient bedient. Nicht selten wird Fretz für Spezialaufträge angefragt: „Wenn unsere Firma nein sagt, kann es keiner“, erläutert Geschäftsführer Reto Hürlimann einen wesentlichen Teil der Unternehmensphilosophie, sich besonders herausfordernden Aufträgen anzunehmen. Dazu gehörte auch die Reinigung und Inspektion von Druckrohrleitungen aus Stahl, die Wasser zu den Turbinen zweier Wasserkraftwerke hinunter ins Tal führen.

Starker Projektpartner

IBAK entwickelt und produziert hochwertige Kanalinspektions- und Sanierungslösungen für den weltweiten Einsatz. Die H & P Technik AG (H & P) ist seit 2012 in der Schweiz der Vertriebs- und Servicepartner des Herstellers aus Kiel. Neben dem Vertrieb bietet H & P umfassende Serviceleistungen an, die von der Installation und Inbetriebnahme der Systeme bis hin zu regelmäßigen Wartungsarbeiten und Reparaturen reichen. Das Unternehmen verfügt über ein spezialisiertes Team von Technikern, die in der Lage sind, zügig und fachkundig auf die Bedürfnisse der Kunden einzugehen. Darüber hinaus bietet die H & P umfassenden Support und Schulungen, um sicherzustellen, dass die Kunden die IBAK-Systeme optimal nutzen können. Dazu verfügt das Unternehmen am Standort Möriken im Schweizer Kanton Aargau über Leih- und Demogeräte sowie ein Vorführfahrzeug, das mit neuester Inspektions- und Saniertechnik von IBAK ausgestattet ist.

H & P hat sich als zuverlässiger Partner in der Schweizer Kanalbranche etabliert und genießt einen hervorragenden Ruf für ihre Kompetenz und den hohen Standard ihrer Dienstleistungen. Geschäftsführer Hermann Hirt und sein Team legen großen Wert auf eine enge Zusammenarbeit mit ihren Kunden, um maßgeschneiderte Lösungen zu bieten, die ihren spezifischen Anforderungen gerecht werden. So kam es schließlich, dass sich Fretz für die technische Ausstattung des Inspektionsauftrages in luftiger Höhe an H & P wandte.

Erneuerbare Energieproduktion

Die Wasserkraftwerke nutzen zur Stromerzeugung einen Stausee und einen Bach auf unterschiedlichen Gefällstufen. Die Wasserfassung des bereits 1931 realisierten Kraftwerks erfolgt auf rund 850 m über dem Meeresspiegel. Das Wasser für das zweite Kraftwerk aus dem Baujahr 1963 wird auf 1.385 m über dem Meeresspiegel entnommen. Der dort befindliche Stausee war Ausgangspunkt der Inspektions- und Reinigungsarbeiten. Er ist zu Fuß von der Bergstation der Bergbahn aus erreichbar, mit der das Fretz-Team an seinen Einsatzort gelangte.

Es werden einmal 0,5 und auf der höher gelegenen Ebene 0,9 Kubikmeter pro Sekunde eingezogen. Auf dem Weg zur Kraftwerkzentrale strömt das Wasser auf der einen Seite durch eine 3,7 km lange Druckrohrleitung aus Stahl in den Rohrdimensionen DN 700 bis DN 500. Sie führt durch einen 1.610 m langen Stollen. Auf der anderen Seite wird das Wasser durch eine 1,2 km lange Rohrleitung in den Rohrdimensionen DN 650 bis DN 500 mm geleitet, die ebenfalls im Felsen verläuft. Dieser Stollen ist 900 m lang und hat einen Durchmesser von 3 m.

In der Zentrale, die auf einer Seehöhe von 470 m liegt, nutzen Turbinen die Bewegungsenergie des Wassers aus beiden Leitungen und wandeln sie in elektrische Energie um. Sie erzeugen gemeinsam mehr als 30 Gigawattstunden nachhaltigen Strom aus Wasserkraft, was ausreicht, um etwa 7.200 Haushalte zu versorgen. Im Vergleich zu einem Kohlekraftwerk sparen die Kraftwerke jährlich rund 40.000 Tonnen CO2 ein.

Der Kraftwerksbetreiber führt regelmäßige Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten durch; alle zwei Monate werden bspw. die Leitungen im Stollen zur äußeren Sichtkontrolle abgegangen. Nun sollten beide Leitungssysteme einer umfassenden Reinigung und professionellen Full-HD-Inspektion durch Fretz als ausführendes Fachunternehmen unterzogen werden.

