„Müssen uns viel stärker auf Überflutung und Trockenheit vorbereiten“
Noch ist Deutschland vergleichsweise wasserreich. Aber wie lange noch? Durch Hitzewellen und Dürren ist der Wasserverlust hierzulande beträchtlich. B_I galabau spricht im Interview mit Dr.-Ing. Lisa Broß, Sprecherin der Bundesgeschäftsführung der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA), über Gartenbewässerung, Entsiegelung und Trockenheit.
Welche Herausforderungen sehen Sie in Sachen nachhaltige und klimabewusste Bewässerung, wenn wir auf Kommunen sowie Garten- und Landschaftsbau blicken?
Welche Folgen hat das?
Broß: Äußerst lange und ergiebige Niederschläge waren ja auch die Ursache für die großflächigen Überflutungen in Norddeutschland zum Jahreswechsel. Bezogen auf die Bewässerung bedeutet dies, wir müssen das Wasser zurückhalten, wenn es ergiebig fällt, um es für die Bewässerung nutzen zu können, wenn es fehlt. Und gerade der Aspekt, dass sich die Niederschläge in die Wintermonate verschieben, ist dabei höchst problematisch. Pflanzen brauchen Wasser in der Wachstumsperiode und nicht im Winter – auch das brauche ich Ihrer Leserschaft ja wirklich nicht zu sagen.
Wie lässt sich das Wasser denn für die Trockenphasen großräumig vorhalten?
Broß: In erster Linie über ein Zurück zum natürlichen Wasserhaushalt. Wir müssen vor allem die natürliche Wasserspeicherfähigkeit der Böden zurückgewinnen. Ein Schlagwort ist dabei naturgemäß ein Stopp der Versiegelung. Besser noch, eine Nettoentsiegelung, damit wieder viel mehr Wasser vor Ort versickern und das Grundwasser anreichern kann. Aber auch die Verdichtung von Böden in der Forst- und Waldwirtschaft ist kritisch zu sehen. Teilweise sind die Böden durch die Verwendung von sehr schweren landwirtschaftlichen Maschinen so verdichtet, dass das Wasser nicht mehr eindringen kann. Dazu kommt ein enges System von Entwässerungsgräben. Wasser wird sehr häufig immer noch in erster Linie schnellstmöglich einfach abgeführt. Hier ist ein Umdenken, ein Paradigmenwechsel notwendig. Dieser Paradigmenwechsel findet in der Wasserwirtschaft auch bereits seit einiger Zeit statt. Wir müssen jetzt aber dieses Denken noch flächendeckend umsetzen. Und das geht nur gemeinsam, mit den Kommunen und Landkreisen, mit der Land- und Forstwirtschaft und mit den Bürgerinnen und Bürgern.
Sie sagen, dass sich in den meisten Regionen die Jahresniederschlagsmenge nicht ändern wird. In manchen Regionen fällt bereits heute wenig Regen. Gibt es alternative Wasserquellen?
Gibt es dafür rechtliche Grundlagen?
Broß: Lange gab es nur nationale Regelungen. Im Juni 2020 hat die EU aber eine Verordnung zur Wasserwiederverwendung verabschiedet, seit dem Sommer 2023 ist diese in allen Mitgliedstaaten in Kraft. Die Verordnung schreibt keine Verwendung von aufbereitetem Abwasser vor, regelt aber die Vorgaben für die Hygienisierung je nach Verwendung. Das Bundesumweltministerium hat im März einen Referentenentwurf für die entsprechende Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes vorgelegt. Wir sehen bei dem Entwurf aber noch deutlichen Nachbesserungsbedarf, in der aktuellen Form hat die Wasserwiederverwendung in Deutschland keine praxisrelevante Zukunft.
Haben Sie Beispiele für eine gelungene Umsetzung nachhaltiger Bewässerungskonzepte in Kommunen oder GaLaBau-Projekten parat?
