Bieterfragen in Vergabeverfahren
Wenn Bieter in den Vergabeunterlagen im Rahmen ihrer Prüfpflicht Lücken oder Widersprüche bemerken, können sie den Auftraggeber darauf aufmerksam machen und zusätzliche Informationen anfordern. Welche Fristen bei Bieterfragen eingehalten werden müssen und bis wann Auftraggeber Bieterfragen beantworten müssen, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Was ist eine Bieterfrage?
Gem. § 121 Abs. 1 GWB haben Bieter Anspruch auf eine umfassende Leistungsbeschreibung. Auch wenn die Vergabeunterlagen vollständig und eindeutig formuliert veröffentlicht werden sollen, kann es vorkommen, dass Bieter während des Ablaufs des Vergabeverfahrens Fragen zu bestimmten Aspekten in der Ausschreibung haben. Dann müssen Bieter oder Bewerber eine sogenannte Bieterfrage an den öffentlichen Auftraggeber herantragen, z.B., wenn es Unklarheiten in den Vergabeunterlagen oder in der Leistungsbeschreibung gibt. Teilweise können aber auch Lücken oder fehlerhafte Formulierungen der Grund sein, weshalb sich Bieter oder Bewerber an den Auftraggeber wenden.
Bieterfragen können auch für Auftraggeber nützlich sein: Besonders wenn es um den Inhalt des Vergabegegenstandes geht, können Auftraggeber vom Fachwissen der Bieter profitieren. Jede Anmerkung und jede Frage hilft, um das bestehende Vergabeverfahren und auch zukünftige Ausschreibungen zu verbessern. Das gilt auch für die Vertragsunterlagen. Allerdings sind Bieterfragen immer inhaltlicher Natur. Rechtsfragen müssen Bieter demnach selbst verantworten.
Welche Fristen gibt es für Bieterfragen?
In den Vergabeunterlagen können Fristen genannt werden, bis wann Unternehmen Fragen stellen dürfen. Der Auftraggeber hat Anspruch auf ein geordnetes Vergabeverfahren, welches ihm erlaubt, Regeln gem. Vergaberecht für Bieterfragen festzulegen. Möchte der Auftraggeber eine Frist für den Eingang von Bieterfragen setzen, sollten aber auf angemessene Zeiträume auch im Hinblick auf die Angebotsabgabe achten. Auch hier gilt es die Fristen ausreichend zu bemessen. Empfohlen werden 10 - 12 Tage vor Abgabe der Angebote, um Bieterfragen einreichen zu können.
Aber: Bieterfragen, die auch nach der Frist gestellt werden, dürfen nicht unbeantwortet gelassen werden. Wenn Bieter z.B. zu einem späteren Zeitpunkt erst die Vergabeunterlagen herunterladen und somit erst nach der Frist Unklarheiten aufdecken, muss der Auftraggeber für Abhilfe sorgen. Dies kann im Form einer Klarstellung oder einer Korrektur der Vergabeunterlagen erfolgen. Kommt es zu einer Korrektur, muss auch die Frist zur Angebotsabgabe verlängert werden.
➨ Auf nationaler Ebene gibt es kaum Regelungen zu Bieterfragen, bei europaweiten Vergabeverfahren sind die Regelungen zu Bieterfragen schon etwas eindeutiger formuliert.
Bieterfragen UVgO
Die UVgO enthält keine genauen Regelungen zu Fristen und zur Beantwortung von Bieterfragen. Aber in den Amtlichen Anmerkungen zu § 7 Abs 3 sowie § 38 Absatz 4 bis 5 UVgO lassen sich Bemerkungen zu Bieterfragen herauslesen. So können Auftraggeber für die Übermittlung und Beantwortung von Bieterfragen eine Registrierung verpflichten. Und Bieterfragen als “sonstige Kommunikation” können auch zu den Ausnahmen zur verpflichtenden Kommunikation gesehen werden. Bieter können also Bieterfragen stellen, allerdings können sie nicht erwarten, dass der Auftraggeber auch darauf antworten muss.
Bieterfragen VOB
Auch in der VOB/A werden keine genauen Regelungen zu Bieterfragen gemacht. In § 12a Abs. 4 VOB/A wird dargelegt, dass sofern Unternehmen um zusätzliche sachdienliche Auskünfte über die Vergabeunterlagen bitten, diese Auskünfte allen Unternehmen zeitgleich und auf gleiche Weise erhalten müssen.
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Bieterfragen VgV
Gem. § 20 Abs.3 VgV müssen die Frist zur Angebotsfrist verlängert werden, wenn Bieter zusätzliche Informationen einfordern, die trotz rechtzeitiger Anforderung nicht spätestens sechs Tage vor Ablauf der Angebots mitgeteilt wurden. Bei beschleunigten Verfahren beträgt diese Frist 4 Kalendertage vor Ablauf der Angebotsfrist. Eine Fristverlängerung muss dann in Relation zu den Informationen stehen, damit Bieter die Möglichkeit haben, ihre Angebote dementsprechend anzupassen. Eine Pflicht zur Beantwortung der Bieterfragen ist allerdings nicht in der VgV festgelegt.
