Trauer um Prof. Dietrich Stein
Prof. Dr.-Ing. habil. Dietrich Stein, Universitätsprofessor, Autor und Gründungsvater des IKT, ist im Alter von 86 Jahren verstorben.
Es ist seiner visionären Kraft, seinem ingenieurmäßigen Genius und seinem unerschütterlichen Glauben an die Bedeutung des eigenen Handelns zu verdanken, dass er sich nicht an Leit- und Lehrmeinungen hielt, sondern die Dinge hinterfragte, um sie für die Gesellschaft zu verbessern. Er war derjenige, der auf den besorgniserregenden Zustand der Kanalisationsnetze aufmerksam machte, das Thema undichte Kanalisation erstmals ansprach und gegen erhebliche politische und akademische Widerstände in die Öffentlichkeit brachte. Die Überwindung der vielen Skeptiker und der Aufbau der Kanalinstandhaltungsbranche gelang durch eine akademische Lebensleitung, die nur als außergewöhnlich betrachtet werden kann. Mit seiner mitreißenden Art begeisterte er Menschen und gewann Mitstreiter. Besonders junge Wissenschaftler folgten seinem Enthusiasmus und seinem Ruf zu neuen Wegen.
Prof. Stein war maßgeblicher Initiator des Instituts für Unterirdische Infrastruktur (IKT) und stand ihm seit dessen Gründung im Jahr 1994 zunächst als Geschäftsführer und bis 2000 als Institutionsdirektor vor. Hier war er wesentlich daran beteiligt, in der Trägerschaft die führende Bauindustrie, Abwasserverbände der Region, Rohrhersteller, Kanalsanierer, die Stadt Gelsenkirchen und die Hochschule mit Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen zusammenzuführen.
Prof. Stein schuf mit seinen Fachbüchern „Instandhaltung von Kanalisationen“, „Der begehbare Leitungsgang“, „Leitungstunnelbau“, „Grabenloser Leitungsbau“, „Horizontal Directional Drilling (HDD)“, 52 Buchbeiträgen, 189 Publikationen, 274 wissenschaftliche Vorträge und hunderten von Studien und Gutachten die Wissens- und Verständnisgrundlage der Branche und ist damit untrennbar mit dem Leitungsbau und der Leitungsinstandhaltung verbunden.
Mit der Einrichtung des Lehr- und Forschungsbereiches „Bau- und Instandhaltung von Ver- und Entsorgungsleitungen“ zunächst mit dem Schwerpunkt „Kanalisationstechnik“ an der Ruhr-Universität Bochum gelang es Prof. Stein erstmals, diese Disziplin in der Hochschullandschaft der Bundesrepublik Deutschland zu etablieren. Sein diesbezügliches Engagement wurde durch seine Berufung im Jahre 1991 als Universitätsprofessor und Leiter der Arbeitsgruppe „Leitungsbau und Leitungsinstandhaltung“ bestätigt.
Seine Tätigkeit war fortwährend gepr ägt durch umfangreiche Kooperationen und enge Zusammenarbeit mit der Industrie, bspw. durch die Entwicklung und Prüfung von Bau- und Sanierungsverfahren, die Abwicklung von Bauaufgaben bis hin zur Entwicklung von Rohren aller Werkstoffe, als vereidigter Sachverständiger der Industrie- und Handelskammer zu Bochum und nicht zuletzt seit 1994 als Gesellschafter eines Ingenieurbüros mit seinem Namen.
Im Jahr 1989 wurde dank der Initiative von Prof. Stein ein neuer Förderschwerpunkt „Technologien zur Sanierung undichter Kanäle“ des Bundesministeriums für Forschung und Technologie mit der Zielstellung eingerichtet, leistungsfähige Verfahren zur Schadenserfassung und Schadensbehebung in undichten Kanalisationen zu entwickeln. Dadurch konnten die verschiedenen Interessen der Kommunen, Industrie und Forschungseinrichtungen in Deutschland vereint und auf die Lösung von technischen Problemen sowie der Realisierung von Patenten und Lizenzen gerichtet werden.
