Upgrade für Kunststoffe

Durch ionisierende Strahlung lassen sich die mechanischen, thermischen und chemischen Eigenschaften von zahlreichen Kunststoffen noch weiter verbessern. So weisen strahlenvernetzte Kunststoffrohre und -schläuche signifikant verbesserte Eigenschaften hinsichtlich Hitze- und Chemikalienbeständigkeit, Kriechverhalten und Abriebfestigkeit auf. Die Lebensdauer der Produkte kann so deutlich erhöht werden. Zudem können durch die Strahlenvernetzung Rückstelleigenschaften (Memory-Effekt) eingestellt werden.

Strahlenvernetzung: Upgrade für Kunststoffe
Ein Elektronenbeschleuniger mit der weltweit größten bestrahlbaren Fläche steht bei BGS am Standort Bruchsal zur Verfügung. | Foto: BGS

Im Prinzip geht es bei der Strahlenvernetzung um ein „Upgrading“ von Kunststoffen. Das geschieht durch eine Vernetzung von Molekülen, in dem das Produkt mit energiereicher Beta- oder Gammastrahlung durchstrahlt wird. Vernetzungsdienstleister BGS Beta-Gamma-Service verwendet für das Upgrading von Kunststoffanwendungen meist Betastrahlen aus Elektronenbeschleunigern mit einer Energie bis 10 Megaelektronenvolt (MeV). Über die Strahlendosierung kann die jeweils angestrebte Werkstoffqualität eingestellt und exakt reproduziert werden, was die Strahlenvernetzung zu einem präzisen, steuerbaren Verfahren macht.

In der Verarbeitungskette zur Herstellung erfolgt die Strahlenvernetzung als letzter Schritt nach der Formgebung der Produkte durch Extrudieren – in der Regel während eines kurzen Zwischenstopps auf dem Transportweg vom Verarbeiter zum Endabnehmer. Ein Beispiel: Ein aus Polyethylen hergestelltes Rohr wird durch Extrusion geformt und mit einer Länge bis zu 10.000 Metern auf großen Trommeln aufgewickelt. Um das Rohr zu vernetzen, wird es von der Trommel abgewickelt, mehrfach mit hoher Geschwindigkeit durch den Elektronenstrahl des Beschleunigers geführt und auf der anderen Seite vernetzt wieder auf eine Leertrommel aufgewickelt.

PE-Xc-Rohre

Mehrschichtverbundrohre, gewickelt auf Trommeln oder als Stangenware, können in einem Prozessschritt vernetzt werden. Die Durchstrahlbarkeit der Metallkomponente ist durch die Optimierung der Bestrahlungsparameter problemlos möglich. Hierdurch erhöht sich auch die Verbundfestigkeit. | Foto: BGS/Markus Steur
Mehrschichtverbundrohre, gewickelt auf Trommeln oder als Stangenware, können in einem Prozessschritt vernetzt werden. Die Durchstrahlbarkeit der Metallkomponente ist durch die Optimierung der Bestrahlungsparameter problemlos möglich. Hierdurch erhöht sich auch die Verbundfestigkeit. | Foto: BGS/Markus Steur
Im Hochbau beweisen PE-Xc-Rohre weltweit seit vielen Jahren ihre Zuverlässigkeit unter schwierigen Bedingungen. Haupteinsatzgebiet dieser mittels Elektronenstrahlung vernetzten Kunststoffrohre aus HDPE ist die Fußbodenheizungs-Installation, sie dienen aber auch zur Heizkörperanbindung und zur Trinkwasser-Installation. Besonders wichtig ist hier das verbesserte Zeitstandverhalten bei erhöhten Temperaturen und Innendrücken. Im Gegensatz zu den chemisch vernetzten PE-Xa und PE-Xb-Rohren besteht bei strahlenvernetzten PE-Xc-Rohren kein Risiko durch Rückstände aus den Vernetzungschemikalien. Zudem bietet die physikalische Strahlenvernetzung im Vergleich mit chemischen Vernetzungsverfahren eine sehr hohe Prozesssicherheit und deutlich höhere Produktionsgeschwindigkeiten.

