So will Liebherr weg von den Fossilen
Das Potenzial für CO2-Einsparungen bei Baumaschinen ist groß. Liebherr berücksichtigt die technologische Reife, Infrastruktur und Kosten der verschiedenen Energieträger – und bringt deshalb vor allem elektrische und Wasserstoffantriebe sowie HVO-Diesel voran.
Dass Liebherr bei der Defossilisierung seines Baumaschinenprogramms laut eigenen Angaben „technologieoffen“ vorgeht, bedeutet unter anderem, dass sie Verbrennungsmotoren nicht aus dem Kanon möglicher Antriebslösungen ausschließen, sofern diese mit fossilfrei gewonnenen Kraftstoffen betrieben werden. Die Entscheidung, ob die Baumaschinen klimaschädlich, das heißt, mit fossilen Kraftstoffen, oder klimaschonend, nämlich mit CO2-freien Kraftstoffen betrieben werden, liegt also bei den Kunden. Der in der Industrie inzwischen obligatorische Hinweis auf HVO-Diesel als klimaneutrale Alternative ist legitim, wirft aber schon auf den zweiten Blick allerhand Fragen hinsichtlich Verfügbarkeit, Flächenkonkurrenz etc. auf. Schaut man auf die Kriterien, nach denen Liebherr lohnende Antriebstechnologien auswählt, erscheint die Strategie des Herstellers dennoch stringent: Neben dem CO2-Reduktionspotenzial bestimmen auch die technologische Reife alternativer Antriebsoptionen sowie die Infrastruktur und die Kosten der Energieträger die Entwicklungsarbeit. Und da hat HVO (Hydrated Vegetable Oil, Hydratisiertes Pflanzenöl) im Vergleich mit Wasserstoff und efuels aktuell die Nase vorn: Es ist die technologisch naheliegendste, mit dem geringsten Aufwand umsetzbare Lösung für Baumaschinen mit Verbrennungsmotoren. „Wir wollen unseren Kunden durchdachte, wirtschaftliche und langfristig tragfähige Alternativen zum fossilen Dieselmotor anbieten, mit denen sie sowohl ihre Leistungs- als auch Emissionsziele erreichen können“, sagt Philipp Suhm, Head of Engineering Technology Coordination bei Liebherr.
Technologische Reife variiert: HVO-, Elektro- und wasserstoffbasierte Lösungen führend
Die Bandbreite alternativer Antriebstechnologien ist groß und reicht bei Liebherr von HVO und E-Fuels über elektrische Lösungen mit Netz- oder Batteriebetrieb bis hin zu Wasserstoff und Ammoniak. Manche dieser Technologien sind so weit ausgereift, dass sie sich bereits kurz- oder mittelfristig nutzen lassen. Dazu gehören unter anderem HVO-, Elektro- und wasserstoffbasierte Lösungen. Bei anderen Ansätzen wie Ammoniak, das ebenfalls Teil der Liebherr-Forschung ist, ist noch einiges an Vorarbeit nötig. Ammoniak ist als nachhaltige Energiequelle zwar heute noch Zukunftsmusik, hat aber das Potenzial, künftig weltweit eine bedeutende Rolle zu spielen. Zudem kann mit grüner Energie hergestelltes Ammoniak als effizientes Medium für den Transport von Wasserstoff dienen.
Welche der Antriebsoptionen Liebherr derzeit am vielversprechendsten erscheinen, erklärt Hans Knapp, Leiter Vorentwicklung & Antriebe im Liebherr-Werk Bischofshofen, wo die Radlader des Unternehmens gebaut werden: „Wir sehen für die Energiewende drei Antriebskonzepte, die sich durchsetzen werden: Das eine sind batterieelektrische Antriebe, das andere ist der Wasserstoffhubkolbenmotor, und das dritte ist die Brennstoffzelle. Und wo die dann zum Einsatz kommen, das hängt sehr stark von der Maschinengattung und von den Einsatzumständen ab. Die Maschinen müssen Geld verdienen durch Arbeiten, und das ist in vielen Fällen mit Batterietechnik sehr unattraktiv, weil die Fahrzeuge dann immer wieder an die Ladestation müssen oder sehr schwere, sehr große Batterien bräuchten und auch sehr teuer wären. Und für diese Fahrzeuge ist der Wasserstoff natürlich prädestiniert. Letzten Endes wird es eine Vielfalt von Anwendungen sein: Es wird die Batterieanwendungen und die Wasserstoffanwendungen nebeneinander geben. Vielleicht nicht im gleichen Einsatz oder im gleichen Fahrzeug, aber es wird beides brauchen.“
Wasserstoff-Infrastruktur für Baumaschinen in der Entwicklung mitgedacht
Gerade bei leistungsstarken Erdbewegungsmaschinen, die häufig im Mehrschichtbetrieb oder an abgelegenen Standorten eingesetzt werden, bieten Wasserstoffantriebe gegenüber batterieelektrischen Systemen klare Vorteile: schnelle Betankungszeiten und volle Leistungsfähigkeit bei gleichzeitig geringem Systemgewicht und günstigen Preisen für den Kunden. Die von Liebherr entwickelten Wasserstoffmotoren werden im eigenen Motorenwerk des Liebherr-Produktsegments Komponenten in Bulle (Schweiz) hergestellt. Sie ermöglichen nahezu Nullemissionen bei Treibhausgasen und stoßen zukünftig fast keine Stickoxide aus. Zudem bieten sie einen hohen Wirkungsgrad. Einen weiteren Vorteil bieten die mit einem Dieselmotor vergleichbaren Schnittstellen – thermisch und mechanisch.
