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KI-gestützte Alterungsprognose für Kanalnetze

Als ganzheitlicher Systemanbieter für die Kanalrohrbranche widmet sich IBAK bereits der Zustandserkennung von Kanalnetzen mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) und weiteren KI-Projekten wie der autonomen Kamerasteuerung. Als nächsten logischen Schritt setzt sich das Unternehmen nun auch mit der Alterungsprognose von Kanalinfrastrukturen auf KI-Basis auseinander.

Effiziente Instandhaltung: KI-gestützte Alterungsprognose für Kanalnetze
Abb. 1: Einzelprognose der Alterung für eine Haltung seit der letzten Inspektion mit Darstellung der Substanzklassenübergänge. Klasse 6: gut (grün), Klasse 1: schlecht (rot); Degradationswert von 0 (perfekt) bis 1 (schlecht). | Foto: IBAK

IBAK entwickelt ein Modell, das die vorhandenen Informationen über ein Kanalnetz substanzbezogen analysiert und eine KI-basierte Prognose über die Degradation von Einzelhaltungen und des gesamten Netzes erstellt. Die Aussagekraft der Prognosen wird dabei unter anderem durch eine KI-basierte Plausibilisierung, Vervollständigung und Bereinigung der Eingangsdaten aus der Kanaldatenbank sicherstellt.

Herausforderungen mit alternden Kanalnetzen

Mit der Zeit verschleißen die materiellen Vermögenswerte der Kanalnetze, was zu einem kontinuierlichen Substanzverlust führt. Ein Netzbetreiber muss die Alterung und den damit verbundenen Substanzverzehr der Abwassersysteme genau im Blick behalten, um mit der Zeit nicht mit zunehmend größeren und womöglich mit nicht mehr beherrschbaren Instanthaltungsproblemen konfrontiert zu sein. Der Alterungsprozess wird durch viele Faktoren wie verwendete Materialien, Bauqualität, Bodenbeschaffenheit und die Belastung durch den Straßenverkehr beschleunigt. Diese natürlichen Abnutzungserscheinungen können nicht nur die Funktionstüchtigkeit der Rohre beeinträchtigen, sondern zu Leckagen führen, die das Grundwasser verunreinigen, oder eigentlich sauberes Grundwasser über den Kanal ableiten und unnötig die Kläranlagen belasten.

Eine zentrale Maßnahme zur Vermeidung solcher Probleme ist eine effiziente und vorausschauende Wartung. Diese setzt jedoch eine sorgfältige Planung und hohe Investitionen voraus, um Inspektionen, Zustandsbewertungen und Sanierungen rechtzeitig und gezielt durchzuführen. Die heutigen Instandhaltungsprozesse sind zwar weitgehend etabliert, betrachten jedoch häufig lediglich den aktuellen Zustand, ohne zu ermitteln, ob die Substanz im Zeitverlauf für die geplanten Instandhaltungsmaßnahmen noch ausreichend sein wird.

Bei der intervallbasierten Inspektionsplanung werden oft Kanäle untersucht, die noch in gutem Zustand sind, während tatsächlich gefährdete Abschnitte unentdeckt bleiben, bis ernsthafte Schäden auftreten. Kritische Defekte erfordern sofortige Maßnahmen, während weniger dringende, aber schleichende Verschleißerscheinungen frühzeitig erkannt und in die langfristige Sanierungsplanung einbezogen werden müssen. Um diese Anforderungen zu erfüllen, ist ein dynamisches Planungs- und Prioritätensystem nötig, das neben den derzeit zugrunde gelegten Schadensklassen auch die Substanzklassen berücksichtigt.

Hinzu kommt, dass die am Markt bereits etablierten Modelle zur Prognose des Investitionsbedarfs eine umfassende und konsistente Datengrundlage erfordern und mit hohen Kosten bei den Anbietern verbunden sind.

Langfristige Netzprognosen

An dieser Stelle setzt das neue Entwicklungsprojekt von IBAK an. Auf Basis der vorhandenen Kanalnetzdaten sollen damit fundierte Prognosen über den künftigen Zustand einzelner Abschnitte sowie des gesamten Kanalnetzes erstellt werden. Die Prognosen eröffnen die Möglichkeit, zügig einen Einblick in die Zustandsentwicklung des Kanalnetzes zu erhalten. Sie geben damit z.B. den Netzbetreibern eine Hilfestellung, ihre Arbeitskraft zielgerichtet und nachhaltiger in die vorausschauende Instandhaltung ihrer Infrastruktur einzubringen.

Ferner können Budgets effizienter verwaltet werden, indem dringende Sanierungsmaßnahmen priorisiert und langfristige Investitionen strategisch ausgerichtet werden können. Damit wird nicht nur die Substanz des Kanalnetzes nachhaltig gesichert, sondern auch die Planungs- und Entscheidungsprozesse der Betreiber signifikant verbessert.

