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Pipe-eating von Steinzeugkanälen

Gefräßige Maschinen machten sich in Unterföhring über den zu erneuernden Mischwassersammler aus Steinzeug her. Das sogenannte Pipe-eating-Verfahren erwies sich unter wirtschaftlichen und technischen Aspekten als die beste Lösung.

Pipe-eating: Steinzeug-Kanal durch „Aufessen“ erneuert
Pressbohr-Rohrvortrieb in Unterföhring: Von einer Startgrube aus werden direkt die Steinzeug-Vortriebsrohre lasergesteuert bis zur Zielgrube vorgepresst. Abweichungen von der Solllage werden durch einen hydraulisch verschenkbaren Steuerkopf korrigiert. | Foto: ARS Rohrvortrieb

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Die Obermeyer Planen + Beraten GmbH, NL Neu-Ulm, wurde von der Gemeinde Unterföhring beauftragt, die geschlossene Sanierung des örtlichen Mischwassernetzes zu planen. Von Seiten des Auftraggebers wurde die Maßnahme durch den Leiter des technischen Bauamts, Dipl.-Ing. André Younes, betreut.

Teil der Maßnahme war die Sanierung eines Mischwassersammlers aus Steinzeug unmittelbar vor dem neu erstellten Bahnhofsgebäude. Planungsziel war neben einer wirtschaftlichen Sanierung auch die Beschränkung der Eingriffe in den neu hergestellten Bahnhofsvorplatz und eine geringst mögliche Beeinträchtigung des Personenverkehrs. Die zu sanierenden Haltungen mit einer Länge von ca. 200 m und einer Nennweite von 150 mm wiesen neben Rissen, Lageverschiebungen und Scherbenbrüchen auch zahlreiche Unterbögen auf. Durch diese Unterbögen besteht vor allem im Sommer oder während Inversionswetterlagen die Gefahr von Geruchsbelästigungen auf dem repräsentativen Bahnhofsvorplatz. Um dies zu vermeiden, hätte der Kanal vergleichsweise oft durch einen Kanalspülwagen gereinigt werden müssen. Hiervon unabhängig wäre die Sanierung der Einzelschäden trotzdem erforderlich gewesen.

Sanierung in offener oder geschlossener Bauweise? – Verfahren im Vergleich

Im Rahmen einer technischen Prüfung wurden verschiedene Verfahren gegenübergestellt.

  • Die Sanierung in offener Bauweise verbot sich durch den Wunsch nach minimalen Eingriffen in den neu gestalteten Bahnhofsvorplatz.
  • Bei einer Sanierung im Berstverfahren konnte die Beseitigung der Unterbögen nicht garantiert werden. Auch Aufwölbungen der Oberfläche durch die stattfindende Bodenverdrängung konnten nicht ausgeschlossen werden, da die Überdeckung stellenweise nur 1,70 m beträgt.
  • Bei einer Sanierung mit Inlinern können Unterbögen nicht ausgeglichen werden. Daher stehen neben den Sanierungskosten zusätzlich die erhöhten Unterhaltungskosten für die wiederholte Kanalreinigung.
  • Microtunneling als Parallelpressung zum vorhandenen Rohr wurde ausgeschlossen, da hierfür eine Baugrunduntersuchung auf der neuen Trasse erforderlich wäre. Dies hätte wiederum den Belag des Bahnhofsvorplatzes beschädigt.
  • Mikrotunnelbau in gleicher Trasse (Pipe-eating) mit erweitertem Querschnitt wurde in die weiteren Betrachtungen mit aufgenommen.

Argumente sprachen für Pipe-eating

Unter Beachtung der Abschreibungszeiträume wurde von Obermeyer Planen+Beraten eine LAWA-Kostenvergleichsrechnung verschiedener Varianten durchgeführt. Hierbei wurde die Variante (Mikrotunnelbau in gleicher Trasse, „Pipe-eating“) als die wirtschaftlichste ermittelt.

Das Verlegen der Leitung mittels Pipe-eating wurde letztlich beauftragt, weil von einer Ummantelung der vorhandenen Kanalhaltung mit abbaufähigem Sand/Kies ausgegangen werden konnte. Dieses war in diesem Fall der entscheidende Vorteil gegenüber der Parallelpressung mittels Mikrotunnelbau.

