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Von turnusmäßiger zu bedarfsgerechter Kanalreinigung

Aus Internet of Things (IoT), smarter Sensorik und künstlicher Intelligenz hat die Kanal-Netz GmbH eine Lösung hin zu einer bedarfsgerechten Kanalreinigung entwickelt.

Kanalreinigung: Smarte Entwässerung mittels Sensorik und künstlicher Intelligenz
Abb. 1: Einsparpotenziale durch die Umstellung auf eine datenbasierte Kanalreinigung | Foto: Kanal-Netz GmbH

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Die Reinigung von kommunalen und industriellen Abwasserkanälen erfolgt in Deutschland überwiegend durch turnusmäßige Spülvorgänge – ohne zu wissen, ob eine Reinigung tatsächlich erforderlich ist. Die Kosten für die Reinigung der kommunalen Kanalnetze liegt in Deutschland bei etwa 490 Mio. € pro Jahr. Laut einer Studie des Instituts für Unterirdische Infrastruktur (IKT) sind bis zu 88 % aller turnusmäßigen Spülvorgänge in Kanälen unnötig und bergen somit ein Einsparpotenzial von etwa 430 Mio. € pro Jahr durch die Umstellung auf eine bedarfsorientierte Reinigung der Kanalnetze. Die Abbildung 1 zeigt einen Überblick über die Einsparpotenziale im Bereich der Kanalreinigung.

Unnötige Spülvorgänge stellen nicht nur einen monetären Verlust sowie Umweltbelastungen dar, sondern auch eine ineffiziente Nutzung der wertvollen Kapazitäten von rarem Fachpersonal. Der Fachkräftemangel trifft auch die Entwässerungsbetriebe hart, erfahrenes Personal steht kurz vor dem Ruhestand und junger Nachwuchs bleibt aus. Und erschwerend hinzu kommen zusätzliche Aufgaben, die weitere Kapazitäten erfordern. Hinzu kommt der Klimawandel mit zunehmenden Extremwetterereignissen als auch räumliche Bevölkerungsbewegungen, die den Betrieb und die Ablagerungsprognose weiter erschweren.

Um der hoheitlichen Aufgabe auch in Zukunft mit sinkender Verfügbarkeit von Fachpersonal und zunehmenden Umweltveränderungen nachzukommen, bedarf es einer Optimierung von Betriebsprozessen, und die Kanalreinigung bietet dabei enormes Potenzial. Für eine bedarfsgerechte Reinigung muss eine Vorhersage zum Ablagerungsverhalten in Kanälen, Sinkkästen und Sonderbauwerken getroffen werden, um dort agieren zu können, wo es notwendig ist. Mit einer aktuell praktizierten zeitintensiven Inaugenscheinnahme durch das Betriebspersonal werden Momentaufnahmen kreiert, die eine Optimierung des Betriebs nicht ermöglichen. Was es braucht, ist eine digitale Überwachung in Echtzeit, um dort reagieren zu können, wo Bedarf ist und um Prognosen zur Planung zu stellen.

Abb. 2: Smarte Entwässerung – Überblick der Komponenten | Foto: Kanal-Netz GmbH
Abb. 2: Smarte Entwässerung – Überblick der Komponenten | Foto: Kanal-Netz GmbH

Ist-Zustand: Aktuelle Ansätze von Entwässerungsbetrieben

Einige Entwässerungsbetriebe haben aufgrund der zunehmenden Herausforderungen bereits Ansätze zur bedarfsgerechten Reinigung umgesetzt. Die Ablagerungshöhen sowie Reinigungsintervalle werden durch die Betriebstrupps über mehrere Jahre beobachtet und mittels Tabellen dokumentiert. Die Überprüfung davon passiert weiterhin manuell. Geschultes Personal fährt regelmäßig kritische Stellen ab, um diese zu überprüfen. Stützend auf jahrelangen Beobachtungen und Erfahrungswerten werden dann Intervalle definiert, wie oft Haltungen überprüft und gespült werden müssen. Mittels eines Ampelsystems werden Spülaufträge generiert und je nach Ablagerungsverhalten angepasst. Die Problematik bei der „bedarfsgerechten Kanalreinigung“ durch Erfahrungswerte und manuelle Beobachtungen ist jedoch, dass nur eine Momentaufnahme wiedergeben wird. Die Überprüfung der Haltungen muss nach wie vor manuell betrieben werden, das heißt es müssen wertvolle Ressourcen (Fachkräfte) aufgewendet werden, um Haltungen zu überprüfen. Das kostet nicht nur Zeit und Geld, sondern führt auch zu einer Fehlallokation der Ressourcen, da Sie oft ausfahren müssen, um dann festzustellen, dass noch nicht gereinigt werden muss. Zusätzlich kann das Problem von vermehrten Extremwettereignissen nicht in die Berechnung mit einbezogen werden, da sich das veränderte Wetterbild nicht durch vergangene Ereignisse abbilden lässt.