Wertentwicklung zur Budgetoptimierung

Das von IBAK entwickelte Degradationsmodell arbeitet auf Basis der jüngsten Inspektionsdaten (Stamm- und Zustandsdaten) einer Haltung. In die Prognoseberechnung fließen Parameter ein, welche – neben den Zustandsdaten der Inspektion – einen signifikanten Einfluss auf die Alterung von Haltungen haben.

Eine zentrale Herausforderung vor Berechnung der Prognose der Substanzentwicklung besteht darin, dass Haltungen nach verschiedenen Bewertungsrichtlinien (wie z.B. ISYBAU, DWA-M 149-2, EN-13508 und ATV-M 143-2) vorgenommen werden. IBAK hat dafür spezielle Algorithmen entwickelt, die eine Prognose für Haltungen ermöglichen und vergleichbar machen, die nach verschiedenen Normen und Kodiersystemen inspiziert worden sind. Die Genauigkeit des Modells wurde anhand umfangreicher Validierungen evaluiert und bestätigt.

Mit dem von IBAK entwickelten Modell ist es möglich, haltungsscharf, das heißt für jede einzelne Haltung eines Netzes, eine Prognose zu berechnen und den Verlauf der Alterung abzubilden (vgl. Abb. 1). Haltung für Haltung kann demzufolge die Degradation des gesamten Kanalnetzes in der Zukunft berechnet werden. Außerdem werden für jede Haltung die Kosten in Euro (Substanzwert) ermittelt, die aufgebracht werden müssten, um die Haltung zu erneuern. Kombiniert man nun das Wissen über die Alterung mit dem monetären Wert einer Haltung, ist es möglich, die Entwicklung des Geldwertes einer Haltung (€) in der Zukunft darzustellen.

Auch wenn die Alterungsprognose selbst bereits eine Basis für die Etablierung langfristiger Instandhaltungsstrategien eines Kanalnetzes bildet, wird sie erst durch die Erweiterung mit der Geldwertentwicklung komplettiert. Mit den Informationen zur Alterung, zum Wert und zur Wertentwicklung wird es möglich, langfristig vorausschauend ein jährliches Budget zu definieren. Darüber hinaus kann analysiert werden, was mit einem bestimmten Budget Jahr für Jahr erreicht werden kann. So lassen sich gezielte und effiziente langfristige Sanierungsstrategien auf Grundlage von Substanz und Kosten entwickeln.

Datenqualität als Grundlage

Die Aussagekraft solcher Prognosen hängt maßgeblich von der Qualität der Eingangsdaten ab.Um verlässliche Prognosen zu gewährleisten, müssen die Stammdaten weitestgehend vollständig und korrekt sein. Dazu hat IBAK die Möglichkeit einer Daten-Validierung vorgesehen: Vor der Prognose kann das System die geladenen Projektdaten auf Vollständigkeit und Plausibilität prüfen. Zunächst werden dazu Haltungen identifiziert, die aufgrund fehlender oder fehlerhafter Werte für eine Prognose ungeeignet sind. Ein Algorithmus erkennt inkonsistente Einträge und markiert sie für eine weitere Prüfung.

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Anschließend kann ein Vorschlagssystem angewandt werden, um fehlende Werte zu ergänzen oder fehlerhafte Einträge zu korrigieren. Das System nutzt hierbei zwei Ansätze: eine KI-basierte und eine regelbasierte Datenkorrektur, die logische Zusammenhänge und Abhängigkeiten in den Daten berücksichtigt. Es werden historische und verwandte Daten analysiert, um Vorschläge für fehlende oder inkonsistente Einträge zu generieren.

Durch die Kombination von KI-gestützter und logischer Validierung kann die Qualität der Eingangsdaten signifikant und mit überschaubarem Aufwand gesteigert werden. Mit der gezielten Datenprüfung, -vervollständigung und -bereinigung wird die Menge der verarbeitbaren Haltungen erhöht. Die Aussagen über das Kanalnetz werden genauer. Dies stellt einen wichtigen Schritt in Richtung einer datengetriebenen, nachhaltigen Instandhaltung dar.

Implementierung

IBAK arbeitet gegenwärtig daran, die Prognosen zur Netzalterung in verschiedenen Softwarelösungen verfügbar zu machen, darunter das Inspektionssystem IKAS evolution, das Kanalinformationssystem IKIS sowie eine Web-Applikation. Während IKAS evolution auf die Erfassung, Analyse und Dokumentation von Kanaldaten ausgerichtet ist, unterstützt IKIS die Netzbetreiber bei der Verwaltung dieser Daten. Auch in der Web-Applikation könnten die Prognosedaten flexibel berechnet und genutzt werden.

