Wenn bei Baumpflanzungen der Wurm drin ist
Es gibt zwar Regelwerke, doch auf der Baustelle geht es mitunter trotzdem schief: Selbst Profis liegen bei Baumpflanzungen schon mal daneben. Worauf zu achten ist, erläuterten Experten jetzt in einem Fachseminar im Nordschwarzwald. Oft genug liegt der Teufel im Detail. Umso mehr Achtsamkeit ist von Planern und Ausführenden gefragt, wenn es um innerstädtisches Grün geht.

Letztgenannter widmete sich im Fachseminar den klimatischen Veränderungen und den hierdurch gestiegenen Anforderungen an Baumpflanzung in der Stadt. Streckenbach begleitet die Überarbeitung des Regelwerks „Empfehlungen für Baumpflanzungen“ der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau (FLL). Nach seiner Aussage wird momentan diskutiert, die Teile 1 und 2 zusammenzuführen, weil bei der Arbeit so gut wie immer beide Teile benötigt werden, und die „Empfehlungen“ womöglich in eine Richtlinie zu überführen. Die Überarbeitung solle dabei helfen, Anwendungsfehler in der Praxis zu minimieren. „Auf der Baustelle liest niemand viel Text, genau das führt aber zu Fehlern bei der Umsetzung“, so der Diplom-Biologe, „wir setzen deshalb auch auf eindeutigere Skizzen und Zeichnungen.“
Missverständnisse beim Substrat
Streckenbach ging in seinem Vortrag darauf ein, dass Wurzeln Feuchtigkeit und Luft benötigten in möglichst lockeren Böden, wo sie auf Umgebungsreize reagierten und so ihre Wuchsrichtung festlegten. „Im stehenden Wasser sterben die Wurzeln der meisten Baumarten rasch ab.“ Zudem müsse es den Bäumen ermöglicht werden, aus ihrer Pflanzgrube herauszuwachsen. Grenze ein nur bedingt geeigneter Boden daran an, sollte dieser aufgearbeitet und verbessert werden – was erfahrungsgemäß selten passiere. „Um so auch Ressourcen zu schonen, ist eine Verbesserung durch Kiese für eine höhere Dränfähigkeit oder die Beimischung von Organik sowie bindigem Ton für eine bessere Wasserhaltefähigkeit möglich“, erläuterte Streckenbach, „ein gesamter Austausch des anstehenden Bodens durch ein Substrat ist meist gar nicht erforderlich.“ Eine Abbildung hierzu in den FLL-Empfehlungen werde oft missverstanden.
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Die Rahmenbedingungen für Pflanzungen verschärfen sich nach seinen Worten gerade für Stadtbäume. Auch hier solle es inhaltlich Anpassungen im Regelwerk geben. Hitze und Trockenheit nehmen zu. „Besonders flachwurzelnde Arten wie Birken und Rotbuche leiden darunter und auch Jungbaumpflanzungen stehen zunehmend unter Druck“, so Streckenbach.
Baum-Rigolen finden künftig Erwähnung

Das Geheimnis der Vorzeige-Schwammstadt Stockholm liegt nach Ansicht von Streckenbach vor allem in den riesigen Pflanzräumen mit Flächenbelüftung durch Schächte sowie einer Kiesauflage, die für Wurzeln unattraktiv ist. Zudem würden weite Teile des Niederschlags den Pflanzen zugeführt, jeder Tropfen nach Möglichkeit versickert. „Wer die bekannte Skeletterde aus Stockholm nachbildet, muss diese zeitaufwendig einbauen, aber sonst funktioniert diese Bauweise nicht“, sagte der Sachverständige, „anderenfalls entstehen sehr leicht Hohlräume, was zu Sackungen führen kann.“ Die Einbauphase sei bei Baumsubstraten und SkeIetterden ein kritischer Moment. „Fehler, die dabei unterlaufen – oft unter Zeitdruck – gefährden den Anwuchserfolg, konterkarieren die gewünschten Funktionen und sind nicht wieder zu beheben“, warnte Streckenbach. Eine fachliche Begleitung dieser Phase sei immer anzuraten. Er sprach sich dafür aus, dass diese Arbeiten künftig grundsätzlich vom Garten- und Landschaftsbau ausgeführt werden.
