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Wichtige Entscheidungen für Bieter – Frühjahr 2024

In diesem Blogbeitrag widmet sich Dr. Nikolas Graichen fünf wichtigen Entscheidungen, die im Frühjahr 2024 beschlossen wurden. Besonders Bieter sollten die jüngsten Entscheidungen im Vergaberecht im Auge behalten. Das sog. Fallrecht spielt im vergaberechtlichen Alltag durchaus eine Rolle. Welche fünf Entscheidungen aktuell wichtig für Bieter sind, fasst ihn unser Autor hier zusammen.

Diese fünf wichtigen Entscheidungen sollten Bieter kennen, um ihre Zuschlagschancen beim nächsten Vergabeverfahren zu verbessern.
Diese fünf wichtigen Entscheidungen sollten Bieter kennen, um ihre Zuschlagschancen beim nächsten Vergabeverfahren zu verbessern.

Grundsätzlich hat sich die deutsche Rechtsordnung gegen das sog. „Fallrecht“ und für eine abstrakt-generelle Regelung durch Gesetze und andere Rechtsgrundlagen entschieden. Entgegen dieser grundsätzlichen Entscheidung spielt gerade im Vergaberecht das sog. „Fallrecht“ aus den Entscheidungen der Vergabekammern und Oberlandesgerichte eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für die Praxis. Grund genug also, stets die neueste Rechtsprechung im Blick zu haben. Insbesondere bei Entscheidungen des BGH – der aufgrund des zweistufigen Rechtsschutzsaufbaus nur selten Gelegenheit zur Äußerung bekommt – lohnt sich für Bieter stets ein genauer Blick, um unliebsamen Überraschungen in Vergabeverfahren so weit wie möglich zu vermeiden.

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Überraschung zum Abschluss

Einige jüngere Entscheidungen der unterschiedlichen Instanzen sollen im Folgenden kurz skizziert werden, um zu verdeutlichen, welche Fallstricke Bieter beachten müssen, um ihre Zuschlagschancen nicht von vornherein aufgrund vermeintlich kleinerer Nachlässigkeiten zu verlieren:

1. Achtung bei der Form!

Schon bei der Verwendung des Dateityps der Angebote können sich Unwägbarkeiten bis hin zu einem Ausschluss des eigenen Angebots ergeben. Wer an dieser Stelle dachte, es sei egal, ob die geforderten Unterlagen als PDF, docx oder in einem anderen Dateityp abgegeben werde, weil am Ende ohnehin dasselbe darin zu finden sei, musste sich durch ein Urteil des BGH (Urt. v. 16.05.2023 – XIII ZR 14/21) eines Besseren belehren lassen. Ein Auftraggeber schrieb im Wege einer öffentlichen Ausschreibung Bauleistungen mit einem geschätzten Auftragswert von ca. 140.000 € aus. In den Vergabeunterlagen wurde den Bietern die Vorgabe gemacht, ihre elektronischen Angebote bzw. jedenfalls das ausgefüllte Leistungsverzeichnis im sog. GAEB-Dateiformat d.84 oder x.84 einzureichen. Der grundsätzlich für den Zuschlag vorgesehene Bieter beachtete diese Vorgabe nicht und reichte sein ausgefülltes Leistungsverzeichnis lediglich als PDF-Datei ein. Das nahm der Auftraggeber zum Anlass für einen Ausschluss des Bieters. Nach dem BGH zu Recht. Nahm man auf Basis einer früheren Entscheidung (Urt. v. 18.06.2019 – X ZR 86/17) noch an, der BGH fordere beim Einsatz seines schärfsten Schwertes, des Ausschlusses eines Bieters vom Vergabeverfahren, Zurückhaltung, ist nun bei etwaigen Formanforderungen in den Vergabeunterlagen besondere Vorsicht geboten. Bieter sollten sich daher unbedingt genauestens mit den jeweils geforderten Dateitypen vertraut machen und ihr Angebot bzw. ausschließlich in den jeweils geforderten Formen und Dateiformaten abzugeben.