Die Zukunft: Mit dem Internet der Dinge zu smarter Entwässerung

Die Problemlösung erfordert eine kontinuierliche Überwachung des Netzes und mit dem Internet of Things (IoT), dem Internet der Dinge, kann man genau das ermöglichen. Die Kanal-Netz GmbH aus Düsseldorf hat bereits eine Lösung für die Bewältigung der oben genannten Probleme in der Entwässerung auf den Markt gebracht. Die Technologie besteht aus drei Hauptkomponenten: KI-basierter Algorithmus, Sensorik und Dashboard. Die folgende Darstellung gibt einen ersten Überblick über die Komponenten und verdeutlicht die Funktionsweise der Technologie. Im Folgenden werden die einzelnen Komponenten und deren Zusammenhänge detailliert erläutert.

1. Komponente KI-basierter Algorithmus

Um ein Netz mit Sensorik auszustatten, stellt sich zunächst die Frage, wo in meinem Netz kritische Stellen vorliegen. Um genau diese Frage zu beantworten, hat Kanal-Netz einen intelligenten Algorithmus entwickelt, der die Ablagerungswahrscheinlichkeit im Kanalnetz berechnet und somit die kritischen Einbauorte definiert. Die Berechnungen basieren auf Dateninput, der sich aus vier Säulen zusammensetzt:

  • hydraulische Daten
  • GIS-Daten
  • Daten zu Schadensbildern
  • historische Reinigungsdaten
Abb. 3: Ultraschallsensor. Der Ultraschallkopf (hellgrau) ist mit einem Verbindungskabel mit dem Funkmodul (schwarz) verbunden. | Foto: Kanal-Netz GmbH
Abb. 3: Ultraschallsensor. Der Ultraschallkopf (hellgrau) ist mit einem Verbindungskabel mit dem Funkmodul (schwarz) verbunden. | Foto: Kanal-Netz GmbH

2. Komponente Sensorik

Nachdem die kritischen Stellen identifiziert und verifiziert wurden, geht es an den Einbau der Sensorik (Abbildung 3) an genau den entsprechenden Haltungen. Der Ultraschallsensor wird im oberen Schacht einer Haltung installiert. Das Funkmodul wird unterhalb des Schachtdeckels befestigt. Die Sensoren messen täglich Ablagerungen und Füllstände in zahlreichen Anwendungsbereichen des Entwässerungssystems. Die Anzahl der Sensoren, die verbaut werden, hängt von einigen Faktoren ab und variiert entsprechend. Man rechnet mit ca. 10-20% des Netzes, das ausgestattet werden sollte, um ein ganzheitliches Bild des Ablagerungsverhaltens zu schaffen und alle kritischen Stellen abzudecken. Der folgenden Tabelle sind die technischen Details der Sensorik zu entnehmen:

Technische Details

LoRaWAN

Narrowband IoT

Ex-Zertifizierung

ATEX-Zone 1

IECEx Zone 0

Wasserdichtigkeit

IP68

IP68

Temperaturbereich

-20 °C bis 55 °C

-20 °C bis 55 °C

Batterielaufzeit

Bis zu 15 Jahre

Bis zu 10 Jahre

Ultraschallbereich

12 cm bis < 4 m

12 cm bis < 4 m

Die täglichen Messwerte werden per Funk an ein webbasiertes Dashboard oder über eine Schnittstelle direkt an die Betriebsführungssoftware übermittelt. Es bieten sich zwei unterschiedliche Funkinfrastrukturen an: LoRaWAN & Narrowband IoT (NB-IoT). Beide Technologien agieren im LPWAN(Low Power)-Bereich. Beide Technologien zeichnen sich dadurch aus, dass die Sensoren sehr lange Batterielaufzeiten aufweisen, da auch nur kleine Datenmengen übermittelt werden. Anders als bei 5G beispielsweise, wo Daten in Echtzeit gesendet werden, sendet der Sensor bei LoRaWAN und NB-IoT in bestimmten Intervallen, z.B. einmal täglich, Daten. Für die Überwachung von Kanälen ist das ideal.