Innerhalb der Oberfläche werden umfassende Möglichkeiten zur Berechnung und Anwendung der Prognosedaten für ein geladenes Projekt geschaffen. So sind z.B. in der sogenannten Objektliste für jede Haltung die Alterung, der Wert und weitere Informationen schnell ersichtlich. Für jede einzelne Haltung können zudem Details hinsichtlich der Alterung aufgerufen und Informationen wie z.B. die Entwicklung des Geld- oder Substanzwerts der Haltung in Euro eingesehen werden.

Abb. 2: Teilnetz einer Kommune mit dem Zustand des Netztes im aktuellen Jahr (2024) über alle Substanzklassen von 1 (dunkelrot) bis 6 (grün). | Foto: IBAK
Abb. 2: Teilnetz einer Kommune mit dem Zustand des Netztes im aktuellen Jahr (2024) über alle Substanzklassen von 1 (dunkelrot) bis 6 (grün). | Foto: IBAK
Außerdem wird in der Web-Applikation eine Zusammenfassung der Alterungsprognose für das gesamte Netz visualisiert. Somit ist die Veränderung des Netzes, in Form der Alterung, nachvollziehbar (vgl. Abb. 2 und 3). In der Web-Applikation wird außerdem dargestellt, wie sich der Geldwert des Gesamtnetzes mit der Zeit verändert, wenn jährlich ein fixes Budget in Erneuerungsmaßnahmen des Netzes investiert wird. Selbst fachfremde Personen können damit leicht nachvollziehen, wie sich der Wert eines Netzes stabilisieren kann, wenn Geld für die Instandhaltung investiert wird. Durch die Visualisierung dieser Daten wird der Sachverhalt für den Anwender unmittelbar nachvollziehbar.

Zusätzlich wird in dem Tool der Zustand des Netzes für jedes beliebige Jahr im Prognosezeitraum anhand von Netzplänen veranschaulicht werden können (vgl. Abb. 3 beispielhaft für die Jahre 2038 und 2050).

Abb. 3: Hotspot-Analyse des Teilnetztes aus Abb. 2 mit der prognostischen Entwicklung für Haltungen der Substanzklassen 1 und 2; links im Jahr 2038 und rechts im Jahr 2050. | Foto: IBAK
Abb. 3: Hotspot-Analyse des Teilnetztes aus Abb. 2 mit der prognostischen Entwicklung für Haltungen der Substanzklassen 1 und 2; links im Jahr 2038 und rechts im Jahr 2050. | Foto: IBAK

Neben der Hotspot-Analyse auf Haltungsebene können Hotspots bezogen auf ganze Straßenzüge identifiziert werden (vgl. Abb. 4). Dabei werden alle Haltungen unter einer bestimmten Straße betrachtet und ein Degradationsfaktor für die gesamte Straße errechnet. Beispielsweise können Straßenzüge mit einem dringenden Handlungsbedarf ermittelt werden. Es entsteht ein KI-gestütztes Tool, das eine einfache und vorausschauende Identifizierung von Haltungen und Straßenzügen mit hohem Instandhaltungsbedarf ermöglicht.

Abb. 4: Identifizierte „Top-5-Straßen“, welche für das Jahr 2027 die meisten Haltungen in den Substanzklassen 1 und 2 besitzen und folglich erneuert werden müssten | Foto: IBAK
Abb. 4: Identifizierte „Top-5-Straßen“, welche für das Jahr 2027 die meisten Haltungen in den Substanzklassen 1 und 2 besitzen und folglich erneuert werden müssten | Foto: IBAK

KI-basierte Prognosen und Effizienzgewinne

Netzbetreiber stehen vor der Herausforderung, Inspektionsdaten zu verwalten, Anlagen zu priorisieren und proaktive Instandhaltungspläne für ihre unterirdische Infrastruktur zu entwickeln. Das von IBAK entwickelte Degradationsmodell wird Netzbetreiber bei diesen Aufgaben unterstützen, indem es die Entscheidungsfindung erleichtert und eine betriebswirtschaftliche Optimierung der Mittelverwendung ermöglicht.

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Das nach wissenschaftlichen Standards validierte Modell leistet einen wesentlichen Beitrag für die langfristige Erhaltung der Infrastrukturen und für eine verbesserte Kostenkontrolle. Die Entscheidungen zur Sanierung werden fundiert auf Basis valider Prognosen getroffen, wodurch der optimale Zeitpunkt für Sanierungsmaßnahmen ermittelt werden kann.

Danksagung

Das beschriebene IBAK-Entwicklungsprojekt basiert auf Forschung, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Projekts KIKI (Förderkennzeichen 02WDG1594A) gefördert wurden. Die Autoren bedanken sich für die Unterstützung und Zusammenarbeit mit dem August-Wilhelm Scheer Institut für digitale Produkte und Prozesse GmbH, dem Institute für Software and Systems Engineering, Technische Universität Clausthal, Eurawasser GmbH & Co. KG, AHT AquaGemini GmbH und Entsorgungsverband Saar.

Quelle: IBAK

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