Fremdwasser richtig messen

Der Bedarf an Maßnahmen zur Reduzierung von Fremdwasser im kommunalen Kanalnetz steigt kontinuierlich. Zur Ermittlung von Fremdwasser werden Messkampagnen durchgeführt, bei denen Teileinzugsgebiete mit Durchflussmessungen ausgerüstet werden, um die Fremdwasserschwerpunktgebiete zu identifizieren.

Bei nahezu allen Messkampagnen wird die Fremdwasserauswertung über die Nachtminimum-Methode (DWA-M 182) realisiert. Bei dieser Methode wird der geringste Tagesabfluss als im Wesentlichen dem Fremdwasser zugehörig gewertet. DWA-M 181 unterscheidet dabei Temporärmessungen (Dauer-, Langzeit- und Kurzzeitmessungen) und Einzelmessungen. Sehr oft werden über Kurzzeitmessungen (Messdauer etwa zwischen einer Woche und drei Monaten) Fremdwasserschwerpunktgebiete identifiziert. Die durch Nivus abgewickelten Messkampagnen dauern in der Regel zwischen vier und zwölf Wochen.

Immer wieder gibt es auch Anfragen zur Fremdwasserermittlung über Einzelmessungen an verschiedenen Punkten eines Einzugsgebietes. Dabei sollen innerhalb einer Nacht an mehreren Punkten eines Einzugsgebietes mittels Einzelmessungen die Trockenwetterabflüsse ermittelt werden. Dies erfolgt zur Zeit des geringsten nächtlichen Abflusses. Es wird schnell klar, dass Einzelmessungen zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht über dieselbe Datenqualität verfügen können wie Messungen über mehrere Wochen. Andererseits ist der Mittelaufwand im Vergleich zu Kurzzeitmessungen niedriger. Damit stellt sich die Frage nach dem optimalen Kosten-Nutzen-Aufwand für Fremdwasseruntersuchungen. Dies soll vor allem im Hinblick auf mögliche folgende Investitionen bzw. Sanierungskosten betrachtet werden.

Nutzen und Aufwand: Fremdwasser richtig messen
Ermittlung von Fremdwasser: Einzelmessungen und Kurzzeitmessungen? | Foto: Nivus

Ergebnisvergleich von Einzel- und Kurzzeitmessungen

Für einen Vergleich von Aufwand und Nutzen einer Fremdwasserbestimmung wurden die Messdaten einer mehrmonatigen Messkampagne untersucht. Ziel war eine Fremdwasserermittlung für vier Teileinzugsgebiete. Die Fremdwasserauswertung erfolgte über die Nachtminimum-Methode (DWA-M182). Für diesen Vergleich wurden etwaige Schmutzwasseranteile während des minimalen nächtlichen Abflusses vernachlässigt. Der minimale Abfluss bei Nacht entspricht daher im Folgenden zu 100 % dem Fremdwasserabfluss. Dabei wurden drei verschiedene Varianten zur Messdatenerfassung betrachtet:

  • Variante 1: Durchflussmessung an vier Messpunkten nacheinander während einer Ortsbegehung
  • Variante 2: Einbau von Durchflussmessungen parallel an allen vier Messpunkten für die Dauer einer Nacht
  • Variante 3: Durchführung einer Messkampagne parallel an allen vier Messpunkten über sechs Wochen

Unterschieden wird hier lediglich in der Messdauer. Fehler bei der Messdatenerfassung (z.B. Bedienerfehler) können hierbei außer Acht gelassen werden, da für den Vergleich der Varianten dieselben Messdaten verwendet wurden.

Der Messzeitraum der Kurzzeitmessung erstreckte sich über sechs Wochen (9. Februar bis 26. März). Zur Auswahl der Trockenwettertage wurde zeitgleich ein Niederschlagsschreiber betrieben. Das Kriterium für Trockenwettertage war eine Niederschlagssumme von 0,3 mm am betrachteten Tag sowie eine maximale Niederschlagssumme von 0,3 mm am Vortag.

Für den Messzeitraum ergaben sich damit 20 Trockenwettertage, aus denen für die Beurteilung der Einzelmessungen exemplarisch 3 Tage ausgewählt wurden (Tabelle 1).

Tabelle 1: Fremdwasserabfluss als minimal nächtlicher Abfluss | Foto: Nivus
Tabelle 1: Fremdwasserabfluss als minimal nächtlicher Abfluss | Foto: Nivus

Ergebnisse aus der Datenanalyse

Aus den kontinuierlich aufgenommenen Daten der Messkampagne wurden für drei Trockenwettertage gemäß Tabelle 2 für die o.g. Varianten 1 und 2 die entsprechenden Messdaten verwendet.