Bieterfragen VOB/A EU
Bei europaweiten Bauvergaben gelten die gleichen Regelungen zu Bieterfragen wie bei der VgV. Gem. § 12a EU Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 VOB/A müssen rechtzeitig angefragte Auskünfte zu den Vergabeunterlagen spätestens sechs Kalendertage vor Ablauf der Angebotsfrist veröffentlicht werden. Diese Auskünfte müssen dann allen Unternehmen gleichermaßen zur Verfügung gestellt werden. Bei beschleunigten Vergabeverfahren müssen diese bis spätestens vier Kalendertage vor Fristablauf veröffentlicht werden.
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Bis wann müssen Auftraggeber Bieterfragen beantworten?
Nicht nur Bieter müssen Fristen im Bezug auf Bieterfragen Fristen einhalten. Handelt es sich um eine europaweite Ausschreibung, müssen Auftraggeber Bieterfragen spätestens 6 Tage (bei nicht offenen oder Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb spätestens 4 Tag) nach Erhalt beantworten. Erfolgt die Rückmeldung verspätet, kann dies auch zu einer Verlängerung der Angebotsabgabe führen.
Worauf müssen Auftraggeber bei der Beantwortung bei Bieterfragen achten?
Bei der Beantwortung von Bieterfragen gilt das Gleichbehandlungsgebot Das bedeutet, dass die Antwort und die Bieterfrage selbst allen anderen Bietern zur Verfügung gestellt werden. So erhalten alle Bieter die relevanten zusätzlichen Informationen und die anderen Bieter werden nicht diskriminiert. Dabei muss darauf geachtet werden, dass bei Veröffentlichung der Frage keine Rückschlüsse auf das Unternehmen gezogen werden können, die eine Frage formuliert hat. Ergibt sich aus der gestellten Frage die Identität des Unternehmens, muss diese umformuliert werden.
Geht es um eine Frage mit reinem Informationsbedarf, z.B. wenn Angaben überlesen wurden und dadurch Missverständnisse aufkommen, kann der Auftraggeber eine individuelle Beantwortung vornehmen. Manchmal genügt es auch, das Unternehmen auf eine bestimmte Stelle in den Vergabeunterlagen aufmerksam zu machen. Individuelle Antworten auf subjektive Fragen müssen nicht allen Bietern bereitgestellt werden.
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Bieterfragen sollten auch nicht unbeantwortet gelassen werden. Erfolgt keine Klarstellung, kann dies auch zu einer Rückversetzung des Vergabeverfahrens führen.
Nicht vergessen: Zur Dokumentation im Vergabeverfahren gehört auch, jede Bieterfrage und Antwort zu dokumentieren.
Wann sollten Bieterfragen gestellt werden?
Bieterfragen werden gestellt, wenn Unternehmen Lücken, Fehler oder Ungenauigkeiten entdecken. Das können z.B. folgende Punkte betreffen:
- Formulierungen sind unklar
- offensichtliche Fehler oder Widersprüche in den Unterlagen
- Kriterien, die wettbewerbsverzerrend sein könnten.
Bieterfragen sind übrigens keine Rüge im Vergabeverfahren! Allerdings kann die Antwort auf eine Frage zu einer Rüge führen. Unternehmen sollten sich trotzdem nicht scheuen, eine Frage zu stellen.
Tipp: Gibt es keine eVergabe-Plattform, wie z.B. B_I eVergabe, über die die Bieterkommunikation abgewickelt wird, sollten Fragen in schriftlicher Form gestellt werden. Dies dient der Dokumentation und kann auch als späterer Beweis angeführt werden, sollte es zu einem Nachprüfungsverfahren kommen.
Warum sind Bieterfragen wichtig?
Mit den zusätzlichen Informationen oder Korrekturen in der Ausschreibung können Bieter bessere Angebote erstellen oder womöglich weiteren Bietern die Chance ermöglichen ein Angebot zu erstellen. Antworten auf Bieterfragen sind daher für den Wettbewerb wichtig.
Für Bieter sind Fragen eine besonders gute Möglichkeit, um den Forderungen der Unternehmen näher zu kommen, wenn die Informationen in der Ausschreibung diesbezüglich nicht aussagekräftig genug sind.
Auftraggeber sollten Bieterfragen immer ernst nehmen, damit eine Ausschreibung nicht angefochten wird. Bieterfragen bieten außerdem die Chance die Vergabe rechtssicherer zu gestalten.
Rechtlicher Hinweis:
Dieser Artikel dient lediglich zur Orientierung und ersetzt weder eine Rechtsberatung, noch können die Inhalte als Rechtsgrundlage genutzt werden. Die Richtigkeit der Angaben ist ohne Gewähr.Interessante Themen:
Über den Autor
Jana Hanekamp
Content Creator & Managerin/ Social Media Managerin
Bereits während des Studiums der Kunstgeschichte und Philosophie war Jana Hanekamp im Bereich Marketing und Presse- und Öffentlichkeitsarbeit tätig.
Bei B_I MEDIEN arbeitet sie als Content Creator und Managerin sowie als Social Media Managerin. Sie recherchiert, verfasst und überarbeitet die Inhalte des Vergabe-Wissen-Bereichs auf bi-medien.de.
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