HVO-Diesel: Das Gleiche in grün

Batterieelektrische Antriebe verbessern die CO2-Bilanz von Baustellen, sind aber gerade in größeren Baumaschinen noch nicht wirtschaftlich einsetzbar. Sind hydrierte Pflanzenöle (HVO) die Rettung für den auf Baustellen heute dominanten Dieselmotor? Die Baumaschinenhersteller jedenfalls interessieren sich sehr für den CO2-neutralen „Öko-Diesel“.

Hydrierte Pflanzenöle (HVO-Diesel) senken den CO2-Ausstoß von Baumaschinen
Um die Klimaziele zu erreichen, muss auch die Bauindustrie ihren CO2-Fußabdruck verringern. Wo Verbrennungsmotoren (noch) nicht ersetzbar sind, ist HVO-Diesel eine gute Alternative. | Foto: B_I MEDIEN/H. Stellmach
Die CO2-Emissionen der Bauindustrie müssen in den kommenden Jahren drastisch sinken. Baumaschinen und Baugeräte, deren Antriebe nicht elektrifiziert werden können, müssen mit alternativen Kraftstoffen betrieben werden, wenn ihr CO2-Ausstoß sinken soll. Synthetische Kraftstoffe wie PtL (Power-to-liquid), auch e-fuels genannt, weil sie mit Hilfe von Strom aus Wasser und Kohlendioxid gewonnen werden, werden in der Industrie intensiv diskutiert, aber noch nicht im industriellen Maßstab produziert. Schon jetzt setzen einige Baumaschinenbetreiber dagegen auf alternative Kraftstoffe wie hydrierte Pflanzenöle (HVO), die mit dem fossilen Diesel chemisch fast identisch sind.

Was ist HVO-Diesel? (Spoiler: HVO ist KEIN e-fuel!)

Hydrierte Pflanzenöle, kurz: HVO (vom englischen Hydrogenated/Hydrotreated Vegetable Oils), bestehen aus paraffinischen (gesättigten) Kohlenwasserstoffen, wie sie auch in fossilen Dieselkraftstoffen enthalten sind. Der auch als synthetischer Diesel bezeichnete Kraftstoff wird aus pflanzlichen Ölen hergestellt, Stichwort: „Frittenfett“, oder aus tierischen Fetten, die aus Resten der Fleisch- und Fischindustrie gewonnen werden. HVO werden mittels Fischer-Tropsch-Synthese durch katalytische Hydrierung erzeugt. Dabei reagieren die biogenen Rohstoffe nach vorheriger Entfernung von festen Bestandteilen und Wasser mit Wasserstoffatomen.Das Verfahren unterscheidet sich insofern vom konventionellen Biodiesel (chemisch: Fettsäuremethylester, englischsprachige Abkürzung: FAME), bei dem die eingesetzten Pflanzenölmoleküle „verestert“ werden. In diesem chemischen Prozess reagiert eine Fettsäure mit einem Alkohol, in diesem Fall Methanol; das Ergebnis nennt sich Ester. Auch unterscheidet sich HVO durch seinen Herstellungsprozess grundsätzlich von e-fuels: Diese mit Hilfe von elektrischem Strom hergestellten flüssigen Kraftstoffe sind vollkommen synthetisch, HVO dagegen ist ein biogener Kraftstoff, der durch eine chemische Reaktion aus natürlichen Rohstoffen entsteht.

Welche Vorteile bietet HVO-Diesel?

HVO nutzen, anders als Biodiesel, weder Agrarrohstoffe noch tragen sie zur Abholzung von Waldflächen bei. Je nachdem, welche Rohstoffe für die HVO-Produktion verwendet werden, können die CO2-Emissionen damit um bis zu 90 Prozent gesenkt werden. Der eigentliche CO₂-Vorteil von HVO, rechnet der Motorenhersteller Rolls-Royce (MTU) vor, – und der Grund, warum es als erneuerbarer Kraftstoff gilt –, ergibt sich aus den verwendeten Rohstoffen und der gesamten CO₂-Reduzierung von der Quelle bis zum Rad (Well-to-Wheel-Betrachtung). Weil hierzu nachwachsende Rohstoffe verwendet werden, die während ihres Wachstums CO2 gebunden haben, sind die CO2-Emissionen insgesamt sehr niedrig. Beim Feinstaub hat Rolls-Royce bis zu 80 Prozent niedrigere Emissionen als beim Diesel gemessen.

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Verglichen mit den meisten herkömmlichen Dieselkraftstoffen haben HVO einen besonders geringen Schwefelgehalt; sie verbrennen insgesamt sauberer. „Bei der Herstellung von HVO verschwindet nicht nur Sauerstoff aus den Rohstoffen. Auch aromatische Stoffe, Schwefel und Verunreinigungen werden vollständig entzogen. Die Abgase von Fahrzeugen, die mit HVO fahren, riechen weniger, und die Prozesse im Motor laufen leiser“,heißt es etwa beimStromaggregatehersteller Bredenoord.

