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Mehr Qualität in der Pflege großkroniger Obstbäume

Großkronige Obstbäume erfahren seit einiger Zeit wieder mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung. Ihre Pflege entwickelt sich zu einem neuen Arbeitsfeld auch für Baumpflege- und Gartenbaubetriebe. Sie erfordert ein Verständnis des Obstbaums als „Kulturbaum“ und spezifische fachliche Qualifikationen. Das neu erschienene Regelwerk „Standards der Obstbaumpflege“ zielt darauf ab, die Qualität der Pflege großkroniger Obstbäume zu verbessern – und gibt Hilfestellungen.

Ratgeber: Pflege großkroniger Obstbäume
Die Pflege von Obstbäumen entwickelt sich zu einem neuen Arbeitsfeld auch für Baumpflege- und Gartenbaubetriebe. | Foto: AdobeStock

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Obstwiesen mit großkronigen, meist hochstämmigen Obstbäumen waren bis in die Mitte des vergangenen Jahrhunderts in vielen Regionen Deutschlands weit verbreitet und sind auch heute teilweise noch landschaftsprägend. Während ihre ursprünglich hohe wirtschaftliche Bedeutung und auch ihre Bestände lange Zeit immer weiter zurückgingen, haben Streuobstwiesen seit etwa den 1990er-Jahren eine neue Beachtung und Wertschätzung erfahren. Diese gründet sich allerdings vor allem auf ihre ökologischen, landschaftsästhetischen und landeskulturellen Wirkungen und Wertigkeiten. Als Folge wurden und werden in vielen Regionen wieder vermehrt hochstämmige Obstbäume neu gepflanzt und bestehende Bestände in Pflege genommen. In den meisten Bundesländern wird dies durch Förderprogramme unterstützt. Oft geschieht es auch in Form der Anerkennung als naturschutzrechtliche Kompensationsmaßnahme.

Parallel dazu erfahren seit einiger Zeit auch Obstbäume in Hausgärten im Siedlungsbereich wieder mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung. Die Pflanzung junger Obstbäume sowie Pflege und Schnitt von großkronigen Obstbäumen in unterschiedlichen Altersphasen ist vor diesem Hintergrund dabei, sich zu einem neuen und in verschiedener Hinsicht interessanten Tätigkeitsfeld für entsprechend qualifizierte Baumpflege- und Gartenbaubetriebe zu entwickeln.

Obstbaum als „Kulturbaum“: Besondere Anforderungen an die Pflege

Mitbegründer der Arbeitsgruppe Obstbaumpflege im Pomologen-Verein: Hubert Grundler, Diplom-Ingenieur Landschaftsplanung. | Foto: Privat
Mitbegründer der Arbeitsgruppe Obstbaumpflege im Pomologen-Verein: Hubert Grundler, Diplom-Ingenieur Landschaftsplanung. | Foto: Privat

Allerdings unterscheidet sich die Erziehung und dauerhafte Pflege großkroniger und potenziell sehr alterungsfähiger Obstbäume in mehrfacher Hinsicht deutlich von der Pflege von Park-, Straßen- oder Waldbäumen wie sie in der entsprechenden Fachliteratur beschrieben und in gängigen Ausbildungen vermittelt wird. Eine fachgerechte Pflege von Obstbäumen erfordert ein Verständnis von deren besonderer Eigenart sowie profunde Kenntnisse von deren spezifischer Physiologie und Wachstumsprozessen.

Die Eigenart und in der Folge die Notwendigkeit einer spezifischen Erziehung und Pflege begründet sich zum einen in der Zugehörigkeit der Obstbäume zur Familie der Rosengewächse mit einer natürlichen Tendenz zu hoher Fruchtbarkeit. Wesentlich ist darüber hinaus vor allem die besondere Eigenschaft unserer heutigen Obstbäume als „Kultur- und Nutzbäume“.

Unsere heute in immer noch großer Sortenvielfalt verbreiteten Kultur-Obstbäume sind das Ergebnis Jahrhunderte langer Auslese, Kultivierung und auch gezielter Züchtung aus ehemaligen Wildformen. Selektiert und gezüchtet wurde zum einen im Hinblick auf bestimmte Ertrags- und Fruchteigenschaften wie Geschmack, Fruchtgröße, Ertragsstabilität, unterschiedliche Reifezeiten und Verwertungseigenschaften. Auch Aspekte wie Eignung für unterschiedliche Standorte und klimatische Bedingungen, Baumgesundheit beziehungsweise Widerstandsfähigkeit gegen Schaderreger und Krankheiten spielten bei der Auslese eine Rolle.