2. Achtung beim Inhalt des eigenen Angebots!

Auch bei der Frage des Inhalts des eigenen Angebots ist besondere Sorgfalt geboten und führen Abweichungen von den Vergabeunterlagen zu einem zwingenden Ausschluss. Dies bekam ein ausgeschlossener Bieter deutlich von der VK Bund (B.v. 16.05.2023 – VK 2-28/23) bestätigt. Der Bieter bot ein bestimmtes Produkt mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ an. Dies entsprach nicht der geforderten Bestimmtheit an das Angebot. Aufgrund des Zusatzes „oder gleichwertig“ ließ sich der Bieter ein Wahlrecht hinsichtlich der finalen Bestimmung des Inhalts seines Angebots offen. Hier deutete der Bieter die Angabe eines Leitfabrikats mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ in der Leistungsbeschreibung falsch und wähnte sich im Recht, ein ebensolches Angebot abgeben zu dürfen. Ist die Angabe von Leitfabrikaten in Vergabeunterlagen für sich genommen bereits problematisch, wissen die Bieter in der Regel, wie mit diesen Angaben umzugehen ist. Entweder ist exakt das Leitfabrikat oder eben ein gleichwertiges Produkt (aber dann auch nur dieses) verbindlich anzubieten. Für Bieter bedeutet dies bei der Angebotsabgabe, dass Zusätze oder Abweichungen zum LV zu unterlassen sind und exakt das anzubieten ist, was der Auftraggeber in seiner Leistungsbeschreibung fordert. Meint ein Bieter, eine bessere Alternative zu kennen, kann dies allenfalls ein Anlass für eine Bieterfrage oder – im Falle der Zulässigkeit solcher Angebote nach den Festlegungen in den Vergabeunterlagen – Inhalt eines Nebenangebotes sein.

3. Achtung beim Umgang mit Nachforderungen!

Gleich zwei Entscheidungen der jüngeren Vergangenheit befassten sich mit dem Umgang von Nachforderungen durch den Auftraggeber.

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Zum einen können auch den Auftraggeber gewisse „Formvorgaben“ treffen, möchte er Bieter korrekt dazu auffordern, Unterlagen nachzureichen. In einem Fall der VK Sachsen (B.v. 14.04.2023 – 1/SVK/003-23) forderte der Auftraggeber den Bieter per E-Mail zur Nachreichung fehlender Unterlagen auf. Gleichzeitig fand sich in den Vergabeunterlagen der Hinweis, dass die Kommunikation ausschließlich über die Vergabeplattform erfolge und eine Registrierung sowie Nutzung seitens der Bieter hier erforderlich sei. Bei einer solchen Festlegung sei nach der VK Sachsen eine Selbstbindung des Auftraggebers eingetreten, so dass etwaige Nachforderungen auf anderen Kommunikationswegen unzulässig seien.

Die VK Bund (B.v. 11.03.2022 – VK 1-23/22) hatte sich hingegen mit dem Umgang eines unzureichenden Umgangs mit der Nachforderung durch einen Bieter auseinanderzusetzen. Im dortigen Fall hatte die spätere Antragstellerin zunächst keine und auf eine Nachforderung sodann unzureichende Referenzen nachgereicht. Innerhalb der noch laufenden Frist zur Nachreichung fiel ihr dieser Fehler auf und sie übersandte weitere, nunmehr passende Referenzen. Zu spät, wie die VK feststellte. Der Bieter habe nur „einen Schuss“, der sitzen müsse. Beim Umgang mit etwaigen Nachforderungen ist daher dieselbe Sorgfalt wie bei der ursprünglichen Angebotsabgabe geboten. Es ist genau zu prüfen, was nachgefordert wird und auch nur die entsprechenden Unterlagen sind nachzureichen.