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Vegetationstechnik – die häufigsten Fehler
Christine Andres, Dipl.-Ing (FH) Landespflege, plädierte in ihrem Vortrag für mehr Achtsamkeit im Umgang mit innerstädtischem Grün. Zu ihrem Tätigkeitsbereich gehören Bauabnahme und Baubegleitung. Die Sachverständige berichtete aus der Praxis. So entpuppte sich eine neu erstellte Außenanlage mit schönem Pflanzkonzept und einer (fast) durchdachten Planung dann doch als problematisch. Die Bambusstäbe aus der Baumschule waren bei der Pflanzung der Bäume nicht entfernt worden und deren Anbindung teilweise eingewachsen. Die Baumverankerungen erfolgten ohne Stammschutz und verursachten Schäden an der Rinde, ein Stammschaden lag vermutlich bereits bei der Lieferung vor. „Dieser Baum hätte gar nicht gepflanzt werden dürfen“, so Andres, „auch blühende Gehölze und Stauden gehörten zum an sich schönen Konzept, doch leider dachte niemand an deren spätere Pflege oder eine Randeinfassung beim Gräserbeet.“
Selbst die Pflanzabstände schienen ohne Fachverstand gewählt, denn ein Baum berührte bereits nach dem dritten Standjahr die Fassade, was automatisch einen Schnitt zum „Baumkrüppel“ nach sich ziehe. Teile der Rasenfläche waren nach ihrer Darstellung von einer Hecke ohne Zugang umgeben, was den Einsatz eines Rasenmähers unmöglich machte. „So mancher gute Ansatz war nicht bis zum Ende gedacht, und das Absterben der Bäume, der Grund für meine Beauftragung, ließ sich durch einen einfachen, aber für alle Beteiligten eindrücklichen Wasserdurchlässigkeitsversuch auf Staunässe und eine verdichtete Bodenschicht zurückführen“, berichtete die Sachverständige.
Termindruck im GaLaBau oft zu hoch

Bodenvorbereitung auf Großbaustellen hinterfragen
150.000 gepflanzte Sträucher als Straßenbegleitgrün mit einem über 25-prozentigen Ausfall nach dem ersten Jahr und Mängeln im Leistungsverzeichnis – das wurde trotz eines gefüllten Ordners mit Bedenken von Seiten des Gärtners, der lediglich für die Pflanzung und Fertigstellungspflege beauftragt war, durch den Auftraggeber nicht abgenommen. Nach einem weiteren Sommer war laut Andres stellenweise über die Hälfte der Pflanzen abgestorben und eine Abnahme nicht in Sicht. Eine Bodenuntersuchung ergab, dass auf Schotterflächen ehemaliger Zufahrten und tonigen Sperrschichten lediglich 20 Zentimeter Oberboden aufgebracht worden war. Durch die Pflanzung mit dem Erdbohrer war dies nicht aufgefallen. Ein Anzuchtversuch zeigte, dass nicht der Oberboden, sondern eine unzureichende Bodenvorbereitung im Untergrund das Problem war. Deshalb rät Andres, grundsätzlich die Bodenvorbereitung auf Großbaustellen zu hinterfragen und bei Baumstandorten nicht nur die Baumgrube, sondern auch die angrenzenden Flächen zu betrachten.
Auch Substrate seien keine Allheilmittel, wenn der Untergrund nicht stimme oder aber der Baum zu tief gepflanzt wurde, was laut Andres in über 50 Prozent aller Fälle passiert. „Das ist ein völlig unterschätztes Problem, denn die Bäume wachsen schlechter an und die wahren Schäden zeigen sich erst viel später“, so die Sachverständige, „der Wurzelhals muss deshalb immer sichtbar sein.“ Ein lagenweiser Einbau des Substrats inklusive Andrücken (nicht verdichten) oder aber eine Wartezeit von drei Monaten bis zur Pflanzung helfen nach ihren Worten, um den Setzungsfaktor von rund 30 Prozent zu minimieren. Zum Anbinden empfiehlt sie bei Hochstämmen einen 3- oder 4-Bock und keine Unterflurverankerung, die die Windlast in der Krone nicht minimiert, eher vorsichtig und mit Bedacht einzusetzen. Standort und Baumart müssen grundsätzlich zusammen harmonieren, und die Fertigstellungspflege ist fester Bestandteil der Ausschreibung von Baum- oder sonstigen Pflanzungen. „Wir haben so viele gute Regelwerke, Richtlinien und Vorgaben wie beispielsweise auch die Gütebestimmungen oder Baumschutzzäune, doch wir müssen sie auch anwenden“, riet Andres dringend.