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Der Autor

Hubert Grundler, Diplom-Ingenieur Landschaftsplanung, war von 1990 bis 2021 selbständig tätig als Landschaftsplaner. Er bearbeitete unterschiedliche ökologische Projekte und Gutachten. 2017 kamen Baumkontrollen hinzu. Von 2012 bis Ende 2019 war er öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Verkehrssicherheit von Bäumen und Baumpflege. Ebenfalls seit Anfang der 1990er-Jahre ist Grundler in der praktischen Obstbaumpflege, obstbaulichen Beratung und Fortbildung aktiv. 2008 war er Mitbegründer der Arbeitsgruppe Obstbaumpflege im Pomologen-Verein. In der AG AnAb stehen regelmäßig Erfahrungsaustausch und Weiterbildung auf Gegenseitigkeit auf dem Programm.

Seit 2011 ist er Kursleiter im Rahmen der zweijährigen Fortbildung Obstbaumpflege in Kaufungen bei Kassel. Nach mehrjährigen kollegial-fachlichen Diskussionen über fehlende Qualitätsstandards für die Pflege großkroniger Obstbäume hat Grundler im Auftrag des Pomologen-Vereins von 2020 bis 2023 an der Erarbeitung der „Standards der Obstbaumpflege“ mitgewirkt.

Zudem engagiert er sich seit Jahren ehrenamtlich in der Betreuung einer Streuobstwiese der Umweltorganisation BUND in Kassel, bietet dort Kurse, Führungen, Umweltbildungsangebote an.

Folgen für Pflege und Schnitt

Die Eigenschaft als Nutzpflanze mit hoher Fruchtbarkeit hat Auswirkungen auf Wachstum und Vitalität der Obstbäume und geht einher mit einer saisonal hohen statischen Beanspruchung des Astgerüstes durch Fruchtlasten.

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Die tendenziell hohe Fruchtbarkeit kann sich in mehrfacher Hinsicht auf Wachstum und Vitalität der Obstbäume auswirken: Zum einen ist seit langem bekannt, dass Fruchtwachstum und Triebwachstum in einer engen Wechselbeziehung stehen. Zwar ist vegetatives Wachstum, also Neutriebbildung, Voraussetzung für ausgewogenes Fruchtwachstum. Es kann aber auch zu einem sich gegenseitig abschwächenden Verhältnis von Fruchtansatz und Triebzuwachs kommen. Das heißt, dass sehr hoher Fruchtbehang abschwächend auf das Triebwachstum wirkt und umgekehrt – und Bäume in einen periodischen Wechsel von Ertrags- und Ausfalljahr eintreten. Bei Jungbäumen bestimmter Sorten kann eine frühe hohe Fruchtbarkeit ohne regulierende Eingriffe bereits früh zu einem verminderten Triebzuwachs und damit einer frühzeitigen „Vergreisung“ des Baums führen.

Wichtig für eine fachgerechte Pflege ist deshalb unter anderem ein – möglichst auch durch Erfahrung gestütztes – Wissen um die in den unterschiedlichen Lebensphasen unterschiedliche natürliche Triebkraft der Bäume und auch um die Wirkung von Schnittmaßnahmen auf Triebzuwachs und Blütenknospenbildung.

Eine andere Wirkung des Fruchtbehangs bei Obstbäumen jeden Alters ohne regelmäßigen Schnitt ist das allmähliche sich Niederbiegen zunächst steil nach oben wachsender Langtriebe. In den unter dem Fruchtgewicht zunehmend flacher gestellten Trieben lässt in den Folgejahren der Triebzuwachs nach. Im Scheitelpunkt der nun bogenförmig abgesunkenen Achse bilden sich neue kräftige und zunächst wieder steil wachsende Langtriebe, an denen sich – wiederum ohne regulierende Eingriffe – in wenigen Jahren die gleiche Entwicklung wiederholt (Abbildung 1). Der sich wiederholende Prozess bewirkt – sowohl durch interne hormonelle Steuerung als auch durch die Lichtkonkurrenz – in den absinkenden Triebachsen eine allmähliche Triebabschwächung und sich vermindernde Vitalität. Die Folge ist eine allmähliche Verlagerung der vitaleren Wachstumszonen in die peripheren Bereiche der Äste. Bezogen auf die gesamte Krone bedeutet dies eine zunehmende Konzentration des vitalen Wachstums – und damit auch der Ertragszone – im Bereich des Kronenmantels bei gleichzeitiger Verkahlung des Kroneninneren (Abbildung 2).