Die wichtigsten Eigenschaftsverbesserungen von strahlenvernetzten PE-Xc-Rohren und PE-Xc-Mehrschichtrohren im Überblick:

  • sehr gutes Langzeitverhalten im Zeitstandinnendruckversuch
  • gute Wärmealterungsstabilität
  • hohe Beständigkeit gegen Bildung von Spannungsrissen
  • gute chemische Widerstandsfähigkeit
  • Kaltverlegbarkeit ohne Wärmebehandlung
  • Verlegung in engen Biegeradien
  • hohe Korrosionsbeständigkeit
  • glatte Rohrwandungen, d.h. geringer Druckverlust und keine Inkrustationen
  • gute Abriebfestigkeit und Weiterreißbeständigkeit
  • schlagzäh bei niedrigen Temperaturen

Was vielen Anwendern nicht bekannt ist: Mehrschichtverbundrohre, gewickelt auf Trommeln oder als Stangenware, können in einem Prozessschritt vernetzt werden. Die Durchstrahlbarkeit der Metallkomponente ist durch die Optimierung der Bestrahlungsparameter problemlos möglich. Hierdurch erhöht sich auch die Verbundfestigkeit.

PE-Schläuche und -Muffen

Im Tiefbau sind vernetzte Schrumpfschlauch- und Muffensysteme eine der gängigsten Anwendungen. Sie werden verwendet, um Rohre und Kabel miteinander zu verbinden und dabei eine wasserdichte, geschützte Verbindung zu schaffen. Zudem wird durch die Vernetzung sichergestellt, dass die Verbindungen die gleiche lange Lebensdauer haben wie der Rest des Rohr- oder Kabelsystems. Ein weiterer Vorteil: Durch die Vernetzung erhält das Polyethylenmaterial besondere Eigenschaften, die für vorgedämmte Rohrverbindungen von Bedeutung sind. Vernetztes Polyethylen kann um bis zu 400 Prozent aufgeweitet werden, im Gegensatz zu normalem Polyethylen, das sich nur um max. 20 Prozent aufweiten lässt.

Schrumpfprodukte entstehen, indem teilkristallinen Werkstoffen ein Formgedächtnis (Memory-Effekt) durch das gezielte Einbringen von Vernetzungsstellen zugefügt wird. Das Formgedächtnis entsteht dadurch, dass die Strahlenvernetzung überwiegend in den amorphen Bereichen stattfindet. Wird ein solchermaßen vernetztes Produkt in der Wärme gedehnt, kann diese Form durch Abkühlen unter die Kristallitschmelztemperatur vorübergehend eingefroren werden. Wird das Produkt beim Anwender wieder über die Kristallitschmelztemperatur hinaus erwärmt, stellt sich die Ausgangsform zum Zeitpunkt der Vernetzung wieder her.

Strahlenvernetzte Anwendungen und Umwelt

Strahlenvernetzbare Polymere | Foto: BGS
Strahlenvernetzbare Polymere | Foto: BGS

Strahlenvernetzte Rohre und Schläuche sind extrem widerstandsfähig und somit über sehr lange Zeiträume einsetzbar. Insbesondere PE-Xc-Rohre leisten aufgrund ihrer Unempfindlichkeit, Temperaturbeständigkeit und Langlebigkeit einen essenziellen Beitrag zu energieeffizientem Heizen und sicheren Sanitärinstallationen. Einsatzzeiten von über 30 Jahren sind üblich.

