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Welcher ist der älteste Baum Deutschlands?

Wenn man nach dem ältesten Baum Deutschlands im Internet recherchiert, wird dafür am häufigsten die Linde im hessischen Schenklengsfeld genannt. Und auch die zugehörige Gemeinde bewirbt den Baum entsprechend als mit 1.200 Jahren Deutschlands ältesten Baum. Das ist zunächst natürlich interessant und bemerkenswert. Wenn man sich den Baum genauer ansieht, kommt man allerdings ins Grübeln.

Wenn der älteste Baum viel jünger ist
Schenklengsfelder Sommer-Linde im Juli 2020 mit beeindruckenden Ausmaßen der Krone. | Foto: Roloff
Denn: Die Schenklengsfelder Linde besteht aus vier einzelnen etwa gleich starken, „nur“ 90 bis 130 cm dicken Stämmen, die auf einem Kreis exakt in Nord-, West-, Ost- und Süd-Position stehen und Reste des ursprünglichen Stammes sein sollen. Darüber befindet sich eine gemeinsame geleitete Lindenkrone aller vier Stämme, deren Äste seit langer Zeit nach außen orientiert werden und so eine sehr mächtige, etwa 25 m breite Krone entwickelt haben. Zum Abstützen und Astleiten steht ein großflächiges Stützgerüst aus Holz unter und um den Baum, auf dem viele Äste, zum Teil auch die Stammverlängerungen aufliegen und befestigt sind. Darüber staunt man noch mehr und ist äußerst beeindruckt über diese einmalige Erscheinung.

Schenklengsfelder Linde: Stämme im Quadrat gepflanzt?

An sich gibt es eine Übereinkunft, dass man mit dem Baumalter die Jahrringe des jetzt stehenden Stammes meint – wenn er bei sehr alten Bäumen regelmäßig nur noch teilweise erhalten ist, wird aus dem verbliebenen Stammmantel unter Annahme eines „moderaten" Wachstums von seinem vervollständigten Umfang das theoretisch mögliche Alter hergeleitet, mit Angabe eines Unsicherheitsbereiches von etwa ± 10% (zum Beispiel uralter Olivenbaum auf Korfu mit 10,97 m Stammumfang: ± 1120+112 Jahre, Gillner & Roloff 2016). Etwas irritiert stellt man in Schenklengsfeld fest, dass die exakte Position der heutigen vier Stämme genau in den vier Himmelsrichtungen ist. Haben die damaligen Bewohner vor 1.200 Jahren dort die Stämme so im Quadrat gepflanzt? Das ist ausgeschlossen, denn sonst hätten es ursprünglich vier Bäume gewesen sein müssen, die inzwischen zu vier miteinander verwachsenen Riesenlinden geworden wären. Es sollen vielmehr vier Reste des ersten Stammes an genau diesen Positionen sein, welcher „Überlieferungen zufolge" im Jahre 760 anlässlich der Errichtung einer christlichen Kapelle gepflanzt worden sei. Diese Position der Stämme kann allerdings nicht von Natur aus entstanden sein, sondern wurde menschgemacht gewollt so erzogen.