Für den Betrieb von Maschinen mit alternativen Antrieben spielt die benötigte Infrastruktur eine entscheidende Rolle. Für Elektroantriebe müssen Ladestationen in ausreichendem Maß verfügbar sein, und auch bei Wasserstoff sind flächendeckende Versorgungsnetze und Tankstellen erforderlich; dies gilt insbesondere für abgelegene Baustellen und wenig mobile Baumaschinen. Gemeinsam mit Partnern entwickelt Liebherr deshalb Lösungen für die mobile Betankung auf der Baustelle und die zuverlässige Versorgung mit grünem Wasserstoff. Ein aktuelles Beispiel ist die Zusammenarbeit mit dem Tankstellenhersteller Maximator Hydrogen. Das Unternehmen ist Forschungspartner von Liebherr im Zuge der Entwicklung des Liebherr-Radladers L 566 H als weltweit ersten Prototypen eines Großradladers mit Wasserstoffmotor. Im Zuge der Entwicklung hat das Unternehmen im Liebherr-Werk Bischofshofen eine eigene Wasserstofftankstelle in Betrieb genommen − die erste ihrer Art im Bundesland Salzburg. „Um im Bereich der Wasserstoff-Forschung Fortschritte zu erzielen, ist der Zugang zu Wasserstoff von entscheidender Bedeutung. Wir haben diese Tankstelle errichtet, um unsere Ziele im Bereich der Dekarbonisierung von Baumaschinen weiter voranzutreiben“, so Dr.-Ing. Herbert Pfab, technischer Geschäftsführer des Liebherr-Werk Bischofshofen. Darüber hinaus hat Liebherr mit dem Tiroler Lebensmitteleinzelhändler Mpreis einen Lieferanten von grünem, das heißt, mithilfe von Wind- und Wasserkraft oder Sonnenenergie emissionsfrei gewonnenem Wasserstoff gefunden.
Mobile Wasserstoff-Tankstelle für die Baustelle
Kraftstoff-Kosten entscheidend für Wirtschaftlichkeit des Baumaschinen-Antriebs
Nicht zuletzt sind die Kosten der eingesetzten Energieträger ein wichtiges Argument, das bei der Entwicklung alternativer Antriebslösungen beachtet werden muss. Zahlreiche Studien sagen übereinstimmend voraus, dass Ammoniak künftig der günstigste und E-Fuels die teuersten Energieträger sein werden. Die Kosten für HVO, Elektroantriebe und Wasserstofflösungen bewegen sich zwischen diesen Polen. So ist die Herstellung von HVO meist kostenintensiver als die von herkömmlichem Diesel. Die Wasserstofftechnologie, insbesondere die Brennstoffzellen und die Infrastruktur für die Wasserstoffverteilung, ist derzeit ebenfalls noch vergleichsweise teuer. Bei Elektroantrieben sind die benötigten Batterien kostenintensiv, zudem kann deren Leistung mit der Zeit nachlassen, so dass sie ersetzt werden müssen. Vor diesem Hintergrund konzentriert sich Liebherr bei der Defossilisierung seiner Baumaschinen derzeit auf HVO, Elektroantriebe und wasserstoffbasierte Antriebe, um Kunden einen individuell wählbaren optimalen Antriebsmix je nach Einsatzart und -ort der jeweiligen Maschine bieten zu können.
HVO- und Elektroantriebe bereits im Einsatz
Die meisten Liebherr-Dieselmotoren sind schon heute HVO-ready, lassen sich also auch mit hydriertem Pflanzenöl betreiben, wodurch sich die CO2-Emissionen um bis zu 90 Prozent reduzieren lassen. Ein besonderer Service für Kunden: Die Liebherr-Hydraulikbagger GmbH in Kirchdorf, das Liebherr-Werk Ehingen und das Liebherr-Werk Nenzing liefern alle Maschinen mit HVO-Erstbetankung aus. Lieferant des von Liebherr in Nenzing verwendeten Kraftstoffs ist der finnische HVO-Pionier Neste.
Bei der Entwicklung von Elektroantrieben ist Liebherr ebenfalls weit fortgeschritten. Elektrisch angetriebene Produkte, wie zum Beispiel der batteriebetriebene Radlader L 507 E und der Betonmischer ETM 1205 mit elektrischem Trommelantrieb und die Unplugged-Baureihe der Liebherr-Spezialtiefbaugeräte, sowie verschiedene netzbetriebene Maschinen sind längst fester Bestandteil des Produktprogramms. Sie arbeiten lokal emissionsfrei. Werden sie mit Strom aus regenerativen Energiequellen betrieben, lassen sie sich komplett klimaneutral betreiben. Der mobile Stromspeicher "Liduro Power Port" von Liebherr liefert batteriebetriebenen Maschinen den nötigen Energienachschub. Er ermöglicht den Einsatz von elektrisch angetriebenen Maschinen auch in Gelände ohne entsprechende Infrastruktur.
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Dass sich selbst schwerstes Gerät entgegen bisherigen Erwartungen mit alternativen Energieträgern betreiben lässt, wenn man die richtigen Technologien verbindet und über die nötige Infrastruktur verfügt, zeigt die Kooperation von Liebherr mit dem australischen Mining-Unternehmen Fortescue für batterieelektrisch betriebene Mining-Muldenkipper sowie Planierraupen und elektrisch betriebene Mining-Bagger. Geplant ist die Lieferung von insgesamt 475 lokal emissionsfreien Bergbaumaschinen. Das ist der größte Auftrag in der 75-jährigen Geschichte von Liebherr, der für Philipp Suhm vor allem eines verdeutlicht: „Liebherr definiert die Grenzen des Machbaren im Sinne seiner Kunden immer wieder neu und bietet in der Antriebstechnologie maßgeschneiderte Lösungen.“
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