Flugfähige 500-Meter-Anlage

Um den Inspektionsauftrag zu realisieren, wurde eine 500-Meter-Full-HD-Anlage benötigt, die mit einem Helikopter in die Berge geflogen werden kann. Zunächst stellte sich die Frage, wieviel Platz notwendig ist, um die benötigte Inspektionstechnik unterzubringen: „Im Prinzip musste eine komplette IBAK-Inspektionsanlage möglichst kompakt in eine flugfähige Transportbox integriert werden, die am Ziel sofort betriebsbereit ist. Dazu sollte sie mindestens von zwei Seiten zugänglich sein“, erläutert H & P-Geschäftsführer Hermann Hirt die Anforderungen.

H & P konstruierte in Zusammenarbeit mit einem regionalen Partner eine Transportkiste aus Aluminium. Die Dimension der Box definierte das H & P-Team auf 1,5 m Breite und Tiefe sowie 1,3 m Höhe. Die Einzelanfertigung wurde mit einem stabilen Profil-Boden und Transportösen versehen, um die Aufnahme mit einem Gabelstapler und in diesem Fall auch durch einen Hubschrauber zu gewährleisten. Die Zugänglichkeit zur Anlage wurde über nach oben klappbare Seitenwände gelöst. Diese konnten am Einsatzort als Dach zum Schutz vor Sonne oder Regen genutzt werden.

Das Bodenpersonal fixierte in wenigen Sekunden die Transportbox mit der IBAK-Inspektionstechnik an dem Helikopter, der das Hightech-Equipment sicher zum Einsatzort in über 1.300 m Höhe brachte. | Foto: IBAK
„Da die Platzverhältnisse auf dem Berg sehr eng sind, haben wir alle vier Seitendeckel demontierbar konstruiert, für den Fall, dass sie vor Ort nicht ausgeklappt werden können. Jede Seite wurde beschriftet, sodass gleich beim Absetzen der Box klar ist, wie man sie zum Arbeiten hinstellen muss“, führt Hermann Hirt weiter aus. Analog zum Fahrzeugbau wurde hinten der Windenausleger der Kabelwinde KW 505 montiert und auf der gegenüberliegenden Seite die Steuereinheit BS 7 positioniert. Die Fahrwagen T66 und T76, die Full-HD-Inspektionskameras Orion 3 und Orpheus 2 samt Umlenkrollen und Zubehör wurden so platziert, dass sie in der Box sicher fixiert sind und dennoch für einen zügigen Arbeitsablauf schnell entnommen werden konnten. Die so bestückte Box hatte ein Gesamtgewicht von etwa 350 kg. Die Flughelfer konnten sie in wenigen Sekunden mit langen Gurten an dem Helikopter fixieren, der sogleich mit der Inspektionsanlage abhob.

Reibungsloser Ablauf dank Präzision

Oben standen das dreiköpfige Fretz-Team und zwei Mitarbeiter des Kraftwerkbetreibers bereit, die jeden der insgesamt sechs Arbeitstage den Aufstieg mittels Bergbahn sowie einen Teil zu Fuß absolvierten. Für die Umsetzung musste ein knappes Zeitfester eingehalten werden: Es wurde eine möglichst trockene Zeit gewählt und der Stausee abgelassen, sodass die Leitungen nicht mehr unter Druck standen. Dementsprechend wurde für die Dauer des Einsatzes kein Strom erzeugt.

Zunächst wurden die Leitungen mit einem Fretz-eigenen Spülgerät gereinigt. Dazu wurden vier Wassertanks, die aufgrund von Flugbestimmungen nur mit bis zu 700 Litern Wasser gefüllt waren, ebenfalls per Helikopter auf den Berg gebracht. Das Fretz-Team spülte die Leitungen, die aus den Jahren 1940er und 1960er Jahren stammen, sowohl zweimal von oben als auch zweimal von unten. Um im Stollen arbeiten zu können, wurden die Kabel durch ein Mannloch geführt und vorher umgeleitet sowie richtig positioniert, um möglichst viel Kabel nutzen zu können. Das Fretz-Team stieg im Felsen die 350 Treppenstufen neben der Rohrleitung über eine Strecke von 3 km und bei einem Gefälle von 45 Grad hinunter zur Turbine. Dabei wurde alle 200 Meter ein Deckel geöffnet. Auch im 900 m lange Stollen wurde auf diese Weise verfahren. Eine Stromversorgung war in beiden Stollen vorhanden.