Zahlreiche fingerdicke zwei- bis fünfjährige Neuaustriebe am Stammfuß eines der jetzigen vier Stämme. | Foto: Roloff
Zahlreiche fingerdicke zwei- bis fünfjährige Neuaustriebe am Stammfuß eines der jetzigen vier Stämme. | Foto: Roloff
Dafür hat es im Mittelalter häufiger religiöse Gründe gegeben, da man damit eine Kreuzform ausdrücken wollte – diese Erscheinung gibt es ebenso an anderen Orten bei früheren Baumpflanzungen. Dies ist allerdings nicht mit vier Stammresten an genau diesen Positionen möglich, sondern es müssen natürliche Austriebe gewesen sein, von denen große alte Linden fast immer hunderte am Stammfuß aufweisen – so auch heute bei dieser Linde. Dabei findet man problemlos jederzeit geeignete „Nachkömmlinge“ genau in den vier Himmelsrichtung-Positionen und lässt diese wieder zu Stämmen wachsen. Es muss sich also bei ihren heutigen Dimensionen um die Wiederaustriebe von früheren Wiederaustrieben des ursprünglichen Baumes handeln – somit sind dies heute mindestens die dritten oder sogar vierten Stammfußaustriebe der Nachfolge-Schösslinge des ursprünglichen Baumes. Wenn man der Schenklengsfelder Altersdatierung folgen würde, wären also auch jetzige fingerdicke Austriebe 1200 Jahre alt, was eine Alterszählung an alten Linden ad absurdum führen würde. Vielleicht hat schon im Jahr 760 dort eine Linde gestanden? Dann wären die heutigen Austriebe womöglich sogar schon „noch älter". Nach der Schenklengsfelder Methode gäbe es zudem etliche andere ebenso alte oder noch ältere Linden in Deutschland, denn meist ist unbekannt, wie häufig der ursprüngliche Baum inzwischen wieder ausgetrieben hat und wann er entstanden war.

Marketing für die ältesten Bäume Deutschlands

Auf einer Tafel am Baum wird als Nachweis die untersuchte identische Genetik der vier Stämme angeführt. Die sagt jedoch nur aus, dass es derselbe Baum ist und nicht vier verschiedene im Quadrat gepflanzte Bäume im Ursprung waren. Wiederaustriebe der ursprünglichen Linde haben natürlich dieselbe Genetik, wie sollte es anders sein – allerdings könnten es auch mehrere Stecklinge von einer einzigen Linde gewesen sein. In diesem Zusammenhang ist interessant, dass sich an der Schenklengsfelder Linde derzeit bereits wieder vier Nachfolge-Stämme in „Anzucht“ aus Stammfußaustrieben befinden, bei jedem Stamm einer. Aufgrund der Fäule der Stämme ist dies auch notwendig und sinnvoll. Sie sind derzeit etwa 25 bis 35 cm dick und wären bei Fortsetzung der Schenklengsfelder Altersdatierung jetzt also auch schon 1200 Jahre alt. Ich denke, damit wird klar, dass dies so nicht sein kann. Für das Marketing dieser Linde (und anderer alter Bäume) ist natürlich vieles erlaubt. Aber man sollte schon darauf hinweisen, dass diese heutigen vier Stämme nicht 1200 Jahre alt sein können, um die Öffentlichkeit nicht zu verwirren. Außerdem gäbe es hierzulande dann auch viele Silber-Weiden, Zitter-Pappeln und weitere Baumarten mit vielfachem Wiederaustrieb, die schon zum Teil deutlich über 1000 Jahre alt sein müssten. Berühmt ist die ähnlich fehldatierte „9700 Jahre alte“ Fichte in den nordschwedischen Gebirgen, die tatsächlich nur etwa 80 Jahre alt ist (Mackenthun 2012). Und wenn jemand in seinem Garten einen 100-jährigen Nussbaum absägt und dieser anschließend wieder austreibt, sind die Austriebe auch nicht 101 Jahre alt.
Nachzöglinge von Zukunftsstämmen (links und rechts im Bild) aus den Stammfüßen der Vorgänger, vermutlich dritten oder vierten Generation. | Foto: Roloff
Nachzöglinge von Zukunftsstämmen (links und rechts im Bild) aus den Stammfüßen der Vorgänger, vermutlich dritten oder vierten Generation. | Foto: Roloff
Es konnte gerade in einer Masterarbeit über die Erfassung alter Bäume (Riedenklau & Roloff 2020) ernüchternd geklärt werden, dass es (bisher) wohl leider keine Urkunden oder andere Beweise einer Baumpflanzung vor dem Jahr 1400 mehr gibt und somit auch keinen sicheren Nachweis eines tausendjährigen Baumes in unserem Land. Denn vor 1000 Jahren hat noch niemand beurkundet: „Wir haben heute eine kleine Linde (oder Eibe, Eiche) gepflanzt." Man kann nur versuchen, dies aus möglichst alten Beschreibungen oder Grafiken des früher schon alten Baumes herzuleiten, wie es mit etwa 800 Jahren Kaditzer Linde in Dresden gelungen ist (Roloff 2021). In China hingegen gibt es solche schriftlichen Belege seit 2000 Jahren durch die Kalligrafie, zum Beispiel für einen 3.700 Jahre alten Ginkgo, dessen Stamm heute noch der ursprüngliche ist (Roloff 2019).
Wie ist nun das mögliche Alter der Schenklengsfelder Linde anzusetzen? Wie schon genannt: Als Klon mag sie 1200 Jahre alt sein, wenn es heute noch Wiederaustriebe desselben Baumes sind. Das Alter der heute vorhandenen vier Stämme dürfte bei o.g. Umfängen von drei bis vier Metern (wohlwollend) 200 bis 300 Jahre sein. Wenn man sich die Stämme genauer ansieht und ihr stärkeres Wachstum infolge Wiederaustrieb berücksichtigt, ist sie wohl eher jünger, aber das ist dann auch nicht wichtig, da dieses Alter nichts Besonderes ist. Zu den 30 ernstzunehmenden Kandidaten für Deutschlands ältesten Baum gehört diese Linde jedenfalls nicht. Nichtsdestotrotz ist die Schenklengsfelder Linde aber ein sehr beeindruckendes Baumnatur- und Kulturdenkmal von nationalem Rang. Sie könnte daher sogar Nationalerbe-Baum werden, wenn die beschriebenen irritierenden bzw. falschen Alters- und Umfang-Angaben korrigiert würden, zum Beispiel indem man das Alter als Klon-Alter bezeichnet, wie es andernorts in solchen Fällen getan wird.
Möglicher Kandidat für den ältesten Baum Deutschlands: die Femeiche in Erle in Nordrhein-Westfalen. | Foto: Roloff
Möglicher Kandidat für den ältesten Baum Deutschlands: die Femeiche in Erle in Nordrhein-Westfalen. | Foto: Roloff