Funktionsweise LoRaWAN

LoRaWAN steht für Long Range Wide Area Network und ist ein Kommunikationsprotokoll für drahtlose batteriebetriebene Systeme in einem regionalen, nationalen oder auch globalen Netzwerk. Die Systemarchitektur ist typischerweise in einer Sterntopologie angeordnet, bei welcher die Gateways die Verbindung zwischen dem zentralen Netzwerkserver und den Endgeräten herstellen. Sensoren sind somit nicht einem bestimmten Gateway zugeordnet, sondern übertragen Daten an mehrere Gateways. LoRaWAN verfolgt eine bidirektionale Kommunikation, Lokalisierung und Mobilität von Dienstleistungen, eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und die Mobilität von Dienstleistungen, alles wichtige Anforderungen an das Internet of Things (IoT). Abbildung 4 verbildlicht den Zusammenhang zwischen unserem LoRaWAN-Sensor und den weiteren technischen Komponenten.

Abb. 4: Funktionsweise LoRaWAN-Funktechnologie | Foto: Kanal-Netz GmbH
Abb. 4: Funktionsweise LoRaWAN-Funktechnologie | Foto: Kanal-Netz GmbH

Funktionsweise NB-IoT

Narrowband IoT ist eine Erweiterung des LTE-Mobilfunkstandards. Narrowband, zu Deutsch Schmalband, deutet das Ziel einer zuverlässigen Übertragung von kleinen Datenmengen bereits an. Mobilfunkanbieter sind Inhaber des Netzes und bieten eine Nutzung an. Die Datenübertragung zu den Ablagerungen erfolgt vom Sensor an den Mobilfunkmasten und wird anschließend über den Server des entsprechenden Mobilfunkanbieters an den Kanal-Netz-Server gesendet. Anschließend werden die Daten auf dem Dashboard dargestellt. Anders als bei LoRaWAN wird bei NB-IoT kein zusätzliches Gateway benötigt. Abbildung 5 zeigt die Funktionsweise der Funktechnologie.

3. Komponente Dashboard

Die dritte Komponente ist das webbasierte Dashboard. Die Messwerte aus dem Kanal werden per Funk an das Dashboard gesendet, dort gesammelt, überwacht und Spülaufträge auf Basis der Datengrundlage geplant. Zu jedem Sensor sind die Ablagerungen in %, die letzte absolute Messung des Abwasserstands und der Status über verschiedene Ansichten einsehbar. Schacht- und Haltungsnummern, Status und Adressen können gefiltert werden, um eine Suche zu erleichtern.

Mittels API ist die Anbindung zur eigenen Betriebsführungssoftware problemlos möglich. So können die Daten und Benachrichtigungen in der eigenen Software empfangen und direkt in die bestehenden Betriebsprozesse integriert werden. So ist eine gezielte und effiziente Spülauftragsplanung gewährleistet.

Abb. 5: Funktionsweise NB-IoT Funktechnologie | Foto: Kanal-Netz GmbH
Abb. 5: Funktionsweise NB-IoT Funktechnologie | Foto: Kanal-Netz GmbH

Wie Betriebe von der Kanal-Netz-Lösung profitieren können

Die Probleme in der Entwässerung und ihre Konsequenzen können mit der Nutzung unserer Technologie behoben werden. Die Kombination aus intelligentem Algorithmus, kontinuierliche Datenakquise durch Sensoren und die Überwachung über das Dashboard oder die Betriebsführungssoftware ermöglichen eine Umstellung von der manuellen, turnusmäßigen zu einer automatisierten, bedarfsgerechten Überwachung und Reinigung. Spülauftrage werden aufgrund erhobener Daten erstellt und Prognosen zu zukünftigen Reinigungszeitpunkten werden getroffen. Dank der Technologie wird nur noch dann gespült, wenn es wirklich notwendig ist.

Durch die Reduzierung der Spülungen erreichen Betriebe Einsparungen von bis zu 60 %. Dem Fachkräftemangel kann somit entgegengewirkt und Kapazitäten der Mitarbeiter frei für andere Aufgaben gemacht werden. Die Einsparungen sind nicht nur zeitlichen oder monetären, sondern auch ökologischen Hintergrunds. Durch Einsparungen von Fahrten und Spülgängen werden signifikante Reduzierungen der CO2-Emissionen und des Frischwasserverbrauchs erreicht. Ein weiterer wichtiger Umweltfaktor ist die Entstehung von Mikroplastik. Laut einer Studie des Fraunhofer Instituts ist Reifenabrieb auf Platz 1 der Verursacher von Mikroplastik [1]. Durch eine Reduzierung der Ausfahrten um mehr als die Hälfte kann auch die Entstehung von Mikroplastik reduziert werden und zum Umweltschutz beigetragen werden. Des Weiteren ermöglichen die täglichen Messdaten, die Netzauslastung vor allem bei Extremwetterereignissen besser zu verstehen und entsprechend handeln zu können.

