Aktuelle Normen und Regelwerke für den Baumschutz auf Baustellen
2023 haben die Richtlinien zum Schutz von Bäumen und Vegetationsbeständen bei Baumaßnahmen (R SBB) die RAS-LP 4 ablösten. Herausgegeben von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) als R 1 Regelwerk, unterliegen diese Richtlinien einer hohen Verbindlichkeit und regulieren detailliert, wie technische Sachverhalte in Bauprojekten geplant und realisiert werden sollen. B_I galabau präsentiert die wesentlichen Struktur- und Inhaltänderungen im Vergleich zur vorangegangenen Version.
Struktur und inhaltliche Änderungen
Die Struktur der R SBB orientiert sich weitgehend an der Vorgängerversion aus dem Jahr 1999. Die Überarbeitung machte jedoch Aktualisierungen erforderlich. Dies gilt auch für die Abbildungen, die alle an den Text angepasst und aktualisiert wurden (siehe Abb. 1 bis 3). Weiterhin mussten verschiedene Begriffe an die geltenden Begrifflichkeiten anderer Regelwerke angepasst werden. Dies gilt insbesondere für einen der Schlüsselbegriffe dieses Regelwerkes: das Wort „Schadensbegrenzung“ wurde durch „Schadensminimierung“ ersetzt (Erläuterungen hierzu: siehe unten). Die RAS-LP 4 hatte zusätzlich zum Schutz von Bäumen und Vegetationsbeständen auch den Schutz von Tieren zum Inhalt. Diese Aspekte wurden nun gestrichen, da bereits 2017 mit den „Hinweisen zum Artenschutz beim Bau von Straßen“ (H ArtB 2017) ein eigenes Regelwerk der FGSV zu diesem Themenkomplex erarbeitet wurde. Die R SBB fokussiert damit im Wesentlichen auf den Baumschutz und ergänzend auf den Schutz von Vegetationsbeständen bei Baumaßnahmen.
Voruntersuchungen
Abstände bei Abgrabungen
Bezüglich der Abstände von Abgrabungen zum Baum gab es in der RAS-LP 4 drei Angaben:
- Außerhalb des Wurzelbereichs (Schutz)
- Mindestens den vierfachen Stammumfang (Schadensbegrenzung)
- Mindestens 2,5 Meter (Schadensbegrenzung)
Schutzmaßnahmen
- Zwischenlager (gilt auch für anfallendes Material bei der Baufeldräumung sowie bei Abbruch- und Bodenarbeiten). Die Lagerflächen befinden sich außerhalb des Wurzelbereichs der Bäume bzw. außerhalb der zu schützenden Vegetationsbestände
- Schutzzäune (beispielsweise ortsfeste Zäune zum Schutz des gesamten Wurzel- und Kronenbereichs von Bäumen und/oder der zu schützenden Vegetationsbestände)
- Grabenlose Leitungsbauverfahren (Verlegung von Ver- und Entsorgungsleitungen in geschlossener Bauweise)
- Leitungsbauverfahren mit offener Baugrube (Herstellung von Leitungsgräben unter Schonung des Wurzelwerks durch Absaugen oder in Handarbeit. Freigelegte Wurzeln sind gegen Austrocknung und daher auch bei Frost zu schützen).
Schadensminimierung
Die Möglichkeiten zur Schadensminimierung für Bäume werden im Kapitel 4 beschrieben, es ist deutlich umfangreicher und beinhaltet folgende Themen:
- Bodenauftrag (vorübergehende oder dauerhafte Aufschüttungen)
- Bodenabtrag (vorübergehender oder dauerhafter Abtrag, auch Baugruben und Geländeeinschnitte). Zu diesem Themenkomplex gehören auch die Behandlung von verletzen Wurzeln und der Bau eines Wurzelvorhangs (Abb. 3).
- Bodenverdichtungen (beispielsweise durch Befahren mit Fahrzeugen, Lagerung von Materialen)
- Vernässung und Überstauung (beispielsweise durch baubedingte Wasserableitung)
- Schichten- und Grundwasser (Änderungen durch Erdarbeiten)
- Freistellen älterer Bäume (beispielsweise in Gehölzbeständen für den Neubau von Straßen)
- Weitere Schäden an Bäumen (beispielsweise Verunreinigungen im Wurzelbereich (Treibstoff, Öle, Zement, Salze etc.), Beschädigungen des Baumes durch Baumaschinen, Drähte, Nägel und Ketten, Fällarbeiten sowie durch das Ziehen von Stubben mit der Folge von Wurzel- und Stammschäden an verbleibenden Bäumen)
- Verpflanzen von Bäumen (Erhalt von Bäumen durch Verpflanzung).
Die Möglichkeiten zur Schadensminimierung bei Vegetationsbeständen sind im Vergleich zu einem Baumbestand sehr gering. Entsprechend kurz ist das Kapitel 5 und gliedert sich in folgenden Unterkapitel:
- Bodenauftrag und Bodenabtrag (Schadensminimierung meist nicht möglich. Bei Abgrabungen können Dichtschürzen das Austrocknen des Bodens verhindern)
- Zwischenlager für Boden und anderes anfallendes Material (Schadensminimierung meist nicht möglich)
- Schichten- und Grundwasser (beispielsweise Bewässerung bei Wasserentzug)
- Verpflanzen von Vegetationsbeständen (im Rahmen der Bauvorbereitung / vor Beginn der Baumaßnahme).