Tatsächlich uralte Bäume – Femeiche in Erle und Eibe in Balderschwang

Wesentlich sicherer ist das hohe Alter der Femeiche in Raesfeld-Erle (NRW), die ebenfalls oft bei der Internetsuche genannt wird: Mit zwei Stammteilen, die eindeutig keine Wiederaustriebe, sondern Reste des ursprünglichen Stammes sind, bei einem heutigen Umfang von 12,50 m – damit könnte sie tatsächlich 800 bis 1000 Jahre alt sein. Ein noch höheres Alter wäre bei der Eibe in Balderschwang (Bayern) möglich, was aber keiner beweisen kann. Die beiden vorhandenen Stammreste erinnern kaum noch an den ursprünglichen Baum und haben daher nur noch eine bescheidene Wirkung.

Gedeiht die grüne Branche?

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Professor Dr. Andreas Roloff leitet den Lehrstuhl für Forstbotanik der TU Dresden, ist Direktor des Instituts für Forstbotanik und Forstzoologie und des Forstbotanischen Gartens Tharandt. | Foto: Roloff
Professor Dr. Andreas Roloff leitet den Lehrstuhl für Forstbotanik der TU Dresden, ist Direktor des Instituts für Forstbotanik und Forstzoologie und des Forstbotanischen Gartens Tharandt. | Foto: Roloff

Literatur:

  • Brunner, M., 2007: Bedeutende Linden – 400 Baumriesen in Deutschland. Haupt Verlag, Bern.
  • Gillner, S.; Roloff, A., 2016: Das Alter von Olivenbäumen – Ein wissenschaftlicher Ansatz zur Altersabschätzung von Olivenbäumen (Olea europaea L.) auf Basis einer jahrringanalytischen Methode. Mitt. Dt. Dendrol. Ges. 101, 9-18.
  • Mackenthun, G., 2012: "Ältester lebender Baum der Welt in Schweden entdeckt" – Kleiner Fehler oder grober Irrtum? Mitt. Dt. Dendrol. Ges. 97, 151-162.

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