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4. Achtung beim Umgang mit der Vergabeplattform

Vorsicht ist auch beim Prozess der Angebotseinreichung selbst geboten. Hier bietet sich eine frühzeitige Befassung mit der jeweiligen Vergabeplattform sowie der frühzeitige Beginn des Prozesses des Hochladens an. Wird ein Angebot zu spät abgegeben führt dies grundsätzlich zum Ausschluss des Angebotes. Mit einer Ausnahmesituation hatte sich die VK Rheinland-Pfalz (B.v. 25.05.2023 – VPS 12/23) zu befassen. Hier führten Spezifikationen der Vergabeplattform dazu, dass erst unter Zuhilfenahme des technischen Supports eine Angebotsabgabe möglich war. In einem solchen Fall sei der verfristete Angebotseingang dem Bieter nicht zuzurechnen, so dass das Angebot im Ergebnis nicht als verfristet anzusehen sei. Bieter sollten dieses Risiko nach Möglichkeit durch eine frühzeitige Befassung mit der Vergabeplattform ausschließen und sich mit den Modalitäten der jeweiligen Vergabeplattform befassen.

5. Achtung beim Umgang mit Bindefristen

Auf Bieterseite herrscht vielfach eine Unsicherheit beim richtigen Umgang mit der Verlängerung von Bindefristen. Unterstützung beim Umgang mit diesen Bindefristen erhalten die Bieter auch vonseiten der Gerichte nur bedingt. So entschied das OLG Düsseldorf (B.v. 14.12.2022 – Verg 11/22), dass mit dem Ablauf und der Nichtverlängerung einer Bindefrist, das Angebot erloschen und damit ein Zuschlag auf dieses nicht mehr möglich sei. Misslich ist an dieser Entscheidung, dass das OLG Düsseldorf sich damit in einen diametralen Widerspruch zu einer vorherigen Entscheidung des OLG Celle (B.v. 30.01.2020 – 13 Verg 14/19) sowie des BGH (Urt. v. 11.10.2003 – X ZR 248/02) setzte. Das OLG Celle sah aus vergaberechtlicher Sicht eine Pflicht des Auftraggebers dem Bestbieter – trotz Ablaufs der Bindefrist – den Auftrag erneut anzutragen. In dieselbe Richtung hat auch das BayObLG (B.v. 26.04.2023 – Verg 16/22) entschieden. Für Bieter ergibt sich hieraus eine unerträgliche Rechtsunsicherheit. Es wäre daher begrüßenswert, wenn ein OLG bei der nächsten Gelegenheit seine § 179 Abs. 2 S. 1 GWB entspringende Pflicht zur Vorlage dieser Frage an den BGH wahrnähme, um eine endgültige Entscheidung dieser Streitfrage herbeizuführen. Bieter sollten daher ein Auge auf die Bindefrist haben. Droht diese abzulaufen und fordert der Auftraggeber die Bieter nicht zur Verlängerung ihrer Bindung an das Angebot auf, sollten die Bieter selbst tätig werden. Mit einer kurzen Mitteilung sollten sie dem Auftraggeber erklären, bis zu welchem Datum sie sich an ihr Angebot gebunden halten. Wichtig ist dabei, dass keine Zusätze zum oder Abänderungen des eingereichten Angebots miterklärt werden. Ansonsten droht der Ausschluss vom Vergabeverfahren.

Fazit

Die Rechtsprechung ist nicht immer einheitlich oder übersichtlich. Umso wichtiger ist die vollständige und intensive Befassung mit den Vergabeunterlagen. Auf diese Weise lässt sich die eine oder andere Streitfrage bereits im Vorhinein lösen oder aber entstehende Ungereimtheiten im Wege von Bieterfragen im Zusammenspiel mit dem Auftraggeber lösen.


Über den Autor


Dr. Nikolas Graichen

Dr. Nikolas Graichen

Rechtsanwalt bei LANGWIESER RECHTSANWÄLTE

Dr. Nikolas Graichen berät sowohl öffentliche Auftraggeber als auch Unternehmen zu allen Fragen des Vergaberechts. Er betreut und begleitet öffentliche Auftraggeber bei der Planung und Durchführung von Vergabeverfahren und berät zu allen damit verbundenen vergaberechtlichen Fragestellungen. Auf der anderen Seite berät Dr. Nikolas Graichen Unternehmen zur rechtssicheren und chancenwahrenden Teilnahme an Vergabeverfahren. Zu seinen Tätigkeiten gehört auch die Vertretung seiner Mandanten in Rechtsschutzverfahren vor den vergaberechtlichen Nachprüfungsinstanzen und vor Behörden und Gerichten.


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