Für die Variante 1 wurde von einer Messdauer von 10 Minuten ausgegangen. Zusätzlich ist der zeitliche Aufwand für die Vorbereitung der Messung zu berücksichtigen. Dazu zählen neben der Vorbereitung der Messtechnik auch die Messstellenabsicherung sowie das Anlegen der persönlichen Sicherheitsausrüstung. In der Summe wird hier von einem Aufwand von 30 Minuten ausgegangen sowie von einer Fahrtzeit zwischen den Messpunkten von 10 Minuten. Damit beträgt die Dauer der Ortsbegehung etwa 2,5 Stunden.

Bei der Variante 3 wurden alle 20 Trockenwettertage ausgewertet. Tabelle 1 zeigt für diese Variante den mittleren minimalen Abfluss aller Trockenwettertage über den gesamten Messzeitraum.

Tabelle 2: Dauer der Ortsbegehung zur Durchführung der Einzelmessungen nach Variante 1 | Foto: Nivus
Tabelle 2: Dauer der Ortsbegehung zur Durchführung der Einzelmessungen nach Variante 1 | Foto: Nivus

Deutlich wird, dass durch Variante 1 höhere Abflüsse gemessen wurden als bei Variante 2. Über Variante 2 wird die gesamte Nacht messtechnisch hochaufgelöst erfasst, so dass der Zeitpunkt des minimalen Abflusses eindeutig bestimmt werden kann. Damit wird für jeden untersuchten Messpunkt die Ermittlung des minimalen Trockenwetterabflusses möglich.

Für Variante 1 kann der Zeitpunkt des geringsten Abflusses nur geschätzt werden. Ebenfalls können auch nicht an allen vier Messpunkten gleichzeitig zum geschätzten Zeitpunkt die Durchflüsse messtechnisch erfasst werden. Dadurch wird der Fremdwasserabfluss bei Variante 1 in der Regel überschätzt.

Ein deutliches Beispiel finden wir am 10. März. Hier ist eine deutliche Abweichung der Ergebnisse der Varianten 1 und 2 an der Messstelle M03 zu erkennen. Die Ganglinie aus Abbildung 1 zeigt eine deutliche Erhöhung des Abflusses bei Nacht. Die Einzelmessung aus Variante 1 fällt genau in die Zeit des erhöhten Abflusses, die Messergebnisse täuschen damit einen zu hohen Fremdwasserabfluss vor.

Abbildung 1: Ganglinie vom 10. März der Messstelle M03 mit nächtlicher Abflussspitze | Foto: Nivus
Abbildung 1: Ganglinie vom 10. März der Messstelle M03 mit nächtlicher Abflussspitze | Foto: Nivus

Die dynamischen Veränderungen des Fremdwasseranfalls stellen eine weitere Einschränkung der Verwertbarkeit der Messdaten von Einzelmessungen dar. Abbildung 2 zeigt einen um etwa 20 % niedrigeren Abfluss am 17. Februar (rote Linie) an der Messstelle M01. Dies deutet auf einen niederschlagsbedingten erhöhten Fremdwasserabfluss hin.

Zur Erfassung von Fremdwasserschwerpunkten eignen sich Kurzzeitmesskampagnen in idealer Weise. Die Auswertung von hochaufgelösten Messdaten mit Messdauern von mehreren Wochen und Monaten zeigt neben grundwasserbedingtem Fremdwasser auch niederschlagbedingtes Fremdwasser.

Abbildung 2: Gegenüberstellung der drei Trockenwettertage der Messstelle M 01 | Foto: Nivus
Abbildung 2: Gegenüberstellung der drei Trockenwettertage der Messstelle M 01 | Foto: Nivus

Aufwand und Nutzen der Varianten

Der Aufwand bei der Umsetzung einer Messkampagne zur Fremdwasserbestimmung besteht auf der einen Seite in der Bereitstellung von Fachkräften zur Durchführung der Messungen und andererseits in der Vorhaltung der notwendigen Messtechnik. Ebenso müssen Werkzeug, Fahrzeug und Sicherheitsausrüstung für die Durchführung vorhanden sein. Zusätzlich wird bei der Durchführung der Messungen neben dem Durchführenden eine aufsichtsführende Person als Sicherungsposten benötigt. Somit sind für alle Ortstermine zwei Personen zur Durchführung der Messungen notwendig.

Für Variante 1 besteht der Aufwand (Tabelle 3) aus lediglich einem Messgerät zur Durchflussermittlung bei einer Durchführungsdauer inklusive Rüstzeit von etwa vier Stunden. Erschwert wird Variante 1 dadurch, dass während der Nachtstunden gearbeitet werden muss. Bei drei Einsätzen, wie im Beispiel beschrieben, verdreifacht sich der Aufwand.