Rückbau von Schutzeinrichtungen
Unser Autor
Prof. Dr. Dirk Dujesiefken ist seit Mitte der 1990er Jahre Mitglied im Arbeitskreis für die Erarbeitung der RAS-LP 4 bzw. R SBB bei der FGSV. Er ist zudem Mitglied in mehreren Regelwerksausschüssen (RWAs) bei der FLL und leitet dort den RWA „ZTV-Baumpflege“.
Kontakt: Institut für Baumpflege, Brookkehre 60, 21029 Hamburg, dirk.dujesiefken@institut-fuer-baumpflege.de
Ausblick
Für einen nachhaltigen Baumerhalt ist es entscheidend, dass der Baumschutz auf Baustellen so organisiert wird, dass dieser konsequent umgesetzt wird (Amtage 2019). Die Baumschutzfachliche Baubegleitung leistet hierbei einen elementaren Beitrag. Dafür ist es jedoch zwingend notwendig, dass sie von Beginn der Planung bis zum Abschluss der Baumaßnahmen beratend und begleitend t ätig ist und dass alle für den Baumschutz geltenden Normen, Regelwerke sowie Merkblätter berücksichtigt werden (Dujesiefken 2021). Hierbei spielt auch die fachgerechte Ausschreibung, z. B. gemäß ZTV-Baumpflege (2017), eine wesentliche Rolle.
Eine solche spezielle und konsequente Begleitung von Baumaßnahmen bezüglich des Baumschutzes ist bundesweit nach wie vor eher die Ausnahme. Aus diesem Grund wird zurzeit vonseiten der FLL ein Fachbericht erarbeitet, der den Baumschutz von der Planungs- bis Ausführungsphase berücksichtigt (Amtage & Büttner 2021). Das Werk soll zudem die Kommunikation zwischen den verschiedenen Gewerken befördern und die Koordination der verschiedenen Arbeitsschritte unterstützen. Weiterhin soll die zeitliche Einbindung, Zuständigkeit und Dauer der Baumschutzfachlichen Baubegleitung ausführlich dargestellt werden. Über den Stand dieser Arbeit wird auf den diesjährigen Deutschen Baumpflegetagen in Augsburg berichtet. Am 24. April werden der Leiter dieses Ausschusses, Thomas Amtage, sowie Tanja Büttner von der FLL die bisherigen Arbeitsergebnisse vorstellen.
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Literatur
Normen und Regelwerke:
DIN 18920, 2014: Vegetationstechnik im Landschaftsbau – Schutz von Bäumen, Pflanzenbeständen und Vegetationsflächen bei Baumaßnahmen. Beuth Verlag, Berlin, 8 S.
FLL-Baumkontrollrichtlinien, 2020: Richtlinien für Baumkontrollen zur Überprüfung der Verkehrssicherheit. Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau (FLL), Bonn, 52 S.
H ArtB, 2017: Hinweise zum Artenschutz beim Bau von Straßen. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), Köln, 56 S.
RAS-LP 4, 1999: Richtlinien für die Anlage von Straßen, Teil: Landschaftspflege, Abschnitt 4: Schutz von Bäumen, Vegetationsbeständen und Tieren bei Baumaßnahmen. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), Köln, 32 S.
R SBB; 2023: Richtlinien zum Schutz von Bäumen und Vegetationsbeständen bei Baumaßnahmen. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), Köln, 28 S.
ZTV-Baumpflege, 2017: Zusätzlich Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Baumpflege, 6. Ausgabe, Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau (FLL), Bonn, 82 S.
Veröffentlichungen:
Amtage, T., 2019: Baumschutz auf Baustellen vorausschauend planen, ausschreiben und überwachen. In: Dujesiefken, D. (Hrsg.): Jahrbuch der Baumpflege 2019, Haymarket Media, Braunschweig, 83–89. Nachdruck im Jahrbuch der Baumpflege 2021. Haymarket Media, Braunschweig, 317–323.
Amtage, T.; Büttner, T., 2021: Die baumschutzfachliche Baubegleitung: Ein Instrument zur Umsetzung des Baumschutzes auf Baustellen. In: Dujesiefken, D. (Hrsg.): Jahrbuch der Baumpflege 2021. Haymarket Media, Braunschweig, 225–233.
Dujesiefken, D., 2021: Straßenbau und Bäume – die aktuellen Normen und Regelwerke zum Baumschutz. In: Dujesiefken, D. (Hrsg.): Jahrbuch der Baumpflege 2021. Haymarket Media, Braunschweig, 143-152.
Institut für Baumpflege (Hrsg.), 2022: Verkehrssicherheit und Baumkontrolle. Der Praxisleitfaden zu den FLL-Baumkontrollrichtlinien. Haymarket Media, Braunschweig, 200 S.
Stobbe, H.; Kowol, T., 2021: Gesunde Bäume trotz Leitungsbau – Handlungsempfehlungen für einen fachgerechten Baumschutz. In: Dujesiefken, D. (Hrsg.): Jahrbuch der Baumpflege 2021, Haymarket Media, Braunschweig, 69–77.
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