Überbauende Krone (links, Abbildung 1) mit sich mehrfach wiederholender Fruchtbogenbildung – die Nummern im Foto bezeichnen die Abfolge der nach und nach abgesunkenen beziehungsweise sich neu bildenden aufrechten Achsen. Ungepflegte Krone (rechts, Abbildung 2) mit sich zunehmend nach oben verschiebender Ertragszone. | Foto: Grundler/B_I Grafik
Überbauende Krone (links, Abbildung 1) mit sich mehrfach wiederholender Fruchtbogenbildung – die Nummern im Foto bezeichnen die Abfolge der nach und nach abgesunkenen beziehungsweise sich neu bildenden aufrechten Achsen. Ungepflegte Krone (rechts, Abbildung 2) mit sich zunehmend nach oben verschiebender Ertragszone. | Foto: Grundler/B_I Grafik
In statischer Hinsicht ist die Verschiebung der Wachstums- und Ertragszone in den Kronenmantel gleichbedeutend mit einer Verlängerung der Last tragenden Hebelarme. Da die Fruchtlasten nur periodisch und zeitlich begrenzt auftreten und wirksam sind, kann der in der allgemeinen Baumpflege bekannte Prozess des spannungsgesteuerten Dickenwachstums, das heißt die vermehrte Anlagerung tragender Holzsubstanz an dauerhaft höher belasteten Stellen, an Obstbäumen nur eingeschränkt wirksam werden. Die bei Vollertrag kurz vor der Reife auftretenden Fruchtlasten können vor allem bei Apfel- und Birnbäumen erheblich sein. Für nicht fachgerecht aufgebaute und regelmäßig gepflegte, ausladend gewachsene Kronen ergibt sich daraus eine erhöhte Bruchgefahr – die dann nicht selten mit dem Bruch auch stärkerer Äste endet.

Da auch heute noch ein großer Teil der Obstbäume wegen des Obstertrags gepflanzt und gepflegt wird, ergeben sich aus dem Ziel einer guten Nutzbarkeit der Bäume weitere Anforderungen an die Pflege und den Schnitt: zum einen eine gut belichtete und durchlüftete Krone als Voraussetzung einer guten Fruchtqualität. Zum anderen und vor allem eine gute Erreichbarkeit und Zugänglichkeit der Ertragszone für Ernte und Pflegearbeiten.

Aus diesen hier nur verkürzt beschriebenen besonderen Eigenarten der großkronigen Obstbäume ergeben sich spezifische Anforderungen an deren Erziehung in der Jugendphase und die kontinuierliche Kronenpflege in der Ertrags- und Altersphase.

Kurz zusammengefasst und vereinfacht: großkronige Obstbäume erfordern einen Schnitt, der

  • bei Jungbäumen eine stabile Krone aufbaut
  • bei Bäumen in der Ertragsphase die Stabilität sichert
  • ein Gleichgewicht von Triebzuwachs und Blütenansatz fördert und damit
  • für regelmäßige Erträge an verwertbarem Obst sorgt
  • zu einem Kronenaufbau führt, der leicht zu nutzen und – nach Abschluss der Aufbauphase – wenig pflegeaufwändig ist.

Im Prinzip sind damit schon die grundsätzlichen Pflegeziele benannt: Herstellung beziehungsweise Erhalt von Vitalität, Stabilität und guter Nutzbarkeit der Baumkronen.

Zum praktischen Vorgehen

Kronenformen

Die Frage, welche Kronenform den oben formulierten Zielen am besten entspricht und deshalb in der Aufbauphase zu erziehen und dauerhaft zu erhalten sei, durchzieht die obstbauliche Fachdiskussion und Literatur seit langem. Regional und zu unterschiedlichen Zeiten und auch für unterschiedliche Obstarten waren und sind auch bei hochstämmigen großkronigen Bäumen unterschiedliche Kronenformen verbreitet. Vereinfachend seien hier die Etagenkrone, die Öschberg-Krone, die Spindel und die Hohlkrone genannt.