Broß: Ein sehr schönes Beispiel ist für mich das aktuell in Franken gestartete Projekt zur Wiesenbewässerung namens KliWa. KliWa steht dabei für Klimaangepasstes Wassermanagement – aus traditionellen Nutzungen für die Zukunft lernen. Durch verzweigte, dem Gelände angepasste Grabensysteme wird Wasser aus einem Fluss über Bewässerungsgräben in die Wiesenfläche geleitet. Ein Teil des Wassers wird anschließend wieder in den Fluss zurückgeleitet. Das Projekt ist nachhaltig, und stellt zudem eine sehr schöne Kombination von traditioneller Bewässerung und klimaangepasstem Wassermanagement dar.
Das ist die DWA
Die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) setzt sich eigenen Angabe zufolge für die Entwicklung einer sicheren und nachhaltigen Wasserwirtschaft ein. Die Bundesgeschäftsstelle des technisch-wissenschaftlichen Fachverbandes befindet sich in Hennef bei Köln, es gibt sieben Landesverbände. Arbeitsschwerpunkt: Erarbeitung und Aktualisierung des DWA-Regelwerkes sowie Mitarbeit bei der Aufstellung fachspezifischer Normen auf nationaler und internationaler Ebene, Politikberatung und Wissenstransfer. Als unabhängige Organisation arbeitet die DWA (rund 160 Mitarbeiter inklusive Landesverbände) fachlich auf den Gebieten Wasserwirtschaft, Abwasser, Abfall und Bodenschutz. Die rund 14.000 Mitglieder repräsentieren Fachleute und Führungskräfte der Branche sowie Kommunen, Unternehmen der Wasserwirtschaft, Hochschulen, Ingenieurbüros, Behörden und Unternehmen.
Ganz konkret, welche Vorteile hat die Wiesenbewässerung?
Wie können Kommunen und GaLaBau-Betriebe bei der Umsetzung nachhaltiger Bewässerungskonzepte unterstützt werden?
Broß: Eine Unterstützung ist auf jeden Fall die oben angesprochene EU-Verordnung zur Wasserwiederverwendung. Klare und verbindliche rechtliche Regelungen helfen immer, Rechtssicherheit erleichtert die Planung deutlich. Wir als DWA erarbeiten aktuell in unseren Gremien die Merkblattreihe DWA-M 1200 „Anwendung der Wasserwiederverwendung für landwirtschaftliche und urbane Zwecke“, den Gelbdruck werden wir bald für die Fachöffentlichkeit zur Diskussion stellen. Auch dies wird eine sehr gute Hilfestellung für Kommunen und GaLaBau-Betriebe sein. Aber nachhaltige Bewässerung beschränkt sich natürlich nicht auf die Wasserwiederverwendung. Auch Projekte wie KliWa müssen Schule machen. Wir müssen einfach bei vielen Dingen vom Wasser her denken, und nicht die Wasserfragen nachrangig behandeln.
Und wie steht es um das Bewusstsein für nachhaltige Bewässerungspraktiken in der Bevölkerung?
Broß: Das Bewusstsein ist grundsätzlich vorhanden, aber es könnte auch noch deutlich größer sein. Wir brauchen eine Wasserwende, eine wirklich wasserbewusste Gesellschaft. Es muss allen – Bürgerinnen und Bürgern, Politik, Industrie, Verwaltung – klar sein, dass der Klimawandel auch wasserwirtschaftliche Konsequenzen hat, die sich dann auf fast alle Lebensbereiche auswirken. Wir müssen uns viel stärker auf Wasserextreme wie Überflutung und Trockenheit vorbereiten. Und das fängt bei uns an, beispielsweise mit der Entsiegelung auf dem eigenen Grundstück, beispielsweise mit der Zisterne zur Gartenbewässerung. Insbesondere die trockenen Sommer 2019 und 2022 haben das Bewusstsein in der Bevölkerung deutlich geschärft. Aktuell haben wir einen sehr nassen Winter hinter uns, auch das Frühjahr war nicht gerade trocken. Das darf uns aber nicht in falscher Sicherheit wiegen. Die nächste lange Trockenphase wird kommen, und dann müssen wir darauf auch bewässerungstechnisch vorbereitet sein. Spare in der Zeit, so hast Du in der Not. Das gilt auch und gerade beim Wasser.
Gedeiht die grüne Branche?
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Frau Broß, vielen Dank für das Gespräch.
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