Für die Varianten 2 und 3 werden jeweils vier Messgeräte zeitparallel benötigt. Für die Durchführung nach Variante 3 ist zusätzlich ein Niederschlagsschreiber erforderlich. Für Einbau und Inbetriebnahme sowie den Ausbau der Messtechnik können etwa acht Stunden angesetzt werden, für das Aufstellen und den Abbau des Niederschlagsschreibers maximal 30 Minuten.

Der wesentliche Unterschied zwischen den Varianten 2 und 3 ist der Betrieb der Messstellen, für den ein Wartungsaufwand betrieben werden muss. Erfahrungsgemäß wird für zwei Wochen Messdauer mit einem Wartungsaufwand von etwa 20 Minuten pro Durchflussmessstelle gerechnet.

Tabelle 3: Abschätzung des zeitlichen und personellen Aufwands und des daraus erzielbaren Nutzens | Foto: Nivus
Tabelle 3: Abschätzung des zeitlichen und personellen Aufwands und des daraus erzielbaren Nutzens | Foto: Nivus

Das Ergebnis aus Variante 1 besteht lediglich aus je einem Messwert, für Variante 2 immerhin aus einer Ganglinie einer Nacht. Die Ergebnisse können als Orientierung zur Identifizierung von Fremdwasserschwerpunktgebieten genutzt werden (Tabelle 1), für weitere Auswertungen liegen jedoch keine Ergebnisse vor.

Aus Variante 3 können neben der Fremdwasserauswertung über die Nachtminimum-Methode weitere Erkenntnisse gewonnen werden. Je länger die Messdatenaufnahme stattfindet, desto besser werden die Erkenntnisse über den Verlauf des Fremdwasserabflusses. Die dynamische Veränderung über den Messzeitraum kann grafisch und tabellarisch dargestellt werden.

Das Vorliegen der Trockenwettertagesgänge erlaubt die Kennwerte des Trockenwetterabflusses zu ermitteln. Somit können Fremdwasseranteile bzw. -zuschläge sowie die Schmutzwasserabflüsse aus den Ergebnissen generiert werden.

Da über die Nachtminimum-Methode keine niederschlagsbedingten Fremdwasserabflüsse erkannt werden können, fehlt diese Information bei den Varianten 1 und 2. Die Messreihen aus Variante 3 zeigen bei der Analyse entsprechende Hinweise auf niederschlagbedingtes Fremdwasser.

Für eine Einschätzung des Fremdwasserabflusses kann eine Nachtbegehung sowie eine Messdatenaufnahme über eine Nacht durchaus auf Schwerpunktgebiete hinweisen, jedoch sind durch geringfügig größere Aufwände deutlich sicherere und tiefergehende Ergebnisse erzielbar. Diese Ergebnisse lassen deutlich mehr Schlüsse über das Verhalten der Entwässerungsgebiete zu.

Fazit

Bei der Umsetzung von Maßnahmen zur Fremdwasserreduzierung sind Messkampagnen zur Identifizierung von Fremdwasserschwerpunktgebieten ein bedeutender Ausgangspunkt. Mitentscheidend für die Kosten-Nutzen-Analyse ist die Dauer der jeweiligen Messung.

Vergleicht man Einzelmessungen mit Kurzzeitmessungen über mehrere Wochen und Monate, fällt die Entscheidung klar zugunsten der Kurzzeitmessungen aus. Der Aufwand, der hauptsächlich im Personaleinsatz besteht, ist bei letzteren nur unwesentlich höher. Jedoch liefern die gewonnenen Messreihen einen deutlichen Zuwachs verwertbarer Ergebnisse.

Einerseits können durch Nachtbegehungen gleichfalls mögliche Fremdwasserschwerpunktgebiete erkannt oder zumindest abgeschätzt werden. Dies rechtfertigt jedoch nicht zwingend den unwesentlich geringeren Aufwand, etwa dadurch, dass ein einzelnes Durchflussmessgerät als messtechnische Ausstattung genügt. Dabei sollte nicht unterschätzt werden, dass für Variante 1 die messtechnische Umsetzung in den Nachtstunden bei Trockenwetterabfluss durchgeführt werden muss.

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Bei der Suche nach Fremdwasserschwerpunktgebieten sollte eine Messkampagne über mindestens vier Wochen durchgeführt werden, um eine ausreichende Zahl an Trockenwettertagen zu gewährleisten. Messzeiträume von drei Monaten haben sich bewährt. Die hochauflösenden Messreihen erlauben neben der Quantifizierung der Fremdwasseranteile oder Fremdwasserzuschläge auch die Ermittlung des Schmutzwasserabflusses. Ebenfalls lassen die Messreihen eine Abschätzung des niederschlagsbedingten Fremdwasserabflusses zu.


Literatur:
[1] DWA-M 181. Messung von Wasserstand und Durchfluss in Entwässerungssystemen. Hennef: Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V., 2011
[2] DWA-M 182. Fremdwasser in Entwässerungssystemen außerhalb von Gebäuden. Hennef: Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V., 2012


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