2.000 Dichtheitsprüfungen wissenschaftlich ausgewertet
Dr.-Ing. Serdar Ulutaş hat am IKT - Institut für Unterirdische Infrastruktur seine Promotion zum Thema Dichtheitsprüfungen von Hausanschlussleitungen verfasst. Wir sprachen mit ihm über die Ergebnisse seiner umfassenden Untersuchungen und deren Bedeutung für die Praxis.
B_I umweltbau: Dr. Ulutaş, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Promotion mit dem Titel „Aussagekraft von Dichtheitsprüfungen und optischen Inspektionen an Anschlussleitungen in der Abwasserkanalisation“. Wie sind Sie auf diese Thematik gestoßen?
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Dr. Ulutaş: Im Zuge des großen IKT-Warentests Kurzliner sind mir bei den Sanierungsabnahmen zahlreiche Unplausibilitäten aufgefallen. Diese konnten wir uns nicht erklären. Also haben wir zwei Tausend Dichtheitsprüfungen an unseren Prüfstrecken im IKT durch externe Sachkundige durchführen lassen, um die Aussagekraft der Prüfverfahren systematisch zu untersuchen. So kam eine einzigartig große Datenmenge zusammen, die es bis dahin noch nie gab. Diese habe ich dann wissenschaftlich ausgewertet.
Wie sind Sie dabei methodisch vorgegangen?
Die Dichtheitsprüfungen mit Wasser und Luft habe ich in einem ersten Schritt unter idealen Laborbedingungen und in einem zweiten Schritt dann unter realistischen Praxisbedingungen untersucht. Ich wollte wissen, wie genau die Verfahren sind, welche Anwendungsfehler wie häufig auftreten und wie sie sich diese auf die Prüfergebnisse auswirken.
Im Labor haben wir ein Leitungssystem aus Rohren DN150 aufgebaut mit dem wir dichte und undichte Zustände abwechselnd simulieren konnten. Nacheinander prüften 29 externe Sachkundige diese Leitungen, ohne dass sie deren Verlauf und Zustand kannten.
Für die Praxisprüfungen haben wir 28 erdüberdeckte und flutbare Leitungen verwandt. Die Rohre haben wir vorgeschädigt und durch Fachfirmen sanieren lassen. Sieben Sachkundige haben diese Leitungen geprüft.
Alle Prüfergebnisse der Sachkundigen habe ich dann mit den tatsächlichen Leitungszuständen verglichen. Dies diente dazu, die Fehlerraten der einzelnen Prüfverfahren zu ermitteln.
„Undichte Leitungen werden also auch in der Praxis zuverlässig erkannt. Dichte Leitungen werden hingegen in 10 bis 20 Prozent der Fälle als undicht eingestuft.“
Welche Ergebnisse gab es bei den Laborprüfungen?
Unter Laborbedingungen waren alle Prüfurteile der Sachkundigen bei Prüfung mit Luftüber- und Luftunterdruck korrekt. Allerdings wichen die Messwerte der Druckverluste von den Referenzwerten ab, weil nicht immer die vorgeschriebenen Prüfdrücke und -zeiten eingehalten wurden. Auch waren Messsensoren nicht in jedem Fall korrekt kalibriert.
Bei den Prüfungen mit Wasser wurden von allen Prüfern mindestens ein, zum Teil mehrere und gravierende Fehler gemacht. So wurden undichte Leitungen in 15% der Fälle fälschlicher Weise als dicht eingestuft. Dichte Leitungen wurden hingegen immer korrekt als solche erkannt.
Insgesamt zeigte sich, dass die Prüfmethoden unter Laborbedingungen gut funktionieren, aber viele Ausführungsfehler auftreten.
Inwieweit wichen die Praxisprüfungen von den Laborergebnissen ab?
Da muss ich noch einmal unterteilen: Die undichten Leitungen wurden sowohl mit Wasser als auch mit Luft als Prüfmedium in allen Varianten mit sehr hoher Zuverlässigkeit erkannt. Lediglich bei einer Prüfung mit Luftunterdruck kam es zu einem falsch negativen Ergebnis.
Bei dichten Leitungen ermittelten die Sachkundigen bei drei von vier Prüfverfahren zu 90 Prozent richtige Ergebnisse. Dies gilt für die Verfahren „Wasser mit niedrigem Druck“ sowie Luft mit Über- und Unterdruck. Die Prüfung „Wasser mit hohem Druck“ lieferte in 80% der Fälle korrekte Ergebnisse.
Undichte Leitungen werden also auch in der Praxis zuverlässig erkannt. Dichte Leitungen werden hingegen in 10 bis 20 Prozent der Fälle als undicht eingestuft.