Eine schematisch-vereinfachte Darstellung unterschiedlicher Kronenformen: Etagenkrone (von links), Öschbergkrone, Spindel und Hohlkrone. | Foto: Grundler
Eine schematisch-vereinfachte Darstellung unterschiedlicher Kronenformen: Etagenkrone (von links), Öschbergkrone, Spindel und Hohlkrone. | Foto: Grundler
In jüngerer Zeit wird in weiten Kreisen bei der Erziehung der Jungbäume in neu angelegten Obstwiesen die in den 1930er-Jahren in der Schweiz entwickelte „Öschberg-Krone“ bevorzugt. Deren wesentliche Merkmale sind ein streng hierarchisch aufgebautes dauerhaftes Kronengerüst aus einer dominanten spindelartigen Mitte und vier in einer Etage etwas höhenversetzt ansetzende, aufstrebend wachsende Leitäste, die dann außenseitig untergeordnete Frucht tragende Äste tragen. Es wird davon ausgegangen, dass dieser Kronenaufbau durch den aufstrebenden Wuchs aller Gerüstäste zum einen natürliche Wuchsgesetze, insbesondere die Spitzenförderung optimal berücksichtigt und zum anderen dauerhaft stabil ist.
Öschbergkrone, Seitenansicht, schematisch mit Bezeichnung der Elemente. | Foto: Grundler/Grafik B_I
Öschbergkrone, Seitenansicht, schematisch mit Bezeichnung der Elemente. | Foto: Grundler/Grafik B_I

Baumansprache und Pflegeziele als Voraussetzung

Unabhängig von einer bevorzugten Kronenform kann eine Pflege nur fachgerecht sein, wenn sie auf klaren, über einen längeren Zeitraum durchgehaltenen Pflegezielen aufbaut, die wiederum aus einer genauen Inaugenscheinnahme und Beurteilung des Baums im Hinblick auf seine Vitalität, seine Stabilität und Nutzbarkeit abgeleitet ist.

Für diese Beurteilung braucht es zum einen klare, ausreichend differenzierte und gleichzeitig in der Praxis handhabbare Kriterien und zum anderen einen geschulten Blick in Bezug auf die zu beurteilenden, oben genannten Aspekte: Vitalität, Stabilität und Nutzbarkeit.

Beurteilung der Vitalität

Für die Beurteilung der Vitalität lassen sich in der allgemeinen Baumpflege entwickelte Merkmale und Kriterien, insbesondere der Triebzuwachs der vergangenen Jahre (zum Beispiel Roloff 2001, 2015, 2019), im Hinblick auf die beschriebene Eigenart der Obstbäume modifizierter Form verwenden. Wie auch bei Park- oder Waldbäumen ist dabei selbstverständlich die von der Jugend bis zur Altersphase allmählich nachlassende natürliche Triebkraft der Bäume zu berücksichtigen. Die folgende Tabelle zeigt das im Rahmen der Erarbeitung der „Standards der Obstbaumpflege“ für Bäume in der Ertragsphase entwickelte Regenerationsstufenmodell.

Regenerationsfähigkeit als Ausdruck der Vitalität, unterschieden nach Regenerationsstufen anhand des Merkmals Triebbildung (Bosch, H-T. et al 2023, angelehnt an Roloff 2018)

Stufen der Regenerationsfähigkeit

R – 2

R – 1

R 0

R 1

R 2

Beurteilung der Vitalität

erheblich beeinträchtigt

deutlich beeinträchtigt (vergreist)

gering beeinträchtigt

vital (nicht beeinträchtigt)

sehr vital

Regenerationsfähigkeit

nicht mehr gegeben bzw. Sekundärkronenbildung

unsicher (unwahrscheinlich)

unsicher (wahrscheinlich)

gegeben

gegeben

Triebbildung der vergangenen Jahre (drei bis fünf)

weit überwiegend Kurztriebketten (Quirlholz), nahezu keine längeren Kurztriebe, keine kürzeren Langtriebe, absterbende Äste in der Kronenperipherie möglich, lokal Langtriebe als Reaktion auf Kronenrückzug möglich (Sekundärkrone)