Folgen des Klimawandels für Stadtbäume abmildern

Wolfram Reinhard, bei der Stadt Offenburg als Sachbearbeiter zuständig für das Themenfeld Baum, ging auf das dortige Projekt „baum2Og“ ein. „Es war die Suche nach neuen Wegen, um die Folgen des Klimawandels für die Offenburger Stadtbäume abzumildern und deren Resilienz durch ein integriertes Baumquartiers- und Wassermanagement zu stärken.“ Demnach entstanden sieben Teilprojekte, darunter eine Machbarkeitsstudie zum Wasserhaushalt und zur Wasserbewirtschaftung, eine neue Bau(m)-Technik, in der die Anlage und der Aufbau der Baumquartiere festgeschrieben wird, und die Sensorik für die notwendige Datenerhebung zur Überwachung. Zudem zählten die Diversifizierung und Baumartenauswahl, das Monitoring, aber auch die Öffentlichkeitsarbeit sowie das Controlling nebst Finanzen zu den Teilprojekten, erläuterte der gelernte Landschaftsgärtner mit Bachelor-Abschluss in Landschaftsarchitektur und Umweltplanung.
Wie Reinhard weiter berichtete, wurden 83 Potenzialprojekte vom Sachverständigenbüro Arbor revital auf ihre Machbarkeit überprüft. 33 davon – große, mittlere und kleine Standorte – seien näher untersucht worden. 31 hatten demnach genügend Potenzial für eine erfolgreiche Umsetzung. „Wir überprüften die Machbarkeit tatsächlich im Einzelfall, wägten Kosten und Nutzen ab und sprachen mit allen Beteiligten, um erfolgreich in die Umsetzungsphase zu starten“, erläuterte er. Dabei sei es beispielsweise wichtig gewesen, dass die Gefällesituation passte, die Archivdaten von Bohrungen Aufschluss über die Bodensituation gaben und auch laut geologischer Untersuchungen das Vorhaben Erfolg versprach. Gleichzeitig wurden Hausabstände sowie Kellertiefen angrenzender Gebäude berücksichtigt, Altlasten oder blockierende Leitungsstränge und eine eventuelle Rückstauebene in den Bodenschichten einkalkuliert. Für den Projektzeitraum von „baum2Og“ traf man eine Maßnahmenauswahl von sechs Projekten in Offenburg.
Unterirdische Erweiterung der Baumquartiere
Als ein Beispiel nannte er die Altenburger Allee: Die Ahorne dort sahen nach seinen Worten gestresst aus, im Boden befand sich Elektroofenschlacke. Das Ziel dieser Sanierung war die unterirdische Erweiterung der Baumquartiere und die gleichzeitige Erschließung eines vergleichbaren Testfeldes für 18 Baumarten in Vierergruppen. Das Projekt wurde mit 1,3 Millionen Euro veranschlagt, wovon bereits eine Million Euro investiert ist. In allen Bauabschnitten gibt es Feuchtesensoren, im dritten Bauabschnitt wurde zusätzlich Pflanzenkohle als Zuschlagsstoff eingebracht. Über im Winter verriegelbare Durchlässe gelangt das Niederschlagswasser von der Straße in die Baumquartiere. „Die Entwicklung der Bäume seit der Fertigstellung im Mai 2020 verläuft erfreulich gut und macht die Altenburger Allee zu unserem Vorzeigeprojekt“, erläuterte Reinhard.
Ein weiteres Projekt gab es am Waldbachfriedhof. „Unsere ursprüngliche Idee war, das Wasser des Kapellendachs direkt in die Quartiere einzuleiten, doch dies ließ sich aufgrund der schlechten Versickerungswerte nicht umsetzen“, erläuterte Reinhard. Nun fließe das Wasser in eine Zisterne und von dort – gesteuert durch Feuchtesensoren und eine automatische Baumbewässerung – in die Quartiere. „Die wassergebundene Wegedecke könnte der Grund sein, dass sich die Bäume hier nicht so top entwickelt haben“, sagte er.