Am Ende der Nutzungsdauer gibt es für strahlenvernetzte Anwendungen drei Aufbereitungsoptionen: die werkstoffliche (physikalische), die rohstoffliche (chemische) oder die energetische (thermische) Verwertung. Bei der werkstofflichen Verwertung entstehen aus den Sekundärrohstoffen neue Kunststoffbauteile. Sind die Produktionsreste vor der Vernetzung sorten- und typenrein, ist eine Wiederverwendung in der ursprünglichen Anwendung möglich. Die werkstoffliche Verwertung funktioniert auch bei Anwesenheit von Vernetzungsadditiven. Vernetzte Kunststoffe können in sortenreiner Form zerkleinert und als Regranulat innerhalb bestimmter Grenzen den Primärrohstoffen wieder beigemischt werden. Diese Grenzen sind abhängig vom Material und Vernetzungsgrad und müssen im Einzelfall geprüft werden.

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Ist werkstoffliches Recycling nicht sinnvoll oder möglich, können strahlenvernetzte Anwendungen der rohstofflichen oder energetischen Verwertung zugeführt werden. Einen großen Erfolg vermeldete Anfang 2023 ein Projektteam bestehend aus Kunststoff- und Rohrherstellern sowie Recycling-Unternehmen. Ihnen ist es gelungen, neue Rohre aus vernetztem Polyethylen (PEX) herzustellen, deren Rohstoff aus ausrangierten chemisch recycelten PEX-Rohren gewonnen wurde. Das Projekt zeigt, dass chemisches Recycling den Kreislauf auch für schwer recycelbare Kunststoffabfälle schließen kann, indem es diese zu hochwertigen Kunststoffen verarbeitet.

Rohre aus vernetztem Polyethylen zeigen selbst bei hohen Temperaturen kein Abknicken der Zeitstandskurven. Somit sind auch nach längeren Beanspruchungszeiträumen noch hohe Sicherheitsreserven weit über das nach DIN geforderte Maß vorhanden. | Foto: BGS
Rohre aus vernetztem Polyethylen zeigen selbst bei hohen Temperaturen kein Abknicken der Zeitstandskurven. Somit sind auch nach längeren Beanspruchungszeiträumen noch hohe Sicherheitsreserven weit über das nach DIN geforderte Maß vorhanden. | Foto: BGS

Ausblick: Einsatz strahlenvernetzter Anwendungen in der Infrastruktur

Ob es um den Glasfaserausbau, den Ausbau der Energieinfrastruktur in Richtung Fernwärme- und Nahwärmenetzen oder den Bau von Pipelines zur Versorgung mit Flüssiggas geht: Aktuelle Trends wie diese erfordern den Einsatz robuster, langlebiger Rohr- und Schlauchanwendungen sowie Schrumpfmuffensysteme mit hohen Isolations- und Abdichtungseigenschaften. Die Strahlenvernetzung dient hierbei als notwendige Technologie, um die geforderten Eigenschaften der eingesetzten Anwendungen zu erreichen. Zu beachten ist, dass bei den genannten Trends groß dimensionierte Anwendungen mit Durchmessern von bis zu 70 Zentimetern weiter zunehmen werden. Eine Entwicklung, auf die sich Betreiber von Elektronenbeschleunigern einstellen müssen.

Die Beta-Gamma-Service GmbH & Co. KG, kurz BGS, gehört zu den Pionieren der industriellen Anwendung mit beschleunigten Elektronen (Betastrahlen) und Gammastrahlen. 1981 in Wiehl bei Köln gegründet, hat das mittelständische Unternehmen wegweisende Verfahren der Strahlenvernetzung und -sterilisation geprägt und mitentwickelt. Das durchgängig unabhängig in privater Hand geführte Unternehmen ist heute Deutschlands größter Anbieter von Bestrahlungsdienstleistungen. In Kooperation mit Hochschulen, führenden Forschungsinstituten sowie in enger Zusammenarbeit mit Kunden arbeitet BGS stetig an der Entwicklung neuer Bestrahlungsanwendungen und der Verbesserung existierender Produkte durch angewandte und experimentelle Forschung.

Quelle: BGS


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