überwiegend Kurztriebketten (Quirlholz), selten längere Kurztriebe, nahezu keine kürzeren Langtriebe, keine Langtriebe

häufig Kurztriebketten (Quirlholz), mäßig längere Kurztriebe, selten kürzere Langtriebe, nahezu keine Langtriebe

mäßig Kurztriebketten (Quirlholz), häufig längere Kurztriebe, mäßig kürzere Langtriebe, mäßig Langtriebe

selten Kurztriebketten (Quirlholz), mäßig längere Kurztriebe, häufig kürzere Langtriebe, häufig Langtriebe

Kronenent-wicklung

verharrend/absterbend

verharrend

verharrend

rhythmisch ausdehnend/ verharrend

überschießend

Beispiele für Regenerationsstufen, Bäume über längere Zeit ungeschnitten: RS 1 (links), Baum vital, Regenerationsfähigkeit gegeben; RS 0 (rechts), Vitalität gering beeinträchtigt, Regenerationsfähigkeit unsicher aber wahrscheinlich. | Foto: Grundler
Beispiele für Regenerationsstufen, Bäume über längere Zeit ungeschnitten: RS 1 (links), Baum vital, Regenerationsfähigkeit gegeben; RS 0 (rechts), Vitalität gering beeinträchtigt, Regenerationsfähigkeit unsicher aber wahrscheinlich. | Foto: Grundler

Beurteilung der Stabilität

Für die Beurteilung der Stabilität von Bäumen wurde in der Großbaumpflege in den vergangenen Jahrzehnten durch die Disziplin der Baumstatik umfangreiches, durch viel praktische Erfahrung fundiertes Wissen angesammelt und ein ausdifferenziertes methodisches Instrumentarium entwickelt (zum Beispiel Mattheck 2014, Wessoly/Erb 2014, Sinn 2003). Beides kann für die Beurteilung der Stabilität von großkronigen Obstbäumen wertvolle Hinweise geben – ist jedoch mangels genauerer Kenntnisse der Holzeigenschaften der Obstbäume und der deutlich höheren, aber eben nur saisonal auftretenden Fruchtlasten der Obstbäume nur begrenzt verwendbar. Hier ist es unverzichtbar, durch intensive Beobachtung nach und nach ein eigenes Erfahrungswissen zu erwerben. Für die Wissenschaft besteht hier ein erheblicher Forschungsbedarf.

Beurteilung der Nutzbarkeit

Auch die Beurteilung der Nutzbarkeit stützt sich vorrangig auf praktische Erfahrung. Zu berücksichtigen ist dabei zum einen die angestrebte oder bereits praktizierte Art der Nutzung von Baum und Obst (zum Beispiel Tafel- oder Mostobst). Auch bestimmte Vorlieben oder praktische Fertigkeiten der jeweiligen Nutzerinnen und Nutzer können eine Rolle spielen, eventuell auch die praktizierte Unternutzung (Wiese, Weide, Mulchen). Beurteilungskriterien sind Aspekte wie Gesamthöhe des Baums und Kronenvolumen, Kronenaufbau, Lage und Erreichbarkeit der Ertragszone, Astdichte und Durchlüftung der Krone.

Vorgehen in drei Schritten: Ziele, Eingriffsstärke und Maßnahmen festlegen

Ausgehend von der Beurteilung sind die oben genannten allgemeinen Pflegeziele für den konkreten Baum zu präzisieren. Also zum Beispiel Vitalität anregen, Stabilität wieder herstellen, eine gute Nutzbarkeit erhalten. Ausgehend von der Einstufung der Vitalität ist eine maximale Eingriffsstärke festzulegen und darauffolgend sind die geeigneten Maßnahmen zur Erreichung der Ziele zu wählen.

Die verschiedenen Pflegeziele und Maßnahmen müssen dabei nicht konkurrieren – bei sachgerechter Auswahl und Ausführung können Maßnahmen immer gleichzeitig allen Zielen in angemessener Weise dienen.

Zur Eingriffsstärke

Im Hinblick auf die Eingriffsstärke ist zunächst festzustellen, dass Obstbäume aufgrund ihrer oben angesprochenen Eigenart als „Nutzbäume“ sowohl in Bezug auf die Pflegeintervalle als auch auf die bei einzelnen Schnittmaßnahmen entnommene Blattmasse in allen Lebensphasen eine höhere Eingriffsstärke erfordern, als sie in der allgemeinen Baumpflege üblich sind.