Beim Pipe-eating wird ein neuer Kanal mit Vortriebsrohren unterirdisch in gleicher Trasse verlegt. Das geschieht, indem das alte zu erneuernde Rohr „aufgegessen“, d.h. zerkleinert und abgefördert wird. Mittels Laserstrahl und Steuerzylinder ist ein präziser Vortrieb möglich. Das abgetragene Material wird durch Schnecken- oder Spülförderung nach außen transportiert. Die Mindestnennweite des Verfahrens beträgt DN 250. Ersetzt werden können in der Regel alle unbewehrten Rohrwerkstoffe in kleinerer oder gleicher Dimension wie das einzubauende Neurohr. Der Einbau des neuen Rohres erfolgt unmittelbar nach Überfahren des Altrohres.

Pipe-eating ist ein spezielles Vortriebsverfahren, bei dem eine vorhandene Leitung ersetzt wird durch eine neue in gleicher Trasse durch „Aufessen“. | Foto: ARS Rohrvortrieb
Pipe-eating ist ein spezielles Vortriebsverfahren, bei dem eine vorhandene Leitung ersetzt wird durch eine neue in gleicher Trasse durch „Aufessen“. | Foto: ARS Rohrvortrieb

Info: Unterschied Pipe-eating und Berstlining

In beiden Fällen wird eine Rohrleitung grabenlos in gleicher Trasse erneuert. Auch beim Berstverfahren wird das Altrohr zerstört. Allerdings verdrängt der Berstkörper es dabei in das umliegende Erdreich. Das neue Rohr wird ebenfalls im gleichen Arbeitsgang eingezogen. In beiden Fällen ist eine Querschnittvergrößerung möglich. Mehr zum Berstverfahren lesen Sie hier.


Das Pipe-eating-Verfahren weist alle Vorteile der grabenlosen Verfahren auf, beispielsweise

  • minimaler Bodenanfall, Abtransport und Deponierung
  • unterfahren von Versorgungsleitungen
  • benachbarte Baulichkeiten werden erhalten
  • Bewuchs kann trotz Kanalbau erhalten werden
  • Grundwasserabsenkungen sind nur punktuell oder unter Hilfe von Zusatzmaßnahmen nicht nötig

Für eine einwandfreie Durchführung sind folgende Vorleistungen zu erbringen:

  • Entfernen der Vorflut aus dem Sammler
  • Abklemmen und Umpumpen der Vorflut der Hausanschlüsse
  • Kontrolle von Trassierung, Auflager und Rohrummantelung.

Auf der Baustelle in Unterföhring konnten die wenigen Hausanschlüsse im Bereich der Start- und Zielgruben ohne viel Aufwand umverlegt werden. Die Vorflut wurde für die Dauer der Arbeiten abgepumpt.

Wenig Zeit für Pressbohr-Rohrvortrieb

Mit den Vortriebsarbeiten wurde von der Gemeinde Unterföhring die Firma ARS Rohrvortrieb aus Marsberg im Sauerland betraut. ARS arbeitet überregional mit mehreren Mikrotunnelanlagen im gesamten Bundesgebiet. Das Unternehmen ist dem Güteschutz Kanalbau angeschlossen und trägt die Gütezeichen VM. Die Erd-, Schacht- und Oberflächenarbeiten übernahm die Firma Überland aus Unterföhring.

Eingesetzt wurden von ARS Rohrvortrieb Soltau/Wirth-Mikrotunnelanlagen, die nach dem Prinzip des gesteuerten Pressbohr-Rohrvortriebs arbeiteten (siehe auch ATV Arbeitsblatt A 125 2.3.2.). Aufgrund der Zeitbegrenzung auf 2 Monate wurden zwei Anlagen zeitgleich eingesetzt.

Beim Pressbohr-Rohrvortrieb werden die Produktrohre, in diesem Fall Steinzeug-Vortriebsrohre, beim gleichzeitigen Bodenabbau an der Ortsbrust durch einen Bohrkopf vorgetrieben. Die ständige Lagekontrolle erfolgt durch ein lasergestütztes Vermessungssystem. Richtungsänderungen können durch einen hydraulisch verschwenkbaren Steuerkopf durchgeführt werden. Die Bodenabförderung erfolgt kontinuierlich mittels einer Förderschnecke in einer separaten Förderleitung. Diese Verfahrenstechnik ist auch geeignet, Pipe-eating in den kleineren Nennweiten durchzuführen.