Baumaschinen: HVO ermöglicht hohe CO2-Einsparungen im Betrieb

Liebherr hat in eigenen Studien nachgewiesen: Während des gesamten Lebenszyklus eines Mobilbaggers A 918 Compact kann mit HVO-Kraftstoff anstelle von Diesel der CO2-Ausstoß um bis zu 75 Prozent gesenkt werden. | Foto: Liebherr
Liebherr hat in eigenen Studien nachgewiesen: Während des gesamten Lebenszyklus eines Mobilbaggers A 918 Compact kann mit HVO-Kraftstoff anstelle von Diesel der CO2-Ausstoß um bis zu 75 Prozent gesenkt werden. | Foto: Liebherr
„Betrachtet man den gesamten Lebenszyklus eines A 918 Compact, sinkt der CO2-Ausstoß beim Einsatz von HVO um rund 75 Prozent im Vergleich zum Dieselkraftstoff“, sagt Gerhard Bolz, Geschäftsführer Technik der Liebherr-Hydraulikbagger GmbH. Für die Lebenszyklusanalyse des Mobilbaggers wurden 15.000 Betriebsstunden als Referenzwert angesetzt und alle CO2-Emissionen in die Berechnung einbezogen, die bei der Maschinenherstellung, im Zuge der Energiebereitstellung, in der Nutzungsphase der Maschinen und bei der Verschrottung entstehen. Das heißt auch: Weil Baumaschinen in der Regel lange Nutzungszeiten bis zum Ende ihres Lebenszyklus aufweisen, sind – vorausgesetzt, sie werden mit HVO-Kraftstoff als Reinkraftstoff betrieben –, sehr hohe CO2-Einsparungen möglich. Auch ältere Erdbewegungs- und Materialumschlagmaschinen von Liebherr mit konventionellen Verbrennungsmotoren könnten mit HVO weitgehend klimaneutral betrieben werden, sofern für diese eine Zertifizierung und Freigabe vorliegt, sagt der Hersteller; Informationen dazu gäben die Liebherr-Händler. Liebherr will sicherstellen, dass Lieferanten und Produzenten bei der Herstellung des synthetischen Kraftstoffes ausschließlich Lebensmittelabfälle verwerten und insbesondere auf die Verwendung von Palmöl verzichten.

HVO kann Diesel in Baumaschinen problemlos ersetzen

Die Eurovia Region West betankt ihre Baumaschinenflotte schon seit 2021 mit HVO. Anfangs als Beimischung im Shell-Kraftstoff "R33 Blue Diesel", neuerdings immer mehr mit reinem HVO100. | Foto: Shell
Die Eurovia Region West betankt ihre Baumaschinenflotte schon seit 2021 mit HVO. Anfangs als Beimischung im Shell-Kraftstoff "R33 Blue Diesel", neuerdings immer mehr mit reinem HVO100. | Foto: Shell
Die Eurovia Region West will nach eigenen Angaben den Anteil von HVO100 bei den Baugeräten mittelfristig auf 100 Prozent bringen; bislang hat das Unternehmen etwa zur Hälfte HVO100 und HVO33 getankt – von Januar bis November 2023 zum Beispiel mehr als 600.000 Liter. „Zwischen Januar und November haben wir unsere Fahrzeuge und Baumaschinen mit rund 290.000 Litern HVO100 und 350.000 Litern HVO33 betankt. Damit haben wir circa 893 Tonnen CO2 in diesem Zeitraum eingespart. Das entspricht dem CO2 Ausstoß von rund 200 Flügen von Amsterdam nach New York und zurück“, erläutert Julian Langowski, Regionalleiter Maschinentechnik bei der Eurovia Bau GmbH. Mit der mittelfristig geplanten kompletten Umstellung auf HVO100 „könnten wir die CO2-Emissionen um 87 Prozent reduzieren", so Langowski.

Bis 2030 will der Konzern Vinci Construction, zu dem auch die Marke Eurovia gehört, gemeinsam mit allen Tochterunternehmen seine CO₂-Emissionen gegenüber 2019 um 40 Prozent reduzieren. Schätzungsweise 80 bis 90 Prozent des CO2-Ausstoßes gehen dabei auf den Einsatz von Diesel zurück. HVO-Diesel soll als Übergangstechnologie genutzt werden, um langfristig die Fahrzeuge und Baumaschinen komplett auf elektrische Antriebe umzustellen. Bis 2045 will das Unternehmen dann komplett klimaneutral bauen.

Wo kann ich HVO tanken?

In Skandinavien und den Niederlanden ist synthetischer Diesel schon länger allgemein an Tankstellen verfügbar – in Deutschland galt dort bis vor kurzem noch ein Verkaufsverbot. Seit November 2022 ist der Verkauf an gewerbliche Kunden auch in Deutschland unter gewissen Voraussetzungen erlaubt; ein bayerischer Tankstellenbetreiber bot HVO früh an seinen Tankstellen an. Seit Ende Mai 2024 darf HVO an öffentlichen Tankstellen verkauft werden – und wird dort zum Teil unter der Bezeichnung "Klimadiesel" angeboten. Das eigentliche Problem bleibt aber: Die verfügbare Menge an HVO ist nach wie vor eher gering und nicht ohne weiteres steigerbar.


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