So erfordert der schrittweise Aufbau einer stabilen und klar strukturierten Krone in den ersten acht bis zwölf Standjahren einen jährlichen Aufbauschnitt. Mit Eintritt in die Ertragsphase kann das Schnittintervall nach und nach auf drei bis fünf Jahre ausgedehnt werden. In Bezug auf die zu entnehmende Zweig- beziehungsweise Blattmasse sind in der Obstbaumpflege Entnahmen von bis zu 30 Prozent in einer Schnittmaßnahme an vitalen Bäumen durchaus noch üblich und gelten auch als baumschonend. In der Aufbauphase ist auch eine Entnahme von über 50 Prozent nicht ungewöhnlich.

Bezüglich der beim Schnitt vertretbaren Wundgrößen ist das spezifische Abschottungsverhalten der Obstbäume zu berücksichtigen: an Apfel- und Birnbäumen als mittelstark abschottenden Baumarten (Wessoly/Erb 2014) sind Wundgrößen von sieben bis acht Zentimeter als Obergrenze zu betrachten. Bei der Mehrzahl der Steinobstarten als schlechten Abschottern sollte die Wundgröße fünf Zentimeter nicht übersteigen. Zu berücksichtigen ist dabei immer auch das Verhältnis der Wundgröße zum Durchmesser des verbleibenden Astes.

Schnittmaßnahmen in der Ertragsphase

An ausgewachsenen Bäumen in der Ertrags- und Altersphase ist der im Lauf der Lebenszeit entstandene, durch die Starkäste vorgegebene Grundaufbau der Krone baumschonend nicht mehr veränderbar und als gegeben hinzunehmen. Unabhängig von der konkreten Kronenform ist auf den Erhalt, gegebenenfalls die Wiederherstellung einer klaren Astrangordnung aus ausdauernden Gerüstästen und untergeordneten Elementen zu achten. Eingriffe beschränken sich auf Äste geringerer Stärke und vorrangig auf die Kronenperipherie. Häufigste und wirksamste Schnittmaßnahmen sind die Kronenauslichtung und die Kroneneinkürzung. Die Kronenauslichtung dient vor allem dem Öffnen verdichteter Kronenpartien, also einer besseren Belichtung und Durchlüftung der Krone. Vorranging wird im Bereich der Kronenperipherie ausgelichtet, die Auslichtung kann sich aber auch auf alle Kronenbereiche erstrecken. Mit der Einkürzung wird die Ausladung von Ästen reduziert. Als stabilisierende Maßnahme konzentriert sie sich per se auf die Peripherie der Krone mit dem Ziel, ihre Stabilität zu erhalten oder wieder herzustellen. Oft werden beide Schnittarten auch kombiniert angewendet. Neben den angesprochenen primären Wirkungen und bei richtiger Anwendung bewirken sie auch immer eine gewisse Triebanregung und damit auch Erneuerung von Fruchtholz.

Ausblick

Insbesondere im Hinblick auf die Themen Wundheilung, Abschottung und Baumstatik konnte die Pflege großkroniger Obstbäume in den vergangenen Jahrzehnten aus den Erkenntnissen und Erfahrungen der „modernen“ Baumpflege profitieren. Noch immer bleiben offene Fragen, zum Beispiel im Hinblick auf die Wirkung unterschiedlicher Schnittzeitpunkte auf Wundheilung, Abschottung und Vitalität sowie auf die spezifischen statischen Bedingungen in der Obstbaumkrone. Mit Sicherheit wäre für beide Seiten ein intensiverer und kontinuierlicher Austausch von Erfahrungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen von Nutzen.

Literatur (Auswahl)

Bosch, H.-T., 2016, Naturgemäße Kronenpflege am Hochstamm, Kompetenzzentrum Obstbau Bodensee, Ravensburg; Mattheck, C. 2014, Die Körpersprache der Bäume, Karlsruhe; Matyssek, R., u.a., 2010, Biologie der Bäume, Verlag Ulmer Stuttgart; Pfisterer, J., 1999, Gehölzschnitt nach den Gesetzen der Natur, Verlag Ulmer Stuttgart; Roloff, A., 2008, 2019, Baumpflege, Verlag Ulmer Stuttgart; Sinn, G., 2003, Baumstatik, Thalacker Medien, Braunschweig; Wessoly, L., Erb, M., 2014, Handbuch der Baumstatik, Patzer-Verlag, Berlin-Hannover

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