Für die Durchführung der Arbeiten wurden der Bohrkopf und das Abbauwerkzeug an der Bohrkopfspitze speziell auf das Zerstören der vorhandenen Steinzeug-Leitung präpariert. Die sehr harte Keramik (Druckfestigkeiten bis 150 N/mm²) musste zerkleinert und über die Förderschnecken zur Startgrube abgefördert werden.

200 m Vortrieb in vier Haltungen

Pipe-eating mit Steinzeugrohr | Foto: Soltau Lüneburg
Pipe-eating mit Steinzeugrohr | Foto: Soltau Lüneburg

Eingebaut wurden Vortriebsrohre „CreaDig“ des Herstellers Steinzeug nach DIN EN 295. Die Länge der Einzelrohre beträgt 2,0 m, die Wandstärke der Vortriebsrohre 46 mm. Die Kupplungsmanschetten sind aus Werkstoff 1.4571 (Edelstahl V4A) gefertigt, die Lastabtragung zwischen den Rohren erfolgt während des Vortriebs durch einen Druckübertragungsring. Dieser besteht ebenso wie die Dichtung aus Kautschukelastomer. Vor dem Einbau wurden die Vortriebsrohre auf der Baustelle mit Talkum ausgewischt und einer Druckprobe unterzogen, um Transportschäden bereits im Vorfeld auszuschließen.

Aus zwei Startgruben wurden jeweils zwei Haltungen in entgegengesetzter Richtung gepresst. Aufgefahren wurden hiermit in vier Haltungen ca. 200 m Vortrieb. Der Bodenanfall bezifferte sich auf ca. 0,13 m³/m feste Masse. Der Bodenabtransport und die Deponierung betrugen durch die Auflockerung insgesamt ca. 35 m³. Der abgebaute Boden kann als Bauschutt deponiert werden. Die gesamten Haltungen wurden innerhalb der Genauigkeitsanforderungen des ATV Arbeitsblattes A 125 (± 20 mm in der Höhe und ± 25 mm zur Seite) hergestellt.

Fazit: Pipe-eating als wirtschaftliches minimalinvasives und sicheres Sanierungsverfahren

Die Baustelle wurde Anfang Dezember 2005 begonnen und endete im Januar 2006. Diese Baustelle kann als Beispiel gelten, dass das Pipe-eating-Verfahren erforderlichenfalls auch bei den mehrfach aufgetretenen Temperaturen von bis zu minus 10 Grad eingesetzt werden kann.

Die Haltungslängen betrugen zwischen 36 und 52 m, die Pressdauern hierfür lagen zwischen zwei und fünf Arbeitstagen. Einschließlich der Arbeiten für das Zurückziehen und Drehen der Vorpressanlagen konnten annähernd 200 m des neuen Kanals DN 250 innerhalb von 20 Arbeitstagen hergestellt werden.

Durch den Einsatz des Pipe-eating-Verfahrens wurden die Arbeiten ohne nennenswerte Störung des Fußgängerverkehrs und mit geringst möglicher Beeinträchtigung des wertvollen Kleinpflasters ersetzt. Im Interesse einer wirtschaftlichen Lösung spielen auch die „Nebenargumente“ des angewandten Verfahrens eine Rolle:

  • Durch den geschlossenen Vortrieb werden die Haltungen in den ungestörten Bodenkörper eingebracht. Die Gefahr nachträglicher Setzungen ist somit gegenüber der offenen Verlegung bedeutend minimiert.
  • Die Edelstahlmanschetten mit den mehrfachen Dichtungsebenen versprechen gegenüber Dichtungssystemen offen zu verlegender Systeme einen bedeutenden Sicherheitsgewinn.
  • Durch die Wandstärke von 46 mm werden die charakteristischen Kanalschäden offen verlegter Steinzeug-Haltungen (Querrisse und Scherbenbrüche) nahezu ausgeschlossen.

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Unter Berücksichtigung der aufgeführten Punkte kann davon ausgegangen werden, dass die nach LAWA anzusetzende Lebensdauer von 80 bis 100 Jahren ohne Zwischenfälle erreicht wird und dass der Bahnhofsvorplatz seine repräsentativen Pflichten ohne störende Gerüche aus dem Untergrund gerecht werden kann.

Hinweis: Dieser Artikel erschien bereits im Jahr 2006.


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