Seit 1984 leitete er die ATV-Arbeitsgruppe „Sanierung und Erneuerung von Abwasserkanälen und -leitungen“, bis für dieses Thema, auch dank seines Engagements, im Jahre 1999 ein neuer Fachausschuss ES 8 mit ihm als Obmann und insgesamt 8 Arbeitsgruppen gegründet wurde. Unter seiner Leitung und Mitwirkung wurden zudem zahlreiche nationale und europäische Normen und Richtlinien erarbeitet. Besondere Beachtung in der Fachwelt und Praxis findet die DWA Merkblattreihe M 143, mit insgesamt 20 Merkblättern. Seine wissenschaftliche Wertschätzung fand darüber hinaus Widerhall in seiner Berufung in zahlreiche Ausschüsse und Gremien der Wirtschaft und Fachvereinigungen sowie Ehrenämter.
Eine besondere Auszeichnung für Prof. Stein war die Beauftragung seines Ingenieurbüros zur Begleitung und Unterstützung des Staatlichen Umweltamtes des Landes Nordrhein -Westfalen bei der Prüfung und Bewertung der Konzepte zum Betrieb und zur Instandhaltung des 55 km langen „Abwasserkanals Emscher“ im Hinblick auf die Entsorgungssicherheit. Dieses Jahrhundertprojekt der Emschergenossenschaft war auch im internationalen Vergleich ein Bauwerk mit ungewöhnlichen Dimensionen.
Prof. Stein war Wissenschaftler mit Ideen und Tatkraft und gleichzeitig ein hervorragender Lehrer im Hörsaal. Eine seiner bemerkenswertesten Fähigkeiten war jedoch das Erkennen von erprobten, jedoch vergessenen Abwassertechniken aus der Zeit des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts, und deren Modifikation und Umsetzung mit den ökologischen Anforderungen des 21. Jahrhunderts zu richtungsweisenden Entwicklungen. Mit der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes im Jahr 1999 wurden insbesondere diese Fähigkeit sowie seine Verdienste bei der internationalen Anerkennung der deutschen Abwassertechnik, der Förderung der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit und der Integration der ostdeutschen Abwassertechnik gewürdigt.
Steins Wirken war geprägt von der unermüdlichen Suche nach Fortschritt und Innovationen im Bereich der städtischen Infrastruktur und der globalen Betrachtung des Leitungsbaus und der Leitungsinstandhaltung. Hierbei richtete sich sein Augenmerk insbesondere auf die Mehrfachverlegung von Ver- und Entsorgungsleitungen und den gemeinsamen Betrieb und Unterhalt aller Ver- und Entsorgungsnetze. In diesem Zusammenhang und auf Basis eines von ihm geleiteten Verbundforschungsvorhabens entstand das Fachbuch „Der begehbare Leitungsgang“ als Anregung für alle Ingenieure und Netzbetreiber, die Alternativen zur konventionellen Leitungsverlegung suchen. Das Buch wurde im Jahr 2023 in die chinesische Sprache übersetzt.
Seine letzte, interdisziplinäre Forschungs- und Entwicklungsarbeit zur Entlastung unserer Straßennetze und zur Lösung inner- und überbetrieblicher Logistikaufgaben durch automatisierte Stückguttransporte über unterirdische Fahrrohrleitungen (CargoCap) könnte einen wichtigen Beitrag zum erforderlichen Strukturwandel urbaner Ballungsräume leisten. Das innovative, im interdisziplinären Verbund mit Ökonomen, Juristen und Ingenieuren entwickelte System bietet sowohl beim Bau als auch beim Betrieb dieser Anlagen weitreichendes Entwicklungspotenzial für die beteiligte Industrie. Auch wenn aufgrund des Widerstandes der deutschen Autoindustrie CargoCap keine Praxisanwendung gefunden hat, so ist das Thema dennoch so bedeutsam, das CargoCap bei den Vereinten Nationen in Genf und im deutschen Pavillon „Future City“ auf der Expo in Dubai vorgestellt wurde.
Quelle: Stein Ingenieure
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