Und wie haben Sie das Verfahren „optische Inspektion“ untersucht?
Für die Laboruntersuchungen haben wir eine Versuchsstrecke aus Steinzeugrohren DN 150 aufgebaut und mit vier Schadensbildern aus dem Bildreferenzkatalog NRW versehen: Riss, Scherbe, Abwinkelung und Querversatz. Aufgabe der Sachkundigen war es, diese mittels TV-Inspektion zu erkennen, zu benennen und zu klassifizieren.
Und was ist dabei herausgekommen?
Erkennen und Benennen der Schadensbilder haben zuverlässig funktioniert. Bei der Klassifizierung der A-Schäden offenbarten sich jedoch erhebliche Defizite. In 60% der Fälle lagen die Sachkundigen falsch. Daher habe ich die „optische Inspektion“ als nicht zuverlässig eingestuft.
Damit waren Ihre Untersuchungen aber noch nicht am Ende?
Nein, auch die „optische Inspektion“ haben wir unter Praxisbedingungen mit erdüberdeckten Leitungen ohne anstehendes Grundwasser untersucht. Hier lag die Trefferquote richtig/falsch bei rund 50 Prozent. Auch hier zeigte sich, dass dieses Prüfverfahren nicht gut genug ist, wenn es um die Dichtheit geht.
Was bedeuten Ihre Ergebnisse für die Praxis?
Es zeigt sich, dass die Prüfverfahren bei undichten Leitungen verlässlich sind. Wir erinnern uns: Da lag die Trefferquote bei fast 100 Prozent. Bei dichten Leitungen waren dagegen in 10 bis 20 Prozent der Fälle die Ergebnisse falsch.
Was kann dagegen getan werden? Eine Strategie wäre eine Wiederholungsprüfung. Mit einer solchen Doppelprüfung lässt sich das Prüfergebnis noch einmal deutlich besser absichern.
Die zweite Strategie ist es, das Prüfequipment häufiger zu warten und zu überprüfen. Und bei den Prüfungen selbst ist noch mehr darauf zu achten, die Prüfvorschriften genauestens einzuhalten. So zeigte sich insbesondere, dass die Sachkundigen Prüfzeiten und Prüfdrücke nicht exakt einhielten. Auch haben sie die Wasserverluste nicht ausreichend korrekt gemessen. Hier kommt es auf den Faktor Mensch an.
Was ist Ihre Empfehlung, was sollte die Fachwelt künftig besser machen?
Die Fachwelt sollte meiner Ansicht nach eine einheitliche Norm für alle Prüfverfahren festlegen. Bisher haben wir ja vier Normen und Regelwerke herausgegeben von verschiedenen Institutionen. Dies ist unübersichtlich, verwirrend und teils unvollständig. Wir brauchen eine einzige Norm, in der die Anforderungen schlüssig, eindeutig und umfassend geregelt sind.
Darin sollten die regelmäßige Wartung und Kalibrierung der Prüfgeräte nicht wie bisher nur empfohlen, sondern verpflichtend vorgeschrieben werden. Auch sollten Rezertifizierungen der Sachkundigen nicht nur in Theoriekursen, sondern auch in praktischen Lehrgängen erfolgen.
Haben die Erkenntnisse aus Ihrer Arbeit Auswirkungen auf Ihre zukünftige berufliche Tätigkeit oder auf die Arbeit des IKT?
Ich habe jetzt den Fall der Anschlussleitungen auf den Grundstücken untersucht. Die Ergebnisse sind aber nicht ohne weiteres 1:1 auf die öffentliche Kanalisation übertragbar. Da sehe ich also noch Untersuchungsbedarf.
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Ein weiteres Thema mit großer Relevanz ist die Dichtheitsprüfung von Druckleitungen. Hier ist aktuell einiges, was Untersuchungen und Prüfvorschriften angeht, in Bewegung. Ich denke, in beiden Bereichen – öffentliche Kanalisation und Druckleitungen – gibt es noch viel zu tun. Das IKT wird hier weiterforschen.
Mit Dr. Serdar Ulutaş sprach Artur zu Eulenburg.
Zentrale Ergebnisse der Dissertation:
- Prüfmethoden mit Wasser und Luft funktionieren unter Laborbedingungen gut, aber viele Ausführungsfehler.
- Undichte Leitungen werden auch unter Praxisbedingungen zuverlässig erkannt. Dichte Leitungen werden hingegen in 10 bis 20 Prozent der Fälle als undicht eingestuft.
- Mit der optischen Inspektion kann man Undichtheit nicht zuverlässig erkennen, wenn kein Grundwasser ansteht.
- Die verschiedenen Prüfvorschriften sollten in eine einheitliche Prüfnorm gegossen werden.
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