Das dritte Beispiel ist der Quartiersplatz Mühlbachareal. „Die Neugestaltung des Quartiersplatz vor der Alten Spinnerei ließ eine Regenwassernutzung aufgrund der Gefällesituation nicht zu“, beschrieb Reinhard die Ausgangssituation dieses Projekts. Es wurde deshalb eine unterirdische bedarfsgesteuerte Bewässerung für die Neupflanzung inklusive Feuchtesensoren und Funksteuerung für rund 14.000 Euro verlegt. Bäume und Unterpflanzung entwickelten sich bislang hervorragend, sagte er.
Wasserbewusste Stadt

Benzkirch nahm Kopenhagen als Beispiel. Zwar habe es dort bereits vor Juli 2011 Ideen und Klimaanpassungsstrategien gegeben, aber keinen konkreten Masterplan. Doch 800 Millionen Euro als Schadenssumme durch 150 Millimeter Niederschlag in zwei Stunden führten nicht nur zu einer hohen politischen Aufmerksamkeit, sondern auch schnell zu konkreten Maßnahmen, wie beispielsweise Gesetzesänderungen für neue Finanzierungsmechanismen eines Überflutungsmanagements an der Oberfläche. Laut Benzkirch entstanden Wolkenbruchkorridore, indem die Straßen als V-Profile angelegt wurden. 30 Prozent des Regenwassers werden demnach mittlerweile durch die topografische Um- oder Neugestaltung von Parks und Grünflächen oder beispielsweise auch durch Retentionsfläche in Innenhöfen abgekoppelt. Vorhandene Freiräume übernehmen somit eine wichtige Doppelfunktion. Die Trinkwasserspeicher der Stadt Kopenhagen wurden zwei Meter tiefer gelegt, was einen Uferbereich mit mehr Stadtraumqualität entstehen ließ. „Hierfür benötigte es zwingend diesen strategischen Masterplan, der alle Beteiligten ins Tun brachte“, erläuterte Benzkirch.
Vom Industriestandort zum wasserbewussten Wohnquartier

Ein Beispiel in kleinerer Dimension gibt es in Winnenden mit den Arkadien. Hier wurde nach seiner Darstellung aus einem vollversiegelten Industriestandort ein wasserbewusstes Wohnquartier. Das Regenwasser wird zu 100 Prozent auf natürliche Weise oberflächennah in Straßen- und Freiflächen bewirtschaftet. Querrinnen und Borsteinrinnen führen das Wasser zur öffentlichen Pflasterrinne. Zwei Naturteiche speichern das Regenwasser und übernehmen eine wichtige Retentionsfunktion, indem sie das Wasser gedrosselt in den renaturierten Zipfelbach einleiten. So entstanden kleine Seen in der Stadt mit privaten Zugängen für die Bewohner, erläuterte der Umweltingenieur. Ein weiterer Regenwasserrückhalt erfolge durch eine multifunktionale Grünfuge, die mit einem Notüberlauf in den Zipfelbach ausgestattet sei.
Die Arkadien in Dornstadt bei Ulm entstanden 2022 auf dem ehemaligen Gelände einer Fensterfabrik, berichtete Benzkirch. Der zentrale See mit Flachwasserzone diene gleichzeitig als großer Regenspeicher, der das Wasser gedrosselt abgibt. Stege erlauben die Nutzung der Wasserfläche, und ein „Hoppla-Stein“ signalisiert den Übergang von der Flachwasserzone in die Tiefenzone. Ein Wasserspielplatz sowie eine Brücke machen daraus einen Erlebnis-See, der die Lebensqualität für die umliegenden Wohnquartiere erhöht. Die oberflächennahe Regenwasserführung im Quartier sorgt auch dort für eine hohe Aufenthaltsqualität.
Der Zollhallenplatz in Freiburg erfuhr eine Transformation vom Güterbahnhof zum attraktiven abflusslosen Stadtplatz. Es entstanden Baumhaine, der recycelte Natursteinbelag ist versickerungsfähig verlegt und dort, wo das Wasser nach dem Regen stehen bleibt, wurden bewusst Vertiefungen geschaffen, die dazu einladen, die Ressource Wasser spielerisch zu erleben, so Benzkirch. Die Bänke besitzen die Form der alten Prallblöcke, und durch die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung mit Zisternen, durchlässigem Pflaster und Rigolenboxen mit Filterschichten konnte der gesamte Platz ohne Überlauf in den Kanal gestaltet werden, was die Grundwasserneubildung und die Verdunstung fördert.
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Quelle: Blätterwerk
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