Referenzprojekt mit dem Wirtschaftsbetrieb Hagen WBH

Die Implementierung der Technologie wird im Folgenden am Referenzprojekt mit dem Wirtschaftsbetrieb Hagen WBH (AöR) beschrieben. Dem WBH unterliegt neben zahlreichen Aufgaben auch die Kanalnetzunterhaltung der Stadt Hagen. Im Rahmen der Digitalisierung stellt der WBH nicht nur die betriebswirtschaftlichen Abläufe durch Einführung einer ERP-Software oder Einführung einer digitalen Unterweisungssoftware um, sondern optimiert auch den Entwässerungsbereich mit dem Einsatz der Technologie der Kanal-Netz GmbH zur Umstellung von bislang turnusmäßigen auf bedarfsorientierte Reinigungsvorgänge.

Abb. 6: Installation der Sensorik beim Wirtschaftsbetrieb Hagen WBH AöR | Foto: Kanal-Netz GmbH
Abb. 6: Installation der Sensorik beim Wirtschaftsbetrieb Hagen WBH AöR | Foto: Kanal-Netz GmbH
Um der hoheitlichen Aufgabe der Kanalnetzunterhaltung mit voller Zuverlässigkeit nachzukommen, hat sich der WBH dazu entschieden, das Kanalnetz mit Sensorik auszustatten. Das Kanalnetz des WBH erstreckt sich über eine Länge von ca. 700 km mit insgesamt knapp 20.000 Haltungen und Schächten. Mittels des intelligenten Algorithmus wurden für einen ersten Ausbauschritt die 210 kritischsten Haltungen identifiziert. In zukünftigen Ausbauschritten sollen weitere Sensoren eingebaut werden, bis in etwa 10 % des gesamten Netzes überwacht werden. In Hagen wird durch den regionalen Energieversorger bereits ein LoRaWAN-Netz betrieben und durch den WBH nun entsprechend genutzt. Somit werden in Hagen explosionsgeschützte LoRaWAN-Ultraschallsensoren verbaut.

Die Sensoren messen einmal täglich den Füllstand in den ermittelten Schächten. Bilden sich Ablagerungen, kommt es zu einem Aufstau, der von den Sensoren im Schacht detektiert wird. Sobald ein zuvor definierter Grenzwert überschritten wird, erfolgt über eine Schnittstelle zur eingesetzten Betriebsführungssoftware (KANiO) die Generierung eines Spülauftrages. Der Verantwortliche integriert die übermittelten Haltungen in die Betriebsabläufe und plant die entsprechenden Touren der Kanalreinigungsfahrzeuge. Sobald die Reinigung durchgeführt wurde, übermittelt die Betriebsführungssoftware KANiO über die bidirektionale Schnittstelle die Daten zur Reinigung zurück an das Kanal-Netz Dashboard.

Diese Technologie eröffnet die Möglichkeit, eine Vielzahl von Kontrollaufgaben, die z.B. in NRW durch die Selbstüberwachungsverordnung Abwasser, kurz SüwVo Abw, gefordert werden, aus der Ferne zu erfüllen. Dies kann ohne kostspieligen Personal- und Fuhrparkeinsatz erfüllt werden. Neben Kanalhaltungen und Sinkkästen plant der WBH auch eine Überwachung von Entlastungsbauwerken (Stauraumkanälen, Regenüberlauf- und Regenrückhaltebecken) sowie Schwimmschlammbildungen und Druckhöhenverluste an Dükern.

Aktuell befindet sich das Projekt in der Aufbauphase. Die Vorbereitungen wurden bereits getroffen, so dass aktuell die Sensoren in und rund um Hagen installiert werden. In den nächsten Wochen kann von konkreten Ergebnissen berichten werden. Für Hagen steht nicht nur die Einsparung eines Nassfahrzeuges und der monetäre Vorteil im Fokus, sondern vor allem dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Durch diese Investition in die Zukunft positioniert sich der WBH nicht nur als Vorreiter in Sachen Digitalisierung, sondern zieht motivierte und zukunftsorientierte Nachwuchskräfte mit an Bord.

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*Autorin:
Sabrina Dietz,
Kanal-Netz GmbH, 
Leiterin Produktmanagement, 
E-Mail: dietz@kanal-netz.de, 
www.kanal-netz.de | Foto: Kanal-Netz GmbH
*Autorin: Sabrina Dietz, Kanal-Netz GmbH, Leiterin Produktmanagement, E-Mail: dietz@kanal-netz.de, www.kanal-netz.de | Foto: Kanal-Netz GmbH

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