Inspiziert wurde vor allem mit der Full-HD-Schwenkkopfkamera Orpheus, die an dem mit großen Luftreifen bestückten Fahrwagen T76 betrieben wurde. Das Full-HD-Kamerabild wurde auf die Monitore in der Transportbox übertragen. Bei Bedarf hätte mit den am voll rotationsfähigen Kamerakopf integrierten Lasern auch eine kontinuierliche Profilmaßbestimmung vorgenommen werden können.

Dem Vorhaben ging eine intensive Planungsphase voraus; lediglich 20 Prozent der Gesamtprojektzeit entfielen für die eigentliche Umsetzung, bei der jeder Handgriff sitzen musste und es keine technischen Überraschungen geben durfte. Die umfassende Vorbereitung zahlte sich aus, jedoch blieb das Wetter unvorhersehbar. Es kam vor, dass auf dem Berg gute Wetterbedingungen waren, aber der Helikopter wegen des Nebels im Tal nicht fliegen konnte. Auch an einem der ersten möglichen Einsatztage herrschte Nebel, sodass das Fretz-Team zunächst einem anderen regulären Inspektionsauftrag nachging. „Ihr müsst kommen, sie können jetzt fliegen“, erinnert sich Inspekteur Peter Huwiler, der seit 30 Jahren für Fretz tätig ist, an den unerwarteten Anruf, der ihn nachmittags um 3 Uhr erreichte. Er und sein Kollege Miro Dubovac bewiesen Flexibilität und Einsatzbereitschaft und machten sich unverzüglich auf den Weg. „Solche Projekte zu realisieren, gelingt nur mit Top-Mitarbeitern und zuverlässigem Equipment“, sagt Reto Hürlimann rückblickend.

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8) Im Felsen führen Treppenstufen entlang der zu inspizierenden Druckrohrleitung, die mit einem Gefälle von etwa 45 Grad zu den Turbinen im Tal verläuft. 9)/10) Die unstetigen Wetterverhältnisse beeinflussten die Arbeit stark: Diese beiden Aufnahmen sind an zwei aufeinanderfolgenden Tagen an gleicher Stelle entstanden. | Foto: IBAK
8) Im Felsen führen Treppenstufen entlang der zu inspizierenden Druckrohrleitung, die mit einem Gefälle von etwa 45 Grad zu den Turbinen im Tal verläuft. 9)/10) Die unstetigen Wetterverhältnisse beeinflussten die Arbeit stark: Diese beiden Aufnahmen sind an zwei aufeinanderfolgenden Tagen an gleicher Stelle entstanden. | Foto: IBAK

Das Ergebnis dieses anspruchsvollen Einsatzes war ein voller Erfolg: Die jahrzehntealten Leitungen wurden gründlich gereinigt und inspiziert, wodurch ihre Funktionalität und Sicherheit sichergestellt wurden. Bei den Inspektionen wurden keine Ablagerungen oder Schäden festgestellt. Das Ergebnis der Inspektionen bestätigte, dass die Leitungen der Kraftwerke in einem guten Zustand sind, was die Effizienz und Nachhaltigkeit der Energieproduktion gewährleistet.

H & P setzte diese Sonderanfertigung inklusive Planung in nur 5 Wochen um. „Wir haben bei diesem Einsatz Erfahrung gesammelt und bereits einige Optimierungen an der Transportbox vorgenommen. Zum Beispiel haben wir inzwischen die Seitendeckel mit einem Kantenschutzprofil abgedichtet. Die Box ist einsatzbereit und kann jederzeit bei uns als Mietgerät abgefragt werden. Die Firma Fretz konnte bei diesem Projekt mit einem Generator arbeiten; eine mobile Stromversorgung wäre aber auch möglich gewesen. Die Anlage ist zudem 4K-fähig, sodass man daran auch ein Panoramo-System betreiben könnte“, erläutert Hermann Hirt bereits mit Blick auf weitere mögliche Projekte.

Die professionelle Arbeit des Fretz-Teams, unterstützt durch die technische Expertise von H & P, ermöglichte eine detaillierte Überprüfung der Rohrleitungen. Trotz unstetiger Wetterbedingungen und logistischen Herausforderungen konnte das Projekt planmäßig abgeschlossen werden. Dieser Einsatz zeigt, dass mit einer sorgfältigen Planung, der richtigen Ausrüstung sowie zuverlässiger Technik und einem engagierten Team auch komplexe und herausfordernde Projekte erfolgreich umgesetzt werden können.

Quelle: IBAK


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